Protonenpumpenhemmer (PPI) und Demenz: Ein komplexer Zusammenhang

Protonenpumpenhemmer (PPI) sind weit verbreitete Medikamente zur Reduktion der Magensäureproduktion und werden häufig bei gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD) und Magengeschwüren eingesetzt. Obwohl sie in der Regel für eine kurzzeitige Behandlung von 4-8 Wochen empfohlen werden, ist die chronische Einnahme von PPI weit verbreitet, auch ohne Zulassung für den Dauergebrauch. In den letzten Jahren wurde die langfristige Einnahme von PPI mit verschiedenen chronischen Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Nierenerkrankungen und Demenz. Der mögliche Zusammenhang zwischen PPI-Konsum und Demenz hat in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu widersprüchlichen Ergebnissen geführt und ist Gegenstand aktueller Forschung.

Aktuelle Studienlage zum Thema PPI und Demenz

Widersprüchliche Ergebnisse in früheren Studien

Einige frühere Studien deuteten auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Protonenpumpenhemmern (PPI) und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Demenz hin. Die Datenqualität dieser Studien wurde jedoch als eingeschränkt kritisiert, da die Therapie nicht vollständig erfasst wurde und andere Einflussgrößen nicht hinreichend ausgeschlossen werden konnten. Zudem wurde das Vorliegen einer Demenz oft aus Krankenkassendaten geschlossen, was eine weitere Fehlerquelle darstellen könnte.

Zwei aktuellere Metaanalysen konnten den Zusammenhang zwischen PPI-Einnahme und Demenz nicht bestätigen. Die Qualität dieser Metaanalysen wurde jedoch aufgrund der Heterogenität der eingeschlossenen Studien kritisiert. In vielen Studien lag der Fokus nicht auf der Langzeit-PPI-Exposition, sondern auf kurzfristiger oder jeglicher Verwendung während der Nachbeobachtungszeit. Angesichts der langen Latenzzeit der Demenzentwicklung erscheint es jedoch sinnvoll, die kumulative Exposition (langfristig, aber auch regelmäßig kurzfristig) zu untersuchen.

Aktuelle Forschungsergebnisse

Eine prospektive Kohortenstudie mit über 18.000 Menschen im Alter von ≥ 65 Jahren konnte keine Zusammenhänge zwischen der Einnahme von Protoneninhibitoren oder H2-Histaminrezeptorantagonisten mit einer beginnenden Demenz oder kognitiven Einschränkungen nachweisen.

Eine weitere Studie aus dem Jahr 2023 untersuchte, ob eine längere kumulative PPI-Exposition mit einem höheren Risiko für Demenzerkrankungen einhergeht. Die Daten stammten aus der prospektiven bevölkerungsbasierten longitudinalen ARIC-Studie („Atherosclerosis Risk in Communities“). Der PPI-Gebrauch wurde anhand einer visuellen Medikamentenerfassung bei sieben planmäßigen Klinikbesuchen zwischen 1987 und 2019 und jährlichen Studientelefonaten (ab 2012 halbjährlich) ermittelt. Die Studie verwendete die ARIC-Visite 5 (2011 - 2013) als Basis, da ab dieser Zeit der PPI-Einsatz üblich war. Die PPI-Exposition wurde auf zwei Arten erfasst: aktuelle Verwendung bei Besuch 5 und Häufigkeit und Dauer der Verwendung vor Besuch 5.

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Die Ergebnisse zeigten, dass Personen, die bei Besuch 5 aktuell PPI verwendeten, kein höheres Demenzrisiko hatten als diejenigen, die keine PPIs verwendeten. Personen mit einer kumulativen PPI-Einnahme von mehr als 4,4 Jahren vor Visite 5 hatten allerdings ein um 33% höheres Risiko als diejenigen ohne PPI-Gebrauch.

Studiendesign und Ergebnisse einer großen Kohortenstudie aus Deutschland (2016)

Eine große prospektive Kohortenstudie aus Deutschland, die im Februar 2016 in JAMA Neurology publiziert wurde, untersuchte die Daten von über 73.000 Versicherten der allgemeinen Ortskrankenkassen Deutschlands im Alter von 75 Jahren oder älter über den Zeitraum von 2004 bis 2011. Berücksichtigt wurden Alter, Geschlecht, Diagnosen aus ambulanten und stationären Behandlungen und Medikamentenverordnung. Eingeschlossen waren Patienten, die entweder keine oder eine regelmäßige Verordnung von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) hatten. Letzteres beinhaltete die Verordnung in jedem Quartal und betraf knapp 3000 Teilnehmer der Kohorte. Patienten, die nur unregelmäßig Verordnungen von PPI erhielten, waren ausgeschlossen. Ebenso ausgeschlossen waren Patienten, bei denen innerhalb des ersten Jahres (2004) die Diagnose einer Demenz gestellt wurde oder bei denen die Demenzdiagnose nur in einem Quartal des Beobachtungszeitraumes dokumentiert war. Es wurde nicht zwischen den verschiedenen Demenzformen unterschieden. In die Kovarianzanalyse gingen als mögliche begleitende Risikofaktoren neben Alter und Geschlecht die Verordnung von fünf oder mehr Medikamenten sowie als Komorbiditäten Schlaganfall, ischämische Herzkrankheit, Depression und Diabetes ein.

