Ein Schlaganfall kann das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen grundlegend verändern. Neben den gesundheitlichen Folgen stellen sich oft auch Fragen nach Unterstützung und Leistungen. Ein wichtiger Aspekt ist der Grad der Behinderung (GdB), der die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben maßgeblich beeinflussen kann. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über den GdB nach einem Schlaganfall, von der Antragstellung bis zu den möglichen Nachteilsausgleichen.
Was bedeutet Grad der Behinderung (GdB)?
Der Grad der Behinderung (GdB) drückt aus, wie stark eine Person durch eine körperliche, geistige oder seelische Beeinträchtigung in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben eingeschränkt ist. Er wird in Zehnerschritten von 20 bis 100 angegeben, wobei 20 die geringste und 100 die höchste Beeinträchtigung darstellt. Die Abstufungen sind demnach: 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80, 90 und 100.
Es ist wichtig zu beachten, dass der GdB grundsätzlich unabhängig vom Pflegegrad ist. Eine Person mit Pflegegrad kann dennoch einen GdB erhalten und umgekehrt.
Grad der Schädigungsfolgen (GdS)
Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) wird nach den gleichen Maßstäben wie der GdB bemessen. Er wird jedoch verwendet, wenn die Beeinträchtigungen auf einen konkreten Auslöser oder Verursacher zurückzuführen sind, beispielsweise bei einem Unfall. Daher findet der GdS häufig Anwendung in der Unfallversicherung.
Merkzeichen
Neben dem GdB gibt es sogenannte Merkzeichen, die zusätzliche Aspekte der Behinderung kennzeichnen. Diese Merkzeichen können unabhängig vom GdB bestimmte Nachteilsausgleiche ermöglichen, wie beispielsweise die Befreiung von Rundfunkbeiträgen oder Leistungen wie Blindengeld. Einige weitere Merkzeichen sind „1. Kl.“, „VB“ und „EB“, die vor allem im Zusammenhang mit Kriegsschäden relevant sind. In Berlin gibt es zusätzlich das Merkzeichen „T“ für die Teilnahmeberechtigung am kommunalen Sonderfahrdienst.
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GdB nach Schlaganfall
Ein Schlaganfall kann vielfältige Folgen haben, die sich auf den GdB auswirken. Die Höhe des GdB hängt von den bleibenden Einschränkungen ab, die durch den Schlaganfall verursacht wurden. Da die Auswirkungen eines Schlaganfalls je nach betroffener Hirnregion und Schweregrad variieren können, ist die Feststellung des GdB immer eine individuelle Entscheidung.
Mögliche Folgen eines Schlaganfalls
Die Folgen eines Schlaganfalls können vielfältig sein und sowohl körperliche als auch kognitive und psychische Bereiche betreffen. Einige mögliche Folgen sind:
- Lähmungen: Halbseitenlähmungen (Hemiparese) oder andere motorische Einschränkungen
- Sprachstörungen: Aphasie (Sprachverlust) oder Dysarthrie (Sprechstörung)
- Sehstörungen: Gesichtsfeldausfälle oder Doppelbilder
- Kognitive Beeinträchtigungen: Gedächtnisprobleme, Aufmerksamkeitsstörungen oder Exekutivfunktionsstörungen
- Psychische Veränderungen: Depressionen, Angststörungen oder Persönlichkeitsveränderungen
- Schluckstörungen: Dysphagie
- Koordinationsstörungen: Ataxie
Bewertung des GdB bei Schlaganfall
Bei der Bewertung des GdB nach einem Schlaganfall werden die einzelnen Folgeschäden berücksichtigt und die jeweils passenden Tabellen zur Beurteilung herangezogen. Häufig sind dies die Tabellen für Hirnschäden und Lähmungen in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen.
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze enthalten Anhaltswerte für die Höhe des GdB bei verschiedenen Krankheiten und Einschränkungen. Diese Anhaltswerte dienen als Orientierung für die Gutachter, die den GdB feststellen.
