Der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington erlangte vor allem durch sein Buch "Kampf der Kulturen" internationale Bekanntheit. Dieses Werk, das auf einem 1993 in der Zeitschrift "Foreign Affairs" veröffentlichten Aufsatz basiert, stellt die Frage nach den weltpolitischen Entwicklungen im 21. Jahrhundert. Statt eines harmonischen Zusammenwachsens in einer zunehmend vernetzten Welt sieht Huntington neue Konflikte globalen Ausmaßes entstehen: Konflikte zwischen den Kulturen.
Die These vom "Kampf der Kulturen"
Huntingtons zentrale These besagt, dass die Weltpolitik des 21. Jahrhunderts nicht mehr von Auseinandersetzungen ideologischer oder wirtschaftlicher Natur bestimmt sein wird, sondern vom Konflikt zwischen Völkern und Volksgruppen unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeit. Der Faktor Kultur wird folglich in der internationalen Politik massiv an Bedeutung gewinnen. Mit "Clash of Civilizations" hat Huntington eine neue Formel für die künftige Weltordnung formuliert.
Huntingtons Kritik an bestehenden Theorien
Huntington antwortete damit auf die These vom "Ende der Geschichte" des Politologen Francis Fukuyama, der vom Sieg liberaler Demokratien und Wirtschaftsordnungen nach dem Fall der Mauer ausging. Huntington wurde deshalb gern in die Ecke rechter Scharfmacher gestellt, die vor Eurabia und einer Welt aus Kopftüchern, Minaretten und Burkas warnen.
Die Bedeutung von Kultur und Religion
Huntington hat weniger in der Analyse seiner Kulturkreise Recht als vielmehr in einem vorgeordneten Aspekt. Es ist nämlich der Einfluss der Religionen, der konfessionellen Weltanschauungen, kurz dessen, woran Menschen jenseits von Verfassungen glauben. Es geht um die vorpolitischen Grundlagen von Zivilisationen in Staaten.
Huntingtons Zivilisationen
Huntington unterschied acht Zivilisationen oder "Kulturkreise" auf der Welt, darunter den westlichen, den orthodoxen, den islamischen, den hinduistischen und den sinischen (chinesischen) Kulturkreis. Manche Kulturkreise seien aufsteigend, andere absteigend - ein Konzept, das Anklänge an Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" verrät, wie deutsche Rezensenten bemerkten. Über die Zuordnungen vieler Länder oder Landesteile (etwa der Ukraine) zu dieser oder jener "Zivilisation" ließ und lässt sich natürlich trefflich streiten.
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Kritik an Huntington
Huntingtons Buch und Autor sind von Anfang an Gegenstand eines Irrtums gewesen. Fälschlich wurde ihm gleich zu Beginn unterstellt, er behaupte, es gebe diesen Clash: Zivilisationen müssten notwendigerweise aufeinanderprallen. Bis heute erscheinen Artikel, die von "Huntingtons Irrtum" sprechen und ihm vorwerfen, er würde in Kategorien des 20. Jahrhunderts denken und die Welt in Blöcke aufteilen: in westliche, euro-amerikanische Zivilisation, in islamische, chinesisch-konfuzianische und latein-amerikanische. Das verkenne die großen Unterschiede innerhalb der Kulturen, ihre Diversität, beispielsweise zwischen Sunniten und Schiiten in islamischen Ländern. Überdies sei die Welt stark vernetzt und man könne keinesfalls so wie Huntington eine derartige Homogenität und scharfe Trennlinien unterstellen. Zudem sei der internationale Clash ausgeblieben. Wenn überhaupt, gebe es einen intranationalen Clash.
Der Vorwurf des Kulturalismus
Man hat Huntingtons Buch und These immer kulturalistisch gelesen: nicht Ideologien oder Ökonomien spalten die Welt, sondern Zivilisationen. Das war lange vor 9/11 und dem internationalen Terrorismus.
Huntingtons Verteidigung
Huntington sei sehr klug, wenn er sagt, dass das, was der Westen als universelle Werte ausgibt, für andere in der Welt oftmals nichts anderes sei als westlicher Imperialismus.
Huntingtons weitere Werke
Ein weiteres Buch von ihm, das auch in deutscher Sprache zu lesen ist, erschien 2004: "Who are We? Die Krise der amerikanischen Identität".
Huntingtons Rezeption
Der Begriff "Kampf" im deutschen Buchtitel habe leider dazu beigetragen, dass Huntington in Deutschland als "kalter Krieger" wahrgenommen worden sei, erläutert Tibi. Dies aber sei er nicht gewesen: "Nach 9/11 hätte er so groß werden können, und sein Buch hätte wahrscheinlich Riesenauflagen erfahren können.
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Huntington als unkonventioneller Denker
"Huntington war kein Prophet, aber ein unkonventioneller Denker gegen den Mainstream", meint der Mainzer Historiker Andreas Rödder.
Huntingtons bleibende Bedeutung
Auch wenn Huntingtons Thesen umstritten sind, so haben sie doch eine wichtige Debatte über die Rolle von Kultur und Religion in der Weltpolitik angestoßen. Seine Arbeit regt dazu an, die komplexen Beziehungen zwischen verschiedenen Zivilisationen zu verstehen und die potenziellen Konflikte, die aus kulturellen Differenzen entstehen können, zu erkennen.
Die Aktualität von Huntingtons Thesen
"Das Wort "clash" hat im Englischen eine sehr umfassende Bedeutung. Mir scheint, wir steuern in der Weltgeschichte auf eine Situation zu, in der Menschen aus unterschiedlichen Kulturen immer häufiger miteinander interagieren. Und das wird zu mehr oder minder schweren Konflikten führen.
Zusammenfassung
Samuel P. Huntingtons "Kampf der Kulturen" ist ein provokantes und umstrittenes Werk, das die Debatte über die Rolle von Kultur und Religion in der Weltpolitik nachhaltig geprägt hat. Auch wenn seine Thesen kritisiert wurden, so hat er doch wichtige Fragen aufgeworfen und dazu angeregt, die komplexen Beziehungen zwischen verschiedenen Zivilisationen zu verstehen. Huntingtons Bücher bleiben relevant für alle, die sich mit den Herausforderungen der globalen Politik im 21. Jahrhundert auseinandersetzen wollen.
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