Die Alzheimer-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die im Erwachsenenalter beginnt und durch Demenz, kortikale Hirnatrophie und neuropathologische Veränderungen wie extrazelluläre Beta-Amyloid-Plaques und intraneuronale neurofibrilläre Bündel gekennzeichnet ist. Obwohl die Alzheimer-Krankheit typischerweise im höheren Lebensalter auftritt, manifestieren sich etwa 8 % aller Demenzen vor dem 65. Lebensjahr. Diese früh beginnenden Demenzen stellen besondere diagnostische und therapeutische Herausforderungen dar.
Definition und Häufigkeit
Früh beginnende Demenzen umfassen alle Demenzen, die zwischen dem 18. und 65. Lebensjahr auftreten. Die Begriffe "präsenil" bzw. "senil" sollten vermieden werden, da sie implizieren, dass kognitive Störungen im Alter normal sind. Das durchschnittliche Manifestationsalter aller Demenzen, die sich vor dem 65. Lebensjahr manifestieren, beträgt 58 Jahre. Der Anteil der familiären Alzheimer-Krankheit (FAD) an allen Demenzkranken mit Alzheimer-Demenz wird auf ca. 5 % geschätzt.
Ursachen der präsenilen Alzheimer-Demenz
Die Ursachen der Demenzen lassen sich grob in primär neurodegenerative Erkrankungen, vaskuläre Demenzen und sekundäre Demenzen unterteilen.
Primär neurodegenerative Erkrankungen
Primär neurodegenerative Erkrankungen sind die häufigste Ursache für Demenz bei Patienten mit Manifestationsalter zwischen dem 35. und 65. Lebensjahr. Innerhalb dieser Gruppe ist die Alzheimer-Krankheit die häufigste Ursache, gefolgt von der frontotemporalen Lobärdegeneration (FTLD). Mutationen im Gen APP (Amyloid beta (A4) Precursor Protein) auf Chromosom 21q21.2 verursachen ca. 10-15 % der Fälle von familiärer Alzheimer-Krankheit (FAD). Weitere Gene, die mit FAD in Verbindung stehen, sind PSEN1 (Presenilin 1) auf Chromosom 14q24.2 und PSEN2 (Presenilin 2) auf Chromosom 1q31-q42. Es sind Familien mit autosomal dominanter EOFAD ohne Mutation in den oben genannten Genen bekannt, was nahelegt, dass es weitere, bisher noch nicht identifizierte ursächliche Gene für monogen vererbte Formen der Alzheimer Demenz gibt. Ein Genotyp des Gens APOE (Apolipoprotein E) gilt als Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit. Patienten mit einer Alzheimer-Demenz im höheren Lebensalter weisen gegenüber der Allgemeinbevölkerung vermehrt den Genotyp E4 entweder homozygot (E4/E4) oder heterozygot (E3/E4) auf. Wer die Gen Variante APOE4 also von Vater und Mutter erbt, erkrankt ziemlich sicher, nämlich mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer. "Eine doppelte Kopie dieser Variante gilt nicht mehr nur als Risiko, sondern als Ursache für eine Alzheimer-Erkrankung", bestätigt Johannes Levin, Demenzforscher am Uni-Klinikum Großhadern in München. "In diesem Fall fängt die Erkrankung auch früher an, bereits ab Mitte oder Ende sechzig, früher als normale sporadische Erkrankungen."
Frontotemporale Lobärdegeneration (FTLD)
Die frontotemporale Lobärdegeneration (FTLD) ist ein spezifischer neuropathologischer Begriff für primär neurodegenerative Erkrankungen mit Atrophie frontaler und/oder temporaler Strukturen sowie histologisch nachweisbaren, intrazellulären Ablagerungen aberranter Formen der Proteine Tau, TDP-43 oder FUS. Das klinische Korrelat der FTLD ist in den meisten Fällen eine frontotemporale Demenz (FTD). Hierzu zählen die Verhaltensvariante der FTD (bvFTD) und die Sprachvarianten, also die verschiedenen Subtypen der PPA.
Lesen Sie auch: Präsenile Alzheimer-Demenz: Ein Überblick
Vaskuläre Demenz
Die vaskuläre Demenz wird formal nicht zu den sekundären Demenzen gezählt. Im engeren Sinn versteht man unter einer vaskulären Demenz ein subkortikales demenzielles Syndrom infolge einer zerebralen Mikroangiopathie. Im weiteren Sinn werden jedoch auch strategisch lokalisierte embolische Infarkte (z. B. in Thalamus, Fornix oder Hippokampus), die zerebrale Amyloidangiopathie, primäre und sekundäre zerebrale Vaskulitiden sowie genetische Erkrankungen wie die zerebrale autosomal-dominante Arteriopathie mit subkortikalen Infarkten und Leukenzephalopathie (CADASIL) zur vaskulären Demenz gezählt.
