Scheidung bei Demenz: Voraussetzungen und rechtliche Aspekte

Die Scheidung einer Ehe, in der ein Partner an Demenz erkrankt ist, wirft besondere rechtliche und ethische Fragen auf. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für eine solche Scheidung, die Rolle von Betreuern und Gerichten sowie die möglichen Folgen für die Beteiligten.

Einleitung

Die Zahl der Menschen mit Demenz steigt, und damit auch die Fälle, in denen Ehen von dieser Krankheit betroffen sind. Eine Demenzerkrankung kann eine bestehende Ehe stark belasten und zu dem Wunsch nach Trennung oder Scheidung führen. Dabei sind jedoch die besonderen Schutzbedürfnisse des erkrankten Partners zu berücksichtigen.

Voraussetzungen für die Scheidung

Grundsätzlich gelten für die Scheidung einer Ehe mit einem an Demenz erkrankten Partner die gleichen Voraussetzungen wie für jede andere Scheidung. Das bedeutet, dass die Ehe gescheitert sein muss (§ 1565 BGB). Dies ist der Fall, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass sie wiederhergestellt wird.

Zustimmung oder Feststellung der Zerrüttung

Einer Scheidung müssen die Ehegatten entweder zustimmen oder das Gericht stellt die Zerrüttung fest. Insbesondere muss derjenige, der den Scheidungsantrag stellt, seinen Willen zur Scheidung vor Gericht äußern.

Besonderheiten bei Demenz

Aufgrund der Erkrankung können jedoch besondere Umstände vorliegen, die die Feststellung des Scheiterns der Ehe erschweren. Entscheidend ist, ob der an Demenz erkrankte Partner noch in der Lage ist, seinen Willen frei zu äußern.

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Willensbekundung des Demenzpatienten

Zunächst muss der Demenzpatient noch in der Lage sein, seinen Scheidungswillen irgendwie kundgeben zu können. Ist eine solche Willensbekundung nicht mehr möglich, ist es schwierig, überhaupt in diese Richtung tätig zu werden.

Scheidungswille vor der Erkrankung

Die Gerichte knüpfen die Scheidung in diesem Fall an Bedingungen. So muss der Betreffende seinen Scheidungswillen vor der Erkrankung klar geäußert haben, etwa auch durch das Verhalten. Ebenso müssen die sonstigen Voraus­set­zungen für eine Scheidung, wie etwa das Trennungsjahr, vorliegen. Dann kann auch ein gesetzlich bestellter Betreuer den Scheidungs­antrag stellen.

Rolle des Betreuers

Ist ein Betreuer bestellt, übernimmt dieser die Beantragung der Scheidung für den Demenzpatienten. Ansonsten muss dem Betroffenen erst ein Betreuer zur Seite gestellt werden, der diese Aufgabe dann für den Betroffenen ausführen kann. Die Pflicht eines Betreuers ist es, den (mutmaßlichen) Willen des Betroffenen herauszufinden und dementsprechend umzusetzen. Im Anschluss daran bedarf es einer gerichtlichen Genehmigung. Dabei wird der vorliegende Sachverhalt geprüft - insbesondere, ob der Betroffene sich wirklich scheiden lassen wollte.

Zustimmung zur Scheidung durch Betreuer

Der umgekehrte Fall funktioniert genauso, nämlich dann, wenn sich jemand von seinem demenzkranken Ehegatten scheiden lassen möchte. Hierbei muss auch ein Betreuer vorhanden sein, der den Willen des Demenzkranken nach außen trägt. Das wäre hier dann die Zustimmung zur Scheidung. Wenn der Betreuer für den Betroffenen die Zustimmung zur Scheidung nicht gibt, weil er beispielsweise der Ansicht ist, dass dies dem Willen des Betroffenen entspricht, müssen die Scheidungsvoraussetzungen erst dargelegt werden. Es muss also ein Scheitern der Ehe nachgewiesen werden.

Trennungsjahr

Wie bei jeder Scheidung muss in der Regel ein Trennungsjahr eingehalten werden (§ 1566 BGB). Dies bedeutet, dass die Ehegatten seit mindestens einem Jahr getrennt leben, bevor die Scheidung beantragt werden kann. Das Getrenntleben kann auch innerhalb der gemeinsamen Wohnung stattfinden, wenn die Ehegatten getrennt wirtschaften und leben.

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Härtefall

Auch wenn die Ehe gescheitert ist, kann die Scheidung ausnahmsweise eine unzumutbare Härte für den erkrankten Partner darstellen (§ 1568 BGB). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Scheidung die Situation des Erkrankten erheblich verschlechtern würde. Dabei sind die Dauer der Ehe, das Alter und der Gesundheitszustand des Erkrankten zu berücksichtigen.

Rolle des Betreuers

Wenn der an Demenz erkrankte Partner nicht mehr in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, wird ihm ein Betreuer zur Seite gestellt. Dieser vertritt den Erkrankten in allen rechtlichen Belangen, einschließlich der Scheidung.

Aufgaben des Betreuers

Der Betreuer hat die Aufgabe, den Willen des Betreuten festzustellen und umzusetzen. Dabei muss er sich am Wohl des Betreuten orientieren. Im Falle einer Scheidung bedeutet dies, dass der Betreuer prüfen muss, ob die Scheidung im Interesse des Betreuten liegt.

