Viele Menschen mit Typ-2-Diabetes leiden unter Polyneuropathie, einer Erkrankung, die sich durch Kribbeln, Stechen und brennende Schmerzen in Füßen und Beinen äußert. Die Elektrotherapie, insbesondere die Hochtontherapie und die Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS), bietet vielversprechende Möglichkeiten zur Linderung dieser Beschwerden.
Was ist Polyneuropathie?
Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der Nervenbahnen aus unterschiedlichen Gründen geschädigt sind. Diese Schädigung führt dazu, dass Nervenimpulse nicht mehr oder nur noch teilweise weitergeleitet werden, was zu Nervenschmerzen und anderen Beschwerden führt. Typische Symptome sind Kribbeln, Brennen und Taubheit, die anfangs an beiden Füßen und Beinen auftreten. Die Ursachen können vielfältig sein, und trotz diagnostischer Fortschritte bleibt die Ursache in vielen Fällen unklar ("idiopathische Neuropathie").
Ursachen von Polyneuropathie
Die Polyneuropathie kann verschiedene Ursachen haben. Zu den häufigsten gehören:
- Diabetes mellitus: Ein schlecht eingestellter Diabetes ist in Deutschland die häufigste Ursache einer Polyneuropathie. Die Nervenschädigung kann durch eine Beeinträchtigung der Nervenfasern selbst oder indirekt durch eine Schädigung der die Nerven versorgenden kleinen Blutgefäße zustande kommen.
- Stoffwechselstörungen und Vitaminmangel: Mangel an Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B12 oder Folsäure.
- Schwere Organ- oder Allgemeinerkrankungen: Nieren- oder Leberinsuffizienz.
- Krebserkrankungen
- Arterielle Durchblutungsstörungen
- Entzündliche Erkrankungen des Nervensystems: Borreliose.
- Toxisch bedingte Polyneuropathien: Chronischer Alkoholismus, Nebenwirkungen von Medikamenten (insbesondere bei Chemotherapien), chronischer Heroinkonsum, Umwelt- oder Alltagsgifte (Blei, Kupfer, Amalgam oder Cadmium).
Elektrotherapie bei Polyneuropathie
Die Elektrotherapie nutzt spezielle Stromformen, um gezielt am menschlichen Organismus eine Erwärmung des Gewebes zu erreichen, Schmerzen zu reduzieren, Nerven zu reizen, den Abbau von Schwellungen im Gewebe zu fördern oder die Muskulatur zu aktivieren. Grundsätzlich sollte die Elektrotherapie ergänzend zu aktiven Maßnahmen (Bewegungsübungen, Training) angewendet werden.
Hochtontherapie
Die Hochtontherapie ist eine Weiterentwicklung der klassischen Elektrotherapie. Hierbei wird eine tiefgehende, effektive medizinische Muskelstimulation erreicht, die zugleich zu einer Verbesserung des Zellstoffwechsels beiträgt. Im Vergleich zur klassischen Elektrotherapie kommen bei der Hochtontherapie höhere Frequenzen zwischen 4.000 und 32.000 Hertz zum Einsatz. Je höher die Frequenz, desto komfortabler ist die Behandlung, da bei höheren Frequenzen das „Stromgefühl“ deutlich weniger empfunden wird.
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Wirkungsweise und Vorteile der Hochtontherapie
- Schmerzlinderung: Die physikalische Hochtontherapie führt bei vielen Patienten zu einer eindrucksvollen Linderung der Beschwerden und damit auch zur Besserung des Nachtschlafs.
- Muskelstimulation: Es können so höhere Intensitäten angewendet und damit eine stärkere und tiefere Muskelstimulation erreicht werden. Da wir bei dieser Therapie von einer speziellen tiefgehenden Muskelstimulation sprechen, ist auch mit einem Trainingseffekt zu rechnen.
- Verbesserung des Zellstoffwechsels: Die Hochtontherapie trägt zu einer Verbesserung des Zellstoffwechsels bei.
- Anwendung: Die Therapie sollte mindestens dreimal in der Woche für dreißig Minuten angewendet werden. Die Behandlungen können Patienten entweder beim Arzt oder mit einem speziellen Gerät problemlos auch zu Hause durchführen.
HiToP® PNP
Das HiToP® PNP ist ein innovatives Gerät zur Heimanwendung bei Nervenschmerzen wie Kribbeln, Brennen und tauben Füßen. Es arbeitet mit der innovativen, nicht schulmedizinischen Hochtontherapie („High Tone Power Therapy“), einer Weiterentwicklung der TENS (Elektrotherapie). Dabei werden schonend stimulierende Stromimpulse ausgestoßen, welche Schwingungen mit sehr hohen Frequenzen aufweisen. Klinische Studien mit der Hochtontherapie ergaben bei bis zu 88 Prozent der Studienteilnehmer eine Symptombesserung.
