Xylit und das Schlaganfallrisiko: Eine Neubewertung des Birkenzuckers

Zuckerersatzstoffe erfreuen sich großer Beliebtheit, da sie weniger Kalorien als Zucker enthalten. Xylit, auch als Birkenzucker bekannt, bietet einen weiteren Vorteil: Es soll das Kariesrisiko senken. Daher ist es sogar in Zahnpasten enthalten. Eine aktuelle Studie deutet jedoch darauf hin, dass der Ersatzstoff möglicherweise nicht so harmlos ist, wie bisher angenommen. Auch der Nutzen für die Zähne ist eher unklar.

Xylit und das Herz-Kreislauf-System

Eine im European Heart Journal veröffentlichte Studie untersuchte, ob Xylit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen könnte. Die Forscher der Cleveland Clinic in Ohio analysierten Blutproben von mehr als 3300 Patienten und stellten fest, dass Patienten mit hohen Xylit-Konzentrationen im Blut ein signifikant höheres Risiko für Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Todesfälle hatten. Das Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Probleme stieg bei diesen Patienten um 57 Prozent.

Die Forscher führten zusätzlich Laborversuche und Tests mit gesunden Probanden durch, um den Zusammenhang zu bestätigen. Dabei zeigte sich, dass Xylit die Reaktivität der Blutplättchen erhöht, was die Bildung von Blutgerinnseln fördern und somit das Risiko für Thrombosen, Herzinfarkt und Schlaganfall steigern kann.

Was ist Xylit?

Xylit gehört zu den Zuckeralkoholen, ähnlich wie Sorbit, Isomalt oder Erythrit. Obwohl es als „Birkenzucker“ bekannt ist, wird es heutzutage meist nicht aus Birken gewonnen, sondern aus anderen pflanzlichen Rohstoffen wie Maiskolbenresten hergestellt. Der Herstellungsprozess ist aufwendig und technologisch anspruchsvoll, was Xylit zu einem hochverarbeiteten Zuckerersatzstoff macht.

Interessanterweise weisen Studien darauf hin, dass auch Erythrit das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen könnte. Eine Studie, die 2023 im Journal Nature Medicine veröffentlicht wurde, ergab, dass Erythrit ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden ist.

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Vorsicht bei Herz-Kreislauf-Risiken

Marco Witkowski, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité und Erstautor beider Studien, warnt: „Unsere Forschung weist auf mögliche Risiken von Xylit hin und zeigt, dass Süßstoffe nicht unbedingt die harmlose Zuckeralternative sind, für die sie oft gehalten werden.“ Besonders Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken sollten ihren Xylit-Konsum überdenken. Relevant ist das Thema auch deshalb, weil gerade Menschen mit entsprechenden Vorerkrankungen - wie etwa Diabetes - oft dazu geraten wird, auf Zuckeralternativen wie Xylit zurückzugreifen.

Woran erkennt man, dass Lebensmittel Xylit enthalten?

Xylit muss in der Zutatenliste eines Produkts angegeben werden, oft als „Xylit“, „Xylitol“ oder „E 967“. Produkte, die mehr als zehn Prozent Xylit enthalten, müssen zudem den Hinweis „Kann bei übermäßigem Verzehr abführend wirken“ tragen. Fehlt dieser Hinweis, liegt der Xylit-Anteil unter zehn Prozent.

Hilft Xylit gegen Karies?

Xylit wird oft als karieshemmend beschrieben und ist in vielen Zahnpflegeprodukten wie Zahnpasten und Kaugummis enthalten - sowie in Süßigkeiten, die das Zahnmännchen tragen, - ein Qualitätssiegel der Aktion Zahnfreundlich e. V.. Der Süßstoff soll einen direkten Anti-Karies-Effekt haben, indem er das Wachstum von Kariesbakterien hemmt. Wenn man allerdings genauer hinschaut, stellt man fest: Die wissenschaftlichen Belege für diesen Nutzen sind nicht so belastbar, wie man auf den ersten Blick denken könnte.

Studienlage zu Xylit und Kariesprävention

Eine systematische Übersichtsarbeit zu diesem Thema kam zu einem ernüchternden Ergebnis. Viele Studien weisen methodische Mängel auf, was ihre Aussagekraft einschränkt. Lediglich bei der Verwendung von Xylit-haltiger Zahnpasta in Kombination mit Fluorid bei Kindern konnte ein leicht reduziertes Kariesrisiko nachgewiesen werden. Doch auch hier sind die Studienergebnisse aufgrund der geringen Anzahl und methodischer Schwächen mit Vorsicht zu genießen.

