Psycholinguistik, Neurolinguistik und Sprachverarbeitung im Gehirn: Ein umfassender Überblick

Einführung

Die Psycholinguistik ist ein interdisziplinäres Feld, das sich mit dem Verständnis befasst, wie Menschen Sprache erwerben, verarbeiten, verstehen und produzieren. Dieses Gebiet vereint Erkenntnisse aus der Psychologie, Linguistik, Kognitionswissenschaft sowie aus den Neurowissenschaften, um ein ganzheitliches Bild vom sprachlichen Verhalten des Menschen zu erstellen. Die Psycholinguistik betrachtet, wie Sprache von Menschen erfasst, verarbeitet, gespeichert und wiedergegeben wird, und bietet Einblicke in die Komplexität menschlicher Kommunikation und des Spracherwerbs.

Was ist Psycholinguistik?

Die Psycholinguistik ist die Wissenschaft, die sich mit dem Zusammenhang zwischen psychologischen Prozessen und sprachlichen Phänomenen befasst. Dabei geht es um die Erforschung, wie das menschliche Gehirn Sprache erfasst, verarbeitet, speichert und produziert.

In der Psycholinguistik werden verschiedene Aspekte der Sprache untersucht, darunter das Verständnis und die Produktion von gesprochener und geschriebener Sprache, die Entwicklung von Sprachfähigkeiten bei Kindern, der Spracherwerb bei Erwachsenen, Sprachstörungen sowie die mentalen Prozesse, die beim Lesen und Schreiben ablaufen.

Ein wichtiger Fokus der Psycholinguistik liegt auf der Untersuchung der kognitiven Prozesse, die dem Sprachgebrauch zugrunde liegen.

Ursprung und Entwicklung der Psycholinguistik

Die Ursprünge der Psycholinguistik lassen sich bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen, als Wissenschaftler begannen, sich für die Beziehungen zwischen Sprache, Geist und Gehirn zu interessieren. Ein wichtiger Meilenstein war die Gründung der ersten Laboratorien für Psychologie, in denen experimentelle Methoden zur Erforschung von Sprache angewendet wurden.

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Die Entwicklung dieses Fachgebiets nahm in der Mitte des 20. Jahrhunderts erheblich zu, insbesondere durch den Einfluss der kognitiven Revolution, die neue Perspektiven auf das menschliche Denken und die Sprachverarbeitung brachte. Seitdem hat die Psycholinguistik durch Fortschritte in der Technologie, wie z.B. bildgebende Verfahren, und durch die zunehmende Interdisziplinarität in den Neurowissenschaften, der Psychologie und der Linguistik, rasant an Wissen gewonnen.

Ein Schlüsselmoment in der Geschichte der Psycholinguistik war die Veröffentlichung von Noam Chomskys Werk „Syntactic Structures“ im Jahr 1957, das die Grundlagen für viele moderne Theorien der Syntax und der generativen Grammatik legte. Chomskys Arbeit forderte die damals vorherrschenden behavioristischen Ansichten heraus und betonte die Bedeutung der angeborenen Fähigkeiten und des mentalen Lexikons für den Spracherwerb.

Ein weiteres bedeutendes Ereignis war die Einführung der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), die es Wissenschaftlern ermöglicht, die Aktivität des Gehirns während der Sprachverarbeitung in Echtzeit zu beobachten. Diese und andere technologische Fortschritte haben das Verständnis der neuronalen Grundlagen der Sprache wesentlich erweitert und ermöglichen es heute, feinere Differenzierungen in den Mechanismen des Spracherwerbs und der Sprachnutzung zu machen.

Grundlagen der Psycholinguistik

Die Psycholinguistik vereint Aspekte der Linguistik, wie die Struktur von Sprachen, mit Erkenntnissen der Psychologie über kognitive Prozesse. Dies umfasst die Art und Weise, wie Kinder Sprache erlernen, wie Erwachsene neue Sprachen lernen und wie sprachliche Informationen verarbeitet und gespeichert werden. Die Psycholinguistik betrachtet auch, wie Störungen die Sprachfähigkeit beeinflussen können und ist besonders interessant, wenn es um Mehrsprachigkeit und den Bilingualismus geht.