Anwendung des HiToP® PNP
Vier Elektroden werden mit Klettbändern auf den Oberschenkeln befestigt und dann mit Steckern an das Gerät angeschlossen. Die Intensität stellen Sie so ein, dass bei der Anwendung ein leichtes Kribbeln oder Pochen zu spüren ist, bzw. bis sich die Muskeln sichtbar zusammenziehen. Die Behandlungserfolge stellen sich bei jedem Patienten zu unterschiedlichen Zeitpunkten ein. Es lohnt sich geduldig zu sein und sich an die Empfehlung einer täglichen Nutzung von 60 Minuten zu halten.
Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS)
Die Abkürzung TENS steht für transkutane elektrische Nervenstimulation, also Strom-Impulse, die über Elektroden unter die Haut geschickt werden. Das Verfahren wird oft zur Behandlung von Schmerzen eingesetzt - so auch für Polyneuropathien, zum Beispiel bei Menschen mit Diabetes. TENS kann etwa dann versucht werden, wenn Medikamente oder andere etablierte Methoden nicht ausreichen bei Polyneuropathien und anderen chronischen Schmerzen.
Wirkungsweise der TENS-Therapie
Die Wirkung der elektrischen Signale wird teils mit der sogenannten Gate-Control-Theorie erklärt: Die Impulse stimulieren Nervenfasern, die eigentlich Berührungsreize weiterleiten und im Rückenmark mit den Schmerzfasern verschaltet sind. „Das Signal der Berührungsnerven kann so die Weiterleitung der Schmerzen an das Gehirn hemmen“. Die TENS-Anwendung kann auch unseren körpereigenen Schmerzkontrollmechanismus unterstützen, so dass körpereigene schmerzstillende Substanzen, die sogenannten Endorphine, freigesetzt werden.
Anwendung der TENS-Therapie
Die Patienten setzen TENS regelmäßig für etwa 15 bis 20 Minuten am Tag ein und berichten uns von deutlichen Verbesserungen. Möglich sei zudem, die handlichen Geräte am Körper zu tragen und immer dann anzuschalten, wenn der Schmerz stärker wird.
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Verträglichkeit und Nebenwirkungen der TENS-Therapie
Das Verfahren hat kaum Nebenwirkungen. In seltenen Fällen kann es zum Beispiel zu Hautreizungen an der Klebstelle kommen. Bei sensibler Haut können antiallergene Elektroden die Reizungen lindern.
Wirksamkeit der TENS-Therapie
Wissenschaftlich nachgewiesen ist die Wirkung der TENS-Behandlung bisher nicht. Es gibt vorwiegend kleinere Untersuchungen, die eine Schmerzlinderung feststellen, aber nur bedingt aussagekräftig sind. Eine besonders große Meta-Analyse von 2022 mit insgesamt 381 randomisierten, kontrollierten Studien legt eine Wirksamkeit nahe. Die Forscherinnen und Forscher kamen zu dem Schluss: TENS lindert Schmerzen vermutlich besser als ein Placebo.
Kontraindikationen der TENS-Therapie
Von einer TENS-Behandlung abraten würde Christina Haubrich Menschen mit einem Herzschrittmacher oder einer Epilepsie. „In Deutschland ist sie auch für Schwangere nicht empfohlen“.
Weitere Therapieansätze bei Polyneuropathie
Neben der Elektrotherapie gibt es weitere Therapieansätze, die bei Polyneuropathie eingesetzt werden können:
- Physiotherapie: Gezielte Übungen zur Stärkung der Muskulatur, Verbesserung des Gleichgewichts und der Koordination sowie Förderung der Durchblutung.
- Ergotherapie: Training der Feinmotorik und Sensibilität, Anpassung des Wohnumfelds zur Sturzprävention.
- Medikamentöse Therapie: Schmerzmittel (Antidepressiva, Antikonvulsiva), Medikamente zur Behandlung der Grunderkrankung (z.B. Diabetes).
- Naturheilkundliche Therapie: Hydro- und Thermotherapie, Ernährungsumstellung, Phytotherapie, Ordnungstherapie.
- Vibrationstherapie: Ein Gerät, das den ganzen Körper behandelt, das Galileo Gerät.
Physiotherapie bei Polyneuropathie
Physiotherapie bietet gezielte Übungen, um Nervenschäden entgegenzuwirken, die Balance zu verbessern und die Lebensqualität zu steigern. Ein zentrales Ziel der Polyneuropathie Physiotherapie ist es, Muskulatur zu stärken, Gleichgewicht und Koordination zu verbessern und die Durchblutung zu fördern.
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Wichtige Übungen für zu Hause:
- Zehenstand: Stellen Sie sich auf die Zehenspitzen, halten Sie die Position für einige Sekunden und senken Sie dann langsam die Fersen ab. Diese Übung verbessert das Gleichgewicht und stärkt die Fußmuskulatur.
- Fußkreisen: Setzen Sie sich bequem hin, heben Sie ein Bein leicht an und kreisen Sie den Fuß langsam in beide Richtungen. Dies fördert die Beweglichkeit und Durchblutung der Gelenke.
