Pubertät: Die umfassende Transformation des Gehirns und ihre Auswirkungen

Die Pubertät ist eine Lebensphase, die von tiefgreifenden Veränderungen geprägt ist. Während dieser Zeit durchlaufen Körper, Emotionen und Denkprozesse rasante Entwicklungen, wobei das Gehirn eine zentrale Rolle spielt. Es handelt sich jedoch nicht um ein unkontrolliertes Chaos, sondern um eine grundlegende Umstrukturierung und Neuorganisation des Gehirns.

Die Umbauarbeiten im Teenagerhirn

Während der Pubertät findet eine immense Gehirnentwicklung statt. Es ist, als würde ein Haus für die Zukunft vorbereitet: Neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen entstehen, während alte, nicht mehr benötigte Verbindungen abgebaut werden. Dieser Prozess wird von Fachleuten als "Pruning" bezeichnet, was so viel wie "Zurückschneiden" bedeutet.

Dieser Umbauprozess vollzieht sich mit beeindruckender Geschwindigkeit. Zeitweise sterben in der Pubertät bis zu 30.000 Nervenzellen pro Sekunde ab. Dies geschieht, um Platz für wichtigere und häufiger genutzte Verbindungen zu schaffen. Das Ziel dieser Umstrukturierung ist es, das noch kindliche Gehirn auf die Anforderungen des Erwachsenenalters vorzubereiten.

Bis etwa zum 14. Lebensjahr wächst die graue Substanz, die für die Informationsverarbeitung zuständig ist, kontinuierlich. Gleichzeitig nimmt auch die weiße Substanz zu, insbesondere im Frontal- und Parietalkortex. Diese Bereiche sind für komplexe Denkprozesse, Entscheidungsfindung und soziale Interaktionen verantwortlich. Die Nervenzellen, die für die schnelle Weiterleitung von Informationen zuständig sind, nehmen ebenfalls an Zahl zu, wodurch die "Rechenleistung" des Gehirns enorm gesteigert wird. Es kann Informationen bis zu 3.000-mal schneller verarbeiten als zuvor.

Schattenseiten des Umbaus

Dieser tiefgreifende Umbauprozess hat jedoch auch seine Schattenseiten. Da sich das Gehirn in einer Umbauphase befindet, können Jugendliche gelegentlich vergesslich oder zerstreut wirken. Aufgaben in der Schule oder im Haushalt geraten leicht in Vergessenheit, und die Konzentration schwankt. Zudem entwickeln sich bestimmte Hirnareale im Jugendalter langsamer als andere. Das Frontalhirn, das für Planung, Selbstkontrolle und langfristiges Denken zuständig ist, ist bei vielen Jugendlichen noch nicht vollständig ausgereift, oft bis in die frühen 20er Jahre.

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In der Pubertät geht es im Gehirn besonders turbulent zu, was sich auch in den Gefühlen der Jugendlichen widerspiegelt. Besonders betroffen ist der präfrontale Kortex, die "Kommandozentrale" des Gehirns. Bei Jugendlichen arbeitet diese Kommandozentrale noch nicht mit voller Kraft. Stattdessen sind die Bereiche im Gehirn, die für Emotionen zuständig sind, wie das limbische System, besonders aktiv. Dies führt dazu, dass Jugendliche intensiver fühlen und sich schneller von ihren Gefühlen leiten lassen. Sie sind impulsiver, risikofreudiger und handeln weniger planvoll und vernünftig als Erwachsene.

Aus entwicklungstechnischer Sicht ist diese neue Risikobereitschaft jedoch sehr sinnvoll. Sie ermöglicht es Jugendlichen, eigene Wege zu gehen, sich von der Herkunftsfamilie abzugrenzen und mutig neue Lebensräume zu erobern. Sie lernen Moral und entwickeln ihren Humor.

Die Rolle der Hormone

In der Pubertät spielen auch die Hormone eine wichtige Rolle. Besonders Dopamin, auch als "Glückshormon" bekannt, ist hier von Bedeutung. Dopamin sorgt dafür, dass wir uns nach positiven Erlebnissen gut fühlen. Eine Studie aus dem Jahr 2017 hat gezeigt, dass Jugendliche im Alter von 10 bis 17 Jahren bei positiven Rückmeldungen, wie beispielsweise nach einer guten Leistung, mit einer besonders hohen Aktivität in ihrem Belohnungszentrum reagieren. Dies deutet darauf hin, dass die Pubertät eine Phase ist, in der Jugendliche besonders empfänglich für neue Lernerfahrungen sind.

Die starke Aktivierung des Belohnungszentrums führt jedoch auch dazu, dass Jugendliche ein gesteigertes Bedürfnis nach schnellen Belohnungen verspüren. Sie suchen nach sofortiger Freude und Erfüllung, was oft zu impulsivem Verhalten führt. Da der präfrontale Kortex, der für die Impulskontrolle und die Planung von langfristigen Zielen verantwortlich ist, noch in der Entwicklung ist, fällt es Jugendlichen schwerer, ihre Impulse zu zügeln und die Folgen ihres Handelns langfristig zu bedenken.

Ein weiteres Phänomen in der Pubertät ist die ständige Müdigkeit, insbesondere morgens. Dies liegt daran, dass das Gehirn mehr vom Schlafhormon Melatonin produziert, wodurch sich der Schlaf-Wach-Rhythmus um mindestens zwei Stunden nach hinten verschiebt.