Die Rolle der Psycholinguistik in den Sprachwissenschaften

Innerhalb der Sprachwissenschaften spielt die Psycholinguistik eine entscheidende Rolle, da sie Erkenntnisse darüber liefert, wie Sprachen tatsächlich genutzt und verstanden werden. Sie ist ein wichtiges Werkzeug, um zu erforschen, wie Sprache und Kognition miteinander verbunden sind, und bietet Einblicke in die Universalität sprachlicher Strukturen und ihrer Variationen zwischen einzelnen Sprechern und Sprachgemeinschaften. Die Psycholinguistik trägt dazu bei, die Komplexität menschlicher Kommunikation und des Spracherwerbs zu entwirren.

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Psycholinguistik Beispiele: Wie wir Sprache verarbeiten

Beispiele für psycholinguistische Prozesse umfassen das sofortige Erkennen und Verstehen von Wörtern beim Zuhören oder Lesen, das Erinnern an die Bedeutung von Wörtern und ihre Anwendung in neuen Sätzen sowie die Fähigkeit, komplexe grammatische Strukturen zu verstehen und zu produzieren. Die Psycholinguistik erforscht außerdem, wie Menschen Metaphern verstehen und Humor verarbeiten.

Wenn Du ein Wort hörst, aktiviert Dein Gehirn sofort eine Reihe von Assoziationen und Bildern, die mit diesem Wort verbunden sind - ein Prozess, der nur Bruchteile von Sekunden dauert. Ebenso komplexe Phänomene wie Ironie oder Sarkasmus zu verstehen, erfordert eine ausgeklügelte sprachliche und kognitive Verarbeitung, die ebenfalls in den Bereich der Psycholinguistik fällt.

Psycholinguistische Methoden

In der Psycholinguistik kommen verschiedene Methoden zum Einsatz, um zu untersuchen, wie Sprache im Gehirn verarbeitet wird. Diese Methoden reichen von experimentellen Ansätzen bis hin zu Beobachtungsstudien.

Experimentelle Ansätze in der Psycholinguistik

Experimentelle Methoden in der Psycholinguistik umfassen eine Reihe von Techniken, die darauf abzielen, unter kontrollierten Bedingungen spezifische Hypothesen zu testen. Hierbei wird oft ein Stimulus präsentiert, auf den die Testperson reagieren soll, während verschiedene Messungen vorgenommen werden.

Beispiele für solche Methoden sind:

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  • Lesezeitexperimente
  • Eye-Tracking-Studien
  • Auditive Verarbeitungstests
  • Gehirnbildgebungstechniken wie fMRI

In einem Eye-Tracking-Experiment könnten Forschende untersuchen, wie lange eine Person bestimmte Wörter oder Sätze beim Lesen betrachtet. Dies kann Aufschluss darüber geben, welche Strukturen der Sprache als komplex oder verwirrend wahrgenommen werden.

Techniken der Datenanalyse in der Psycholinguistik

Die Daten, die durch psycholinguistische Experimente gewonnen werden, müssen sorgfältig analysiert werden, um relevante Muster zu identifizieren. Diese Techniken umfassen statistische Analysen, Modellierung und qualitative Bewertungen.

Einige Kernmethoden der Datenanalyse sind:

  • Variabilitätsanalysen
  • Regressionsanalysen
  • Clusteranalysen
  • Faktorenanalysen

Die Auswahl der richtigen Analysemethode hängt von der Art der Daten und der Forschungsfrage ab. Komplexe Datenanalysesoftware kann helfen, große Mengen psycholinguistischer Daten effizient zu verarbeiten.

Beobachtung vs. Experiment in der Psycholinguistik

In der Psycholinguistik gibt es zwei Hauptmethoden zur Datenerhebung: die Beobachtung und das Experiment. Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile.

Bei Beobachtungsstudien sammeln Forschende Daten in natürlichen Kontexten ohne Eingriffe, während in experimentellen Studien spezifische Variablen manipuliert und die Ergebnisse unter kontrollierten Bedingungen beobachtet werden.

