PFO-Verschluss bei kryptogenem Schlaganfall: Neue Leitlinien und Empfehlungen

Ein persistierendes Foramen ovale (PFO) findet sich bei 20-25 % der Normalbevölkerung und bei bis zu 45 % der jüngeren Schlaganfallpatienten. Bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall und offenem Foramen ovale, insbesondere bei moderatem oder ausgeprägtem Rechts-Links-Shunt, wird nun ein interventioneller PFO-Verschluss zur Rezidivprophylaxe empfohlen. Diese Empfehlung basiert auf aktuellen Leitlinien von drei deutschen Fachgesellschaften.

Hintergrund und Bedeutung des PFO

Das Foramen ovale ist eine Verbindung zwischen dem rechten und linken Herzvorhof, die sich normalerweise nach der Geburt schließt. Bei etwa 25 % der Menschen bleibt diese Verbindung jedoch bestehen. Ein unvollständiger Verschluss des Foramen ovale steht im Verdacht, ein Übertreten von Thromben aus dem venösen in das arterielle Gefäßsystem zu ermöglichen. Dies kann zur Entstehung von kryptogenen Schlaganfällen beitragen, also Schlaganfällen, bei denen keine eindeutige Ursache gefunden werden kann.

Die neue S2e-Leitlinie

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) haben gemeinsam die S2e-Leitlinie „Kryptogener Schlaganfall und offenes Foramen ovale“ erstellt. Diese Leitlinie formuliert klare Behandlungsempfehlungen für Neurologen und Kardiologen bei Patienten mit kryptogenem Schlaganfall.

Fünf zentrale Empfehlungen der Leitlinie

Die Leitlinie enthält insgesamt fünf Empfehlungen, die im Folgenden zusammengefasst werden:

  1. Interventioneller PFO-Verschluss: Bei Patienten zwischen 16 und 60 Jahren mit einem kryptogenen ischämischen Schlaganfall und offenem Foramen ovale mit moderatem oder ausgeprägtem Rechts-Links-Shunt soll ein interventioneller PFO-Verschluss durchgeführt werden. Diese Empfehlung hat den höchsten Empfehlungsgrad (A) und die höchste Evidenzebene (I).
  2. Antithrombotische Behandlung bei Ablehnung des PFO-Verschlusses: Bei Patienten mit einem kryptogenen ischämischen Insult und offenem Foramen ovale, die einen PFO-Verschluss ablehnen, gibt es keine Hinweise auf eine Überlegenheit einer oralen Antikoagulation gegenüber einer Behandlung mit einem Thrombozytenfunktionshemmer. Daher sollte die Sekundärprävention mit Aspirin oder Clopidogrel erfolgen. Diese Empfehlung hat einen abgeschwächten Empfehlungsgrad (B) und eine Evidenzebene (II).
  3. Art der antithrombotischen Therapie nach PFO-Verschluss: Nach einem interventionellen PFO-Verschluss wird eine duale Plättchenhemmung mit 100 mg Aspirin plus 75 mg Clopidogrel für 1-3 Monate empfohlen, gefolgt von einer 12-24-monatigen Monotherapie mit Aspirin 100 mg oder Clopidogrel 75 mg. Bei Patienten mit zusätzlicher Manifestation einer Arteriosklerose wird eine Dauertherapie mit Thrombozytenfunktionshemmern empfohlen (Empfehlungsgrad B, Evidenzebene IIb).
  4. Peri- und postoperative Risiken des PFO-Verschlusses: Vorhofflimmern, Perikardtamponaden sowie Lungenembolien sind beschriebene Komplikationen im Rahmen und nach Implantation eines Okkluders. Die Ereignisse sind aber so selten, dass sie den Empfehlungsgrad für die Implantation nicht beeinflussen sollten (Empfehlungsgrad A, Evidenzebene Ia).
  5. Design der Okkluder-Systeme: Disc-Okkluder erwiesen sich als überlegen in Sicherheit und Effektivität gegenüber nicht zirkulär scheibenförmigen Okkludern (Empfehlungsgrad A, Evidenzebene Ia).

Studienergebnisse, die zur Leitlinie führten

Die neuen Empfehlungen basieren auf dem Ergebnis mehrerer Studien. In drei 2012 und 2013 publizierten Studien (CLOSURE I, PC-Studie, RESPECT) konnte ein relevanter Vorteil des perkutanen PFO-Verschlusses im Vergleich zu einer medikamentösen Therapie (Thrombozytenhemmung bzw. orale Antikoagulation) nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Vier neue Studien brachten die Wende. Drei im September 2017 veröffentlichten Studien (REDUCE, CLOSE, RESPECT extended follow up) veränderten dann die wissenschaftliche Datenlage grundlegend. Alle drei Studien kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der endovaskuläre PFO-Verschluss additiv zur medikamentösen Therapie einer alleinigen medikamentösen Prophylaxe signifikant überlegen war.

