Der Schlaganfall, in der Fachsprache auch Apoplex, Gehirnschlag oder Hirninsult genannt, ist eine der häufigsten Todesursachen in Deutschland und weltweit die zweithäufigste. Er stellt einen medizinischen Notfall dar, bei dem schnelles Handeln entscheidend ist, um die Auswirkungen zu minimieren.
Was ist ein Schlaganfall?
Der Begriff Schlaganfall ist ein Oberbegriff für verschiedene Erkrankungen, die durch eine plötzliche Störung der Blutversorgung des Gehirns verursacht werden. Man unterscheidet hauptsächlich zwischen zwei Hauptformen:
- Hirninfarkt (ischämischer Schlaganfall): Hierbei kommt es zu einer Minderdurchblutung oder einem kompletten Verschluss eines Blutgefäßes im Gehirn. Dies wird meist durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) oder eine Gefäßverkalkung (Arteriosklerose) verursacht.
- Hirnblutung (hämorrhagischer Schlaganfall): In diesem Fall tritt Blut aus einem Blutgefäß im Gehirn aus, wodurch das umliegende Gewebe geschädigt wird. Man unterscheidet zwischen der Interzerebralblutung, bei der Blutgefäße unter hohem Druck platzen und Blut in das Hirngewebe eindringt, und Subarachnoidalblutungen.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen für einen Schlaganfall sind vielfältig und hängen von der Art des Schlaganfalls ab.
Ischämischer Schlaganfall:
- Arteriosklerose: Verkalkung der Hirngefäße oder Gefäße, die das Gehirn mit Blut versorgen.
- Thromboembolie: Ein Blutgerinnsel bildet sich in einer Arterie, die mit dem Gehirn verbunden ist (z.B. Halsschlagader), löst sich und wandert in die Hirngefäße.
- Makroangiopathie: Verengung oder Obstruktion großer arterieller Blutgefäße, oft durch artherosklerotische Plaques. Risikofaktoren hierfür sind Hypertonie, Diabetes mellitus, Hyperlipidämien, Rauchen und Adipositas.
- Mikroangiopathie: Betrifft kleine arterielle Blutgefäße, z.B. durch subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE) oder genetisch bedingte Ursachen wie die Fabry-Krankheit oder das MELAS-Syndrom.
- Kardiale Embolie: Embolus entsteht im Herzen, meist durch Vorhofflimmern, Arrhythmien anderer Genese, Myokardinfarkt, Endokarditis, atriales Septum-Aneurysma, Herzvitien oder Klappenersatz.
- Seltene Ursachen: Hämatologische Erkrankungen, Vaskulitiden, Gefäßkompressionen durch Tumore, Gefäßdissektionen, spezielle Infektionen, Arzneimittel, paradoxe Embolie, Migräne, iatrogene Interventionen, Drogenkonsum.
Hämorrhagischer Schlaganfall:
- Interzerebralblutung: Platzen von Blutgefäßen im Gehirn, oft aufgrund von vorgeschädigten Arterien und Bluthochdruck.
- Subarachnoidalblutung: Ruptur eines Gefäßes im Subarachnoidalraum, wodurch Blut in den Raum zwischen den Hirnhäuten gelangt.
- Hämangiome: Angeborene, gutartige Geschwulste der Gefäße, die im Laufe der Zeit reißen und Hirnblutungen verursachen können.
- Arteriitis temporalis (Morbus Horton): Entzündung großer und mittelgroßer Gefäße, oft Äste der Arteria carotis betroffen.
- Aneurysmen: Ausstülpungen an Blutgefäßen, die platzen können.
- Amyloidangiopathie: Ablagerung von Amyloid in den Wänden der Hirngefäße, was zu Blutungen führen kann.
- Gefäßmissbildungen: Angeborene oder erworbene Anomalien der Blutgefäße.
- Blutgerinnungsstörungen: Erhöhte Blutungsneigung.
