Schlaganfälle sind nicht nur eine Erkrankung des Alters. Auch junge Menschen können betroffen sein. In den Medien wurde in den vergangenen Monaten vermehrt über Schlaganfälle bei jüngeren Menschen berichtet, wie beispielsweise bei der Reality-TV-Darstellerin Melanie Müller (34) und der Youtuberin Ina von Coupleontour (26). Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) betont daher, dass auch junge Menschen die Symptome eines Schlaganfalls ernst nehmen und sich im Zweifelsfall sofort in medizinische Behandlung begeben sollten.
Was ist ein Schlaganfall?
Bei einem Schlaganfall wird ein Teil des Gehirns plötzlich nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, weil ein Blutgefäß verstopft oder geplatzt ist. Je nachdem, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist, kann es zu typischen Ausfällen kommen, wie beispielsweise Sprachstörungen oder Lähmungen einer Körperhälfte.
Professor Dr. Jürgen H. Faiss, Geschäftsführer der DSG e.V., betont: „Nur wenn die richtige Versorgung des Gehirns schnellstmöglich wieder hergestellt wird, können sich die Beeinträchtigungen wieder zurückbilden.“ Das Motto lautet: „Time is brain“ - je schneller ein Schlaganfallpatient behandelt wird, desto weniger Gehirnsubstanz wird dauerhaft geschädigt und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für lebenslange Beeinträchtigungen. Unbehandelt kann ein Schlaganfall im schlimmsten Fall zum Tod oder zu lebenslanger Pflegebedürftigkeit führen.
Symptome erkennen: Die FAST-Regel
Es ist wichtig, die Symptome eines Schlaganfalls schnell zu erkennen. Dazu gehören:
- Lähmungen einer Körperhälfte
- Sprachstörungen
- Schwindel
- Kopfschmerzen
Die FAST-Regel (Face, Arms, Speech, Time) hilft, die typischen Symptome zu erkennen:
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- Face (Gesicht): Kann man mit beiden Mundwinkeln lächeln? Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin.
- Arms (Arme): Kann die Person beide Arme gleich hochheben und die Handflächen nach oben drehen? Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder dreht sich.
- Speech (Sprache): Kann die Person einen einfachen Satz deutlich nachsprechen? Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor.
- Time (Zeit): Nicht zögern, unverzüglich die 112 wählen und die Symptome schildern.
Wichtig ist, dass Betroffene oder Angehörige sofort reagieren und den Notruf wählen, da jede Minute zählt.
Ursachen für Schlaganfälle bei jungen Menschen
Statistiken zeigen eine steigende Zahl an Schlaganfällen bei jungen Menschen. Professor Faiss, ehemaliger Chefarzt der Klinik für Neurologie am Asklepios Fachklinikum Teupitz, betont die unterschiedlichen Ursachen für Schlaganfälle bei älteren und jüngeren Menschen sowie bei Männern und Frauen.
In der Altersgruppe zwischen 18 und 35 Jahren sind die häufigsten Ursachen:
- Herzfehler
- Störungen der Blutgerinnung oder im Fettstoffwechsel
- Risse in der Kopf- bzw. Halsschlagader (Karotisdissektionen)
- Genetische Faktoren
Frauen sind häufiger betroffen als Männer, insbesondere wenn sie die Pille nehmen und gleichzeitig rauchen und unter Migräne mit Aura leiden. Auch eine Schwangerschaft ist ein Risikofaktor für einen Schlaganfall. Drogenkonsum, insbesondere von Kokain und Ecstasy, kann die Gefahr ebenfalls erhöhen.
Bei den 35- bis 50-Jährigen sind eher die klassischen Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck und zu wenig Bewegung die Ursache.
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Spezifische Ursachen im Detail
Spontane zervikale Gefäßdissektionen
Spontane zervikale Gefäßdissektionen sind mit einer Inzidenz von circa 3/100 000/Jahr insgesamt selten, stellen aber mit 10-25 % eine der häufigsten Ursachen für juvenile Schlaganfälle dar. Die Ursache von spontanen Dissektionen ist nicht endgültig geklärt und vermutlich multifaktoriell. Neben einer genetischen Prädisposition spielen Umweltfaktoren, wie Bagatelltraumen oder Infektionen, eine Rolle. Bei circa 15 % der Patienten bestehen multiple Dissektionen, bei denen mehr als eine Halsarterie betroffen ist.