Zwar zeigen einige Studien, dass Xylit den Speichelfluss anregen kann, was die schädliche Wirkung von Säuren neutralisieren könnte, jedoch sind die Ergebnisse nicht konsistent. Bei anderen Xylit-haltigen Produkten wie Kaugummis und Lutschtabletten gibt es keine verlässlichen Belege dafür, dass sie das Kariesrisiko signifikant senken.

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Die Rolle von Xylit in der modernen Ernährung

Xylit, oft als Birkenzucker bezeichnet, hat sich als beliebter Zuckerersatzstoff etabliert. Er ist in vielen Produkten des täglichen Bedarfs enthalten, von Kaugummi über Joghurt bis hin zu Schokolade. Der Grund für seine Beliebtheit liegt in seinenFigenschaften: Er sieht aus wie Zucker, schmeckt genauso süß, hat aber nur etwa halb so viele Kalorien. Zudem wird er oft als "natürlicher Süßstoff" beworben, da er in geringen Mengen auch in Obst oder Gemüse vorkommt und vom Körper produziert werden kann.

Die Lebensmittelindustrie schätzt Xylit, weil es die Textur, Feuchtigkeit und Haltbarkeit von Produkten verbessert, ohne einen Nachgeschmack wie andere Süßstoffe zu hinterlassen. Daher wird es in großen Mengen eingesetzt und nicht nur als Ersatz für Zucker, sondern auch als zusätzliches Mittel gegen Karies vermarktet, etwa als Zusatz von Zahncremes, Lutschtabletten oder Kaugummis.

Neue Forschungsergebnisse werfen Fragen auf

Trotz seiner weit verbreiteten Verwendung und der positiven Eigenschaften, die Xylit zugeschrieben werden, gibt es nun neue Forschungsergebnisse, die Anlass zur Sorge geben. Eine Studie der Cleveland Clinic in den USA, veröffentlicht im "European Heart Journal", hat gezeigt, dass höhere Werte des Süßstoffs Xylit im Blut mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Herzerkrankungen und Schlaganfälle verbunden sind.

Die Studie, geleitet von Dr. med. Marco Witkowski, Kardiologe am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC), analysierte Blutproben von mehr als 3.300 Herz-Kreislauf-Patienten. Diejenigen, bei denen die Wissenschaftler hohe Xylit-Konzentrationen im Blut gemessen hatten, erlitten drei Jahre später signifikant häufiger einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall oder starben als diejenigen mit einem niedrigen Xylit-Wert. Konkret war die Gefahr um 57% erhöht.

Diese Ergebnisse sind besonders besorgniserregend, da Xylit oft Menschen mit Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen empfohlen wird. Für Studienautor Dr. Marco Witkowski könnte der Konsum von Xylit zusätzliche Gesundheitsgefahren bergen, insbesondere bei Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken.

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Die Mechanismen hinter dem erhöhten Risiko

Um die Mechanismen hinter dem erhöhten Risiko zu verstehen, führte das Forschungsteam weitere Experimente im Labor durch. Dabei zeigte sich, dass Xylit die Reaktivität von Blutplättchen erhöht. Blutplättchen sind Zellen im Blut, die eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung spielen. Wenn sie zu aktiv sind, können sie sich zusammenlagern und Blutgerinnsel bilden, die zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen können.

In Tierversuchen spritzten die Forscher Mäusen verschiedene Mengen an Xylit und lösten bei den Tieren künstlich eine Verletzung der Halsschlagader aus. Bei Mäusen mit mehr Xylit im Blut formte sich deutlich schneller ein Blutgerinnsel. Auch hier reichte eine Konzentration aus, wie das Team sie zuvor bei den nüchternen Patienten gemessen hatte.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Xylit tatsächlich als Ursache des erhöhten Herzrisikos infrage kommt. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Xylit-Level der Probanden nicht unbedingt widerspiegeln, wie viel Xylit sie mit der Nahrung aufgenommen haben. Vielmehr geht Witkowski davon aus, dass die gemessenen Spiegel überwiegend die körpereigene Xylit-Produktion widerspiegeln.

Xylit vs. Erythrit: Ein Vergleich

Interessanterweise ist Xylit nicht der einzige Zuckeralkohol, der in Verdacht steht, gesundheitsschädlich zu sein. Bereits 2023 hatte Dr. med. Marco Witkowski eine ähnliche Studie im Fachjournal Nature Medicine veröffentlicht, in der er den Zuckerersatzstoff Erythrit untersuchte und einen ähnlichen Zusammenhang fand. Genauso wie Xylit soll Erythrit ebenfalls das Thrombose- und Infarktrisiko erhöhen.