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Zusammenfassung der Studienergebnisse

  • REDUCE-Studie: Innerhalb von im Mittel 3,2 Jahren Nachbeobachtung reduzierte der PFO-Verschluss das Risiko eines Schlaganfallrezidivs um relativ 77 %. Mit PFO-Verschluss lag die Rezidivrate bei 1,4 %, in der Gruppe mit medikamentöser Therapie bei 5,4 % (HR 0,23; 95-%-KI 0,09-0.62; p = 0,002). Mehr als 80 % der Patienten hatten ein mittelgroßes bis großes PFO. Sie waren bei Einschluss 18-59 Jahre alt.
  • CLOSE-Studie: In der CLOSE-Studie wurden die Patienten im Mittel 5,3 Jahre nachbeobachtet. In der Gruppe mit PFO-Verschluss gab es in dieser Zeit keinen erneuten Schlaganfall, in der Gruppe mit medikamentöser Therapie waren es 5,9 % (HR 0,03; 95-%-KI 0-0,26; p <0,001). Vorhofseptumaneurysma und/oder ein großer Rechts-Links-Shunt waren in CLOSE Einschlusskriterien, die Patienten waren 16-60 Jahre alt.
  • RESPECT-Studie (extended follow-up): Deren erste Auswertung nach 2,1 Jahren Follow-up hatte noch keinen signifikanten Vorteil des PFO-Verschlusses nach kryptogenem Schlaganfall gezeigt. Doch nach 5,9 Jahren ist nun eine signifikante relative Reduktion des Rezidivrisikos mit PFO-Verschluss um 45 % zu beobachten. Mit PFO-Verschluss lag die Rezidivrate bei 3,6 %, mit medikamentöser Therapie bei 5,8 % (Hazard Ratio 0,55; 95-%-Konfidenzintervall 0,31-0,999; p = 0,046). Die Patienten waren zwischen 18 und 60 Jahre alt. Bei 50 % wurde das PFO als groß eingestuft, 35 % hatten ein Vorhofseptumaneurysma.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Eingriff nicht risikolos ist. Neben Komplikationen, die damit direkt oder mit dem Device zusammenhingen, kam es bei den Patienten in den Gruppen mit PFO-Verschluss häufiger zu Vorhofflimmern.

Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit

Eine erfolgreiche Behandlung von Patienten mit kryptogenem Schlaganfall und PFO erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Neurologen und Kardiologen. Die sorgfältige Auswahl der Patienten ist entscheidend, um den Nutzen des PFO-Verschlusses zu maximieren.

Kritische Würdigung der Leitlinie

Obwohl die Leitlinie eine klare Empfehlung für den PFO-Verschluss ausspricht, gibt es auch kritische Stimmen. Einige Experten weisen darauf hin, dass die Datenlage nicht eindeutig ist und dass die Auswahl der Patienten in den Studien sehr selektiv war. Zudem wird betont, dass der PFO-Verschluss nicht in allen Fällen die beste Therapieoption darstellt und dass auch andere Behandlungsansätze, wie z.B. die orale Antikoagulation, in Betracht gezogen werden sollten.

Einschränkungen und Kontraindikationen

Die Leitlinie betont, dass vor einem PFO-Verschluss andere Schlaganfallursachen ausgeschlossen werden müssen. Wichtige Ausschlusskriterien sind Anzeichen von Arteriosklerose, unkontrollierte kardiovaskuläre Risikofaktoren und in der Regel transitorische ischämische Attacken. Des Weiteren sollte nach einem intermittierenden Vorhofflimmern ausführlich gesucht werden. Die Implantation eines Herzmonitors vor eventuellem PFO-Verschluss sollte daher erwogen werden.

Praktische Implikationen und Vorgehensweise

In der Praxis sollte bei jungen Patienten ohne kardiovaskuläre Risikofaktoren, einem RoPE-Score ≥ 7 und weitgehendem Ausschluss von Vorhofflimmern ein PFO-Verschluss angeboten werden. Sie sollten gleichzeitig über die Komplikationen des Eingriffs, das niedrige Rezidivrisiko auch unter medikamentöser Behandlung und über die möglicherweise genauso wirksame Behandlung mit Antikoagulanzien aufgeklärt werden. Bei konservativer Behandlung sind orale Antikoagulanzien möglicherweise besser wirksam als Plättchenhemmer. Hier sind weitergehende Studien notwendig.

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Zusammenfassend lässt sich sagen:

  • Der Schlüssel zum Behandlungserfolg mittels PFO-Verschluss liegt in der sorgfältigen Auswahl der Patienten.
  • Die neue deutsche Leitlinie hilft bei der Patientenselektion, setzt aber eine kryptogene Ätiologie bereits voraus.
  • Wichtige Ausschlusskriterien sind neben einer Reihe von Differenzialätiologien Zeichen von Arteriosklerose, unkontrollierte kardiovaskuläre Risikofaktoren und in der Regel transitorische ischämische Attacken.
  • Des Weiteren sollte nach einem intermittierenden Vorhofflimmern ausführlich gesucht werden.
  • Die Implantation eines Herzmonitors vor eventuellem PFO-Verschluss sollte daher erwogen werden.

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