Polyneuropathie und Sexualität: Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, also der Nerven, die außerhalb von Gehirn und Rückenmark verlaufen. Diese Nerven sind dafür verantwortlich, Berührungen, Temperatur oder Schmerzempfindungen wahrzunehmen sowie die Bewegungen der Muskeln zu steuern. Bei einer Polyneuropathie sind mehrere periphere Nerven geschädigt. Dadurch ist die Weiterleitung von Signalen zwischen Gehirn, Rückenmark und den übrigen Körperregionen beeinträchtigt - und zwar sowohl in Richtung der Gliedmaßen als auch zurück zum Zentralen Nervensystem (ZNS). Die Ursachen einer Polyneuropathie sind vielfältig. Neben Diabetes mellitus und Alkoholmissbrauch können auch Infektionen, Autoimmunreaktionen, Vitaminmangel, Schilddrüsen-, Leber- oder Krebserkrankungen sowie genetische Faktoren eine Rolle spielen.

Polyneuropathie - eine Übersicht

Mit dem Begriff Polyneuropathie werden Nervenschädigungen bezeichnet, die Nerven des peripheren Nervensystems betreffen. Das periphere Nervensystem liegt außerhalb des zentralen Nervensystems mit Gehirn und Rückenmark. Die Ursachen einer Polyneuropathie sind vielfältig. Bei 32% der Erkrankten liegen sonstige Ursachen wie beispielsweise Krebsarzneimittel, genetische Ursachen, entzündliche oder Autoimmunerkrankungen (z.B. Guillain-Barré-Syndrom) vor, während bei 22% der Erkrankten die Ursache der Polyneuropathie nicht geklärt ist. Bei der krebsarzneimittelbedingten Polyneuropathie als einer Unterform der Polyneuropathie werden die Symptome durch die Krebsarzneimittel hervorgerufen. In Abhängigkeit von der Art des Krebsarzneimittels und des betrachteten Schweregrads der Erkrankung betrifft die Polyneuropathie 30-100% der behandelten Patienten. Eine krebsarzneimittelbedingte Polyneuropathie klingt häufig 3-6 Monate nach Ende der Therapie ab. Sie kann aber auch länger anhalten und bleibt gegebenenfalls sogar dauerhaft bestehen.

Ursachen und Diagnose von Polyneuropathie

Typischerweise beginnt die Polyneuropathie schleichend. Zu den häufigsten Auslösern zählen:

  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit): Ein dauerhaft hoher Blutzuckerspiegel schädigt die Nerven.
  • langjähriger Alkoholmissbrauch: Alkohol greift das empfindliche periphere Nervensystem an und schädigt die Schutzschicht (Myelinschicht) der Nervenfasern oder die Nervenfasern selbst.

Weitere Auslöser der Polyneuropathie sind unter anderem:

  • Infektionskrankheiten, wie etwa Borrelien oder Herpes zoster-Viren
  • Autoimmunreaktion, wie das Guillain-Barré-Syndrom und rheumatoide Arthritis
  • Vitaminmangel, z. B. Vitamin B12
  • Schilddrüsen, Leber- oder Krebserkrankungen
  • genetische Faktoren

Entscheidend ist die umfangreiche, gründliche Suche nach möglichen Ursachen - nur so lassen sich Polyneuropathien gezielt behandeln. Zu den Untersuchungen zählen eine umfangreiche Labordiagnostik (Blutuntersuchungen, eventuelle Untersuchung des Nervenwassers mittels Lumbalpunktion) und Messung der elektrischen Nervenleitung (Elektroneurographie oder Elektromyographie). Bei der körperlichen Untersuchung werden Reizempfinden, Geh- und Stehvermögen, Muskelstärke und Reflexe geprüft. In etwa 20 Prozent der Fälle bleibt die Ursache trotz umfassender Abklärung ungeklärt. Die Ursacheneingrenzung gleicht manchmal der berühmten Suche nach der Nadel im Heuhaufen (und bleibt in etwa 20 % erfolglos). Die Diagnostik beginnt mit diversen neurologischen Untersuchungen, wobei die Ärzt*in Sensibilität, Vibrationsempfinden, Motorik und Reflexe genau prüft. Außerdem folgen Blutuntersuchungen auf mögliche Auslöser. Erhärtet wird der Verdacht auf eine Polyneuropathie durch eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit und eine Elektromyografie. Im Zweifel werden auch kleine Gewebeproben entnommen. Ob die autonomen Nervenfasern des Herzens geschädigt sind, wird mithilfe des EKGs geprüft. Eine Schädigung der Blasennerven äußert sich zumeist durch die inkomplette Blasenentleerung der Blase, d. h., es verbleibt nach dem Wasserlassen Restharn in der Blase. Diesen Restharn wird z. B.

