Epilepsie muss kein Hindernis für Reisen sein. Mit der richtigen Vorbereitung und einigen Vorsichtsmaßnahmen können Menschen mit Epilepsie einen sicheren und entspannten Urlaub genießen. Dieser Artikel bietet umfassende Tipps und Ratschläge für die Reiseplanung, Medikamentenmanagement, Freizeitaktivitäten und den Umgang mit potenziellen Notfallsituationen.
Vor der Reise
Ärztliche Beratung und Reiseplanung
Eine sorgfältige Planung ist entscheidend für einen gelungenen Urlaub. Vor Reiseantritt sollte man sich umfassend ärztlich beraten lassen. Der behandelnde Arzt kann Auskunft über mögliche Risiken am Reiseziel geben und Empfehlungen für die Medikamenteneinnahme und Notfallmaßnahmen aussprechen.
- Reiseapotheke: Eine gut bestückte Reiseapotheke mit ausreichend Medikamenten, einschließlich Notfallmedikamenten, ist unerlässlich. Der Inhalt sollte mit dem Arzt abgesprochen sein.
- Notfallausweis: Ein Notfallausweis mit Informationen zur Diagnose, Medikation und Kontaktdaten der Eltern (bei Kindern) sollte immer mitgeführt werden. Diese Informationen können auch als Hintergrundbild auf dem Smartphone gespeichert werden, sodass Helfer im Notfall schnell darauf zugreifen können. Im Ausland ist eine Übersetzung der Informationen in die Landessprache oder Englisch/Französisch/Spanisch ratsam. Das Traveller‘s Handbook kann hier hilfreich sein, da es die wichtigsten Ausdrücke für Epilepsiepatienten in 13 Sprachen auflistet.
- Flugreisen: Bei Flugreisen sollte man sich vor der Buchung bei der Fluggesellschaft erkundigen, ob eine ärztliche Reisetauglichkeitsbescheinigung erforderlich ist. Bei längeren Flügen ist ein Gespräch mit dem Arzt ratsam, ob medikamentöse Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden können, um Anfälle während des Fluges zu vermeiden.
- Zeitverschiebung: Bei Zeitverschiebung muss die Medikamenteneinnahme unbedingt mit dem Arzt abgesprochen werden, da Schlafentzug und/oder zeitlich verschobene Medikamenteneinnahme Anfälle fördern können.
- Reiseziel: Eine gut eingestellte Epilepsie schließt Tropentauglichkeit nicht aus. Es ist jedoch zu bedenken, dass eine Malariaprophylaxe und Therapie mit Chloroquin oder Mefloquin gelegentlich neurologische Störungen auslösen und die Krampfschwelle erhöhen können.
- Information der Mitreisenden: Reisende mit Anfallsleiden sollten ihre Mitreisenden und das Flugpersonal über ihre Erkrankung und geeignete Maßnahmen bei einem Anfall aufklären.
Medikamentenmanagement
Ein sorgfältiges Medikamentenmanagement ist auf Reisen besonders wichtig.
- Wochendosette: Eine Wochendosette aus der Apotheke oder dem Internet hilft, die Medikamente für die ganze Woche vorzusortieren und auf einen Blick zu überprüfen, ob sie eingenommen wurden.
- Generika: Es sollte darauf geachtet werden, dass das Medikament, egal ob Original oder Generikum, auf das ein Patient gut eingestellt ist, nicht ausgetauscht wird. Der Arzt kann auf dem Rezept das „aut idem“-Feld ankreuzen oder den Vermerk "Kein Austausch" ergänzen, um den Austausch in der Apotheke auszuschließen.
- Medikamentenmenge: Vor Reiseantritt sollte eine ausreichende Menge an Medikamenten verschrieben werden. Bei größeren Mengen ist eine Bescheinigung für den Zoll vom Arzt ratsam.
- Transport: Medikamente sollten immer im Handgepäck mitgeführt werden, da es zu Verlust des aufgegebenen Gepäcks kommen kann.
- Aufbewahrung: Die Medikamente sollten in der Originalverpackung transportiert werden. Bei kühlpflichtigen Medikamenten ist auf eine geeignete Kühlung zu achten.
- Einfuhrbestimmungen: Vor dem Verreisen sollte man sich über die Einfuhrbestimmungen von Arzneimitteln im Reiseland informieren. Informationen dazu gibt es beispielsweise beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).
Versicherungen
- Reiserücktrittsversicherung: Es ist grundsätzlich für alle Reisen sinnvoll, eine Reiserücktrittsversicherung abzuschließen.