GdB-Tabelle für Hirnschäden
Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Kapitel 3.1) geben folgende Anhaltswerte für den GdB bei Hirnschäden:
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- Hirnschäden mit geringen Auswirkungen: GdB 0 - 20
- Hirnschäden mit mittelgradigen Auswirkungen: GdB 30 - 40
- Hirnschäden mit schweren Auswirkungen: GdB 50 - 70
- Hirnschäden mit schwersten Auswirkungen: GdB 80 - 100
GdB-Tabelle für Lähmungen
Bei Lähmungen, die durch einen Schlaganfall verursacht wurden, können folgende GdB-Werte berücksichtigt werden:
- Leichte Lähmungen: GdB 20 - 30
- Mittelgradige Lähmungen: GdB 40 - 60
- Schwere Lähmungen: GdB 70 - 90
- Vollständige Lähmungen: GdB 100
Gesamteindruck entscheidend
Treten mehrere Einschränkungen gleichzeitig auf, wird anhand der einzelnen GdB-Werte ein Gesamtwert ermittelt. Dabei werden die Werte nicht einfach addiert, sondern es wird ein Gesamteindruck abgeleitet, der die Auswirkungen aller Einschränkungen auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben berücksichtigt.
GdB nach leichtem Schlaganfall
Auch nach einem leichten Schlaganfall, bei dem kein Hirngewebe abstirbt, können Folgeschäden auftreten, die zu Einschränkungen führen. Diese Einschränkungen können zwar leichter sein als nach einem schweren Schlaganfall, aber dennoch einen GdB rechtfertigen.
Schwerbehinderung nach Schlaganfall
Bei Einschränkungen, die zu dauerhaften und massiven Beeinträchtigungen führen, kann nach einem Schlaganfall ein GdB von 50 oder mehr festgestellt werden. Damit gilt die betroffene Person als schwerbehindert und hat Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis.
Schwerbehindertenausweis
Mit einem Behinderungsgrad von 50 oder höher gelten Sie als schwerbehindert und können einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Dieser Ausweis dient als Nachweis für den GdB und die Merkzeichen und ermöglicht es, im Alltag schnell und unkompliziert die entsprechenden Nachteilsausgleiche und Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen.
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Nachteilsausgleiche
Schwerbehinderte Menschen haben Anspruch auf verschiedene Nachteilsausgleiche, die ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erleichtern sollen. Einige Beispiele für Nachteilsausgleiche sind:
- Steuerliche Vorteile: Behinderten-Pauschbetrag, behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale
- Kündigungsschutz: Besonderer Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis
- Zusatzurlaub: Anspruch auf zusätzlichen Urlaub
- Ermäßigungen: Ermäßigungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln, kulturellen Veranstaltungen oder Freizeitaktivitäten
- Parkerleichterungen: Nutzung von Behindertenparkplätzen
- Kraftfahrzeughilfe: Zuschüsse für den Kauf oder Umbau eines Autos
- Befreiung von Rundfunkbeiträgen: Unter bestimmten Voraussetzungen
- Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben: Unterstützung bei der Arbeitsplatzgestaltung oder Weiterbildung
Die konkreten Nachteilsausgleiche hängen vom Grad der Behinderung und den eingetragenen Merkzeichen ab.
Gleichstellung
Auch Menschen mit einem GdB von 30 oder 40 können schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie aufgrund ihrer Behinderung Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden oder zu behalten. Durch die Gleichstellung erhalten sie den gleichen Kündigungsschutz wie Schwerbehinderte.
Antragstellung
Um einen Grad der Behinderung und einen Schwerbehindertenausweis zu erhalten, ist ein schriftlicher Antrag beim zuständigen Versorgungsamt erforderlich. Das Versorgungsamt prüft den Antrag und holt gegebenenfalls ärztliche Gutachten ein, um den GdB festzustellen.
Zuständiges Versorgungsamt
Das zuständige Versorgungsamt ist in der Regel das Amt, das für Ihren Wohnort zuständig ist. Die genaue Bezeichnung und Anschrift des Versorgungsamtes können Sie bei Ihrer Stadt- oder Gemeindeverwaltung erfragen. Abhängig vom Bundesland kann das Versorgungsamt auch anders heißen, z.B. Amt für Soziale Angelegenheiten oder Amt für Soziales und Versorgung.
Antragstellung
Den Antrag auf Feststellung einer Behinderung können Sie formlos oder mit einem speziellen Antragsformular stellen, das Sie beim Versorgungsamt erhalten. Im Antrag sollten Sie Ihre persönlichen Daten angeben und die Art und den Umfang Ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen schildern.
Erforderliche Unterlagen
Dem Antrag sollten Sie alle relevanten medizinischen Unterlagen beifügen, wie z.B.:
- Ärztliche Atteste und Befundberichte
- Entlassungsberichte aus Krankenhäusern und Reha-Kliniken
- Gutachten
- Laborwerte
- Röntgenbilder
Es ist wichtig, dass die Unterlagen Ihre Einschränkungen nachvollziehbar dokumentieren.
