Die menschliche Händigkeit, ob Rechts- oder Linkshändigkeit, ist ein faszinierendes Thema, das tief in der Struktur und Funktion unseres Gehirns verwurzelt ist. Obwohl Rechtshändigkeit immer noch als der "Normalzustand" wahrgenommen wird, ist es wichtig zu verstehen, dass Linkshändigkeit eine natürliche Variation darstellt und nicht als Ausnahme betrachtet werden sollte. Die Forschung hat gezeigt, dass die Händigkeit ihren Ursprung im Gehirn hat, das in zwei Hemisphären (links und rechts) aufgeteilt ist, wobei jede Hemisphäre vorwiegend für die gegenüberliegende Körperseite zuständig ist.
Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Unterschiede zwischen dem Gehirn von Rechts- und Linkshändern, die Ursachen und Folgen einer veränderten Händigkeit sowie die Bedeutung der Förderung der natürlichen Händigkeit von Kindern.
Asymmetrie des Gehirns: Spezialisierung der Hemisphären
Das menschliche Gehirn ist nicht einfach spiegelbildlich aufgebaut, sondern weist subtile, aber funktionell relevante Unterschiede zwischen der linken und der rechten Seite auf. Jede Gehirnhälfte hat ihre Spezialität, wobei bestimmte Persönlichkeitsmerkmale und typische Verhaltensweisen mit der Dominanz einer Hemisphäre in Verbindung gebracht werden. So wird beispielsweise die Aufmerksamkeit bei den meisten Menschen überwiegend in der rechten Hemisphäre verarbeitet, während die Sprache überwiegend in der linken Hemisphäre verarbeitet wird. Diese Lateralisation ermöglicht es dem Gehirn, Aufgaben effizienter zu verteilen und das Aufgabenspektrum insgesamt zu erweitern.
Die Lateralisation ist jedoch von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. Selbst bei Personen, bei denen die Funktionen im Gehirn prinzipiell klassisch angeordnet sind, kann die Asymmetrie unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Studien haben gezeigt, dass dies wiederum Auswirkungen auf die Fähigkeiten selbst haben kann. So werden beispielsweise zu wenig asymmetrisch ausgebildete Sprachareale auf der linken Hirnseite als eine mögliche Ursache für Legasthenie vermutet. Auch bei Krankheiten wie Schizophrenie und Autismus-Spektrum-Störungen oder Hyperaktivität bei Kindern wird eine zu schwache Aufgabenteilung zwischen den beiden Hirnhälften in Zusammenhang gebracht.
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften und des Forschungszentrums Jülich haben untersucht, wie sich Asymmetrien entlang von funktionellen Gradienten entwickeln, d. h. entlang von Achsen in der Großhirnrinde, an der sich die Hirnfunktionen anordnen. Das Ergebnis: Es gibt tatsächlich feine Unterschiede darin, wie Hirnregionen unterschiedlicher Funktionen auf der linken und rechten Seite des Gehirns aufreihen. Auf der linken Seite sind es die Regionen zur Sprachverarbeitung, die sich am weitesten entfernt von denen für Sehen und Wahrnehmung liegen. Auf der rechten Seite befindet sich hingegen das Netzwerk für Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis am weitesten entfernt von den sensorischen Regionen. Zudem zeigte sich: Die individuellen Unterschiede in dieser Anordnung sind vererbbar, aber auch durch persönliche Erfahrungen geprägt.
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Ein Vergleich mit Makaken brachte schließlich zutage: Das Gehirn des Menschen ist asymmetrischer als das von Affen. "Vermutlich ergibt sich die Asymmetrie unseres Gehirns aus genetischen Faktoren und solchen, die sich aus persönlichen Erfahrungen ergeben", erklärt Bin Wan, Doktorand am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Tatsächlich beobachtete das Forschungsteam bei älteren Menschen eine geringere Rechtsasymmetrie. Das Phänomen könnte sich demnach im Laufe des Lebens verändern.