- Medikamente: Antikoagulantien (Blutverdünner).
- Drogenkonsum: Insbesondere Kokain und Amphetamine.
Weitere Risikofaktoren:
Neben den genannten Ursachen gibt es eine Reihe von Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit eines Schlaganfalls erhöhen:
- Bluthochdruck: Der Hauptrisikofaktor, verantwortlich für einen Großteil aller Schlaganfall-bedingten DALYs (disability-adjusted life-years).
- Erhöhter Body-Mass-Index (BMI) bzw. Übergewicht
- Diabetes
- Umwelt- bzw. Luftverschmutzung
- Rauchen
- Hoher Salzkonsum
- Bewegungsmangel
- Hyperlipidämie (Fettstoffwechselstörung)
- Vorhofflimmern
- Stress
- Alkoholkonsum
- Arteriosklerose
- Karotisstenose (Verengung der Halsschlagader)
- Ovulationshemmer (Antibabypille)
- Polyglobulie (erhöhte Anzahl roter Blutkörperchen)
- Endometriose (bei Frauen)
- Alter: Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter. Über 50% der Fälle betreffen über 65-Jährige.
- Geschlecht: Frauen haben ein höheres Schlaganfall-Risiko als Männer.
- Genetische Prädisposition: Familiäre Veranlagung spielt eine Rolle.
Symptome
Die Symptome eines Schlaganfalls sind vielfältig und hängen davon ab, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist. Sie treten plötzlich auf und können sein:
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- Plötzlich einsetzende Hemiparese: Lähmung oder Schwäche einer Körperhälfte (Arm, Bein, Gesicht).
- Sprachstörungen: Schwierigkeiten, sich auszudrücken oder Gesprochenes zu verstehen (Aphasie), verwaschene Sprache (Dysarthrie).
- Sehstörungen: Plötzliche Sehverschlechterung, Doppeltsehen (Diplopie), Gesichtsfeldausfälle (Hemianopsie, Quadrantenanopsie).
- Schwindel: Plötzlicher Drehschwindel, Gleichgewichtsstörungen (Ataxie).
- Koordinationsstörungen: Unsicherer Gang, Schwierigkeiten bei der Ausführung von Bewegungen (Apraxie).
- Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühl oder Kribbeln in einer Körperhälfte.
- Schluckstörungen: Schwierigkeiten beim Schlucken (Dysphagie).
- Bewusstseinsstörungen: Benommenheit, Verwirrtheit, Bewusstlosigkeit.
- Starke Kopfschmerzen: Insbesondere bei Hirnblutungen, oft verbunden mit Übelkeit und Erbrechen.
- Nackensteifigkeit: Insbesondere bei Subarachnoidalblutungen.
- Apathie: Teilnahmslosigkeit mit Verringerung des zielgerichteten Handelns.
FAST-Test: Der FAST-Test ist ein einfacher Schnelltest, um die wichtigsten Symptome eines Schlaganfalls zu erkennen:
- F (Face): Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab?
- A (Arms): Bitten Sie die Person, beide Arme nach vorne zu strecken und die Handflächen nach oben zu drehen. Kann die Person beide Arme gleichmäßig heben?
- S (Speech): Bitten Sie die Person, einen einfachen Satz nachzusprechen. Ist die Sprache verwaschen oder unverständlich?
- T (Time): Wenn eines dieser Anzeichen zutrifft, wählen Sie sofort den Notruf 112.
Stiller Schlaganfall:
Es gibt auch sogenannte "stille Schlaganfälle" (stumme Schlaganfälle), die oft unbemerkt bleiben, da sie nur milde oder unspezifische Symptome verursachen, wie z.B. kurzer Schwindel oder Kribbeln. Diese können jedoch langfristig zu kognitiven Beeinträchtigungen führen.