- Reisekrankenversicherung: Hinsichtlich der ärztlichen Versorgung am Urlaubsort kann eine Reisekrankenversicherung nützlich sein. Bei Reisen innerhalb Europas greift jedoch meist die gesetzliche Krankenversicherung. Es lohnt sich, vor Reiseantritt bei der Versicherung zu erfragen, wie man im Krankheitsfall im Ausland abgesichert ist.
- Klauseln für Epilepsie-Patienten: Bei allen zusätzlich abgeschlossenen Versicherungen (Reiserücktritts- und Reisekrankenversicherung) sollte man sich genau informieren, ob es bestimmte Klauseln für Epilepsie-Patienten gibt.
Freizeitaktivitäten
Regelmäßige sportliche Betätigung ist auch für Menschen mit Epilepsie wichtig. Allerdings sollten einige Punkte bei der Auswahl des richtigen Sports beachtet werden.
- Geeignete Sportarten: Sportarten, bei denen Stürze drohen (z. B. Klettern) oder bei denen die Gefahr des Ertrinkens besteht (Wassersport), sollten nur nach sorgfältiger Rücksprache mit dem Arzt betrieben werden.
- Schwimmen: Beim Schwimmen besteht für Epilepsie-Kranke ein erhöhtes Risiko zu ertrinken. Daher sollte man nur in Begleitung schwimmen. Als zusätzliche Sicherungsmaßnahmen können Schwimmhilfen eingesetzt werden, die den Kopf über Wasser halten. Zur Beobachtung ist auch eine auffallende Badekappe und grellfarbene Badekleidung sehr hilfreich.
- Klettern: Klettern am Seil oder der Stange ohne Absicherung über die Höhe der Hilfestellung hinaus sollte vermieden werden. Klettern mit Sicherungsmaßnahmen in einer Kletterhalle oder im Freien ist möglich.
- Erschütterungen des Kopfes: Kopfbälle sind generell im Kindesalter ungünstig, da es zu Gehirnerschütterungen kommen kann.
- Fotosensibilität: Fotosensible Patienten müssen auch beim Sport rhythmische Lichtveränderungen vermeiden, um keine Anfälle auszulösen (z. B. beim Radfahren auf Alleen).
Umgang mit Alkohol
- Alkohol und Anfälle: Größere Mengen Alkohol erhöhen die Gefahr für einen epileptischen Anfall. Auch kann die Wirkung und einige Nebenwirkungen von Medikamenten durch Alkohol verstärkt werden.
- Medikamenteneinnahme: Keinesfalls sollte man die Medikamente nicht einnehmen oder die Einnahme verschieben, wenn man vorhat, Alkohol zu trinken.
- Alkohol in Maßen: Gegen ein oder zwei Gläser Bier oder Wein am Abend ist in der Regel nichts einzuwenden, solange keine verstärkten Nebenwirkungen oder mehr Anfälle auftreten.
Mögliche Gefahrenquellen und deren Vermeidung
- Schlafentzug: Durch unregelmäßigen Schlaf können vermehrt Anfälle ausgelöst werden. Eine entsprechende Bedarfsmedikation bzw. vorbeugende Medikation sollte mit dem behandelnden Arzt abgesprochen werden.
- Jetlag und Zeitverschiebung: Besonders bei Zeitverschiebungen sollte vorher feststehen, wie man die Medikamentengabe anpasst.
- Reisekrankheiten: Typische Reisekrankheiten wie Durchfall und Erbrechen sowie Malaria-Prophylaxe oder -Therapie und Reise-Impfungen sollten ebenfalls im Vorfeld mit dem Arzt besprochen werden, da einige Medikamente sich nicht mit den Antiepileptika vertragen.
Anfallserkennung und -behandlung im Urlaub
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Anfälle zu registrieren, auch wenn das Kind schläft:
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- Klingelarmband: Geeignet für Anfälle mit Zuckungen.
- Alarmgerät fürs Bett: Geeignet für Anfälle mit Zuckungen.
- Alarmgerät fürs Handgelenk: Geeignet für Anfälle mit/ohne Zuckungen.
- Pulsoxymeter: Geeignet für Anfälle mit/ohne Zuckungen.
- Babyfon mit/ohne Kamera: Geeignet für Anfälle mit Geräuschen.
Während der Reise
Ankunft am Urlaubsort
- Ärztliche Versorgung: Am Urlaubsort sollte man sich vorab Adressen medizinischer Anlaufstellen heraussuchen.
- Hygiene: Wie gesunde Menschen auch, sollte man in Ländern mit niedrigeren Hygienestandards darauf achten, was man zu sich nimmt, um Durchfallerkrankungen vorzubeugen.