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Symptome der Polyneuropathie

Je nachdem, welche Nerven betroffen sind, stehen unterschiedliche Beschwerden im Vordergrund:

  • Schäden an den sensiblen Nerven (Empfindungsnerven): Sensible Nerven übermitteln Informationen von der Haut zum Gehirn. Bei Beeinträchtigungen treten oft stechende oder brennende Schmerzen auf. Betroffene haben das Gefühl, als ob tausende Ameisen über ihre Haut krabbeln. Manchmal entwickeln sie eine Überempfindlichkeit, bei der selbst leichte Berührungen (Allodynie) schmerzhaft sein können. Symmetrische, distal betonte, strumpf- oder handschuhförmige schmerzhafte oder brennende Missempfindungen "Ameisenlaufen" oder Kribbeln auf der Haut "Burning feet", d. h. Polyneuropathien beginnen in der Regel schleichend, häufig mit strumpf- oder handschuhförmigen Empfindungsstörungen an Beinen bzw. Armen.
  • Schäden an den kleinen Nervenfasern: Diese Nerven vermitteln Schmerz-, Temperatur- und Berührungsempfindungen. Bei Nervenschäden nehmen Betroffene Hitze, Kälte und Schmerzen nur noch abgeschwächt oder gar nicht mehr wahr. Zusätzlich treten oft Taubheitsgefühle auf, besonders in Händen und Füßen. Die Haut fühlt sich pelzig und fremd an. Als Folge steigt die Verletzungsgefahr erheblich: So wird beispielsweise die Wassertemperatur beim Duschen oder Baden nicht mehr als zu heiß empfunden. Auch kleine Verletzungen wie Schnittwunden, Brandblasen oder Druckstellen bleiben oftmals unbemerkt und werden erst spät entdeckt. Dadurch erhöht sich das Risiko für Entzündungen oder chronische Wunden.
  • Schäden an motorischen Nerven: Motorische Nerven steuern die Muskeln. Sind sie betroffen, können die Impulse, welche die Muskeln zum Bewegen anregen, nicht mehr richtig weitergeleitet werden. Die Folge sind Muskelschwäche oder Lähmungen, insbesondere in den Beinen und Füßen. Bei einigen Menschen sind auch in die Arme und Hände betroffen. Langfristig kann die fehlende Nutzung der Muskeln zu einem Abbau der Muskelmasse führen, was die Bewegungsfähigkeit weiter einschränkt. Sind Nerven beeinträchtigt, die für Muskelbewegungen zuständig sind, kommt es zu Muskelschwäche oder Lähmungen.
  • Schäden an den autonomen Nerven: Autonome Nerven steuern das vegetative Nervensystem. Sind sie geschädigt, können sie Kreislaufprobleme wie Schwindel oder Ohnmacht beim Aufstehen verursachen. Zudem kann die Verdauung beeinträchtigt sein, was zu Symptomen wie Verstopfung, Durchfall oder Inkontinenz führen kann. Auch Probleme mit der Blase, etwa eine Blasenschwäche oder Schwierigkeiten beim Wasserlassen, sind durch die Nervenschäden möglich. Sind Nerven des vegetativen Nervensystems betroffen, können Magen-Darm-Beschwerden, sexuelle Störungen und Blasen- oder Darmentleerungsstörungen folgen. Führt die Nervenschädigung zu einer gestörten Blutdruckregulation, entwickelt sich manchmal eine orthostatische Dysregulation mit Schwindelgefühl beim Aufstehen aus dem Liegen. Auch die Hautdurchblutung leidet.

