Es ist frustrierend, wenn einem plötzlich und unerklärlich Gegenstände aus der Hand fallen. Dieses Phänomen, bei dem scheinbar ohne Vorwarnung Dinge zu Boden gleiten, kann verschiedene Ursachen haben. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Gründe für dieses Problem und gibt einen Überblick über die diagnostischen und therapeutischen Ansätze.
Mögliche Ursachen für das Fallenlassen von Gegenständen
Das Fallenlassen von Gegenständen kann vielfältige Ursachen haben, die von harmlosen vorübergehenden Zuständen bis hin zu ernsthaften Erkrankungen reichen. Es ist wichtig, die Begleitumstände und eventuell auftretende Begleitsymptome zu berücksichtigen, um die Ursache einzugrenzen.
Vorübergehende und harmlose Ursachen
- Kälte, Angst oder übermäßiger Kaffeekonsum: Diese Faktoren können zu einem vorübergehenden Zittern der Hände führen, was das Festhalten von Gegenständen erschweren kann.
- Verminderte Aufmerksamkeit und Anspannung: In stressigen Situationen oder bei Ablenkung kann die Konzentration auf das Festhalten eines Gegenstandes nachlassen, was zum Fallenlassen führen kann.
- Leichte sensible Störungen: Nach einem Schub im Rahmen einer Multiplen Sklerose können leichte sensible Störungen in der Hand auftreten, die das unbewusste Ertasten und Anpassen der Haltekraft beeinträchtigen.
Erkrankungen des Nervensystems
Das periphere Nervensystem (PNS) spielt eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Bewegungen und der Wahrnehmung von Empfindungen. Schädigungen des PNS können sich unter anderem durch das Fallenlassen von Gegenständen äußern.
Polyneuropathie: Hierbei handelt es sich um eine Schädigung mehrerer peripherer Nerven. Betroffen sind die Nerven des willkürlichen Nervensystems, welches für die Ausführung willkürlicher Bewegungen und für Reflexe zuständig ist. Mehr als 200 Auslöser sind bekannt.
- Diabetische Polyneuropathie: Durch Diabetes mellitus kann es zu Schädigungen der kleinen Gefäße kommen, die die peripheren Nerven versorgen. Dies führt zu einem herabgesetzten Schmerz- und Temperaturempfinden, beginnend in den Zehen und Füßen.
- Alkoholische Polyneuropathie: Chronischer Alkoholkonsum kann durch seine nervenschädigenden Wirkungen zu funktionellen Beeinträchtigungen der peripheren Nerven führen.
- Critical-Illness-Polyneuropathie: Im Rahmen langwieriger intensivmedizinischer Behandlungen kann es zu einer Fehlleitung des Immunsystems kommen, bei der die Nerven des peripheren Nervensystems geschädigt werden. Dies äußert sich vor allem in schwindender Kraft und Muskelmasse.
Karpaltunnelsyndrom: Hierbei wird der Nervus medianus im Karpalkanal des Handgelenks eingeengt. Dies führt zu Kribbeln, Taubheitsgefühlen und Schmerzen in den Fingern, insbesondere nachts. Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu einer Schwäche des Daumens und einem Muskelschwund am Daumenballen kommen, was das Greifen erschwert und zum Fallenlassen von Gegenständen führen kann.
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Guyon-Loge-Syndrom: Hierbei wird der Ellennerv (Nervus ulnaris) in der Guyon-Loge, einem engen Kanal am Handgelenk, eingeengt. Dies führt zu Taubheitsgefühlen im kleinen Finger und im halben Ringfinger sowie zu Schwäche beim Greifen, was das Fallenlassen von Dingen zur Folge haben kann.
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Diese unheilbare Erkrankung führt zu fortschreitenden Lähmungen durch den Untergang von Nervenzellen, die die Skelettmuskulatur steuern. Die Beschwerden beginnen meist mit Muskelschwäche an Armen oder Beinen und können sich bis zur Bewegungslosigkeit ausbreiten.
Schlaganfall (Apoplex): Ein Schlaganfall kann sich durch plötzliche Schwäche oder Taubheit in einem Arm oder einer Hand äußern, was das Festhalten von Gegenständen unmöglich macht.
Tremor (Zittern)
Ein Tremor ist eine unwillkürliche, rhythmische Muskelbewegung, die sich als Zittern äußert. Es gibt verschiedene Arten von Tremor, die unterschiedliche Ursachen haben können.
- Essenzieller Tremor: Dies ist die häufigste Form des Tremors, bei der ein Zittern ohne erkennbare neurologische Grunderkrankung auftritt. Oft sind mehrere Familienmitglieder betroffen. Der Tremor tritt meist an Händen oder Armen auf und kann sich bei Stress verstärken.
- Parkinson-Tremor: Das typische Zittern bei Parkinson-Patienten ist ein Ruhetremor, der vor allem Hände und Füße betrifft. Manchmal kann auch ein Haltetremor dazukommen.