Erythrit und Xylit sind sich chemisch sehr ähnlich, beide gehören zur Gruppe der Zuckeralkohole. Sie werden oft in zuckerfreien Diätprodukten verwendet, um ihnen eine bessere Textur und mehr Feuchtigkeit zu verleihen und um sie haltbarer zu machen.

Die Ergebnisse verdeutlichen die möglichen Risiken der Gruppe der Zuckeralkohole, zu denen unter anderem Xylit und Erythrit gehören.

Expertenmeinungen und Empfehlungen

Angesichts der neuen Forschungsergebnisse ist es wichtig, den eigenen Konsum von Xylit und anderen Zuckerersatzstoffen zu überdenken. Dr. med. Marco Witkowski rät: „Es ist wichtig, dass Verbraucher sich dieser Risiken bewusst sind und ihren Konsum dieser Süßstoffe überdenken. Bei Unsicherheiten sollten sie sich an ihren Arzt oder Ernährungsberater wenden.“

Für den Münchner Allgemeinarzt und Ernährungsmediziner Markus Frühwein steht fest, dass man die Ergebnisse der neuen Studie ernst nehmen sollte, auch wenn die Datenlage noch nicht ganz klar sei und es weitere Studien brauche. Generell aber, egal ob Süßstoffe wie Xylit, Kristallzucker oder Honig: Es liege an der Menge, die man zu sich nimmt. "Wenn man zu viel davon kriegt, führt das zu Übergewicht, Diabetes, Probleme mit Cholesterin."

Dr. med. Markus Frühwein empfiehlt, den eigenen Konsum von Xylit oder sonstigen Zuckeraustauschstoffen zu überdenken und die Menge zu reduzieren. Kompletter Verzicht allerdings sei nicht angebracht.

Xylit in Zahnpflegeprodukten: Ein Dilemma

Die Verwendung von Xylit in Zahnpflegeprodukten ist ein weiteres Dilemma. Einerseits hat Xylit positive Eigenschaften, da bestimmte Kariesbakterien das Xylit - anders als Haushaltszucker - nicht verstoffwechseln können. Es kann also vor Karies schützen.

Andererseits stellt sich die Frage, ob die potenziellen Risiken für das Herz-Kreislauf-System die Vorteile für die Zahngesundheit aufwiegen. Wer Xylit-haltige Zahnpflegeprodukte verwendet und nun verunsichert ist, sollte erstmal Ruhe bewahren. „Für den Risikopatienten ist nach meiner Einschätzung zum Beispiel Zahnpasta momentan eher unbedenklich“, sagt der Münchner Zahnarzt Michael Schleißheimer.

Fazit

Obwohl Xylit viele Vorteile bietet, sollten Verbraucher, insbesondere solche mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ihren Konsum überdenken. Weitere Forschung ist erforderlich, um die potenziellen Gesundheitsrisiken von Xylit vollständig zu verstehen. Bis dahin ist ein bewusster Umgang mit diesem Zuckerersatzstoff ratsam.

Auch wenn Xylit theoretisch das Kariesrisiko senken könnte, ist die wissenschaftliche Beweislage hierzu eher mager und oft methodisch unzureichend. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, sollte sich weiterhin auf bewährte Methoden zur Kariesprävention wie regelmäßiges Zähneputzen mit Fluorid-Zahnpasta und eine zuckerarme Ernährung verlassen.

Die aktuellen Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Süßstoffe nicht unbedingt die harmlose Zuckeralternative sind, für die sie oft gehalten werden.Insbesondere Menschen mit bestehenden Herz-Kreislauf-Risiken und Diabetikern, die ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse haben, könnten durch den Konsum von Xylit und Erythrit zusätzlichen Gesundheitsgefahren ausgesetzt sein.

Es ist wichtig, sich der potenziellen Risiken bewusst zu sein und den Konsum von Xylit und anderen Zuckerersatzstoffen zu überdenken. Bei Unsicherheiten sollte man sich an seinen Arzt oder Ernährungsberater wenden.

Ausblick

Angesichts der weit verbreiteten Verwendung von Xylit in Lebensmitteln und Zahnpflegeprodukten halten es die Autorinnen und Autoren der Studie für wichtig, die potenziellen Gesundheitsrisiken weiter zu untersuchen. In einem von der Corona-Stiftung geförderten Forschungsprojekt untersucht Dr. med. Marco Witkowski daher die langfristigen Auswirkungen von Xylit auf die Gesundheit.

Es bleibt zu hoffen, dass diese Forschung dazu beitragen wird, die potenziellen Risiken und Vorteile von Xylit besser zu verstehen und fundierte Empfehlungen für den Konsum dieses Zuckerersatzstoffes zu geben.

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