- Ballrollen: Rollen Sie mit den Fußsohlen einen kleinen Ball hin und her. Dies aktiviert die Nerven und massiert die Fußmuskulatur.
- Balanceübungen: Stellen Sie sich auf ein Bein und versuchen Sie, die Balance zu halten. Für zusätzliche Sicherheit können Sie sich dabei an einer Wand abstützen.
- Fingerübungen: Öffnen und schließen Sie Ihre Hände bewusst oder rollen Sie kleine Bälle zwischen den Fingern hin und her.
Ergotherapie bei Polyneuropathie
Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten fokussieren darauf, Patientinnen und Patienten mit funktionalen Defiziten durch regelmäßige und wiederholte Anwendung ergotherapeutischer Maßnahmen dahingehend zu helfen, dass sie in ihrem täglichen Alltag, sprich Zuhause, in der Hausarbeit, im Berufsleben und im Privatleben optimal zurande kommen. Im Bereich Polyneuropathie speziell hat sie unter anderem den Sinn, etwaige Schmerzen, die Polyneuropathie ist ja auch ein Schmerzsyndrom, besser bewältigen zu können - also Schmerzbewältigung.
Medikamentöse Therapie bei Polyneuropathie
Zur Schmerzbekämpfung haben sich Antidepressiva und Medikamente gegen Krampfanfälle (Epilepsie), sogenannte Antikonvulsiva, bewährt. Capsaicin ist für die Schärfe der Chilischoten verantwortlich und hat sich in Form von Capsaicin-Pflastern auf der Haut in Studien als erfolgversprechendes Mittel gegen Polyneuropathie erwiesen.
Naturheilkundliche Therapieansätze
Eine unter Umständen zugrunde liegende Erkrankung sollte so gut wie möglich behandelt werden. Ursächliche Noxen müssen ausgeschaltet werden. Gleichzeitig - oder wenn keine Grundkrankheit diagnostiziert wird - sollte man versuchen, die Beschwerden durch naturheilkundliche und ggf. medikamentöse Maßnahmen so gut es geht zu lindern.
Hydro- und Thermotherapie
Die mildeste Form, um die Durchblutung anzuregen und einen Reiz auf die Nervenrezeptoren auszuüben, ist das Trockenbürsten. Ein Igelball, Sandbäder oder Klopfungen wirken ähnlich. Intensiver sind tägliches Wassertreten nach Kneipp oder kalte Unterschenkelgüsse, die ebenfalls die Durchblutung verbessern.
Ernährung und Vitamine
Ein Ziel der Ernährungsberatung ist es, extreme Diäten mit einem resultierenden Vitamin- und Mineralmangel zu vermeiden. Sinnvoll ist eine ovolaktovegetabile vollwertige Kost. Häufig besteht bei einer diabetischen Polyneuropathie ein Mangel an Vitamin B1 (Thiamin), weshalb Patienten mit gesicherter Diagnose oft mit Benfotiamin behandelt werden. Nicht nur ein Vitamin-B1-, auch ein Vitamin-B12- oder Folsäuremangel sollten ausgeglichen werden. Ebenso ist die Gabe von Alpha-Liponsäure (ein Koenzym, u. a. mit antioxidativen Effekten) üblich.
Ordnungstherapie
Hierzu gehört allgemein eine individuelle Diskussion über Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Alkoholkonsum etc. Da chronischer Stress auch die Schmerzverarbeitung beeinflusst, können im Einzelfall Entspannungsverfahren, Yoga oder vergleichbare Maßnahmen indiziert sein. Akupunktur ist in ähnlicher Weise wirksam.
Phytotherapeutische Präparate
Vorrangig geht es bei der symptomatischen Therapie um eine Beeinflussung der oft quälenden Schmerzen. Die Chronizität erfordert eine Dauerbehandlung, die das Risiko von pharmakologischen Nebenwirkungen erhöht. Jedoch sind auch Phytotherapeutika nicht ohne Nebenwirkungen, was man bei der Therapie beachten sollte. Zur äußeren Anwendung kommen z. B. Aconit-Nervenöl, Nelken-, Rosmarin- oder Minzöl infrage. Johanniskraut-Rotöl und Einreibungen mit capsaicinhaltiger Salbe (Chili- oder Paprikaschoten) werden ebenfalls empfohlen.
Risiken und Kontraindikationen der Elektrotherapie
Bei folgenden Erkrankungen oder Befunden sollten andere Therapieform der Elektrotherapie vorgezogen werden:
- Metalle im Körper des Patienten (zum Beispiel Gelenkprothesen)
- Akute Entzündungen
- Blutgerinnsel (Thrombose)
- Offene Hautstellen
- Schwere Durchblutungsstörungen der Arterien (Arteriosklerose)
- Herzrhythmusstörungen oder vorhandener Herzschrittmacher
- Bösartige Tumorerkrankungen
- Fieberhafte Krankheitsprozesse
- Erhöhte Blutungsneigung
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