Polyneuropathie: Neue Behandlungsmethoden und innovative Therapieansätze

Die Polyneuropathie (PNP) ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der schätzungsweise zwei bis acht Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Sie manifestiert sich durch Schädigungen der peripheren Nerven, was zu einer Vielzahl von Beschwerden führen kann. Typische Symptome sind Kribbeln, Brennen, Taubheit, Schmerzen und Muskelschwäche, die häufig zuerst in den Füßen und Beinen auftreten. Die Ursachen für eine Polyneuropathie sind vielfältig und reichen von Diabetes mellitus über Alkoholmissbrauch und Medikamentennebenwirkungen bis hin zu Autoimmunerkrankungen und genetischen Veränderungen. In vielen Fällen bleibt die Ursache jedoch unklar ("idiopathische Neuropathie").

Diagnostik der Polyneuropathie

Die Diagnose einer Polyneuropathie umfasst verschiedene neurologische Untersuchungen. Dazu gehören die Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, die Prüfung des Vibrationsempfindens mit einer Stimmgabel und die standardisierte Quantitative Sensorische Testung (QST), bei der durch verschiedene Gefühlstests an der Haut 13 Werte ermittelt werden. Um das Temperaturempfinden exakt zu messen, kommen bei der sogenannten Thermode computergesteuerte Temperaturreize zum Einsatz. Die Untersuchung einer Gewebeprobe (Nerv-Muskel-Biopsie) kann helfen, die Ursache einer Polyneuropathie zu finden. Hierbei wird festgestellt, ob der Schaden an der Hüllsubstanz des Nerven (Myelin) oder am Nerven selbst entstanden ist. Bei einer Untergruppe der Neuropathien sind insbesondere die dünnen, kleinen Nervenfasern der Haut betroffen. Sie werden unter dem Namen Small-Fiber-Neuropathien zusammengefasst. Für die richtige Diagnose ist die Quantitative Sensorische Testung mit Messung des Temperaturempfindens entscheidend. Darüber hinaus kann eine Gewebeprobe aus der Haut (Hautbiopsie) unter dem Mikroskop untersucht werden.

Konventionelle Behandlungsmethoden

Die konventionelle Behandlung der Polyneuropathie zielt in erster Linie auf die Linderung der Symptome ab, da eine Heilung in vielen Fällen nicht möglich ist.

  • Behandlung der Ursache: Wenn die Ursache der Polyneuropathie bekannt ist, steht deren Behandlung im Vordergrund. Bei Diabetes ist eine optimale Blutzuckereinstellung entscheidend, um die Nervenschädigung zu stoppen. Bei alkohol- oder medikamenteninduzierter Polyneuropathie ist Abstinenz bzw. ein Wechsel der Präparate erforderlich.
  • Schmerztherapie: Zur Schmerzbekämpfung werden häufig Antidepressiva, Antikonvulsiva (Medikamente gegen Krampfanfälle) und Opioide eingesetzt. Capsaicin-Pflaster, die den Wirkstoff aus Chilischoten enthalten, können ebenfalls zur Schmerzlinderung beitragen und die Durchblutung fördern.
  • Physiotherapie: Gleichgewichtstraining in der Physiotherapie kann helfen, die Gangunsicherheit zu verbessern.
  • Elektrotherapie: Bei der Elektrotherapie werden die Nerven durch Impulse aus einem speziellen Gerät stimuliert, wodurch die Betroffenen statt Schmerzen ein leichtes Kribbeln spüren. Von außen lässt sich dieses durch ein TENS-Gerät erreichen.

Neue Behandlungsmethoden und innovative Therapieansätze

Neben den konventionellen Behandlungsmethoden gibt es eine Reihe neuer und innovativer Therapieansätze, die vielversprechend sind:

HiToP-Hochtontherapie

Die HiToP-Hochtontherapie ist eine nicht-invasive Behandlungsmethode, die bei Patienten mit Polyneuropathie und anderen Schmerzpatienten eingesetzt wird. Dabei werden spezielle elektromagnetische Schwingungen eingesetzt, um die Durchblutung und Stoffwechselvorgänge im Gewebe zu verbessern und dadurch die Nervenfunktion zu unterstützen. Die Wirkung der Hochtontherapie bei Polyneuropathie beruht auf der Tatsache, dass elektromagnetische Schwingungen in bestimmten Frequenzbereichen das Gewebe und die Nerven aktivieren können. Durch die Anwendung der Hochtontherapie kann die Durchblutung im Gewebe verbessert werden, was dazu beiträgt, dass mehr Nährstoffe und Sauerstoff zu den Nerven gelangen. Eine Sitzung dauert ca. 60 Minuten. Es werden 2 Sitzungen in der Woche für 4 Wochen angewendet. Die HiToP-Hochtontherapie kann helfen, Schmerzen, Taubheitsgefühle und andere Symptome zu lindern, die mit Polyneuropathie verbunden sind. Außerdem ist diese Therapie bei anderen Schmerzkrankheiten einsetzbar.

