Die Demenzerkrankung ist ein Thema, das viele Menschen betrifft und oft mit Leid und Hilflosigkeit verbunden ist. Der Schauspieler Jörg Hartmann, bekannt durch seine Rolle als Tatort-Kommissar Peter Faber, hat sich in seinem Roman "Der Lärm des Lebens" und in seiner Arbeit beim Tatort intensiv mit dieser Krankheit auseinandergesetzt. Dabei verarbeitet er persönliche Erfahrungen mit der Demenz seines Vaters und setzt sich auf künstlerische Weise mit den Herausforderungen und emotionalen Belastungen auseinander, die diese Krankheit mit sich bringt.
Demenz: Eine fortschreitende Erkrankung des Gehirns
Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung des Gehirns, die Gedächtnis, räumliches Orientierungsvermögen und Sprachvermögen beeinträchtigt. Der Begriff Demenz stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich "ohne Verstand sein". Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz.
Jörg Hartmanns persönliche Auseinandersetzung mit Demenz
Jörg Hartmann wurde am 8. Juni 1969 in Hagen geboren. Er ist Schauspieler, Hörspielsprecher und Drehbuchautor. Er ist bekannt für seine Rollen als Stasi-Offizier Falk Kupfer in der ARD-Fernsehserie Weissensee und als Dortmunder Tatort-Kommissar Peter Faber, den er seit 2012 verkörpert. Neben zahlreichen Theaterinszenierungen stand er in über 40 Filmproduktionen vor der Kamera.
Hartmanns Eltern betrieben zeitweise eine eigene Pommesbude. Hartmann wuchs in Herdecke im Ruhrgebiet auf. In erster Ehe heiratete Jörg Hartmann 1993 die aus Leipzig stammende Schauspielerin Simone Kabst, von der er sich 2013 trennte, um mit der Schweizer Schauspielerin Silvia Medina zusammenzuleben. Mit Kabst hat er eine Tochter, mit Medina eine Tochter und einen Sohn.
In seinem Roman "Der Lärm des Lebens" blickt Jörg Hartmann auf seine Familie und erzählt darin auch von der Demenzerkrankung seines Vaters. Der 54-Jährige nannte den Tod von Familienmitgliedern, speziell von Kindern, einen Horror. "Ihn dort zu sehen - das Ende, auf das er zusteuerte, war schrecklich", erinnerte sich der "Tatort"-Darsteller und fügte hinzu: "Das wünscht man niemandem."
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Hartmann verarbeitet in seinem Buch den Tod seines demenzkranken Vaters. Er schreibt darüber, wie die Demenz die Erinnerungen seines Vaters auffraß und wie er sich wünschte, er hätte ihm viel mehr Fragen gestellt. Das Schreiben war für ihn Bewältigung, aber keine Heilung.
Hartmann betont, dass sich sein Buch nicht zu sehr um den Faber-Kommissar drehen soll. Er möchte kein Promi sein, der nur Anekdoten aus der Schauspielwelt erzählt. Die Grundlage des Textes ist ein Sittenbild, ein Spannungsfeld zwischen der Heimat Herdecke, dem Wohnort Potsdam und dem Standort Schaubühne am hinteren Berliner Kudamm.
Hartmann zog vor 21 Jahren nach Potsdam, weil ihn Berlin genervt hat. Junkies vor der Tür, "wir waren jedes zweite Wochenende in Potsdam, die Sauna im Brauhausbad war traumhaft günstig, hinterher ins indische Restaurant, und die Luft war hier viel besser."
Er schreibt im Buch, wie er in Dreharbeiten steckte, sein Vater lag im Sterben, die Frage brannte auf den Nägeln, ob er den Dreh abbrechen solle, auf der Stelle. Viel Geld wäre beim Film dadurch verbrannt. Sechsstellige Beträge. "Wird schon", dachte Hartmann, ich drehe hier zu Ende, und dann heim nach Herdecke. Dieses "Wird schon" liegt als Grundkonstante in dem Buch, um es letztlich variantenreich zu widerlegen. Es wird eben nicht, wenn man die Dinge treiben lässt, ohne Zug zum Tor. Ohne Zugang zu sich selbst. Sein Vater starb, wortgewaltiger Handwerker, energetischer Handballer, während der Sohn drehte.