Weitere Symptome der diabetischen Polyneuropathie:

  1. Die hauptsächlichen Beschwerden sind: Kribbeln an Händen und Füßen, brennende und stechende Schmerzen vornehmlich an den Füßen oder Krämpfe in den Waden, Taubheitsgefühl und Unempfindlichkeit auf Schmerzen oder Temperaturunterschiede, starke Berührungsüberempfindlichkeit selbst bei leichter Berührung, Muskelschwäche an Füßen, Unterschenkeln und Händen, Verlust von Körperbalance und Koordinierung der Bewegungen (ataktische Form). Die Symptome werden vor allem in Ruhe oder nachts bemerkt. Bei manchen Diabetikern sind die Missempfindungen so stark, dass sie nachts die Bettdecke nicht mehr auf den Füßen ertragen. Durch die fehlende Schmerzwahrnehmung bemerken die Patienten kleinste Wunden an den Füßen häufig nicht. Werden die Verletzungen nicht erkannt und behandelt, kann sich der betroffene Fuß wegen der erhöhten Infektionsgefahr und der schlechten Abwehrlage gefährlich entzünden. Wenn die Infektion bis zum Knochen fortschreitet, droht im schlimmsten Fall die Amputation.
  2. Bis zu 50% der Diabetiker leiden nach 20-jähriger Krankheit an einer autonomen Neuropathie. Hier sind solche Nerven geschädigt, welche Herzschlag, Blutdruck und Blutzucker kontrollieren. Aber auch andere innere Organe können in Mitleidenschaft gezogen sein, so dass z.B. Die hauptsächlichen Beschwerden sind: Fehlen der typischen Symptome einer Unterzuckerung, Herz-Kreislauf-Störungen, Schwindelgefühl und Ohnmacht beim Aufstehen, Verdauungsstörungen mit Völlegefühl, Durchfall und Verstopfung, unkontrolliertes Wasserlassen, Potenzstörungen, heftige Schweißausbrüche, v.a. nachts, Sehstörungen. Die Nervenfunktionen, welche die Herzfrequenz und den Blutkreislauf regulieren, sind häufig beeinträchtigt. Der Ruhepuls kann erhöht sein bis zum Herzrasen und/oder der Herzschlag steigt unter Belastung nur unzureichend. Beim Aufstehen „versackt“ das Blut in den Beinen, der Blutdruck kann nicht mehr aufrechterhalten werden und dem Diabetiker wird schlecht oder er fällt sogar in Ohnmacht. Normalerweise führt ein Blutzuckerabfall zu vermehrtem Schwitzen, innerer Unruhe und Hungergefühl. Bei der autonomen Neuropathie fehlen diese typischen Symptome oftmals, so dass die Betroffenen gar nicht merken, wenn der Blutzuckerspiegel zu niedrig ist (Hypoglykämie). Nervenschädigungen an der Speiseröhre machen das Schlucken beschwerlich. Die Magenentleerung ist verlangsamt, so dass die Patienten häufig über Übelkeit und Erbrechen klagen. Wenn der Magen die Nahrung nur verzögert in den Darm weiterleitet, kann das gespritzte Insulin schneller in die Blutbahn gelangen als die Kohlenhydrate aus der Nahrung. Eine Unterzuckerung ist die Folge. Am häufigsten klagen die Blutzucker-Patienten allerdings über Verstopfung, die im Wechsel mit Durchfällen auftreten kann. Letztere machen sich v.a. Nervenschäden an der Harnblase können dazu führen, dass die Blase nicht mehr vollständig entleert werden kann. Bakterien siedeln sich in der Blase an und es kommt zu Harnwegsinfektionen. Häufig haben die Diabetiker kein Gefühl mehr, wie stark die Harnblase gefüllt ist. Unkontrolliertes Wasserlassen ist die Folge. Häufig werden die Geschlechtsorgane in Mitleidenschaft gezogen und rufen bei Männern Potenzprobleme hervor (Schwierigkeiten mit der Erektion und dem Samenerguss). Auch die Tätigkeit der Schweißdrüsen wird durch autonome Nerven gesteuert. Eine Schädigung führt dann zu meist reduziertem Schwitzen. Eine autonome Neuropathie verlangsamt die Reaktionsfähigkeit der Pupillen auf Licht. Es kommt zu Sehstörungen beim Betreten von dunklen Räumen oder beim Verlassen des Hauses.
  3. Normalerweise entwickelt sich die diabetische Polyneuropathie langsam über Jahre hinweg und es sind viele Nerven betroffen. Die häufigste diabetische fokale Neuropathie ist die lumbosakrale Plexusneuropathie (diabetische Amyotrophie), bei der die Durchblutungsstörung eines Beinnervengeflechtes bei älteren Patienten zu heftigen Schmerzen an Oberschenkel, Gesäßhälfte oder Bein führt. Auch heftige Schmerzen im Bereich von Brust, Bauch oder Flanken können Anzeichen einer fokalen Neuropathie sein.

