Plexus brachialis Lähmung Therapie: Ein umfassender Überblick

Die Plexus brachialis Lähmung, auch bekannt als Armplexusparese, ist eine Schädigung des Plexus brachialis, eines komplexen Nervengeflechts im unteren Halsbereich. Dieses Nervengeflecht steuert die Muskeln und die Sensibilität in Schulter, Arm und Hand. Die Schädigung kann durch verschiedene Ursachen entstehen, wobei traumatische Ereignisse die häufigste Ursache darstellen.

Ursachen und Symptome

Traumatische Ursachen

Die häufigste Form der Armplexusparese ist traumatischer Natur. Hierbei sind oft junge Männer zwischen 20 und 25 Jahren betroffen, meist als Folge von Auto- und Motorradunfällen, aber auch durch Wegeunfälle. Traktionen erzeugen prognostisch ungünstige langstreckige Fibrosen der Nerven und oft auch infolge Arterienzerreißungen mit starker Hämatombildung perineurales Narbengewebe.

Symptome je nach Lage und Art der Nervenverletzung:

  • Kraftverlust oder völlige Bewegungslosigkeit in einem oder mehreren Gelenken
  • Vollständiger oder teilweiser Verlust der Empfindung (Taubheit, Gefühl des Eingeschlafenseins)
  • Neuropathischer Schmerz (elektrisierendes Gefühl)

Weitere Ursachen

Neben traumatischen Ursachen können auch Tumore, Kompressionen oder Strahlenbehandlungen den Plexus brachialis schädigen. Bei Neugeborenen kann es im Rahmen der Geburt zu einer Plexusläsion kommen, wenn es zu massiven Überdehnungen des Armes im Schultergelenk kommt (geburtstraumatische Arm-Plexus-Lähmung).

Symptome der geburtstraumatischen Arm-Plexus-Lähmung:

  • Lähmung des Arms
  • Sensibilitätsstörungen

Diagnostik

Eine frühzeitige und umfassende Diagnostik ist entscheidend für die Therapieplanung und die Prognose.

Klinische Untersuchung

Die neurologische Untersuchung zeigt in der Mehrzahl der Fälle nach dem Trauma eine primär komplette Läsion des Armplexus mit Plegie der Muskulatur, Anästhesie, Analgesie und Anhidrose. Ein Horner-Syndrom ist Hinweis auf einen Nervenwurzelausriß von C 8 oder Th 1. Die klinische Untersuchung sollte in regelmäßigen, ein- bis zweimonatigen Abständen möglichst vom gleichen Untersucher durchgeführt werden, der für die einzelnen Muskeln die Paresegrade zum Untersuchungszeitpunkt festhält und so die Vergleichbarkeit der zeitlich gestaffelten Untersuchungsergebnisse herstellt. Ein wichtiges diagnostisches Kriterium ist das Hoffmann-Tinel-Zeichen.

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Neurophysiologie

Die wichtigste neurophysiologische Zusatzdiagnostik ist das Elektromyogramm (EMG). Es ist frühestens drei Wochen nach dem Trauma aussagefähig, da erst zu diesem Zeitpunkt pathologische Spontanaktivität in den denervierten Muskeln nachgewiesen werden kann.

Neuroradiologie

Die neuroradiologischen Untersuchungen sollten unter anderem die Frage nach Nervenwurzelausrissen beantworten. Die Kernspintomographie kann als diagnostische Methode mit einer Treffsicherheit zwischen 50 und 85 Prozent angesiedelt werden. Wichtig sind hier insbesondere axiale T2-gewichtete Bilder. Eine höhere Treffsicherheit hat nach unserer Erfahrung zur Zeit die postmyelo-CT mit dünner Schichtung (mindestens 3 Millimeter) mit etwa 90 bis 95 Prozent.