Genehmigung des Betreuungsgerichts

Für die Einleitung eines Scheidungsverfahrens durch den Betreuer ist die Genehmigung des Betreuungsgerichts erforderlich (§ 125 FamFG). Das Gericht prüft, ob die Scheidung dem Wohl des Betreuten dient.

Gerichtliche Entscheidung

Letztendlich entscheidet das Familiengericht über die Scheidung. Das Gericht prüft, ob die Voraussetzungen für die Scheidung vorliegen und ob die Scheidung eine unzumutbare Härte für den erkrankten Partner darstellen würde.

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Berücksichtigung des Willens des Erkrankten

Das Gericht berücksichtigt bei seiner Entscheidung den Willen des Erkrankten, soweit dieser noch feststellbar ist. Auch frühere Äußerungen des Erkrankten könnenRelevant sein.

Sachverständigengutachten

In Zweifelsfällen kann das Gericht ein Sachverständigengutachten einholen, um dieTestierfähigkeit des Erkrankten zu beurteilen.

Mögliche Folgen der Scheidung

Die Scheidung einer Ehe mit einem an Demenz erkrankten Partner kann weitreichende Folgen haben.

Unterhalt

Grundsätzlich besteht auch nach der Scheidung ein Anspruch auf Unterhalt, wenn der Erkrankte bedürftig ist (§ 1569 ff. BGB). Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach den Bedürfnissen des Erkrankten und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen.

Erbrecht

Mit der Scheidung verliert der Ehegatte sein gesetzliches Erbrecht (§ 1933 BGB). Dies kann insbesondere dann relevant sein, wenn der Erkrankte vermögend ist.

Versorgungsausgleich

Im Rahmen der Scheidung findet in der Regel ein Versorgungsausgleich statt (§ 1 VersAusglG). Dabei werden die während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften beider Ehegatten ausgeglichen.

Ethische Aspekte

Neben den rechtlichen Fragen sind bei der Scheidung einer Ehe mit einem an Demenz erkrankten Partner auch ethische Aspekte zu berücksichtigen.

Schutzbedürftigkeit des Erkrankten

Der erkrankte Partner ist besonders schutzbedürftig und auf dieSolidarität seiner Familie angewiesen. Eine Scheidung kann die Situation des Erkrankten erheblich verschlechtern.

Verantwortung des gesunden Partners

Der gesunde Partner trägt eine besondere Verantwortung für den Erkrankten. Er sollte sich bewusst sein, dass die Scheidung für den Erkrankten traumatisch sein kann.

Abwägung der Interessen

Bei der Entscheidung über eine Scheidung müssen die Interessen beider Partner sorgfältig abgewogen werden. Dabei ist das Wohl des Erkrankten besonders zu berücksichtigen.

Alternativen zur Scheidung

Bevor eine Scheidung in Erwägung gezogen wird, sollten mögliche Alternativen geprüft werden.

Getrenntleben

Eine Möglichkeit ist das Getrenntleben, ohne sich scheiden zu lassen. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn die Ehegatten aus religiösen oder ethischen Gründen keine Scheidung wünschen.

Eheberatung

Eine Eheberatung kann helfen, die Probleme in der Ehe zu lösen und eine einvernehmliche Lösung zu finden.

Unterstützung für pflegende Angehörige

Es gibt zahlreiche Angebote zur Unterstützung von pflegenden Angehörigen. Diese können helfen, die Belastung durch die Pflege zu reduzieren und die Lebensqualität beider Partner zu verbessern.

Praxisfall

Der Mann lebt seit der Trennung bei seiner Tochter. Die Frau hatte eine Vermiss­ten­anzeige gestellt. Die Beamten fanden den Mann bei seiner Tochter. Er erklärte ihnen gegenüber, die Scheidung zu wollen. Er litt bereits an einer Demenz­er­krankung, konnte aber noch deutlich seinen Willen äußern. Wegen der fortschrei­tenden Erkrankung bestellte das Gericht die Tochter zu seiner Betreuerin. Sie stellte für ihren Vater nach über einem Jahr der Trennung den Scheidungs­antrag. Die Noch-Ehefrau wehrte sich dagegen. Beim Scheidungs­ver­fahren vor dem Amtsgericht litt der Mann bereits an einer mittleren Demenz, äußerte aber klar seine Ablehnung der Ehe. So wolle er „jetzt nicht mehr“ mit seiner Frau zusammenleben. Das Amtsgericht schied die Ehe. Die Frau legte Beschwerde ein. Das Gericht bestätigte die Scheidung durch die erste Instanz. Die Voraus­set­zungen für eine Scheidung hätten vorgelegen. Das Trennungsjahr sei eingehalten worden. Bei der Trennung und auch danach habe der Mann mehrfach geäußert, dass er die Scheidung wolle. Dies hätten Zeugen bestätigt. habe klar äußern können, sei die Ehe zerrüttet. Eheschei­dungen schwer Erkrankter seien möglich. Einem geistig geschä­digten Menschen könne „die Ehescheidung nicht deshalb verwehrt werden, weil er sich nicht einen Rest von Empfinden für die Zerrüttung der Ehe bewahrt hat“, so das Gericht. Die Ehe könne und müsse geschieden werden. Andernfalls könnten Menschen mit Demenz­er­kran­kungen oder bei Unfall­folgen wie etwa einem Wachkoma nicht mehr geschieden werden (AZ: 3 UF 43/13).

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