Als ungestümer, junger Künstler tritt Jörg Hartmann in sein Buch, er beginnt mit der Geschichte, wie er, als Schauspielstudent, vier Jahre nach dem Mauerfall aus Stuttgart zur Berliner Schaubühne pilgerte - um Andrea Breth, die Intendantin, davon zu überzeugen, dass sie ihn und seinen Freund Hüseyin umgehend engagieren müsse. Trotz erster hoffnungsvoller Zeichen hat es nicht geklappt, beim Vorsprechen wurden sie abgebügelt. "Ich sehe keine Biografie", motzte die Breth, schon nach zwei Sätzen. Die berühmte Intendantin Breth steht hier als ein Symbol für Kompetenz, doch auch für Willkür. Und für Härten im menschlichen Umgang. "So ist das Business am Theater, man muss sich warm anziehen", sagt Hartmann nun im Café Heider. Gelöst, weil er es längst geschafft hat, sich an der Schaubühne zu etablieren.
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An der Schauspielschule wurde Hartmann gefragt, ob er "seine Berufswahl überdenken" wolle. Der Direktor an der Stuttgarter Schauspielschule sagte ihm, während der Ausbildung, du spielst zu äußerlich, du musst viel mehr nach innen gehen! "Das hat mich so gewurmt, dass ich es bis zum Exzess getrieben habe", sagt Hartmann. "Nach einem Jahr hat sich der Mann erkundigt, ob ich meine Berufswahl überdenken wolle. Aus dem Ärger über diese Frage habe ich enorme Kraft gezogen."
Seine Eltern mussten sich gewöhnen an den Kerl, den er seit zwölf Jahren in Dortmund spielt, diesen Faber, kaputter Kommissar, der Frau und Kind durch Mord verloren hat. "Meine Eltern waren schon ein bisschen stolz auf mich, aber sagten, du bist ja gar nicht nett zu den Kollegen!" In Herdecke hieß es bei Nachbarn, "Mensch Jörg, du bist doch sonst so’n Lustiger, warum spielst du nicht mal was mit Witz?" Muss man mir erstmal anbieten, hat Hartmann geantwortet.
"Dass Dortmund nahe an der Heimat liegt, war ein starkes Argument für mich, die Rolle anzunehmen", erzählt er. Er kenne die Mentalität, er wisse, auf welchem Boden er dort stehe. "Die Figur war noch nicht fertig, 50 Prozent des Faber-Profils konnte ich selbst entwickeln." Inspirieren ließ er sich von der Serie "Luther", "der Typ war fertig, immer wieder wurden Grenzen überschritten, das wollte ich auch!"
Als Kommissar in Dortmund hat Hartmann noch einen Vertrag über drei Jahre, normalerweise wird nur um zwei Jahre verlängert. Hartmann als Faber ist der Anker. Um ihn herum jedoch hören Kollegen auf, Aylin Tezel, Anna Schudt, nun Rick Okon. Ist die Stimmung so schlecht? "Nein, keinesfalls, aber natürlich ist es traurig, dass sie gehen", sagt er. Arbeitszeiten in der "Tatort"-Serie können knebeln. Wer dort Schluss mache, hat mehr Zeit für das Theater oder andere Filme. Jörg Hartmann hat am Drehbuch für die Folge "Du bleibst hier" (2023) zu großen Teilen mitgeschrieben, es war die Episode nach dem Ausstieg von Anna Schudt, die als Kommissarin Bönisch starb. "Das Schreiben war für mich Motivation, damit die Flamme nicht ausgeht", sagt Hartmann. Er sitzt an einem weiteren Buch, ob Prosa oder eine andere Richtung, will er nicht verraten.