Diagnostische Hemilaminektomie

Um nicht Gefahr zu laufen, mit einer in das Neuroforamen hineinziehenden Wurzel operativ zu arbeiten, ohne zu wissen, ob sie intraspinal Kontinuität zum Halsmark besitzt, kann diese diagnostische Unsicherheit bisher nur über eine direkte intraspinale Exploration geklärt werden.

Therapie

Die Therapie der Plexus brachialis Lähmung ist vielschichtig und erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen. Sie umfasst konservative und operative Maßnahmen sowie rehabilitative Ansätze. Ziel ist es, Schmerzen zu lindern, sensible und motorische Defizite zu verringern und die Funktionen des Armes und der Hand zu erhalten bzw. wiederherzustellen.

Konservative Therapie

Die wichtigste konservative Behandlungsmethode ist die Krankengymnastik. Funktionell erhaltene Muskelgruppen sollten durch aktives Üben gestärkt werden, von Beginn an ist es auch sinnvoll, physiologische Mitbewegungen und Bewegungsmuster einzelner von der Plexusläsion nicht betroffener Schultermuskeln auszunutzen. Eine gezielte, individuell angepaßte krankengymnastische Behandlung ist in der Regel über mehrere Jahre hilfreich. Auch an den anderen Gelenken kann es sinnvoll sein, Orthodesen einzusetzen, um einer Destabilisierung und Überdehnung später wieder funktionell wichtiger Sehnen entgegenzuwirken.

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Neurochirurgische Therapie

Jeder Patient mit einer traumatischen Armplexusparese, bei dem es nicht zu einer spontanen Reinnervation aller geschädigter Anteile kommt, sollte rechtzeitig in einem mit diesen Schäden vertrauten neurochirurgischen Zentrum vorgestellt werden, da nervenchirurgische Möglichkeiten wegen des irreversiblen bindegewebigen Umbaus von denervierter Muskulatur einem zeitlichen Limit ausgesetzt sind. Wenn spontane Reinnervation ausbleibt, liegt der günstigste Zeitpunkt für die periphere Freilegung des Armplexus wegen des vermehrt einsetzenden bindegewebigen Muskelumbaus zwischen drei und sechs Monaten nach dem Trauma. Ziel der oft umfangreichen Exploration ist zunächst, zu klären, welche der aus den Wurzeln C 5, C 6, C 7 und C 8 entspringenden Nervenbahnen Kontinuität haben oder unterbrochen sind. Transplantate können nur dort angeschlossen werden, wo ein Wurzelstumpf vorliegt, seine Kontinuität zum Halsmark vorher gesichert wurde und sein Querschnitt keine intraneurale Fibrose zeigt. Peripher darf ebenfalls keine intraneurale Fibrose das spätere Einwachsen von Axonen behindern. Bei ausgedehnten Verletzungen ist man in Abhängigkeit von der Zahl existenter Wurzelstümpfe gezwungen, Prioritäten zu setzen. Priorität hat die Ellenbogenbeugung (über den M. biceps beziehungsweise alternativ oder additiv über den M. triceps nach dessen Umlagerung). An zweiter Stelle steht die Schulterabduktion und -außenrotation (über den M. deltoideus, M. supra- und infraspinatus). Funktionen am Unterarm und an der Hand - sowohl sensibel wie motorisch - regenerieren am besten, wenn sich die Nervenbahnen spontan oder nach Neurolyse erholen.

Operationsverfahren:

  • Freilegung von eingeengtem Nervengewebe (Neurolyse)
  • Verlagerung von gesunden Ästen an beschädigte Äste innerhalb des Plexus (intraplexaler Nerventransfer) bzw. von außerhalb des Plexus (extraplexaler Nerventransfer)
  • Versetzen eines eigenen Nervenastes aus einem anderen Körperbereich (Autologe Nerventransplantation)
  • Verlagerung von intakten Muskeln zum Funktionserhalt (Ersatzoperation)
  • Interfaszikuläre Nerventransplantation
  • Periphere Nervenfasertransfers