Polyneuropathie und Sexualität

Die Nervenschädigung kann bei Männern und Frauen zu sexuellen Funktionsstörungen führen. Durch die Polyneuropathie sind die Nerven geschädigt, die für die Empfindungen und Steuerung von Körperfunktionen zuständig sind - darunter auch die Nerven, die an der sexuellen Reaktion beteiligt sind.

Bei Männern kann es dadurch schwieriger werden, eine Erektion zu bekommen oder aufrechtzuerhalten, da die Nervensignale nicht mehr richtig weitergeleitet werden. Frauen spüren oft eine geringere Empfindlichkeit im Intimbereich, was die Erregung und den Orgasmus beeinträchtigen kann. Zusätzlich kann die Erkrankung die Durchblutung verschlechtern, was die sexuelle Reaktionsfähigkeit weiter einschränkt. Zudem kann auch eine vaginale Trockenheit auftreten, was den Geschlechtsverkehr unangenehm macht. Auch Schmerzen oder Unsicherheiten können die Lust mindern und den Sexualtrieb negativ beeinflussen.

Was kann Betroffenen helfen?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um sexuelle Probleme bei Polyneuropathie zu behandeln. In einem ausführlichen ärztlichen Gespräch werden zunächst die Beschwerden, betroffene Körperstellen, Vorerkrankungen sowie der Konsum von Alkohol, Drogen oder Medikamenten abgeklärt. Es folgt eine körperliche Untersuchung, die Reizempfinden, Geh- und Stehvermögen, Muskelstärke und Reflexe prüft. Ergänzt wird die Diagnostik durch eine Elektroneurographie (ENG), die die Weiterleitung der Nervenimpulse misst. Eine Elektromyographie (EMG) testet, wie die Muskeln auf Nervenimpulse reagieren. In einigen Fällen ist auch eine Lumbalpunktion erforderlich, bei der über eine dünne Nadel Nervenwasser aus dem Spinalkanal abgelassen wird, um dieses auf evtl. Entzündungen oder einen erhöhten Liquoreiweiß (Eiweißgehalt im Nervenwasser) als Ursache der Polyneuropathie zu untersuchen. Sprechen Sie offen mit Ihrem behandelnden Arzt, am besten einem Neurologen oder Sexualmediziner.

Therapiemöglichkeiten bei Polyneuropathie

Die Therapie der Polyneuropathie richtet sich nach der Ursache.

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  • Diabetische Polyneuropathie: Eine stabile Blutzuckereinstellung ist der entscheidende Faktor. Gelingen kann dies durch eine angepasste Ernährung, ausreichend Bewegung und gegebenenfalls eine medikamentöse Therapie. Liegt die Polyneuropathie beispielsweise an einem schlecht eingestellten Diabetes, ist es wichtig, den Blutzuckerspiegel stabil zu halten. Das gelingt durch eine angepasste Ernährung, ausreichend Bewegung und gegebenenfalls eine medikamentöse Therapie.
  • alkoholbedingte Polyneuropathie: Hier hilft nur konsequenter Verzicht auf Alkohol. Ist Alkohol der Auslöser, gibt es nur eine Lösung: konsequenter Verzicht.
  • entzündungsbedingte Nervenschädigung: Je nach Erreger kann eine Antibiotika-Therapie oder eine antivirale Medikation helfen. Wenn eine Entzündung im Körper die Nervenschädigung verursacht, kann eine Therapie mit Antibiotika oder eine antivirale Medikation helfen.
  • Autoimmunentzündung: Entzündungshemmende Medikamente wie Kortison oder Immunglobuline kommen zum Einsatz. Bei einer Autoimmunentzündung können hingegen Cortison oder Immunglobuline indiziert sein.
  • Vitaminmangel: Gezielte Ernährungsumstellung oder die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln. Wichtig ist das Vermeiden einer Überdosierung, etwa von Vitamin B6. Auch Vitaminmangel kann eine Rolle spielen - dann kann eine gezielte Ernährungsumstellung oder die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln notwendig sein, wobei aber auch hier eine Überdosierung von z.B. Vitamin B6 vermieden werden sollte.

Neben der Ursachenbehandlung spielt die Linderung der Beschwerden eine wichtige Rolle. Besonders belastend sind oft die Schmerzen. Hier helfen spezielle Medikamente, die ursprünglich gegen Epilepsie oder Depressionen entwickelt wurden, aber auch gegen Nervenschmerzen wirksam sind.