Ablauf des Feststellungsverfahrens
Nachdem Sie den Antrag beim Versorgungsamt eingereicht haben, prüft dieses die Unterlagen und holt gegebenenfalls weitere Informationen von Ihren behandelnden Ärzten ein. Um dies zu ermöglichen, müssen Sie die Ärzte vorher schriftlich von ihrer Schweigepflicht entbinden.
Das Versorgungsamt kann Sie auch zu einer ärztlichen Untersuchung auffordern, um den Grad Ihrer Behinderung besser einschätzen zu können.
Nach Abschluss der Prüfung erhalten Sie einen schriftlichen Bescheid, in dem der GdB und gegebenenfalls die Merkzeichen festgestellt werden.
Widerspruch
Wenn Sie mit dem Bescheid des Versorgungsamtes nicht einverstanden sind, können Sie innerhalb einer bestimmten Frist Widerspruch einlegen. Der Widerspruch muss schriftlich beim Versorgungsamt eingehen.
Das Versorgungsamt prüft den Widerspruch und kann den Bescheid ändern oder aufrechterhalten. Wenn der Widerspruch zurückgewiesen wird, können Sie Klage vor dem Sozialgericht erheben.
Weitere Unterstützung
Neben dem GdB und dem Schwerbehindertenausweis gibt es weitere Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung nach einem Schlaganfall.
Leistungen der Pflegeversicherung
Wenn Sie aufgrund des Schlaganfalls pflegebedürftig sind, haben Sie Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung. Die Leistungen umfassen beispielsweise:
- Pflegegeld
- Sachleistungen für ambulante Pflege
- Teilstationäre Pflege (z.B. Tagespflege)
- Vollstationäre Pflege (Pflegeheim)
- Hilfsmittel und Wohnraumanpassung
Die Höhe der Leistungen richtet sich nach dem Pflegegrad, der von der Pflegeversicherung festgestellt wird.
Leistungen zur Rehabilitation
Nach einem Schlaganfall ist eine umfassende Rehabilitation wichtig, um die verloren gegangenen Fähigkeiten wiederzuerlangen und die Teilhabe am Leben wieder zu ermöglichen. Die Rehabilitation kann sowohl stationär als auch ambulant erfolgen.
Es gibt verschiedene Träger der Rehabilitation, wie z.B.:
- Krankenkassen
- Rentenversicherung
- Unfallversicherung
- Versorgungsämter
Die Rehabilitation umfasst verschiedene Maßnahmen, wie z.B.:
- Physiotherapie
- Ergotherapie
- Logopädie
- Neuropsychologie
- Sozialberatung
Berufliche Rehabilitation
Wenn Sie aufgrund des Schlaganfalls Ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können, haben Sie Anspruch auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation. Ziel der beruflichen Rehabilitation ist es, Ihnen eine neue berufliche Perspektive zu eröffnen und Sie bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.
Die Leistungen zur beruflichen Rehabilitation können beispielsweise umfassen:
- Berufsberatung und -orientierung
- Arbeitserprobung und -training
- Umschulung oder Weiterbildung
- Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche
- Arbeitsassistenz
Finanzielle Hilfen
Neben den Nachteilsausgleichen, die mit dem Schwerbehindertenausweis verbunden sind, gibt es weitere finanzielle Hilfen für Menschen mit Behinderung nach einem Schlaganfall.
Dazu gehören beispielsweise:
- Erwerbsminderungsrente: Wenn Sie aufgrund des Schlaganfalls nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können, haben Sie Anspruch auf Erwerbsminderungsrente.
- Grundsicherung: Wenn Sie Ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbst bestreiten können, haben Sie Anspruch auf Grundsicherung.
- Wohngeld: Wenn Sie nur ein geringes Einkommen haben, können Sie Wohngeld beantragen.
Beratung und Unterstützung
Es gibt zahlreiche Beratungsstellen und Organisationen, die Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen unterstützen. Dazu gehören beispielsweise:
- Versorgungsämter
- Sozialämter
- Krankenkassen
- Pflegekassen
- Rehabilitationskliniken
- Selbsthilfegruppen
- Sozialverbände (z.B. VdK, SoVD)
- Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)
Die Beratungsstellen bieten Informationen und Unterstützung zu allen Fragen rund um Behinderung, Rehabilitation, Pflege und finanzielle Hilfen.
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