Hier ein Vergleich der beiden Methoden:

BeobachtungExperiment
Natürliche UmgebungKontrollierte Umgebung
Hoch in ökologischer ValiditätHoch in interner Validität
Begrenzte Kontrolle über VariablenHohe Kontrolle über Variablen
Liefert deskriptive DatenErzeugt kausale Schlussfolgerungen

Ein tiefgreifendes Verständnis der Unterschiede und der Ergänzung beider Methoden ist entscheidend für die Entwicklung robuster Forschungsdesigns in der Psycholinguistik. Beobachtungsstudien sind besonders wertvoll, um reale Sprachgebrauchsmuster zu erforschen, während experimentelle Ansätze unerlässlich sind, um die kausalen Beziehungen zwischen sprachlichen Phänomenen und kognitiven Prozessen zu verstehen.

Spracherwerb aus psycholinguistischer Sicht

Der Spracherwerb ist ein zentrales Thema innerhalb der Psycholinguistik, welches untersucht, wie Menschen Sprachen lernen und entwickeln. Dieses Gebiet verbindet Erkenntnisse aus der Psychologie, Neurowissenschaft und Linguistik, um ein umfassendes Bild des Spracherwerbs zu zeichnen.

Theorien des Spracherwerbs in der Psycholinguistik

In der Psycholinguistik existieren mehrere Theorien, die erklären, wie der Spracherwerb stattfindet. Diese Theorien reichen von der Annahme angeborener Mechanismen bis hin zu Theorien, die die Rolle der Umwelt hervorheben.

Hier eine kurze Übersicht:

  • Nativistische Theorien: Vertreten von Noam Chomsky, argumentieren, dass Kinder mit einer angeborenen Fähigkeit zur Sprachentwicklung geboren werden.
  • Sozio-kulturelle Theorien: Betonen die Rolle der sozialen Interaktion und des kulturellen Kontexts beim Spracherwerb.
  • Kognitivistische Theorien: Fokussieren auf die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die das Sprachenlernen ermöglichen.
  • Konstruktivistische Theorien: Argumentieren, dass Kinder Sprache durch aktive Exploration ihrer Umgebung lernen.

Obwohl sich Theorien unterscheiden, stimmen viele Forscher darin überein, dass sowohl angeborene Faktoren als auch soziale Interaktion für den Spracherwerb von Bedeutung sind.

Spracherwerb Psycholinguistik: Altersbedingte Einflüsse

Das Alter spielt eine entscheidende Rolle beim Spracherwerb. Während das Konzept der kritischen Periode darauf hinweist, dass es ein optimales Zeitfenster für den Spracherwerb gibt, zeigen aktuelle Forschungen, dass das Lernen einer Sprache zu jedem Lebensalter möglich ist, wenngleich mit unterschiedlichen Herausforderungen und Strategien.

Jüngere Lerner profitieren von ihrer Fähigkeit zur schnellen Nachahmung und Verarbeitung von neuen Lauten, während ältere Lerner eher auf analytische Fähigkeiten und bestehendes sprachliches Wissen zurückgreifen.

Psycholinguistische Studien zum Spracherwerb bei Kindern

Studien im Bereich der Psycholinguistik haben wertvolle Einblicke in den Spracherwerb bei Kindern geliefert. Diese Studien erforschen unter anderem, wie Kinder die Bedeutung von Wörtern lernen, grammatische Strukturen meistern und sprachliche Regeln anwenden.

Ein Bereich von besonderem Interesse ist die Untersuchung des Babbling (Plappern), eine Phase, in der Säuglinge Laute produzieren, die den Grundstein für spätere sprachliche Fähigkeiten bilden. Weiterhin untersuchen Forscher, wie Kinder durch aktives Zuhören und Teilnahme an Gesprächen ihr Vokabular und ihre Fähigkeit zur Satzbildung entwickeln.

Eine bemerkenswerte Studie zeigte, dass Kleinkinder in der Lage sind, zwischen verschiedenen grammatischen Strukturen zu unterscheiden, selbst wenn sie noch nicht sprechen können. Durch das Messen der Blickrichtung und -dauer wurden Präferenzen für korrekte vs. inkorrekte Sätze festgestellt, was darauf hindeutet, dass ein Verständnis für Grammatik schon früh existiert.