Chirurgische Ersatzeingriffe

Die Reinnervation ist in der Regel nach zwei bis drei Jahren so weit fortgeschritten, daß das erreichbare Maß der Kraftentwicklung beurteilbar ist. Wenn die Muskelkraft für die angestrebte Bewegung funktionell nicht ausreicht, sollte ein individueller Plan für plastisch-chirurgische Behandlungen zur Verbesserung der Situation erstellt werden. Hier haben heutzutage dynamische Maßnahmen den Vorzug gegenüber den Arthrodesen: möglich sind ein Transfer des Trapeziusansatzes auf den Humerus, die Einflechtung der Trizepssehne in die Bizepssehne, gestielte oder freie Muskeltransfers (zum Beispiel des M. latissimus dorsi) als Bizepsersatz, die Sehnenumsetzungen für die Oberarmaußenrotation, die Umsetzung der Unterarmflexoren auf den Humerus sowie eine große Zahl hochspezialisierter Eingriffe, die einer Verbesserung der Handfunktion dienen für den Fall einer existenten Unterarmmuskelinnervation.

Beispiele für Ersatzeingriffe:

  • Trapezius-Transfer
  • Schulterarthrodese
  • Außenrotationsosteotomie des Humerus
  • Muskelverlagerung (Latissimus, Teres major)
  • Trizeps-Bizeps-Transfer
  • Verlagerung Unterarmbeuge oder -streckmuskeln (Steindler-Procedere)
  • Latissimus-Transfer
  • Pektoralis- und Teres major - Transfer
  • Transposition Flexor carpi ulnaris auf Extensor digitorum communis
  • Transposition Palmaris longus auf Extensor pollicis longus

Rehabilitation

Eine Rehabilitation ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie.

Maßnahmen:

  • Physiotherapie
  • Ergotherapie
  • Elektrotherapie
  • Schmerzmanagement

Moderne Handorthesen

Moderne Handorthesen können bei Funktionseinschränkungen durch eine Plexusparese eine wichtige Rolle spielen. Handorthesen sind speziell entwickelte Hilfsmittel, die Menschen mit eingeschränkter Hand- und Fingerfunktion dabei unterstützen, alltägliche Bewegungen wieder auszuführen. Sie können Greif-, Halte- und Bewegungsfunktionen übernehmen und erleichtern, die aufgrund einer Plexusparese oder anderer neurologischer Erkrankungen beeinträchtigt sind.

Prognose

Die Prognose einer Plexus brachialis Lähmung hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere vom Ausmaß und der Art der Verletzung, dem Zeitpunkt der Behandlung und dem Alter des Patienten. Bei inkompletter Schädigung kann eine spontane Reinnervation eintreten. Insgesamt sind etwa 70 % der Ergebnisse bei oberen Plexusläsionen gut. Bei unteren Plexusläsionen ist die Prognose schlechter. Als Folge einer Plexusläsion können langfristig Defizite der Sensibilität oder Motorik mit einer Funktionseinschränkung zurückbleiben. Neuropathische Schmerzen können chronisch werden.

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Schmerzbehandlung und offene Probleme

Offene Probleme mit großen therapeutischen Schwierigkeiten bleiben die im Einzelfall therapieresistenten persistierenden Schmerzsyndrome nach Ausrissen dorsaler Wurzeln aus dem Halsmark im Sinne von Phantomschmerzen und die Kausalgie bei Entwicklung einer sympathischen Reflexdystrophie. Diese können unabhängig von dem Ausmaß des Schadens und der motorischen und sensiblen Reinnervation bestehen bleiben. Bei Entwicklung dieser genannten Schmerzsyndrome ist auf eine frühzeitige gezielte Schmerzbehandlung und physikalische Therapie zu dringen, da diese Behandlung den Patienten vor den lebenslangen, therapeutisch schwer beeinflußbaren Schmerzen bewahren kann.

Prävention

Tragen Sie eine Schutzausrüstung, wenn Sie sich in Situationen mit einem entsprechenden Verletzungsrisiko begeben (z. B. bei Extremsportarten und beim Motorradfahren).

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