Sekundäre Demenzen
Unter dem Oberbegriff „sekundäre Demenzen“ werden alle demenziellen Syndrome zusammengefasst, die nicht Folge einer primär neurodegenerativen Erkrankung sind und nicht zu den vaskulären Demenzen zählen. Die kognitiven Störungen können dabei Folge einer sekundären zerebralen Funktionsstörung oder einer sekundären Neurodegeneration sein. Sekundäre Demenzen sind bei jungen Menschen prozentual deutlich häufiger als bei älteren Menschen. Sie machen in ihrer Gesamtheit bei Patienten <65 Jahre knapp ein Drittel aller Fälle aus, bei Patienten <35 Jahre stellen sie sogar die häufigste Ursache einer Demenz dar. Das Feld der Differenzialdiagnosen ist sehr breit: Erkrankungen, die sich mit einem sekundären demenziellen Syndrom manifestieren, umfassen verschiedene Infektionskrankheiten, autoimmunvermittelte Erkrankungen, metabolische und hereditäre Erkrankungen, ethyltoxische oder traumatische Hirnschäden.
Klinische Präsentation
Bei der typischen Form der Alzheimer-Demenz, die sich in etwa 95 % der Fälle jenseits des 65. Lebensjahres manifestiert, stehen initial mnestische Störungen im Vordergrund, genauer eine Störung der Lern- und Merkfähigkeit, ohne oder nur mit geringem Profit durch Abrufhilfen. Im Gegensatz dazu manifestiert sich die Krankheit bei jüngeren Patienten in etwa 20-65 % der Fälle in Form atypischer, fokaler Varianten: Die zwei häufigsten Formen sind die posteriore kortikale Atrophie (PCA) und die logopenische Variante der primär progressiven Aphasie (PPA). Seltener ist die frontale Variante der Alzheimer-Krankheit.
Posteriore kortikale Atrophie (PCA)
Bei der PCA kommt es zu vorwiegend visuellen Symptomen trotz intakter primärer visueller Verarbeitung, d. h. das Sehen ist unbeeinträchtigt, jedoch ist die Interpretation der Seheindrücke gestört.
Logopenische Variante der primär progressiven Aphasie (lpPPA)
Die lpPPA ist charakterisiert durch Wortfindungsstörungen und eine reduzierte Sprachproduktion bei relativ gut erhaltener Phonologie und Syntax. Während die nichtflüssige PPA und die semantische PPA meist durch eine FTLD versursacht sind, handelt es sich bei der lpPPA in den meisten Fällen um eine Variante der Alzheimer-Krankheit.
Lesen Sie auch: Ursachen von Demenz im frühen Alter
Verhaltensvariante der FTD (bvFTD)
Die behaviorale Variante der FTD (bvFTD) stellt die häufigste klinische Präsentation einer FTLD dar. Die Erstsymptome sind häufig subtil, die Patienten zeigen fast immer eine Anosognosie für die leitsymptomatischen Verhaltensänderungen, welche von Angehörigen oftmals zunächst als „midlife crisis“ fehlinterpretiert werden. Diese Präsentation resultiert aus den zentralen bvFTD-Symptomen, die auch die Grundlage der Diagnosekriterien nach Rascovsky bilden: sog. „Plussymptome“ wie soziale Disinhibition, perseverierende, stereotype oder zwanghaft, ritualisierte Verhaltensmuster oder Veränderungen im Essverhalten (insbesondere ein gesteigerter Konsum von Süßigkeiten). Andererseits kommt es häufig bei denselben Patienten auch zu Minussymptomen wie Apathie, Antriebsarmut oder Verlust von Empathie. Neben den Verhaltenssymptomen finden sich markante Störungen exekutiver Funktionen trotz relativ intakter Gedächtnisleistungen und visuell-räumlicher kognitiver Funktionen.