Was passiert bei Veränderung der angeborenen Händigkeit?
Eine Veränderung der angeborenen Händigkeit führt nicht automatisch zu einer Umstellung der Dominanz im Gehirn. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Wagen mit Frontmotor und Hinterradantrieb. Was passiert, wenn die (Straßen-)Verhältnisse dem (Fahr-)Verhalten des Wagens etwas mehr abfordern - zum Beispiel bei Glätte? Es entsteht eine Situation, in dem die Kraft (sprich: die Gehirnfunktion) nicht dort ankommt, wo auch der Antrieb (sprich: die dominante Gehirnhälfte) liegt. Auch das Gehirn kann in solch einer Situation "ins Schleudern" geraten.
Dabei können eine Reihe von Primär- und Sekundärfolgen entstehen, die sich auch ohne Veränderung der Händigkeit zeigen können. Die Intelligenz bleibt dabei unangetastet, aber die Manifestation ist gestört. Betroffene haben Schwierigkeiten, Informationen abzurufen und verbal oder schriftlich wiederzugeben. Mal funktioniert es hervorragend und ein andermal kommt es zum "Aussetzer".
Im Schul- und Berufsalltag werden Leistungen gefordert, wodurch der Leidensdruck bei "umgeschulter Händigkeit" um vieles höher sein kann. Es treten Erschöpfungs- und Ermüdungserscheinungen auf, die sich z. B. in Konzentrationsstörungen zeigen. Diese Symptome sind für das Umfeld oft nicht nachvollziehbar und werden - in Familie, Schule oder Beruf - für das Empfinden des Betroffenen "verletzend" kommentiert.
Ursachen für die Veränderung der Händigkeit
Auch in unserer aufgeklärteren Zeit kann es noch zur Veränderung der Händigkeit kommen. Hier sind einige der häufigsten Ursachen:
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- Die "Norm": Kinder lernen schon früh, was in unserer Gesellschaft als "normal" gilt. Dies geschieht durch die Welt in all den tausend Kleinigkeiten des Tages - der Gebrauch von Gegenständen (z. B. Scheren, Musikinstrumente) und Ritualen (z. B. "gib die richtige Hand bei der Begrüßung"). Wenn ein Kind dabei bevorzugt die linke Hand benutzt, wird es häufig als Unwissenheit des Kindes über die "richtige Hand" ausgelegt. Die Strategien sind heute sicher "humaner" als früher, aber deshalb auch nicht gerade besser.
- "Wertewelt" der Erwachsenen: Es kommt gar nicht so selten auch zur "Umstellung von rechts auf links". Betroffen ist hier vor allem der Entwicklungszeitraum zwischen dem 1. und 2. Lebensjahr.
- Der "Nachahmungs-Weg": Manche Kinder stellen sich auch selbst um. Besonders aufgeschlossene und willensstarke Kinder lernen hier auf eine ganz besondere Weise am Modell. Nachahmungsverhalten kann dabei die "angeborene Händigkeit unterdrücken".
Rückschulung der Händigkeit
Es ist wichtig, die Vorgehensweise bei Kindern und bei Erwachsenen zu unterscheiden. Bei Kindern ist es oft der familiäre Umfeld und Erzieher/Pädagogen, der den Auslöser für die Frage nach der ursprünglichen Händigkeit bzw. möglichen veränderten Händigkeit geben. Bestimmte Beobachtungen - z. B. beim Fenster oder Türe öffnen, beim "Sich melden" in Kindergarten und Schule - bringen hier oft den Impuls.