Die häufigsten klinischen Symptome sind Kopf- und Halsschmerzen (30-70 %), ein Horner-Syndrom (15-35 %), Hirnnervenausfälle (insbesondere des N. hypoglossus und N. vagus) sowie ein pulssynchroner Tinnitus (bis zu 10 %). Schlaganfälle treten in klinischen Kohorten in bis zu 90 % der Fälle auf.
Diagnostischer Goldstandard ist eine MRT-Untersuchung des Halses mit fettsupprimierten T1-Sequenzen. Dadurch kann das Gefäßwandhämatom in nahezu allen Fällen ab dem 2.-4. Tag bis zu mehreren Wochen direkt dargestellt werden.
Zur Sekundärprophylaxe liegt nur eine randomisierte Studien vor, die bei insgesamt sehr niedriger Rezidivrate ischämischer Schlaganfälle von 1-2 %/Jahr keinen Unterschied beim Vergleich von Thrombozytenfunktionshemmern (TFH) und oraler Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten fand. Ischämie-Patienten sollten lebenslang mit TFH behandelt werden. Patienten, die nur Lokalsymptome ohne zerebrale Ischämien hatten, können in der Regel nach 6-12 Monaten die Sekundärprophylaxe beenden.
Kardial-embolische Ursachen und persistierendes Foramen ovale
Zwischen 5-25 % der juvenilen Schlaganfälle werden auf kardiale Embolien zurückgeführt. Vorhofflimmern (VHF) ist bei älteren Menschen mit 25-35 % eine der häufigsten Schlaganfallursachen. Auch beim juvenilen Schlaganfall wird eine intensive Suche nach VHF empfohlen. Allerdings wird nur relativ selten, nämlich in circa 5 %, auch ein VHF gefunden.
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Bei jüngeren Schlaganfallpatienten erfolgt bei initial unklarer Ätiologie zumeist eine transösophageale Echokardiographie (TEE). Dabei können Herzklappenvitien, infektiöse und nichtinfektiöse Endokarditiden oder in sehr seltenen Fällen Tumore (Vorhofmyxome, Fibroelastome) Ursachen für kardiale Embolien sein.
Kontrovers diskutiert wird die Rolle eines persistierenden Foramen ovale (PFO). In der Bevölkerung ist das Relikt aus der Embryonalzeit bei circa 25 % aller Menschen vorhanden. Bei juvenilen Schlaganfällen wird es allerdings bei 30-50 % der Patienten nachgewiesen. Pathophysiologisch plausibel erscheint das PFO als Ursache eines kardialen Rechts-Links-Shunts, bei dem Thrombusmaterial aus dem venösen System in das arterielle System im Sinne einer paradoxen Embolie übertritt.
Zur Sekundärprophylaxe beim Vorliegen eines PFO werden aktuell Thrombozytenfunktionshemmer wie Acetylsalicylsäure empfohlen. Bei einem Zweitereignis unter TFH wird eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon empfohlen, ebenso beim sicheren Nachweis einer paradoxen (venösen) Embolie. Als individueller Heilversuch kann ein PFO-Verschluss diskutiert werden, insbesondere wenn der Patient jung und eine paradoxe Embolie wahrscheinlich ist. Eine Einschätzung des individuellen Risikos für einen wiederholten Schlaganfall bei PFO kann mithilfe des sogenannten „risk of paradoxical embolism“ (RoPE)-Score erfolgen.
Klassische vaskuläre Risikofaktoren
Die Bedeutung klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren nimmt mit dem Lebensalter deutlich zu. Auch bei den juvenilen Schlaganfallpatienten kommt es ab dem 40. Lebensjahr immer häufiger zu Fällen von Makro- und Mikroangiopathie, wohingegen diese in den Jahren zuvor praktisch keine Rolle spielen. Die wesentlichen Risikofaktoren dabei sind:
- Arterielle Hypertonie (25-50 %)
- Zigarettenrauchen (35-50 %)
- Fettstoffwechselstörungen (40-70 %)
- Diabetes mellitus (5-20 %)
Häufig bestehen mehrere Risikofaktoren parallel; dadurch steigt das Risiko exponenziell.
Weitere seltene Ursachen
Beim juvenilen Schlaganfall sind auch eine Reihe anderer, seltener Ursachen zu berücksichtigen, die immerhin mindestens 10 % der juvenilen Schlaganfälle verursachen.