Medikamentöse Therapie

Neben der Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung verordnet die Ärzt*in zusätzlich Medikamente gegen die oft quälenden Missempfindungen und Schmerzen. Dabei ist Geduld gefragt, da die Medikamente oft mehrere Wochen brauchen, um wirksam zu werden.

  • Bei leichten, nicht kontinuierlichen Schmerzen empfehlen die Leitlinien einen Behandlungsversuch mit Schmerzmitteln wie Paracetamol oder Metamizol.
  • Antiepileptika wie z. B. Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin. Diese krampflösenden Substanzen dämpfen die Erregbarkeit der Nervenzellen und können dadurch Schmerzen und Missempfindungen lindern. Antiepileptika stören oft die Blutbildung, deshalb muss die Ärzt*in regelmäßig das Blut kontrollieren.
  • Antidepressiva wie z. B. Amitryptilin oder Duloxetin. Sie beseitigen den Schmerz nicht, unterdrücken aber seine Weiterleitung. Antidepressiva dosiert der Arzt vorsichtig auf, um die Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall oder Erektionsstörungen möglichst gering zu halten.
  • Opioide sind starke Schmerzmittel, haben aber den Nachteil, dass sie zu einer Gewöhnung führen. Manchmal lässt auch ihre Wirkung mit der Zeit nach, wodurch immer höhere Dosen erforderlich sind (Toleranzentwicklung). Sie werden nur verordnet, wenn Antiepileptika oder Antidepressiva keine Wirkung zeigen.
  • Schmerzlindernde Pflaster. Schmerzlindernde Pflaster gelten in der Therapie des polyneuropathischen Schmerzes als zweite Wahl, d. h. die Ärzt*in verordnet sie, wenn die Therapie mit Tabletten nicht anschlägt. Sie dürfen nur auf unverletzte, trockene Haut geklebt werden. Capsaicin-Pflaster (z. B. Qutenza®) ist zugelassen zur Behandlung polyneuropathischer Schmerzen bei Erwachsenen, die nicht an Diabetes leiden. Der Wirkstoff reduziert die Empfindlichkeit der Schmerzrezeptoren in der Haut. Etwa eine Woche, nachdem das Capsaicin-Pflaster für 30-60 Minuten auf das schmerzende Areal aufgeklebt wurde, beginnt die Schmerzreduktion, die über etwa 12 Wochen anhält. Lidocain-Pflaster unterbinden die krankhafte Nervenerregung in der Haut, sie werden einmal täglich für 12 Stunden auf die Haut geklebt.
  • Alpha-Liponsäure soll Schmerzen und Empfindungsstörungen bei der diabetischen Polyneuropathie verbessern, die Wirkung ist allerdings umstritten. Deshalb übernehmen die Gesetzlichen Krankenkassen die Kosten einer solchen Behandlung nicht.

Physikalische Therapie und weitere Maßnahmen

Im Alter treten häufig zusätzliche Erkrankungen zur Polyneuropathie auf, was zu einer multifaktoriellen Gangstörung führen kann. Begleitende Diagnosen wie Arthrose der Gelenke oder eine lumbale Spinalkanalstenose (Verengung des Rückenmarkskanals) sind dabei keine Seltenheit. Umso wichtiger ist es, die Mobilität möglichst lange zu erhalten. Im Mittelpunkt der Behandlung stehen Maßnahmen der physikalischen Therapie: Physiotherapie, Gleichgewichts- und Gehtraining sowie gelenkschonende Sportarten wie Aqua-Fitness. Sie helfen dabei, Beweglichkeit, Kraft und Gleichgewicht zu verbessern. Bei starkem Kraftverlust oder einem unsicheren Gang können spezielle Schienen oder orthopädische Einlagen zusätzliche Stabilität bieten.