Verhalten im Notfall
- Ruhe bewahren: Im Falle eines Anfalls sollte man Ruhe bewahren und die notwendigen Maßnahmen ergreifen.
- Sicherheit: Für Sicherheit sorgen, Gefahrenquellen beseitigen
- Medikamentengabe: Falls erforderlich, Notfallmedikamente gemäß den Anweisungen des Arztes verabreichen.
- Ärztliche Hilfe: Bei Bedarf ärztliche Hilfe rufen.
Reisen mit Kindern
Kindergarten und Schule
- Aufklärung: Bei epilepsiekranken Kindern ist eine gute Aufklärung der ErzieherInnen/LehrerInnen notwendig.
- Integrationshelfer: In einigen Fällen ist es sinnvoll, einen Integrationshelfer für das Kind zu beantragen.
- Schriftliche Vereinbarung: Wichtig ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Erziehungsberechtigten und der Einrichtung/Schule zu den notwendigen Maßnahmen mit genauen Anweisungen.
- Notfallmedikamente: Notfallmedikamente mit genauer Dosier- und Gebrauchsanweisung einwickeln und mit Gummiband befestigen, so dass der Ersthelfer diese erst noch lesen muss, bevor er an das Medikament gelangt.
Freizeitgestaltung
- Sport: Kinder mit Epilepsie können und sollen Sport treiben. Die Teilnahme am Sportunterricht ist auch aus sozialen Gesichtspunkten unerlässlich.
- Schwimmen: Notwendig ist in der Regel eine eigene Aufsichtsperson (möglichst mit Rettungsschwimmer-Ausbildung), da bei bestimmten Anfallsformen ein lautloses Ertrinken möglich ist.
Jugendliche
- Selbstständigkeit: Ab einem gewissen Alter möchten Jugendliche nicht mehr unbedingt mit den Eltern gemeinsam in Urlaub fahren, sondern lieber mit Gleichaltrigen.
- Aufklärung der Mitreisenden: Handelt es sich um eine Gruppenreise, sollte wenigstens ein Mitreisender oder Betreuer über die Erkrankung aufgeklärt werden.
- Notfallpass: Möchten Jugendliche alleine auf große Fahrt gehen, dann ist ein „Notfallpass“ mit der Diagnose, den einzunehmenden Medikamenten in der Landessprache angebracht.
Beruf und Studium
Berufswahl
- Einschränkungen: Es gibt nur wenige Berufe, die Epilepsie-Patienten nicht erlernen oder nicht mehr ausüben können.
- Information des Arbeitgebers: Ob man den Arbeitgeber über die Epilepsie informiert oder nicht, ist weitestgehend die eigene Entscheidung.
- Berufsberatung: Jugendliche, die stärker durch ihre Erkrankung eingeschränkt sind, können sich auch bei der Bundesagentur für Arbeit informieren.
Studium
- Keine Benachteiligung: Keine Universität darf Sie wegen Ihrer Krankheit benachteiligen oder ausschließen.
- Nachteilsausgleich: Die Uni ist verpflichtet, Ihnen (über den Nachteilsausgleich) die Teilnahme an allen studienrelevanten Kursen und Prüfungen zu ermöglichen.
Schwangerschaft
- Planung: Bei Kinderwunsch sollte eine Schwangerschaft sorgfältig geplant werden, um mögliche Risiken von vornherein zu vermeiden.
- Medikamente: Einige Medikamente bergen höhere Risiken als andere.
- Ärztliche Beratung: Es ist wichtig, dass Sie Ihre Fragen mit Ihren behandelnden Ärzten (Frauenarzt, Neurologe, Hausarzt) besprechen.
Impfungen
- Impfschutz: Generell sollte auch bei Menschen mit Epilepsie ein ausreichender Impfschutz bestehen.
- Komplikationen: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Schutzimpfungen bei anfallskranken Menschen häufiger zu Komplikationen führen als bei Menschen ohne Anfälle.
Nützliche Links
- Patientenbroschüren der Klinik für Epileptologie Bonn: www.epileptologie-bonn.de/cms/front_content.php?idcat=376
- Malariagefährdung am Urlaubsort: Institute für Tropenmedizin: www.dtg.org
- Buch: „Mobilität und Epilepsie“ von Bauer/Burchard/Saher (Autoren), Steinkopff-Verlag, Darmstadt
- Informationen zum Führerschein in den USA: www.epilepsyfoundation.org/living/wellness/transportation/driverlicensing.cfm
- Broschüre „Sport bei Anfallskrankheiten“ von Dr. Christian Lipinski: www.epilepsie-forum (als PDF-Download verfügbar)
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