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Chinesische Medizin

Die Klinik am Steigerwald für Chinesische Medizin behandelt seit 27 Jahren schwer chronisch kranke Menschen. Die maßgeschneiderte Therapie, insbesondere für an Polyneuropathie und Restless Legs Syndrom erkrankte Menschen, wird ständig weiter optimiert. So ist auf der Basis des Methodenschatzes der Chinesischen Medizin eine hochwirksame Therapie gegen diese Nervenleiden entwickelt worden. Nach der chinesischen Idee ist „Tan“ Schuld an den Nervenbeschwerden. Tan steht für alle Stoffe, die der Körper loswerden möchte, aber sich den Reinigungsprozessen des Körpers entziehen. Tan entsteht im Alter durch nachlassende „Reinigungskräfte“ und durch Aufnahme von zu viel Zucker, Fetten, und vor allem tierischen Eiweißen. Auch ständige Anspannung kann die Reinigungskräfte erschöpfen. Der im Köper verbleibende Tan rutscht in die Beine, und das hat Folgen: Die ersten Taubheitsgefühle machen sich bemerkbar und es entstehen häufen Kribbel- und Stechgefühle in den Füßen und Beinen. Der Gang wird unsicher. Die Chinesische Medizin holt diese abgesunkenen Stoffe aus der Tiefe der Beine an die Oberfläche und leitet sie aus. Königsverfahren ist dabei die chinesische Arzneitherapie.

Rückenmarkstimulation

Als Alternative zu Tabletten wird seit einiger Zeit die Rückenmarkstimulation gegen chronische Schmerzen getestet. Voraussetzung ist immer, dass herkömmliche medikamentöse Therapien nicht geholfen haben. Besonders gut wirkt eine Hochfrequenzstimulation mit 10 kHz. Damit werden schmerzhemmende Neurone im Rückenmark angesprochen. Dieses Verfahren wurde im Jahr 2021 in einer größeren Studie an 216 Erwachsenen mit Diabetes getestet. Alle Teilnehmer mussten schon erfolglos eine Behandlung mit Gabapentin oder Pregabalin und eines anderen Schmerzmittels hinter sich haben. Sechs Monate nach Beginn der Behandlung gaben 80 Prozent der stimulierten Teilnehmer eine Reduzierung der Schmerzen um mindestens 50 Prozent an. In der Kontrollgruppe ohne Stimulierung lag dieser Anteil bei lediglich fünf Prozent, was zeigt, dass die Rückenmarkstimulation einen erheblichen Nutzen hat. Deutlich höhere Ansprechraten (rund 90 %), bietet die tiefe (Hochfrequenz-)Rückenmarkstimulation, die bei Therapieresistenz erwogen werden kann.

CAR-T-Zelltherapie

Für die Studie behandelte das Team zwei Personen mit Chronisch inflammatorischer demyelinisierender Polyneuropathie, kurz CIDP. Die CIDP ist eine Autoimmunerkrankung, bei der die B-Zellen des Immunsystems das eigene periphere Nervensystem angreifen. Gegen diese außer Kontrolle geratenen B-Zellen richtete sich die individuelle CAR-T-Zelltherapie in der aktuellen Studie. Dazu entnahmen die Mediziner den Patienten Blut mittels Leukapherese und isolierten Millionen T-Immunzellen. In diese schleuste ein amerikanisches Unternehmen gezielt Rezeptoren durch virale Genmanipulation ein, die die krankhaft veränderten B-Zellen erkannten. Durch den Zelltod von reifen B-Zellen und die Freisetzung von Entzündungsstoffen gab es zwischen Tag 4 und 10 mäßige Nebenwirkungen bei den Patienten, die durch erprobte Immunmedikamente umgehend behoben wurden. Die Therapie zeigte eine rasche und anhaltende Wirkung: Innerhalb weniger Tage verschwanden die krankheitsvermittelnden B-Zellen vollständig aus dem Blut. Gleichzeitig kam es zu funktionellen Verbesserungen: Die Patienten konnten sich wieder sicher fortbewegen, teils erstmals seit Jahren.