Eine faszinierende Entdeckung in der Psycholinguistik ist die Fähigkeit von Babys, universelle sprachliche Muster zu erkennen. Forschung hat gezeigt, dass Säuglinge aus unterschiedlichen kulturellen und sprachlichen Hintergründen eine Vorliebe für bestimmte Lautmuster haben. Diese universellen Präferenzen deuten darauf hin, dass Menschen mit einer gewissen Vorprogrammierung für Sprachlernen geboren werden, die ihnen hilft, die Vielfalt der menschlichen Sprachen zu navigieren.

Psycholinguistik Studium

Das Studium der Psycholinguistik bietet Dir die Möglichkeit, tief in die Geheimnisse der Sprache und deren Verarbeitung im menschlichen Gehirn einzutauchen. Es ist ein spannendes und interdisziplinäres Feld, das Elemente der Psychologie, Linguistik und Kognitionswissenschaften miteinander verbindet.

Studienrichtungen und -abschlüsse in Psycholinguistik

In der Psycholinguistik gibt es verschiedene Studienwege und Abschlüsse, die Du verfolgen kannst. Vom Bachelor bis zum PhD kannst Du Deine Kenntnisse in diesem Bereich vertiefen. Hier eine Übersicht der Studienrichtungen:

  • Bachelor in Linguistik mit Schwerpunkt Psycholinguistik
  • Master in Psycholinguistik
  • Promotion (PhD) in Psycholinguistik

Spezialisierungen können in Bereichen wie Spracherwerb, sprachliche Störungen oder neurokognitive Sprachverarbeitung liegen.

Manche Universitäten bieten auch interdisziplinäre Programme an, die Kurse aus der Informatik, Psychologie und den Neurowissenschaften kombinieren.

Berufsfelder und Karrierechancen für Psycholinguisten

Absolventen in Psycholinguistik haben eine Reihe von spannenden Karrierewegen zur Auswahl. Einige Beispiele für Berufsfelder umfassen:

  • Akademische Forschung und Lehre
  • Klinische Linguistik und Sprachtherapie
  • Entwicklung von Sprachlernsoftware
  • User Experience (UX) Forschung
  • Neurolinguistische Programmierung

Diese Karrieren erfordern tiefgehendes Verständnis sowohl der Sprachwissenschaften als auch der Verarbeitung von Sprache im Gehirn.

Wo kann man Psycholinguistik studieren?

Psycholinguistik kann an verschiedenen Universitäten weltweit studiert werden. Psycholinguistik erforscht, wie Sprache im Gehirn verarbeitet und genutzt wird, also die psychologischen und neurobiologischen Grundlagen. In der Psycholinguistik spielt das Gedächtnis eine zentrale Rolle, da es für das Speichern und Abrufen von Sprachinformationen wie Wörtern, Grammatikregeln und Bedeutungen verantwortlich ist. In der Psycholinguistik werden Sprachstörungen durch die Analyse von Sprachverhalten, wie der Fähigkeit zum Verstehen und Produzieren von Sprache, untersucht. Aus Sicht der Psycholinguistik beeinflusst das Alter den Spracherwerb signifikant: Kinder absorbieren Sprache intuitiv und effizient dank neuroplastischer Prozesse; bei Erwachsenen verlangsamt sich dieser Prozess, was den Erwerb neuer Sprachen erschwert. Die Psycholinguistik nutzt Experimente, Beobachtungen und neurobildgebende Verfahren wie fMRT oder EEG, um zu verstehen, wie das Gehirn Sprache verarbeitet. Im Labor für Gehirn- und Sprachforschung beschäftigen wir uns mit der Neurowissenschaft der Sprache. Wir untersuchen die Mechanismen der Repräsentation und der Verarbeitung von Sprache im Gehirn, weil diese Mechanismen ja auf Nervenzellaktivität beruhen und sprachliche Theorien deshalb immer abstrakt und ungenau bleiben, wenn sie nicht das neuronale Niveau erreichen. Unsere Forschung bedient sich einer Vielzahl von Methoden. Hierzu zählt die klassische Methode der Psycholinguistik, sprachliches Verhalten durch Aufzeichnung von Fehlerraten und Reaktionszeiten zu messen, jedoch auch moderne Methoden aus der Neurowissenschaft, wie zum Beispiel funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), Elektroenzephalographie (EEG), Magnetoenzephalographie (MEG) und Transkranielle Magnetstimulation (TMS).

