Weltweit leiden etwa 24 Millionen Menschen an Alzheimer, einer Form der Demenz, die sich vor allem durch Vergesslichkeit und den Verlust kognitiver Fähigkeiten äußert. Die Ursachen dieser Krankheit sind noch nicht vollständig geklärt, aber es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang mit verschiedenen Einflussfaktoren, darunter Parodontitis - eine Entzündung des Zahnhalteapparats. Studien haben bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass Alzheimer-Patienten häufig auch unter Problemen mit ihrer Zahngesundheit leiden. Senioren über 65 Jahre mit Parodontitis haben ein bis zu 70 Prozent höheres Risiko, an Alzheimer zu erkranken.
Ein internationales Forscherteam konnte nun die Verbindung zwischen Alzheimer und der Zahnerkrankung nachweisen und damit frühere Vermutungen bestätigen. Die im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlichte Studie zeigt, dass im Gehirn von Alzheimer-Patienten Spuren von Parodontitis-Bakterien gefunden wurden.
Was ist Parodontitis?
Parodontitis ist eine Entzündung des Zahnhalteapparates, die unbehandelt zum Verlust der Zähne führen kann. Sie beginnt oft mit geschwollenem und gerötetem Zahnfleisch und kann sich auf den gesamten Körper auswirken. Die Erkrankung wird durch Bakterien verursacht, die sich im Mundraum ansiedeln und eine Entzündungsreaktion auslösen. Diese Entzündung kann zum Abbau des Kieferknochens und zur Lockerung der Zähne führen.
Der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Alzheimer
Bakterienwanderung ins Gehirn
Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass bestimmte Parodontitis-Bakterien über Nervenbahnen ins Gehirn wandern und dort Entzündungen auslösen können. Wissenschaftler haben bei verstorbenen Alzheimer-Patienten das Bakterium Porphyromonas gingivalis in der Gehirnflüssigkeit nachgewiesen. Dieses Bakterium ist auch im Mundraum von Menschen mit Parodontitis häufig zu finden.
Beta-Amyloid-Ablagerungen
Die chronische Infektion durch Porphyromonas gingivalis kann dazu führen, dass sich das Bakterium nicht nur im Mundraum, sondern auch im Gehirn ansammelt. Dort bildet es Beta-Amyloid-Ablagerungen - Proteine, die die Nervenzellen des Gehirns schädigen und im Zusammenhang mit Alzheimer stehen.
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Entzündungsfördernde Zytokine
Eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung (PZR) kann die Anzahl der entzündungsfördernden Zytokine reduzieren und das Entzündungsgeschehen im Mundraum deutlich zurückgehen lassen. Dadurch können systemische Infektionen vermieden werden.
Molekulare Scheren und ihre Wirkung
In den Gehirnen von verstorbenen Alzheimerpatienten wurden höhere Mengen von Spuren des Parodontose-Bakteriums Porphyromonas gingivalis gefunden als in den Gehirnen gesunder Menschen. Auch Gingipaine, Enzyme, die der Keim als Enzyme zum Aufspalten von Eiweißen bildet, wurden entdeckt. Die Gehirne waren umso krankhafter verändert, je stärker sie mit den bakteriellen Enzymen belastet waren.
Diese Enzyme scheinen genau diejenigen Moleküle zu sein, die die Nervenzellen im Gehirn schädigen. Sie schneiden das Protein Tau, welches eine zentrale Rolle bei der Alzheimer Krankheit spielt, rasch durchschneiden. Wurden diese Proteasen ins Gehirn der Mäuse gegeben, kam es dort zu Schädigungen und die Mäuse zeigten ähnliche Symptome wie die Alzheimer Erkrankung.
Forschungsprojekte und Studien
SHIP-Studie (Study of Health in Pomerania)
Im Rahmen der Langzeitstudie SHIP wird seit 1997 der Einfluss von Zahnerkrankungen auf die Allgemeingesundheit der Menschen erforscht. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass entzündlicher Zahnfleischschwund aufgrund von Parodontitis unter anderem das Risiko für einen Herzinfarkt und Demenz erhöht.