Sprachvarianten der FTD (primär progressive Aphasien, PPA)
Das klinische Bild von Patienten mit einer PPA ist gekennzeichnet durch eine langsam progrediente Sprachstörung als vorherrschendes Symptom, welches hauptverantwortlich für die Einschränkungen der Alltagsfunktionalität ist. Anhand der klinischen Präsentationen der PPA werden drei Subtypen unterschieden: Bei der nichtflüssigen PPA (nfPPA) finden sich eine angestrengte, nichtflüssige Sprachproduktion, eine Sprechapraxie und grammatikalische Defizite mit phonematischen Paraphasien. Bei der semantischen Variante (svPPA) zeigt sich eine flüssige, jedoch inhaltsleere Sprache mit Störungen der Semantik, also der „Wortbedeutung“. Daraus resultieren Benennstörungen, semantische Paraphasien und umständliche Umschreibungen in der Spontansprache.
Diagnostisches Vorgehen
Die korrekte Diagnose bei jüngeren Patienten mit einer Demenz erfordert ein strukturiertes diagnostisches Vorgehen. In Abwesenheit spezifischer Biomarker für den Großteil der möglichen zugrunde liegenden Erkrankungen basiert die Diagnose primär auf den klinischen Symptomen. Die Diagnostik bei jungen Patienten mit Demenz sollte daher hypothesengeleitet erfolgen, d. h. nach einer präzisen klinisch-syndromalen Zuordnung der Symptome. Von größter differenzialdiagnostischer Bedeutung ist die Identifizierung des zuerst aufgetretenen Krankheitssymptoms sowie dessen zeitlicher Verlauf. Auch wenn die Einteilung aus neuropathologischer und neuropsychologischer Sicht stark vereinfacht erscheint, ist eine initiale Einteilung der kognitiven Funktionsstörung in kortikale „Werkzeugstörungen“ oder subkortikale kognitive Störungen zur Planung des diagnostischen Vorgehens empfehlenswert. Zu den kortikalen neurokognitiven Funktionen zählen Gedächtnis, Sprache, Praxie und Visuokonstruktion. Störungen in diesen Domänen sind typische Symptome der Alzheimer-Krankheit oder der FTLD. Den kortikalen Symptomen gegenüberzustellen sind subkortikale Störungen. Hierzu zählt in erster Linie die psychomotorische Verlangsamung. Das Abrufen bereits erlernter Gedächtnisinhalte ist erschwert, Verarbeitungsgeschwindigkeit und Aufmerksamkeitsleistungen sind reduziert.
Bei jedem Patienten mit Demenzverdacht sollte bereits bei der Erstdiagnose eine standardisierte Quantifizierung der kognitiven Leistungseinbußen erfolgen. Es stehen verschiedene zeitökonomische Tests zur Verfügung, die jeweils mit Vor- und Nachteilen behaftet sind. In der Ersteinschätzung ist ein Multidomänen-Screeningtest sinnvoll, z. B. der Mini-Mental State Test (MMST) oder das Montreal Cognitive Assessment (MoCA).
Therapeutische Ansätze
Der Bedarf an einer wirksamen Therapie ist enorm - bisherige Medikamente wie Acetylcholinesterase-Hemmer, Memantin oder Ginkgo-Präparate können allenfalls manche Symptome lindern oder ihr Auftreten etwas hinauszögern, die Krankheit aufhalten können sie nicht. In den vergangenen Monaten gingen einige vielversprechende Wirkstoffkandidaten wie Aducanumab, Bapineuzumab oder Umibecestat ins Rennen der klinischen Phase III Erprobung - doch alle scheiterten sie. Eine Wirksamkeit konnte nicht nachgewiesen werden.
Lesen Sie auch: Informationen für Alzheimer-Patienten und Angehörige
Ein schon seit Jahrzehnten bekannter Arzneistoff kann ihre Menge kurzfristig um rund 70 Prozent senken. Nach Angaben des Forschungsleiters Jens Pahnke konnte der bereits seit Jahrzehnten bekannte Arzneistoff Thiethylperazin die Menge der Alzheimer-Eiweiße innerhalb von 25 Tagen um rund 70 Prozent senken. Es sei somit das erste Mal gelungen, die Funktion des ABCC1-Transporters für die Alzheimer-Demenz aufzudecken und auch medikamentös zu beeinflussen. Es gelte nun, dieses Medikament weiterzuentwickeln.
Präventive Maßnahmen
Sport, genug Schlaf und eine gesunde Ernährung senken das Risiko, an Demenz zu erkranken. "Man kann andere Risikofaktoren, die das Gehirn auch noch schädigen, gering halten", erklärt Nicolai Franzmeier. Beispielsweise indem man nicht raucht, wenig trinkt, auf das Gewicht achtet und Bluthochdruck reduziert.