Neurolinguistik: Die Brücke zwischen Gehirn und Sprache

Die Neurolinguistik ist ein Teilgebiet der Sprachwissenschaft, das sich mit der neuronalen Basis der Sprache befasst. Sie untersucht, wie das Gehirn Sprache verarbeitet, speichert und produziert. Dabei werden sowohl gesunde als auch pathologische Sprachverarbeitungsprozesse betrachtet. Die Neurolinguistik bedient sich verschiedener Methoden, darunter:

  • Neurophonologie: Wie werden menschliche Sprachlaute verarbeitet und was sind die Gehirnmechanismen, die dieser Verarbeitung zugrunde liegen?
  • Neurokombination: Wie werden grammatische Prozesse im Gehirn widergespiegelt? Wie kann das Gehirn sprachliche Einheiten wie Silben oder Morpheme kombinieren?
  • Neurosemantik: Wie wird die Bedeutung von Wörtern und Konstruktionen im Gehirn verarbeitet? Wie und wo im Gehirn werden semantische Repräsentationen gespeichert?
  • Neuropragmatik: Wie handeln und interagieren wir mittels sprachlicher Äußerungen? Wie werden sprachliche Äußerungen interpretiert je nach dem Kontext, in dem sie geäußert werden?
  • Neurorehabilitation von Sprache: Wie wird Sprache nach einer Schädigung, z.B. durch einen Schlaganfall, im Gehirn verarbeitet? Wie findet die Reorganisation von Sprache in Verhalten und Gehirn von Patient*innen statt?

Klinische Neurolinguistik

Die klinische Neurolinguistik beschäftigt sich mit der Diagnose und Behandlung von Sprachstörungen, die aufgrund von Hirnschädigungen auftreten. Dazu gehören beispielsweise Aphasien, Sprechapraxie und Dysarthrie. Die klinische Neurolinguistik stützt sich auf neurolinguistische Grundlagen, um spezifische Therapieansätze zu entwickeln.

Beispiele für Themen in der klinischen Neurolinguistik sind:

  • Aphasie und Sprachproduktion
  • Grundlagen der Aphasietherapie
  • Therapie der Aphasien
  • Agrammatismus-Behandlung auf Satzebene
  • Sprechapraktische Störungen bei Aphasie
  • Rehabilitation bei Sprach- und Sprechstörungen

Forschungsmethoden in der Neurolinguistik

Die neurolinguistische Forschung verwendet verschiedene Methoden, um die Beziehung zwischen Gehirn und Sprache zu untersuchen. Dazu gehören:

  • Elektroenzephalographie (EEG): Misst die elektrische Aktivität des Gehirns über Elektroden auf der Kopfhaut.
  • Magnetoenzephalographie (MEG): Misst die magnetische Aktivität des Gehirns.
  • Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT): Misst die Hirnaktivität anhand von Veränderungen im Blutfluss.
  • Transkranielle Magnetstimulation (TMS): Verwendet Magnetfelder, um die Aktivität bestimmter Hirnregionen zu stimulieren oder zu hemmen.
  • Psycholinguistische Experimente: Messen das sprachliche Verhalten, wie z.B. Reaktionszeiten und Fehlerraten.

Experimentelle Neurolinguistik

In der experimentellen Neurolinguistik werden mit neurophysiologischen Methoden diejenigen Vorgänge im menschlichen Gehirn untersucht, die der Kognition und auch der Sprachfähigkeit zugrundeliegen. Es handelt sich somit um einen Teilbereich der kognitiven Neurowissenschaft (Cognitive Neuroscience). Alle psychischen Vorgänge bei Lebewesen, die in irgendeiner Weise intelligentes Verhalten bewirken können, werden als kognitive Prozesse bezeichnet und unter dem Begriff "Kognition" zusammengefasst. Abhängig von der Entwicklungshöhe sind die jeweils für ein Lebewesen typischen Kognitionsprozesse jedoch unterschiedlich komplex. Zusätzlich bestehen die komplizierten Kognitionsleistungen zumeist aus vielen Teilprozessen des Gehirns, die nur im Zusammenspiel funktionieren. Seit mindestens 4700 Jahren beschäftigen sich Menschen wissenschaftlich mit der Frage nach der Funktion des Gehirns - so alt sind die bislang ältesten medizinischen Schriften -, dennoch sind die der Sprache zugrundeliegenden Hirnfunktionen nur ansatzweise verstanden. Obwohl sich die neurophysiologische Forschung in den letzten 100 Jahren explosionsartig entwickelt hat und sich vor allem die letzten beiden Jahrzehnte durch einen enormen Erkenntniszuwachs auszeichnen, fehlt der wirkliche Durchbruch zum Verständnis der Physiologie der Sprachfähigkeit nach wie vor.