Wenn eine veränderte Händigkeit vorliegt, stellt sich die Frage nach einer "Rückschulung". Eine Rückschulung wird vom familiären Umfeld und Erziehern/Pädagogen getragen und aktiv begleitet. Die Bereitschaft des Kindes muss hergestellt werden können. Wichtig ist, dem Kind zu vermitteln, dass es nicht "doof" ist, wenn es mit der linken Hand malen oder schreiben soll. Eine Rückschulung sollte unter Beachtung der Grundsätze bis zum 9. Lebensjahr, also bis zur 3. Klasse erfolgen.
Bei Erwachsenen ist die Situation anders. Im Laufe der Zeit haben sie sich voll mit ihrer veränderten Händigkeit identifiziert. Die Symptome, die die Betroffenen z.B. veranlassen, einen Arzt aufzusuchen, werden nicht in den Zusammenhang mit einer veränderten Händigkeit gebracht. Viele Betroffene sind sich der Veränderung/Umschulung gar nicht bewusst, da die Erlebnisse häufig verdrängt sind.
Sollten sich z. B. Therapeuten oder Ärzte bei der Anamnese mit dem Thema Veränderung der Händigkeit sprechen, gilt es sehr behutsam vorzugehen. Gespräche und Händigkeitstests dienen der Ursachen-Klärung und dem besseren Umgang mit den Symptomen/Problemen. Zusätzliche Aktivitäten (z. B. Klavierspielen, Stricken) können diesen Prozeß ergänzen.
Rechts-Links-Schwäche: Ein separates Phänomen
Es ist wichtig zu betonen, dass die Rechts-Links-Schwäche ein separates Phänomen von der Händigkeit ist. Bei einer Rechts-Links-Schwäche ist es für die Betroffenen schwierig, schnell zu entscheiden, was rechts und was links ist. Schätzungsweise 20 bis 30 Prozent der Menschen haben eine Rechts-Links-Schwäche.
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"Rechts" und "links" sind keine angeborenen Orientierungsmerkmale. Eine Ursache für die Rechts-Links-Schwäche könnte sein, dass in der Kindheit bestimmte Entwicklungsschritte nicht ausreichend geübt oder übersprungen wurden. Diese Schritte sind wichtig, um ein gutes Gefühl für die räumliche Orientierung zu entwickeln.
Eine Rechts-Links-Schwäche hat nichts mit verminderter Intelligenz zu tun. In einigen Fällen kann sie jedoch zusammen mit anderen Lernstörungen wie Legasthenie oder Rechenschwäche auftreten.
Um die Unterscheidungsfähigkeit in Bezug auf Rechts und Links zu verbessern, bieten sich Übungen mit Überkreuzbewegungen an: Greif mit der linken Hand zum rechten Knie, das du gleichzeitig anhebst, dann führe die rechte Hand und das linke Knie zusammen. Krabbeln im Vierfüßlerstand kann ebenfalls helfen. Und sogar das bewusste Gehen mit locker schwingenden Armen trainiert das Gehirn. Außerdem kannst du versuchen, den in der Kindheit versäumten Lernschritt nachzuholen: Markiere beispielsweise dein linkes Knie mit einem kleinen Sticker und berühre es immer wieder und sieh es an, wobei du dir bewusst machst: „Dies ist links!“ Entsprechend verfährst du bei anderer Gelegenheit mit der rechten Seite.
Fazit
Die Unterschiede zwischen dem Gehirn von Rechts- und Linkshändern sind komplex und vielfältig. Während die Händigkeit tief in der Struktur und Funktion unseres Gehirns verwurzelt ist, ist die Rechts-Links-Schwäche ein separates Phänomen, das auf Schwierigkeiten bei der räumlichen Orientierung beruht. Es ist wichtig, die natürliche Händigkeit von Kindern zu fördern und ihnen bei Bedarf Unterstützung bei der Entwicklung ihrer räumlichen Fähigkeiten zu bieten.
Literaturempfehlungen
- Dr. J.B. Auer, Donauwörth 1996
- Dr. J.B. Sattler, Hrsg. Auer, Donauwörth 1997
- Rolf W. Meyer, Linkshändig?
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