Eine Schwangerschaft, insbesondere die Phase vor der Geburt und die ersten Wochen danach (sogenanntes Wochenbett) sind mit einer erhöhten Rate von Schlaganfällen assoziiert.
Eine Migräne, insbesondere eine Migräne mit Aura, erhöht das Schlaganfallrisiko um den Faktor 2. Das gilt vor allem für Frauen unter 55 Jahren. Mit der Anzahl der Migräneattacken steigt auch das Schlaganfallrisiko.
Die Bedeutung der oralen Kontrazeption und der Hormonersatztherapie für die Schlaganfallentstehung ist unklar. Beobachtungsstudien legen einen Zusammenhang zwischen Östrogen und der Schlaganfallinzidenz nahe. Die Leitlinien empfehlen Frauen mit zusätzlichen Risikofaktoren (zum Beispiel Migräne mit Aura, Zigarettenrauchen), keine orale Kontrazeption mit östrogenhaltigen Präparaten anzuwenden.
Der Konsum illegaler Substanzen kann eine Ursache von Schlaganfällen sein: zum einen bei sympathomimetischen Drogen mit der Gefahr hypertensiver Krisen, zerebraler Vasospasmen und von Vaskulitiden oder aufgrund einer gestörten Rheologie; zum anderen bei intravenösem Substanzmissbrauch und der damit verbundenen Gefahr thrombembolischer Ereignissen, zum Beispiel bei einer Endokarditis.
Diagnostik bei jungen Schlaganfallpatienten
Basierend auf dem Ursachenspektrum und der Häufigkeitsverteilung empfiehlt sich beim juvenilen Schlaganfall eine Stufendiagnostik, bestehend aus Basisdiagnostik, erweiterter Diagnostik und schließlich Spezialdiagnostik. Es muss jedoch betont werden, dass es sich hierbei um einen Leitfaden zur Orientierung und keinen standardisierten Algorithmus handelt. Insbesondere bei der spezialisierten Diagnostik zum Nachweis sehr seltener Ursachen ist eine gezielte Diagnostik, die auf einem klinisch-anamnestischen Verdachtsmoment basiert, sinnvoll und klinisch praktikabel.
Therapie und Rehabilitation
Nach erfolgreicher Schlaganfall-Notfalltherapie, durch die das Gehirnareal wieder mit Blut und Sauerstoff versorgt wird, muss der Patient in Rehabilitationsmaßnahmen die verlorengegangenen Fähigkeiten wieder erlernen. Das heißt, er muss - je nach Erkrankungsbild - möglicherweise noch einmal sprechen lernen, laufen lernen und lernen, die Kontrolle über gelähmte Körperteile zurückzuerlangen.
Professor Faiss versichert: „Dies ist ein langer und anstrengender Kampf, doch junge Menschen erholen sich besser als ältere und die Ausfälle und Behinderungen entwickeln sich mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder zurück.“ Auch die Überlebenschancen eines jungen Menschen sind deutlich besser als bei älteren Menschen.
Motorische Ausfälle und neurologische Folgeschäden wie Lähmungen oder Gleichgewichtsstörungen werden mit Physio- und Ergotherapie behandelt, Sprach- und Stimmstörungen mit Logopädie. Im ersten halben Jahr nach einem Schlaganfall sind die größten Fortschritte zu erwarten. Junge Menschen erholen sich körperlich oft besser, weil das Gehirn noch anpassungsfähig ist, um Defizite zu kompensieren.
Prävention: Was junge Menschen tun können
Lifestyle-Veränderungen wie gesündere Ernährung, mehr Bewegung und Verzicht auf Rauchen, Alkohol und andere Drogen könnten Schlaganfälle verhindern. Auch eine optimale Einstellung des Blutdrucks und Nikotinverzicht sind wichtig.
Auch wenn im ganz jungen Alter die klassischen Risikofaktoren keine so große Rolle spielen, ist eine gesunde Lebensweise die beste Prävention. Hier ist insbesondere das Nichtrauchen zu nennen. Auch regelmäßige Bewegung und eine gesunde mediterrane Ernährung sind in jungen Jahren wichtig und richtig.
Regelmäßige Blutdruckmessungen sind ebenfalls ratsam, da Bluthochdruck oft unentdeckt bleibt.
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