Greifswalder GANI-MED-Studie
Wissenschaftler der Universitätsmedizin Greifswald konnten in einer Studie den Zusammenhang zwischen der Behandlung von Zahnfleischerkrankungen und beginnender Alzheimer-Krankheit bestätigen. Die Behandlung der Parodontitis zeigte einen positiven Effekt auf den Verlust der Gehirnsubstanz.
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Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI)
Am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) läuft bis 2023 das Projekt „Gums & Brains“, das die Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Alzheimer in Zell- und Tiermodellen untersucht. Ziel ist es, neue Wirkstoffkandidaten zu finden, um die durch Parodontitis ausgelösten Entzündungsreaktionen zu reduzieren.
Forsyth Institute
Neue Forschungen des Forsyth Institute zeigen eine Verbindung zwischen Parodontitis und der Bildung von Amyloid-Plaques, einem charakteristischen Merkmal bei einer Alzheimererkrankung. Die Forschung zeigt, dass Parodontitis zu Veränderungen in den Mikrogliazellen führt, die das Gehirn normalerweise vor Alzheimer-Plaques schützen.
Medikamentenforschung in den USA
In den USA wird bereits an einem Medikament geforscht, dass die Parodontitis-Bakterien im Gehirn stoppen soll.
Beobachtungsstudie
Eine Beobachtungsstudie aus Großbritannien konnte den Zusammenhang zwischen Parodontitis und Alzheimer zeigen.
Vorbeugung und Behandlung
Regelmäßige Prophylaxe-Termine
Regelmäßige Prophylaxe-Termine beim Zahnarzt sind wichtig, um Parodontitis frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Zahnarzt Dr. Gaß rät Patienten aus Würzburg und Umgebung deshalb, regelmäßig Prophylaxe-Termine wahrzunehmen.
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Umfassende Parodontitis-Prophylaxe
Nicht nur ältere Patienten profitieren von einer umfassenden Parodontitis-Prophylaxe. Da die Zahnfleischerkrankung häufig über einen längeren Zeitraum ohne Symptome bleibt, sollten auch jüngere Patienten regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen.
Individuell abgestimmtes Therapiekonzept
Eine Parodontitis sollte umfassend mit einem individuell abgestimmten Therapiekonzept behandelt werden, sodass sich die Bakterien im Mundraum nicht weiterverbreiten können.
Optimale Mundhygiene
Eine gute Mundhygiene ist wichtig, um Parodontitis vorzubeugen. Dazu gehört das tägliche Zähneputzen und die Reinigung der Zahnzwischenräume mit Zahnseide oder Interdentalbürstchen. Zahnmedizin-Professor Kocher betont deshalb, dass der regelmäßige Zahnarztbesuch vorbeugend wichtig ist, besonders für Menschen mit Parodontitis.
Behandlungsmethoden
Die Behandlung der Parodontitis umfasst zwei Schienen:
- Der Patient reinigt seine Zähne optimal, auch zwischen den Zähnen.
- Der Zahnarzt reinigt unterhalb des Zahnfleisches.
Es ist wichtig, dass die Tiefe der Zahntaschen gemessen wird, denn die Parodontitis-Vorsorge wird oft stiefmütterlich behandelt.
Minimal-invasive Behandlungsmethoden
Es gibt mittlerweile auch minimal-invasive Behandlungsmethoden wie Pulverstrahlsysteme und die photodynamische Therapie.
Gingipain-Blocker
In Versuchen wurde festgestellt, dass die Behandlung von Alzheimer-Mäusen mit einem Gingipain-Blocker (Wirkstoff Atuzaginstat) und weiteren Antibiotika zu weniger Proteinablagerungen im Gehirn führt. Die Entwicklung von Atuzaginstat als Alzheimer-Medikament wurde 2022 eingestellt, da die Schädigung der Leber ein Sicherheitsrisiko darstellte.
Gesunde Lebensweise
Ein gestärktes Immunsystem, reichlich Bewegung und eine gesunde Ernährung sind ebenfalls wichtig für eine langanhaltende Gesundheit.
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