- Verstärkter physiologischer Tremor: Dieser Tremor ist eine normale, aber in seiner Ausprägung verstärkte Form des Zitterns, die durch verschiedene Faktoren wie Schilddrüsenüberfunktion, Kalziummangel, Unterzucker oder Vitamin-B12-Mangel verursacht werden kann.
Andere Ursachen
- Schädigung der Nervenwurzeln der Halswirbelsäule: Abnutzungserscheinungen oder Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule können zu ähnlichen Symptomen wie beim Karpaltunnelsyndrom führen.
- Arthrose des Daumensattelgelenkes: Arthrotische Veränderungen im Daumensattelgelenk können die Beweglichkeit und Kraft des Daumens beeinträchtigen und das Greifen erschweren.
- Schnappfinger: Entzündungen der Beugesehnenscheiden können zu einem Schnappfinger führen, bei dem ein Finger plötzlich blockiert und sich dann ruckartig wieder streckt. Dies kann das Festhalten von Gegenständen erschweren.
Diagnostik
Die Diagnostik des Fallenlassens von Gegenständen erfordert eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung durch einen Arzt.
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Anamnese: Der Arzt wird Fragen zu Ihrer medizinischen Vorgeschichte, der Art und Dauer der Beschwerden, Begleitsymptomen und möglichen Auslösern stellen.
Körperliche Untersuchung: Der Arzt wird Ihre Hände, Arme und gegebenenfalls weitere Körperregionen untersuchen, um die Ursache der Beschwerden zu finden. Dabei wird er unter anderem die Sensibilität, die motorische Funktion, die Reflexe und die Koordination prüfen.
Neurologische Untersuchung: Bei Verdacht auf eine neurologische Ursache wird der Arzt eine neurologische Untersuchung durchführen, um die Funktion der Nerven und des Gehirns zu überprüfen.
Spezifische Tests: Je nach Verdacht können weitere Tests durchgeführt werden, wie z.B.:
- Elektrophysiologische Untersuchungen (Nervenleitgeschwindigkeit, Elektromyographie): Diese Untersuchungen können Schädigungen der peripheren Nerven aufdecken.
- Bildgebende Verfahren (MRT, CT): Diese Verfahren können strukturelle Veränderungen im Gehirn, Rückenmark oder den Nerven darstellen.
- Blutuntersuchungen: Diese Untersuchungen können Stoffwechselstörungen, Entzündungen oder andere Erkrankungen aufdecken, die die Ursache für das Fallenlassen von Gegenständen sein könnten.
- Schlaganfall-Tests (FAST-Test): Bei Verdacht auf einen Schlaganfall wird der Arzt einen Schlaganfall-Test durchführen, um die Symptome schnell zu erkennen.
- Provokationstests: Um einen essenziellen Tremor zu diagnostizieren, wird der Arzt Sie bestimmte Tätigkeiten ausführen lassen, wie eine Tasse an den Mund führen und dort halten. Auch eine Schreibprobe kann Aufschlüsse geben.
Therapie
Die Therapie des Fallenlassens von Gegenständen richtet sich nach der zugrundeliegenden Ursache.
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- Behandlung der Grunderkrankung: Wenn das Fallenlassen von Gegenständen auf einer Grunderkrankung wie Diabetes, Polyneuropathie oder Karpaltunnelsyndrom beruht, muss diese Erkrankung behandelt werden.
- Medikamentöse Therapie: Je nach Ursache können verschiedene Medikamente eingesetzt werden, z.B. Schmerzmittel, entzündungshemmende Medikamente oder Medikamente zur Behandlung von neurologischen Erkrankungen.
- Physiotherapie und Ergotherapie: Diese Therapien können helfen, die Muskelkraft, Koordination und Sensibilität zu verbessern.
- Hilfsmittel: In manchen Fällen können Hilfsmittel wie Handgelenkstützen oder spezielle Griffe helfen, das Festhalten von Gegenständen zu erleichtern.
- Operation: Bei bestimmten Erkrankungen wie dem Karpaltunnelsyndrom oder dem Guyon-Loge-Syndrom kann eine Operation erforderlich sein, um den Nerv zu entlasten.
- Verhaltensänderungen: In manchen Fällen können Verhaltensänderungen wie der Verzicht auf Alkohol oder das Vermeiden von bestimmten Bewegungen helfen, die Beschwerden zu lindern.
Spezifische Therapieansätze bei Tremor
- Medikamentöse Therapie: Bei essentiellem Tremor können Medikamente wie Betablocker oder Primidon eingesetzt werden, um das Zittern zu reduzieren.
- Tiefe Hirnstimulation (THS): Bei schwerem essentiellem Tremor, der auf Medikamente nicht anspricht, kann eine tiefe Hirnstimulation in Erwägung gezogen werden. Hierbei werden Elektroden in bestimmte Bereiche des Gehirns implantiert, um die Hirnaktivität zu modulieren und das Zittern zu reduzieren.
- Botulinumtoxin-Injektionen: Bei bestimmten Formen des Tremors, wie z.B. dem Schreibkrampf, können Botulinumtoxin-Injektionen in die betroffenen Muskeln helfen, die Muskelspannung zu reduzieren und das Zittern zu lindern.