Die Ergebnisse zeigten, dass die regelmäßige Einnahme von PPI mit einem 1,44-fach erhöhten Risiko der Entwicklung einer Demenz assoziiert war (Konfidenzintervall [CI]: 1,36-1,52; p < 0,001 %). In der Kovarianzanalyse unter Berücksichtigung der genannten begleitenden Risikofaktoren erhöhte sich das relative Risiko auf 1,66 (CI 1,57-1,76; p < 0,001 %). Das Risiko war gering höher beim männlichen Geschlecht und in der Altersgruppe der 75- bis 80-Jährigen verglichen mit den noch Älteren.

Relativierung der Ergebnisse durch eine Studie aus Atlanta

Im Gegensatz zu den oben genannten Studien ergab eine prospektive Beobachtungsstudie aus Atlanta, die im Journal of the American Geriatrics Society (2017) veröffentlicht wurde, dass die regelmäßige oder auch vorübergehende Einnahme von Protonen­pumpen-Inhibitoren (PPI) mit einem verminderten Erkrankungsrisiko an einer Demenz verbunden war. Die Kohorte umfasste 10.486 Personen im Alter ab 50 Jahre, die zu Beginn der Untersuchung gesund waren oder eine leichte kognitive Beeinträchtigung (MCI) aufwiesen. Insgesamt 884 Teilnehmer hatten dauerhaft, 1.925 weitere inter­mittierend PPI eingenommen. Die Ergebnisse zeigten, dass die dauerhaften PPI-Anwender in der Folge nicht häufiger, sondern seltener an einer Demenz erkrankten. Dies galt sowohl für Personen, die zunächst keine kognitiven Einschränkungen aufwiesen (Hazard Ratio 0,78; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,66-0,93) als auch für das Fortschreiten einer MCI zur Demenz (Hazard Ratio 0,82; 0,69-0,98). Auch die intermittierende Anwendung von PPI war mit einem verminderten Demenz­risiko assoziiert.

Die Studienergebnisse relativieren die Sorge, sie können ein Risiko jedoch nicht restlos ausschließen. Die Schwächen der Studien bestehen darin, dass die Medikamenten­einnahme auf Angaben in der Anamnese beruhen. Die Erinnerung könnte hier von der tatsächlichen Verordnung abweichen.

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Mögliche Mechanismen und Risikofaktoren

Vitamin-B12-Mangel

Eine mögliche Erklärung für die Assoziation zwischen PPI-Einnahme und Demenzentwicklung ist die unter PPI verminderte Vitamin-B12-Resorption, die vor allem bei Älteren zu einem kognitiven Abbau führen kann. PPI blockieren nicht nur die Magensäure­bildung, sondern hemmen auch die Freisetzung des Intrinsic-Factors, der für die Resorption von Vitamin B12 benötigt wird. Ein Mangel an Vitamin B12 kann neben einer peripheren Neuropathie auch zentralnervöse Störungen verursachen.

Beta-Amyloid-Spiegel

Experimentelle Studien haben gezeigt, dass PPI die Beta-Amyloid-Spiegel in den Gehirnen von Mäusen ansteigen lassen. Beta-Amyloid ist ein Protein, das eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Alzheimer spielt.

Indirekt kausale Zusammenhänge

Möglicherweise ist der Zusammenhang zwischen einer PPI-Verordnung und einer Demenzentwicklung aber auch nur indirekt kausal. Epidemiologische Studien zeigen nämlich, dass Personen, denen Protonenpumpenhemmer verordnet werden, insgesamt einen schlechteren Gesundheitsstatus haben und damit auch ein erhöhtes Demenzrisiko aufweisen. So könnte beispielsweise Übergewicht vermehrt Arthritis zur Folge haben, deren Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika gerade bei Älteren gerne unter einem „PPI-Schutz“ durchgeführt wird. Oder Ältere mit hohem Alkoholkonsum, die wahrscheinlich schon primär einen Vitamin-B12-Mangel haben, entwickeln eine Gastritis oder gar ein Ulkus und erhalten ebenfalls einen PPI. Übergewicht und die damit einhergehenden metabolischen Erkrankungen sowie erhöhter Alkoholkonsum gelten aber bereits als primäre Risikofaktoren für demenzielle Erkrankungen.

Weitere Risikofaktoren

Wichtige Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz wurden in einigen Studien nicht geprüft, darunter Alkoholkonsum, Bildung, Familienanamnese und Umweltfaktoren.

Klinische Bedeutung und Empfehlungen

Kritische Indikationsstellung

Die Verordnungszahlen der PPI sind in den letzten zehn Jahren stark angestiegen. Es gibt Hinweise, dass ein relevanter Anteil der Indikationsstellung, der Höhe und der Dauer der Behandlung nicht adäquat ist. Umso mehr muss eine potenzielle Erhöhung des Demenzrisikos als relevant angesehen werden.

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Vor dem Hintergrund der rasanten Zunahme der Verordnung von PPI in den letzten zehn Jahren ermahnen die vorgelegten Daten, die Indikation zur Langzeitverordnung von PPI sorgfältig zu stellen. Eine längerfristige Behandlung mit PPI ohne gesicherte Indikation sollte vermieden werden.

Aufklärung der Patienten

Die Patienten sollten auf mögliche Risiken beim Langzeitgebrauch von PPI hingewiesen werden - auch in den Apotheken. Eine längerfristige Einnahme von Säureblockern sollte vermieden werden.

Weitere Forschung notwendig

Es ist weitere Forschung dringend notwendig, um die Zusammenhänge zwischen dem kumulativen PPI-Einsatz und der Entwicklung von Demenz zu sichern und vor allem die Kausalität zu verstehen. Randomisierte klinische Studien sind erforderlich, um den Zusammenhang zwischen PPI-Einnahme und Demenzentwicklung weiter zu untersuchen. Auch die biologischen Zusammenhänge müssten noch näher erforscht werden.

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