Sprachverarbeitung im Gehirn: Einblick in die neuronalen Prozesse

Die Sprachverarbeitung im Gehirn ist ein komplexer Prozess, der verschiedene Hirnregionen und neuronale Netzwerke einbezieht. Die wichtigsten Hirnregionen, die an der Sprachverarbeitung beteiligt sind, sind:

  • Broca-Areal: Verantwortlich für die Sprachproduktion und die grammatische Verarbeitung.
  • Wernicke-Areal: Verantwortlich für das Sprachverständnis und die semantische Verarbeitung.
  • Auditorischer Kortex: Verarbeitung von auditiven Informationen, einschließlich Sprache.
  • Visueller Kortex: Verarbeitung von visuellen Informationen, einschließlich geschriebener Sprache.

Die Rolle des Elektroenzephalogramms (EEG) in der Neurolinguistik

Beim Elektroenzephalogramm (EEG) handelt es sich um die Ableitung elektrischer Hirnaktivität mit Metallelektroden, die sich auf der Kopfoberfläche der Versuchsperson befinden. Die an den Elektroden abgeleiteten Hirnströme werden verstärkt, gefiltert und mit einem Computer digitalisiert und weiterverarbeitet. Ist die Versuchsperson entspannt, so misst man zunächst ein allgemeines Aktivitätsbild von sehr vielen Nervenzellen des Gehirns. Sollen nun bestimmte Aspekte einer kognitiven Aufgabe, etwa zur Sprachverarbeitung untersucht werden, so dürfen natürlich nur diejenigen Hirnaktivitäten beachtet werden, die direkt auf den Reiz (z.B. Sprache) zurückzuführen sind. Um das zu erreichen wird beispielsweise ein Wort oder ein Satz akustisch präsentiert und die Hirnaktivität an bestimmten Hirnregionen genau zum Zeitpunkt des Wort- oder Satzbeginns aufgezeichnet. In einem solchen Fall hat man nun sowohl die allgemeine Hirnaktivität (quasi das Hintergrundrauschen) als auch die ereigniskorrelierte Neuronenaktivität erfaßt. Vergleicht man nun die neuronale Aktivität an den verschiedenen Hirnregionen miteinander, so sollten sich bestimmte, während der Verarbeitung von unterschiedlichen Wortarten im Gehirn auftretende Verarbeitungsunterschiede auch im ERP zeigen. Im Vergleich zu dem spontanen EEG-Schwankungen sind diese kognitiven EEG-Komponenten jedoch so klein, dass zumeist über mehrere identische Versuchsbedingungen gemittelt werden muss. Denkbar wären solche physiologischen Unterschiede z.B., weil unterschiedliche Wortkategorien in anderen Teilen des Lexikons an unterschiedlichen Hirnregionen abgespeichert sind oder weil Funktionswörter die syntaktische Verarbeitung in anderer Weise fordern als etwa Adjektive. Sehr groß ist das Wissen auf diesem Gebiet allerdings noch nicht. Beispielsweise konnte anhand der ERP-Analyse die unterschiedliche Verarbeitung von Eigennamen (z.B. Hans) und Gattungsbezeichnungen (z.B. Tisch) nachgewiesen werden. Mit elektrophysiologischen Methoden lassen sich somit linguistisch und sprachphilosophisch begründete Kategorien der Sprache, wie z.B. die Sonderstellung von Eigennamen, auf ihre physiologische Realität hin überprüfen. Die linguistische Modellbildung erhält somit eine breitere Datenbasis, die sich zudem näher am neuronalen Substrat orientiert.

