Seit Jahren ranken sich Gerüchte um den Gesundheitszustand des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Spekulationen über mögliche Erkrankungen wie Krebs, psychische Störungen und Parkinson sind immer wieder aufgekommen. Besonders seit Beginn des Ukraine-Kriegs werden diese Diskussionen verstärkt geführt. Doch was ist dran an den Gerüchten? Gibt es tatsächlich Anzeichen für eine Parkinson-Erkrankung oder andere Leiden? Dieser Artikel analysiert die verfügbaren Informationen und medizinischen Einschätzungen, um ein umfassendes Bild der Situation zu zeichnen.
Auffälligkeiten im Erscheinungsbild und Verhalten
In den letzten Monaten sind vermehrt Beobachtungen über Putins äußeres Erscheinungsbild und Verhalten gemacht worden, die Anlass zu Spekulationen geben. Dazu gehören:
- Ein aufgedunsenes Gesicht: Auf einigen Aufnahmen wirkt Putins Gesicht aufgedunsen, was von manchen als Hinweis auf eine Steroidbehandlung interpretiert wird. Steroide können beispielsweise bei Krebserkrankungen, Rheuma oder Covid-19 eingesetzt werden und als Nebenwirkung zu Fettansammlungen im Gesicht führen.
- Ein steifer Gang: Putin hält seinen rechten Arm beim Gehen oft eng am Körper, während der linke Arm frei schwingt. Dies wurde von einigen als mögliches Anzeichen für Parkinson gewertet.
- Unruhige Beinbewegungen: Bei einem Treffen mit Donald Trump in Alaska wurden unruhige Beinbewegungen bei Putin beobachtet, die erneut Spekulationen über seinen Gesundheitszustand auslösten.
- Krampfartiges Festhalten: In einem Video von einem Treffen mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu klammerte sich Putin krampfartig an einer Tischplatte fest.
- Willkürliche Bewegungen: Bei einer Ansprache bei der Militärparade am "Tag des Sieges" machte Putin teils willkürlich wirkende Bewegungen.
Medizinische Einschätzungen und Gegenargumente
Trotz dieser Beobachtungen gibt es keine eindeutigen Beweise für eine Parkinson-Erkrankung oder andere schwerwiegende Leiden bei Putin. Mehrere Mediziner haben sich zu den Gerüchten geäußert und geben unterschiedliche Einschätzungen ab:
- Keine Hinweise auf Parkinson: Günter Höglinger, Mediziner und Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG), sowie Alexander Storch von der Universität Rostock betonen, dass sie keine Hinweise auf eine aktuelle Parkinson-Erkrankung bei Putin erkennen können. Höglingers Analyse zufolge sind Putins Bewegungen rasch, schnell initiiert und haben eine volle Amplitude, was nicht auf einen Tremor hindeutet.
- Antrainierte Bewegungsauffälligkeiten: Einige Experten vermuten, dass Putins Bewegungsauffälligkeiten eher antrainiert sind. Eine Studie aus dem Jahr 2015 analysierte den Gang hochrangiger russischer Beamter, darunter auch Putin, und stellte fest, dass alle einen reduzierten rechten Armschwung hatten. Die Forscher vermuteten, dass dies auf das Waffentraining beim Geheimdienst KGB zurückzuführen sein könnte, wo den Auszubildenden beigebracht wurde, ihre rechte Hand beim Gehen nahe an der Brust zu halten, um schnell eine Waffe ziehen zu können. Diese Gangart wird als "Revolverheldengang" bezeichnet.
- Steroidbehandlung: Rhetorik-Experte Michael Ehlers analysierte, dass die Fettansammlungen in Putins Gesicht, Hals und Nacken auf eine starke Steroidmedikation gegen Schmerzen hindeuten könnten. Corticosteroide könnten zu dieser Art von Fettansammlungen führen. Ehlers sieht weitere Hinweise auf Schmerzen bei Putin in den oft zusammengekniffenen Augen und dem verzogenen Gesicht bei der Militärparade.
- Fehlende gesicherte Erkenntnisse: Neurologe Alexander Storch von der Universität Rostock betont, dass es keine neuen und gesicherten Erkenntnisse zur Parkinson-These gibt und er sich aktuell nicht an Spekulationen beteiligen möchte.
Weitere Theorien und Gerüchte
Neben den Spekulationen über Parkinson gibt es noch weitere Theorien und Gerüchte über Putins Gesundheitszustand:
- Krebs: Die Vermutung, dass Putin an Krebs leidet, hält sich seit Jahren hartnäckig. Es gab Berichte über Schilddrüsenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs und Prostatakrebs.
- Rückenprobleme: Im Jahr 2012 gab es Berichte über Rückenschmerzen und eine angebliche Operation Putins. Der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko verplapperte sich und erwähnte eine Wirbelsäulenverletzung Putins beim Judo.
- Psychische Probleme: Es gibt Spekulationen, dass die Einnahme von Steroiden in hohen Dosen zu Aggression und psychischen Veränderungen führen könnte, der sogenannten Cortison-Psychose.
- Lepra: Im Sommer 2020 behauptete der Arzt und Professor Igor Gundarow, Putin leide an Lepra und habe sich beim ehemaligen ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko angesteckt. Diese Behauptung entbehrt jedoch jeder faktischen Grundlage.
Die Rolle des Kremls und politische Implikationen
Der Kreml hält sich bedeckt, was den Gesundheitszustand des Präsidenten angeht. Dies führt zu einem Informationsvakuum, das Spekulationen und Gerüchten Tür und Tor öffnet. Der Politikwissenschaftler Marcel Dirsus erklärte, dass ein Sturz Putins am ehesten aus dem inneren Zirkel kommen könnte. Dafür müsse es nicht einmal ein Volksaufstand sein - schon die Wahrnehmung, Putin könne seine Rolle nicht mehr erfüllen, könnte gefährlich werden.
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