  • Physio- und Ergotherapie helfen, Gelenkversteifungen zu vermeiden und Muskeln wiederaufzubauen.
  • Füße gut pflegen. Die Empfindungsstörungen bei Polyneuropathien können gefährliche Folgen haben. Dadurch, dass Druckstellen oder kleine Fußverletzungen nicht mehr bemerkt werden, entwickeln sich sehr leicht Fußgeschwüre. Vor allem Diabetiker sind häufig vom diabetischen Fußsyndrom betroffen, weil bei ihnen zusätzlich die Wundheilung gestört ist.
  • Mobil bleiben. Nutzen Sie physikalische Therapien und Krankengymnastik, um gelenkig zu bleiben.
  • Wadenkrämpfe lindern. Zur Behandlung von Wadenkrämpfen kann Magnesium versucht werden.
  • Schwindel- und Schwächegefühle behandeln. Wenn die Blutdruckregulation gestört ist und Sie unter einer orthostatischen Dysregulation leiden, tragen Sie Stützstrümpfe. Außerdem sollten Sie immer langsam aufstehen, um keinen Schwindel zu provozieren.
  • Blasenstörungen in den Griff bekommen. Gehen Sie regelmäßig zur Toilette, damit sich nicht zu viel Restharn in der Blase ansammelt.
  • Erektionsstörungen ansprechen. Polyneuropathien machen auch vor dem vegetativen Nervensystem nicht halt. Zudem stören auch die zur Behandlung der Missempfindungen eingenommenen Medikamente manchmal die Erektion.
  • Magnettherapie. Neuere Studien zeigen positive Effekte bei diabetischer Neuropathie. Auf welchem Mechanismus die Wirkung der Magnettherapie beruht, ist aber derzeit noch unklar.
  • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS). Manchen Patienten hilft es, eine schmerzhafte Hautregion elektrisch zu stimulieren.
  • Homöopathie. Die Homöopathie empfiehlt u. a. Aconitum C3, D4 bei neuralgischen, stechenden, brennenden Schmerzen, Agaricus muscarius D6 und D12 bei Missempfindungen (z. B.

Alltag mit Polyneuropathie

Der Alltag mit einem eingeschränkten Temperatur- und Schmerzempfinden kann herausfordernd sein und erfordert besondere Vorsicht und Vorsorge, um Verletzungen zu vermeiden und frühzeitig zu erkennen sowie um Stürze zu vermeiden.

  • Wie kann ich Verletzungen frühzeitig erkennen? Kontrollieren Sie täglich sorgfältig Ihre Hände und Füße und achten Sie auf Rötungen, kleine Schnitte oder Druckstellen. Nutzen Sie für schwer einsehbare Stellen einen Handspiegel.
  • Welche Rolle spielt Hautpflege? Regelmäßiges Eincremen beugt trockener, rissiger Haut vor, die anfällig für Erreger ist. Stellen Sie Wunden oder Entzündungen fest, sollten Sie frühzeitig ärztlichen Rat einholen. Auch medizinische Fußpflege kann eine sinnvolle Ergänzung sein.
  • Wie schütze ich mich vor Verbrennungen oder Erfrierungen? Nutzen Sie ein Thermometer, um die Wassertemperatur zu überprüfen. Verzichten Sie zudem auf Wärmflaschen oder Heizdecken. Im Winter können warme Handschuhe und gut isolierte Schuhe vor Kälte schützen.
  • Worauf sollte ich zuhause und draußen achten? In den eigenen vier Wänden sind unter anderem rutschfeste Böden, ausreichende Beleuchtung und das Entfernen von Stolperfallen wie losen Teppichen, wichtig, um Stürzen vorzubeugen. Im Freien sollten Sie auf festes Schuhwerk, Gehhilfen, gut beleuchtete Wege und die Vermeidung glatter oder unebener Flächen achten. Ein sicheres Wohnumfeld mit rutschfesten Böden, ausreichender Beleuchtung und Entfernen von Stolperfallen wie losen Teppichen trägt zudem wesentlich zur Sturzprävention bei.

Prognose

Lässt sich bei einer Polyneuropathie der Auslöser frühzeitig abstellen, ist die Prognose gut. Je später jedoch die Erkrankung erkannt wird, desto höher ist die Gefahr, dass die Nerven schon bleibend geschädigt sind.

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Unterstützung

Wo finde ich mit Polyneuropathie Unterstützung? Für Erkrankte kann der Austausch mit anderen Betroffenen sehr hilfreich sein, zum Beispiel über Selbsthilfegruppen wie die Deutsche Polyneuropathie Selbsthilfe e.V. Polyneuropathie stellt nicht nur eine körperliche, sondern auch eine seelische Herausforderung dar. Achtsame Selbstfürsorge, therapeutische Begleitung und kleine Veränderungen im Alltag können helfen, Lebensqualität zu bewahren. Der Austausch mit anderen Betroffenen - etwa über Selbsthilfegruppen wie die Deutsche Polyneuropathie Selbsthilfe e.V. - stärkt zusätzlich.

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