Eine ausschliesslich die Art der semantischen Analyse wiedergebenden EEG-Komponente ist die im Jahre 1980 von Marta Kutas und Steven A. Hillyard entdeckte N400-Komponente, deren Amplitudenhöhe die Stärke der Aktivierungsprozesse im semantischen Lexikon widerspiegelt. Seither sind mehrere syntax- oder semantikspezifische EEG-Komponenten beschrieben worden. Die ERP-Methode eignet sich hervorragend, um die Aktivität von Neuronen einer Hirnregion zu messen oder zeitliche Unterschiede in der Verarbeitung zu untersuchen. Nicht geeignet ist sie jedoch zur Untersuchung der Hirnaktivität in den unterschiedlichen Frequenzbereichen des EEG. Weiterhin erlaubt die ERP-Technik keine Aussage hinsichtlich des funktionellen Zusammenspiels von verschiedenen Hirnbereichen. Ein Ergebnis neuester neurophysiologischer Forschung ist jedoch, daß gerade diese wechselnde Zusammenarbeit unterschiedlicher Hirnregionen, die auch weit voneinander entfernt sein können, für die Durchführung einer kognitiven Aufgabe von großer Bedeutung ist. Solche Synchronisationsprozesse sind dann notwendig, wenn bei der Verarbeitung von Sprache beispielsweise auditorische Neuronen der Rhythmus- und Melodieanalyse mit Neuronen des Sprachsystems (z.B. des Lexikons) kurzfristig zusammenarbeiten müssen, obwohl sie normalerweise nicht über Nervenfasern miteinander in Verbindung stehen. Um solche Synchronisationsprozesse zwischen unterschiedlichen Hirnbereichen erfassen zu können, wird das EEG-Signal mit einem spektralanalytischen Verfahren ausgewertet. Dabei wird die sogenannte Kohärenz zwischen zwei Elektroden ermittelt, wobei die EEG-Aktivität von zwei Neuronengruppen einander ähnlicher oder einander unähnlicher werden kann.

EEG-Kohärenz und Sprachverarbeitung

Aus linguistischer Sicht stellen die Konkreta und Abstrakta zwei unterschiedliche Klassen der Nomina dar. Lange wurde vermutet, daß die Analyse von konkreten Wörtern mit Bezügen zu Erfahrungen in mehreren Sinnesbereichen einhergeht und somit auch andere Bedeutungskonzepte aktiviert. Abstrakte Wörter hingegen sollten im Gehirn primär nur sprachlich repräsentiert sein. Beispielsweise sollte das Nomen "Hase" mit gespeicherten Sinneseindrücken für "Aussehen", "Anfühlen", "Geschmack" oder "Geruch" assoziiert sein, wohingegen das Wort "Friede" keine Bezüge zu solchen Sinneseindrücken aufweist. Über die EEG-Kohärenzanalyse konnte nun ein physiologischer Beweis für diese Annahme erbracht werden, da ausschließlich bei der Verarbeitung von konkreten Wörtern die entsprechenden Hirnbereiche der Sinneseindrücke mit den Hirnbereichen der Sprachverarbeitung kurzfristig eine engere Zusammenarbeit zeigen. Diese Ergebnisse haben auch klinische Bedeutung. Die Beobachtung, daß bestimmte Patienten geringere Störungen im Zugriff auf konkrete Wörter haben, läßt sich somit erklären: Aufgrund einer viel stärkeren Redundanz in dem Netzwerk ist der Ausfall einer Hirnregion im Falle der Konkreta eher zu kompensieren. Auch der umgekehrte Fall, daß Patienten eine selektive Störung gerade im Zugriff auf Konkreta haben, könnte durch eine physiologische Beeinträchtigung der Netzwerkorganisation erklärt werden.

Einfluss des Alters auf die Sprache

Das Alter beeinflusst die Sprache in vielfältiger Weise. Im normalen Altersverlauf kommt es zu Veränderungen in der Sprachproduktion und im Sprachverständnis. Bei älteren Menschen kann es zu einer Verlangsamung der Sprachverarbeitung, einer Abnahme des Wortschatzes und einer Zunahme von Versprechern kommen. Auch die Fähigkeit, komplexe Sätze zu verstehen, kann im Alter abnehmen.

Sprache und Demenz

Bei senilen Demenzen, wie der Alzheimer-Krankheit, kommt es zu deutlichen Sprachdefiziten. Diese Defizite können sich in verschiedenen Bereichen zeigen, wie z.B.:

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