Diagnose
Bei Verdacht auf einen Schlaganfall ist eine sofortige medizinische Untersuchung erforderlich. Folgende diagnostische Maßnahmen werden in der Regel durchgeführt:
- Neurologische Untersuchung: Beurteilung der neurologischen Funktionen (Bewusstsein, Sprache, Motorik, Sensibilität, Reflexe).
- Bildgebende Verfahren:
- Computertomographie (CT): Ermöglicht die schnelle Darstellung von Blutungen im Gehirn und den Ausschluss anderer Ursachen für die Symptome.
- Magnetresonanztomographie (MRT): Detailliertere Darstellung des Gehirns, insbesondere zur Erkennung von Hirninfarkten im Frühstadium.
- Angiographie (CT-Angiographie, MR-Angiographie): Darstellung der Blutgefäße im Gehirn, um Verengungen oder Verschlüsse zu erkennen.
- Elektrokardiogramm (EKG): Zum Nachweis von Herzrhythmusstörungen, insbesondere Vorhofflimmern.
- Ultraschalluntersuchung der Halsgefäße (Karotis-Doppler): Zum Nachweis von Verengungen der Halsschlagader.
- Blutuntersuchungen: Zur Bestimmung von Risikofaktoren (Cholesterin, Blutzucker) und zum Ausschluss anderer Erkrankungen.
Behandlung
Die Behandlung eines Schlaganfalls hängt von der Art und Schwere des Schlaganfalls sowie vom Zeitpunkt des Therapiebeginns ab. Ziel der Behandlung ist es, die Durchblutung des Gehirns so schnell wie möglich wiederherzustellen und weitere Schäden zu verhindern.
Akuttherapie:
- Thrombolyse (Lyse-Therapie): Bei einem ischämischen Schlaganfall kann versucht werden, das Blutgerinnsel mit Medikamenten (Thrombolytika) aufzulösen. Dies muss innerhalb eines bestimmten Zeitfensters (in der Regel bis zu 4,5 Stunden nach Symptombeginn) erfolgen.
- Thrombektomie: Bei einem Verschluss großer Hirngefäße kann das Blutgerinnsel mechanisch mit einem Katheter entfernt werden. Dieses Verfahren kann auch noch nach dem Zeitfenster für die Thrombolyse durchgeführt werden.
- Blutdrucksenkung: Bei einem hämorrhagischen Schlaganfall ist es wichtig, den Blutdruck zu senken, um weitere Blutungen zu verhindern.
- Operation: In einigen Fällen, insbesondere bei großen Hirnblutungen oder Subarachnoidalblutungen, kann eine Operation erforderlich sein, um das Blut zu entfernen und den Druck im Gehirn zu entlasten.
- Hirndrucksenkende Maßnahmen: Bei erhöhtem Hirndruck können Medikamente (z.B. Mannitol) oder eine künstliche Beatmung eingesetzt werden.
Weitere Maßnahmen:
- Überwachung auf einer Stroke Unit: Spezielle Stationen in Krankenhäusern, die auf die Behandlung von Schlaganfallpatienten spezialisiert sind. Hier werden die Patienten engmaschig überwacht und erhalten eine umfassende Behandlung.
- Frührehabilitation: Beginn der Rehabilitation bereits während des Krankenhausaufenthalts, um die verloren gegangenen Funktionen wiederherzustellen.
- Behandlung von Komplikationen: Behandlung von Begleiterkrankungen und Komplikationen wie Lungenentzündung, Harnwegsinfektionen oder Thrombosen.
Langzeittherapie und Rehabilitation:
Nach der Akutbehandlung ist eine umfassende Rehabilitation wichtig, um die Folgen des Schlaganfalls zu minimieren und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Die Rehabilitation umfasst:
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- Physiotherapie: Wiederherstellung der Beweglichkeit und Kraft.
- Ergotherapie: Verbesserung der Alltagskompetenzen und der Handlungsfähigkeit.