Peter Faber: Ein Kommissar mit Ecken und Kanten
Die Rolle des Peter Faber im Dortmunder Tatort ist geprägt von Brüchen, Trauer und einer gewissen Unnahbarkeit. Faber hat seine Frau und sein Kind durch einen Mord verloren und kämpft mit seiner Vergangenheit. Er ist ein Einzelgänger, der oft aneckt und sich schwer tut, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen.
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Hartmann hat die Figur des Faber maßgeblich mitgestaltet und ihm seine eigene Handschrift verliehen. Er beschreibt Faber als einen Mann, der mehrere Schichten anhat, weil er sich schützen muss. Dazu gehören auch seine "komischen Schuhe", weil er kein Schreibtisch-Typ sei und immer auf dem Sprung.
In der Tatort-Folge "Du bleibst hier" (2023), bei der Hartmann am Drehbuch mitgeschrieben hat, wird Faber mit dem Tod seiner Kollegin Martina Bönisch konfrontiert. Er trauert um sie und kämpft gleichzeitig mit seiner eigenen Vergangenheit. Sein Vater, der an Demenz erkrankt ist, taucht im Zuge der Ermittlungen auf und konfrontiert Faber mit seiner Familiengeschichte.
"Du bleibst hier": Eine Episode über Verlust, Trauer und Familiengeschichte
Die Tatort-Folge "Du bleibst hier" ist die 1222. Episode der Krimireihe und der 22. Fall für Hauptkommissar Peter Faber, der elfte für Jan Pawlak und der fünfte für Rosa Herzog. Das Drehbuch wurde maßgeblich von Jörg Hartmann selbst entwickelt. Regie führte Richard Huber.
Die Episode feierte am 15. Januar 2023 im Ersten Premiere und erreichte 8,12 Millionen Zuschauer mit einem Marktanteil von 26,0 Prozent. Nach der Ausstrahlung wurde besonders die emotionale Tiefe der Folge gelobt. Der "Tatort: Du bleibst hier" wurde als "filmische Trauerarbeit" und als "Psychogramm, rührendes Demenzdrama und aufwühlende Charakterstudie mit grandiosen Darstellern" bezeichnet.
In "Du bleibst hier" kehrt Faber nach dem Tod seiner Kollegin Martina Bönisch zurück in den Dienst. Er ist verwahrlost und des Lebens überdrüssig. Gleichzeitig wird er mit einem Mordfall konfrontiert, in dem sein Vater unter Verdacht gerät. Die Ermittlungen führen Faber in seine eigene Vergangenheit und konfrontieren ihn mit seiner Familiengeschichte.
Ein zentrales Thema der Episode ist der Verlust. Faber trauert um Martina Bönisch und muss gleichzeitig den Verlust seines Vaters durch die Demenz verkraften. Er hadert mit seiner Vergangenheit und sucht nach Antworten auf offene Fragen.
Die Familiengeschichte spielt in diesem Tatort eine zentrale Rolle: Auch für Peter Faber persönlich. Sein an Demenz erkrankter Vater ist für ihn kaum mehr erreichbar. Mit seinem Vater wird der letzte Teil seiner Herkunft verschwinden, die Wurzeln in seine Kindheit. Nachdem Peter Faber ihn ewige Jahre für den Tod der Mutter verantwortlich gemacht hatte und erst spät begriff, was der Vater für ihn getan und auf sich genommen hatte, ist es umso schmerzhafter, dass er durch die Demenz verschwindet.
Verarbeitung von Demenz in der Kunst
Jörg Hartmanns Auseinandersetzung mit Demenz in seinem Roman "Der Lärm des Lebens" und in seiner Arbeit beim Tatort zeigt, wie Kunst dazu beitragen kann, schwierige Themen zu verarbeiten und ein Bewusstsein für die Herausforderungen von Demenz zu schaffen. Indem er persönliche Erfahrungen einbringt und die emotionalen Belastungen der Krankheit thematisiert, ermöglicht er den Zuschauern und Lesern, sich mit den Betroffenen zu identifizieren und Mitgefühl zu entwickeln.