Polyneuropathie durch Vitamin-B6-Überschuss: Ursachen, Symptome und Prävention

Vitamine sind essenzielle Nährstoffe, die unser Körper benötigt, um reibungslos zu funktionieren. Sie spielen eine Schlüsselrolle in zahlreichen Stoffwechselprozessen, von der Energieproduktion bis zur Immunfunktion. Während ein Mangel an bestimmten Vitaminen zu gesundheitlichen Problemen führen kann, ist es ebenso wichtig, eine Überdosierung zu vermeiden. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Polyneuropathie, die durch einen Überschuss an Vitamin B6 verursacht werden kann, und beleuchtet die Ursachen, Symptome und Präventionsmaßnahmen.

Die Bedeutung von Vitamin B6

Vitamin B6 ist ein Sammelbegriff für verschiedene Moleküle, darunter Pyridoxin, Pyridoxal und Pyridoxamin. Diese Moleküle sind an über 100 Reaktionen im Körper beteiligt, insbesondere am Stoffwechsel von Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten. Vitamin B6 spielt auch eine wichtige Rolle bei der Produktion von Neurotransmittern, die für die Kommunikation zwischen Nervenzellen unerlässlich sind.

Vorkommen und Bedarf

Vitamin B6 kommt in fast allen tierischen und pflanzlichen Lebensmitteln vor, insbesondere in Vollkorngetreide, Nüssen, rotem Paprika, Sardinen, Makrelen und Schweinefleisch. Die täglich benötigte Menge an Vitamin B6 hängt eng mit der aufgenommenen Proteinmenge zusammen. Als Faustregel gilt: Pro Gramm Protein werden 0,02 Milligramm Vitamin B6 benötigt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt folgende tägliche Zufuhr:

  • Säuglinge (0-12 Monate): 0,1-0,3 Milligramm
  • Kinder (1-6 Jahre): 0,6-0,7 Milligramm
  • Kinder (7-13 Jahre): 1-1,2 Milligramm
  • Jugendliche (13-19 Jahre): 1,4-1,6 Milligramm
  • Erwachsene: 1,4-1,6 Milligramm
  • Schwangere ab dem 4. Monat: 1,5-1,8 Milligramm
  • Stillende: 1,6 Milligramm

Vitamin B6-Mangel

Ein Mangel an Vitamin B6 kann zu verschiedenen Symptomen führen, darunter periphere Polyneuropathie (Erkrankung der Nerven), Schmerzen, Kribbeln oder Taubheit in Händen und Füßen, Muskelzuckungen, Krämpfe, Depressionen, Reizbarkeit, Hautprobleme (Risse und Spalten an Mundwinkeln und Lippen) und Anämie.

Risikogruppen für einen Vitamin-B6-Mangel sind:

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  • Personen mit erhöhter Proteinaufnahme
  • Menschen mit chronischen Magen-Darm-Erkrankungen (z. B. Morbus Crohn)
  • Personen, die bestimmte Medikamente einnehmen (z. B. gegen Tuberkulose, Asthma, Epilepsie, Bluthochdruck)
  • Personen, die hormonelle Verhütungsmittel einnehmen
  • Personen mit Leberschäden oder Lebererkrankungen
  • Schwangere und Stillende

Vitamin-B6-Überdosierung und Polyneuropathie

Obwohl Vitamin B6 ein wasserlösliches Vitamin ist und der Körper überschüssige Mengen normalerweise ausscheidet, können sehr hohe Dosen über längere Zeiträume schmerzhafte sensorische Neuropathien verursachen. Diese äußern sich durch Schmerzen und Taubheitsgefühl in den Extremitäten und können in schweren Fällen das Gehen erschweren.

Die sensorische Neuropathie entwickelt sich gewöhnlich bei Einnahme von mehr als 1.000 mg Vitamin B6 täglich. Es gibt jedoch auch Fallbeschreibungen von Personen, die eine solche Neuropathie bei einer Dosis von "nur" 500 mg täglich über mehrere Monate entwickelten.

Symptome einer Vitamin-B6-Überdosierung

Zu den typischen Symptomen einer Vitamin-B6-Überdosierung gehören:

  • Sensorische Neuropathie (Schmerzen, Taubheitsgefühl, Kribbeln in Händen und Füßen)
  • Ataxie (Gangstörungen)
  • Muskelschwäche
  • Erhöhte Photosensitivität (übermäßige Empfindlichkeit gegenüber Licht)
  • Schwindel, Übelkeit oder Durchfall (unspezifische Symptome)

Ursachen einer Vitamin-B6-Überdosierung

Eine Vitamin-B6-Überdosierung ist in der Regel nicht durch eine normale Ernährung möglich, sondern tritt meist durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder Medikamenten auf, die hohe Dosen an Vitamin B6 enthalten. Besonders Sportler, die im Internet beworbene Produkte einnehmen, riskieren eine Überdosierung, da diese Produkte oft das Vielfache der empfohlenen Tageshöchstdosis enthalten.

Höchstmengen für Vitamin B6

Um negative Effekte auf das Nervensystem zu vermeiden, sollten folgende Höchstmengen für die tägliche Vitamin-B6-Zufuhr nicht überschritten werden:

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  • Erwachsene, Schwangere und Stillende: 25 mg (EFSA)
  • Kinder und Jugendliche: 5-20 mg (je nach Gewicht)
  • Nahrungsergänzungsmittel (Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren): 3,5 mg (BfR)
  • Amerikanische Amt für Lebensmittel und Ernährung: 100 mg

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Werte sich auf die langfristige tägliche Zufuhr beziehen. Eine einmalige Überschreitung der Höchstmenge führt in der Regel nicht zu akuten Gesundheitsproblemen.