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Herausforderungen für Eltern

Die Gehirnentwicklung in der Pubertät ist nicht nur für die Jugendlichen eine Herausforderung, sondern auch für die Gehirne der Eltern. Wenn Kinder plötzlich zu widersprüchlichen, wankelmütigen Teenagern werden, passiert auch im Gehirn der Eltern einiges. Auch das Gehirn der Eltern wird von Hormonen beeinflusst, wenn auch nicht in dem Maße wie das der Teenager.

Wenn Kinder in die Pubertät kommen, sind Eltern oft genauso auf einer emotionalen Achterbahnfahrt wie ihre Sprösslinge. Dies liegt daran, dass sie mitfühlen, wie es ihren Kindern geht. Eltern haben eine starke Empathie, also die Fähigkeit, sich in die Gefühlswelt ihrer Kinder hineinzuversetzen. Zudem wird auch das Belohnungssystem der Eltern aktiviert, aber nicht immer auf die angenehme Art. Während Teenager bei positiven Erlebnissen richtig in Feierlaune kommen, sind Eltern oft eher gestresst.

Viele Eltern erinnern sich auch an ihre eigene Jugend zurück. Sie fragen sich, ob sie selbst in dem Alter genauso dramatisch waren. Das Gehirn der Eltern muss ständig auf den neuesten Stand gebracht werden, um mit den gefühlsmäßigen Achterbahnfahrten ihrer Kinder mitzuhalten.

Tipps für Eltern

Um Ihrem Kind in dieser Phase bestmöglich zu helfen, beachten Sie folgende Punkte:

  1. Erkennen Sie an, dass viele Verhaltensweisen Ihres Kindes auf neurologische Veränderungen zurückzuführen sind.
  2. Trotz des Bedürfnisses nach Unabhängigkeit benötigen Jugendliche weiterhin klare Regeln und Strukturen. Diese geben Sicherheit und Orientierung.
  3. Führen Sie offene und ehrliche Gespräche mit Ihrem Kind. Zeigen Sie Interesse an seinen Gedanken und Gefühlen, ohne zu urteilen.
  4. Geben Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu machen und Verantwortung zu übernehmen.
  5. Seien Sie präsent und bieten Sie Unterstützung an, ohne sich aufzudrängen.

Indem Sie diese Ansätze verfolgen, können Sie Ihrem Kind helfen, die Pubertät als eine Phase des Wachstums und der Entwicklung zu erleben, mit allen Höhen und Tiefen, die dazugehören. Auch Eltern müssen sich in diesem Prozess weiterentwickeln. Sie müssen lernen, ihre Kinder loszulassen und ihnen den Raum zu geben, den sie brauchen, um ihre eigenen Flügel auszubreiten.

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Psychische Gesundheit in der Pubertät

Erwachsen zu werden ist für Körper, Hirn und Geist eine Herkulesaufgabe. In dieser Entwicklungsphase, in der die neuronalen Netzwerke im Gehirn teils gravierend umstrukturiert werden, nehmen viele psychische Erkrankungen ihren Anfang. Auf der anderen Seite gehört manches Problemverhalten zum "ganz normalen Wahnsinn" der Pubertät.

Es ist wichtig zu wissen, dass die überwiegende Mehrheit der jungen Menschen diese Zeit problemlos bewältigt. Trotzdem muss man sensibel auf Alarmsignale der Jugendlichen und jungen Erwachsenen reagieren und passende Hilfe anbieten.

Die Hirnforschung hat in den letzten Jahren einiges Neues über die Vorgänge im Gehirn Pubertierender zu Tage gefördert. Gefühlsschwankungen und Risikoverhalten sind nicht nur eine Begleiterscheinung des in diesem Alter einsetzenden Hormonschubs, sondern auch auf unterschiedlich weit vorangeschrittene Umbauprozesse in den einzelnen Funktionsbereichen des Gehirns zurückzuführen. Bei vielen Teenagern sind die emotionalen Zentren im Gehirn bereits sehr reif, während es die Kontrollinstanzen noch nicht sind. Im Gehirn entsteht also bereits die ganze Bandbreite an Gefühlen, aber die Jugendlichen können noch nicht damit umgehen. Gleiches gilt für die Impulskontrolle, daher neigen junge Leute auch zu riskantem Verhalten.

Die Hirnentwicklung ist erst im Alter von rund 25 Jahren abgeschlossen. Der Übergang ins Erwachsenenalter, wissenschaftlich als Adoleszenz bezeichnet, dauert heute länger als noch bei unseren Großeltern. Ausbildungswege und Einstieg ins Berufsleben sind komplexer, finanzielle Abhängigkeiten bleiben länger bestehen, Beziehungsstrukturen sind unverbindlicher und soziale Rollenbilder verschwimmen. Da kann es zu einer Herausforderung werden, eigene Identität und Selbstwert zu entwickeln, Verantwortung zu übernehmen und enge Bindungen aufzubauen. Wie gut einem das gelingt, ist entscheidend für die spätere Lebenszufriedenheit. Wer beispielsweise immer das Gefühl hat, nicht gut genug zu sein, kann irgendwann psychische Probleme entwickeln.

Während Pubertät und Adoleszenz ist das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken, so hoch wie nie. Alarmsignale können Selbstverletzungen, Gewalt gegen andere ebenso wie Cyber-Mobbing, Substanzmissbrauch oder auch die Flucht in virtuelle Welten sein. Risikoverhaltensweisen kommen bei den meisten Jugendlichen in unterschiedlichem Ausmaß vor, Eltern sollten aber aufmerksam werden, wenn sich Jugendliche total zurückziehen und keine Anteilnahme zeigen. Dann ist es wichtig, in Kontakt zu bleiben und Rat zu suchen.

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