Weitere Therapieansätze in der Forschung

Verschiedene neue Therapieansätze durchlaufen zur Zeit Phase-2- und Phase-3-Studien und geben Hoffnung auf neue Behandlungsoptionen innerhalb der kommenden fünf bis zehn Jahre. Die Gentherapie mit Engensis (VM202), die sich positiv auf die Nervenregeneration und die Durchblutung auswirken und deren analgetischer Effekt bis zu acht Monate nach der Injektion anhalten soll. Dem Gabapentinoid Mirogabalin wird - bei gleichem Nebenwirkungsprofil - eine bessere Reduktion des Schmerzniveaus und eine höhere Potenz als Pregabalin zugeschrieben. Andere Behandlungsstrategien setzen auf das Modulieren nozizeptiver Signalwege (z. B. durch LX9211 oder das Small Molecule NRD.E1) oder topische Anticholinergika (z. B. Pirenzepin, Oxybutinin), die im Tiermodell Schmerzen lindern und möglicherweise die Nervenfaserdichte erhöhen. Als kausale Therapieoption bei der schmerzhaften diabetischen Neuropathie wird das Antioxidans Alpha-Liponsäure diskutiert.

Bedeutung von Bewegung und Lebensstiländerungen

Neben den medikamentösen und interventionellen Therapien spielen auch Bewegung und Lebensstiländerungen eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Polyneuropathie. Eine italienische Studie zeigte, dass vier Stunden Training pro Woche Nervenfunktionseinschränkungen messbar bessern. Allerdings zeigen sich die ersten Erfolge erst nach zwei bis vier Jahren. Vorbeugend ist eine möglichst gute Einstellung der Blutzuckerwerte wichtig. Ein normales Körpergewicht, ausreichend Bewegung, nicht rauchen und wenig Alkohol trinken sind weitere vorbeugende Maßnahmen. Bei Altersdiabetes empfehlen Ärzte eine Umstellung des Lebensstils mit Gewichtsreduktion und viel Bewegung. Ziel ist, dass sich die Nerven wieder erholen.

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Spezielle Aspekte der diabetischen Polyneuropathie

Unter dem Begriff „diabetische Neuropathie“ werden Schädigungsmuster zusammengefasst, die infolge eines Diabetes mellitus an den peripheren Nerven auftreten. Es gibt unterschiedliche Formen der diabetischen Neuropathie. Die distale symmetrische Form der diabetischen Polyneuropathie beginnt in der Regel an den Füßen und steigt symmetrisch auf. Bereits bei einer Prädiabetes findet sich häufig eine Neuropathie der kleinen, unmyelinisierten Nerven (Small-Fiber-Neuropathie), deren Symptome Parästhesien und Veränderung der Sudomotorik an den Füßen sind. Auch das Schmerz- und Temperaturempfinden sind beeinträchtigt. Weiterhin kann es zur Entstehung des sogenannten „diabetischen Fußes“ kommen: Fehlstellungen des Fußes, schnelle Entstehung von Wunden und Wundheilungsstörung. Die proximale asymmetrische Form der diabetischen Neuropathie ist seltener und kommt vor allem bei älteren Patienten vor. Einige Verlaufsformen der diabetischen Polyneuropathie manifestieren sich vor allem an Nerven des vegetativen Nervensystems und führen zu Störungen der Sudomotorik, Peristaltik und Pupillomotorik sowie zu Tachykardie, orthostatischer Hypotonie und erektiler Dysfunktion (1, 2).

Therapiealgorithmus bei diabetischer Polyneuropathie

Die DDG Praxisempfehlungen propagieren einen Therapiealgorithmus auf Basis von Mono- und Kombinationstherapien. Das A und O ist Dr. Bönhof zufolge ein strategisches Vorgehen mit Nutzung sinnvoller Wirkstoffkombinationen und Dosiseskalationen. Eine Therapiestrategie, die inzwischen auch in deutschen Leitlinien Erstlinientherapie ist, stellen hoch dosierte Capsaicinpflaster dar, die alle zwei bis drei Monate für ca. 30 Minuten auf die am stärksten schmerzenden Hautareale appliziert werden, so der Forscher. Deutlich höhere Ansprechraten (rund 90 %), bietet die tiefe (Hochfrequenz-)Rückenmarkstimulation, die bei Therapieresistenz erwogen werden kann.

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