Diagnostik bei Verdacht auf Polyneuropathie

Bei Verdacht auf Polyneuropathie, insbesondere bei Einnahme von hohen Dosen Vitamin B6, sollte ein Arzt konsultiert werden. Dieser kann die Ursache der Beschwerden abklären und gegebenenfalls weitere Untersuchungen veranlassen, wie z.B.:

  • Neurologische Untersuchung
  • Blutuntersuchung (Vitamin-B6-Spiegel, andere Vitamine, Entzündungswerte, etc.)
  • Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (NLG)
  • Bildgebende Verfahren (Nervensonografie, MRT)
  • Nerven- und Hautbiopsien
  • Gentests

Therapie bei Vitamin-B6-induzierter Polyneuropathie

Die wichtigste Maßnahme bei Vitamin-B6-induzierter Polyneuropathie ist das Absetzen der hochdosierten Vitamin-B6-Präparate. In vielen Fällen bilden sich die Symptome dann langsam zurück. Je nach Schweregrad der Neuropathie können weitere therapeutische Maßnahmen erforderlich sein, wie z.B.:

  • Schmerztherapie (z.B. mit Antineuropathika)
  • Physiotherapie
  • Ergotherapie

Weitere Ursachen von Polyneuropathie

Es ist wichtig zu beachten, dass ein Vitamin-B6-Überschuss nur eine von vielen möglichen Ursachen für Polyneuropathie ist. Andere Ursachen können sein:

  • Diabetes mellitus: Schätzungsweise 46 % aller Polyneuropathie-Erkrankungen sind auf Diabetes zurückzuführen.
  • Alkoholmissbrauch: Alkohol kann die Nerven schädigen und zu Polyneuropathie führen.
  • Medikamentennebenwirkungen: Einige Medikamente, insbesondere Chemotherapeutika, können Polyneuropathie verursachen (Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie, CIPN).
  • Infektionen: Prinzipiell kann jede Infektion Nerven schädigen, selbst harmlose Erkältungen.
  • Schwermetallvergiftung: Kontakt mit Schwermetallen wie Blei, Quecksilber, Cadmium, Thallium oder Arsen kann Nervenschäden verursachen.
  • Erkrankungen der Leber und Nieren: Leberzirrhose oder Nierenfunktionsverlust können mit Polyneuropathie einhergehen.
  • Schilddrüsenstörungen: Eine Störung der Schilddrüse kann ebenfalls für eine Polyneuropathie verantwortlich sein.
  • Vitaminmangel: Neben Vitamin B6 können auch Mängel an Vitamin B12 und Folsäure zu Polyneuropathie führen. Die Trias der Vitamine B12, B6 und Folsäure muss gleichzeitig vorhanden sein, damit der Stoffwechsel in den Folat- und C1-(Methylierungs-)Zyklen ungestört vonstattengehen kann.
  • Idiopathische Polyneuropathie: In vielen Fällen ist die Ursache der Polyneuropathie unklar (idiopathisch).

Prävention von Vitamin-B6-induzierter Polyneuropathie

Um einer Vitamin-B6-induzierten Polyneuropathie vorzubeugen, sollten folgende Empfehlungen beachtet werden:

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  • Ausgewogene Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung, die reich an Vitamin-B6-haltigen Lebensmitteln ist, ist in der Regel ausreichend, um den täglichen Bedarf zu decken.
  • Vorsicht bei Nahrungsergänzungsmitteln: Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin B6 sollten nur bei einem nachgewiesenen Mangel und nach Rücksprache mit einem Arzt eingenommen werden.
  • Dosierung beachten: Die empfohlene Tageshöchstdosis für Vitamin B6 sollte nicht überschritten werden.
  • Arzt informieren: Bei Einnahme von Medikamenten, die den Vitamin-B6-Spiegel beeinflussen können, sollte der Arzt informiert werden.
  • Auf Symptome achten: Bei Auftreten von Symptomen wie Schmerzen, Taubheitsgefühl oder Kribbeln in Händen und Füßen sollte ein Arzt konsultiert werden.

Die Rolle anderer B-Vitamine

Es ist wichtig zu beachten, dass Vitamin B6 nur eines von acht verschiedenen B-Vitaminen ist, die alle unterschiedliche, aber wichtige Funktionen im Körper haben. Eine ausgewogene Zufuhr aller B-Vitamine ist für die Gesundheit unerlässlich. Hier eine kurze Übersicht über die anderen B-Vitamine:

  • Vitamin B1 (Thiamin): Unterstützt den Energiestoffwechsel.
  • Vitamin B2 (Riboflavin, Lactoflavin): Schützt die Zellen vor oxidativem Stress.
  • Vitamin B3 (Niacin): Unterstützt den Energiestoffwechsel und ist wichtig für die DNA-Reparatur.
  • Vitamin B5 (Pantothensäure): Hilft dem Körper bei der Energiegewinnung.
  • Vitamin B7 (Biotin): Gut für Haut, Haare und die Psyche.
  • Vitamin B9 (Folsäure/Folat): Wichtig für die Zellteilung, besonders in der Schwangerschaft.
  • Vitamin B12 (Cobalamin): Wichtig für die Bildung roter Blutkörperchen und die Nervenzellen.

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