- Logopädie: Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
- Neuropsychologie: Behandlung von kognitiven Störungen (z.B. Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration).
- Psychotherapie: Unterstützung bei der Bewältigung der psychischen Folgen des Schlaganfalls (z.B. Depressionen, Angststörungen).
- Sozialberatung: Unterstützung bei der Organisation der häuslichen Versorgung und der Beantragung von Hilfsmitteln.
Folgen eines Schlaganfalls
Die Folgen eines Schlaganfalls können vielfältig sein und hängen von der Schwere des Schlaganfalls und dem betroffenen Hirnareal ab. Mögliche Folgen sind:
- Lähmungen: Halbseitenlähmung (Hemiplegie) oder Schwäche (Hemiparese) einer Körperhälfte.
- Sprachstörungen: Aphasie (Verlust der Sprachfähigkeit), Dysarthrie (undeutliche Sprache).
- Sehstörungen: Gesichtsfeldausfälle (Hemianopsie), Doppeltsehen (Diplopie).
- Schluckstörungen: Dysphagie (Schwierigkeiten beim Schlucken).
- Kognitive Störungen: Gedächtnisprobleme, Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsstörungen, Exekutivfunktionsstörungen.
- Neglect: Vernachlässigung einer Körperhälfte oder des Raumes auf einer Seite.
- Sensibilitätsstörungen: Taubheitsgefühl, Kribbeln, Schmerzen.
- Koordinationsstörungen: Ataxie (Gleichgewichtsstörungen), Apraxie (Schwierigkeiten bei der Ausführung von Bewegungen).
- Psychische Störungen: Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsveränderungen.
- Epilepsie: Krampfanfälle.
- Schmerzen: Zentrale Schmerzen nach Schlaganfall (Central Poststroke Pain, CPSP).
- Spastik: Muskelverkrampfungen.
- Inkontinenz: Blasen- und/oder Darmschwäche.
- Apathie: Teilnahmslosigkeit.
Einige dieser Folgen können dazu führen, dass die Patientinnen und Patienten Hilfe im Alltag und bei der Körperpflege benötigen. Zudem erhöht sich nach einem bereits erlittenen Schlaganfall das Risiko für einen weiteren sowie das Risiko für andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa einen Herzinfarkt.
Prävention
Es gibt viele Möglichkeiten, das Risiko eines Schlaganfalls zu senken:
- Gesunde Lebensweise:
- Ausgewogene Ernährung: Reich an Obst, Gemüse und Vollkornprodukten, wenig gesättigte Fette und Cholesterin. Mediterrane Diät wird empfohlen.
- Regelmäßige Bewegung: Mindestens 20-30 Minuten pro Tag, bei der man leicht schwitzt.
- Nichtrauchen: Rauchen erhöht das Schlaganfallrisiko deutlich.
- Mäßiger Alkoholkonsum: Alkohol nur in sehr geringen Mengen.
- Normalgewicht halten: Übergewicht vermeiden.
- Kontrolle und Behandlung von Risikofaktoren:
- Bluthochdruck: Regelmäßige Blutdruckkontrolle und ggf. medikamentöse Behandlung.
- Diabetes: Blutzuckereinstellung durch Ernährung, Bewegung und ggf. Medikamente.
- Hoher Cholesterinspiegel: Cholesterinsenkende Maßnahmen (Ernährung, Medikamente).
- Vorhofflimmern: Behandlung mit Medikamenten zur Blutverdünnung oder Katheterablation.
- Karotisstenose: Operative Behandlung (z.B. Stentimplantation) bei hochgradigen Verengungen der Halsschlagader.
- Regelmäßige ärztliche Untersuchungen: Insbesondere bei Vorliegen von Risikofaktoren.
- Schlaganfall-Risikotest: Online-Tests können helfen, das persönliche Schlaganfallrisiko einzuschätzen. Bei Auffälligkeiten sollte ein Arzt aufgesucht werden.
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