Ein Schlaganfall, oft verursacht durch ein Blutgerinnsel (Thrombus), das ein Blutgefäß im Gehirn verschließt, erfordert eine sofortige Wiederherstellung der Durchblutung des betroffenen Hirnareals. Hierbei kommen verschiedene Methoden zur Anwendung, wobei die mechanische Thrombektomie eine zentrale Rolle einnimmt.
Mechanische Thrombektomie: Ein Überblick
Die mechanische Thrombektomie, auch bekannt als endovaskuläre Schlaganfalltherapie oder mechanische Rekanalisation, ist ein Verfahren zur Wiedereröffnung großer hirnversorgender Arterien, beispielsweise der A. cerebri media, mithilfe eines Katheters und miniaturisierter Werkzeuge. Ein dauerhafter Gefäßverschluss kann zu einem ischämischen Infarkt führen, also einem Schlaganfall infolge von Blutarmut im Gehirn. Das Ausmaß der Schädigung hängt von der Lokalisation und dem Schweregrad ab. Eine schnelle und vollständige Wiedereröffnung des Gefäßes, meist durch Entfernung des Blutgerinnsels (Thrombektomie), verbessert die Chancen auf ein Leben ohne Behinderung.
Indikation für die mechanische Thrombektomie:
Die mechanische Thrombektomie wird bei akuten Schlaganfallpatienten empfohlen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
- Ein klinisch relevantes neurologisches Defizit besteht.
- Ein Verschluss einer großen hirnversorgenden Arterie im vorderen Hirnkreislauf durch CT-Angiographie oder MRT-Angiographie nachgewiesen wurde.
- Die Behandlung spätestens 6 Stunden nach Symptombeginn begonnen werden kann (Zeitpunkt der Gefäßpunktion).
Neuere Studien zeigen, dass die mechanische Thrombektomie bei ausgewählten Patienten auch später als 6 Stunden nach Symptombeginn sicher und wirksam sein kann, basierend auf erweiterter Bildgebung wie CT-Perfusionsmessungen.
Ablauf des Eingriffs
Der Eingriff wird unter Sedierung oder Narkose von einem Narkosearzt betreut. Zunächst wird über die Leistenarterie (A. femoralis) ein langer, spezieller Katheter, die sogenannte Schleuse, über die Hauptschlagader (Aorta) in die Halsschlagader (A. carotis interna) eingeführt. Anschließend wird ein kleinerer Katheter mit Hilfe eines Mikrodrahtes an den Verschlussort platziert. Die anschließende Thrombektomie basiert auf zwei Grundprinzipien:
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- Thrombusaspiration: Das Blutgerinnsel wird abgesaugt.
- Thrombusextraktion: Das Blutgerinnsel wird herausgezogen.
Oft werden beide Prinzipien kombiniert.
Thrombusaspiration im Detail:
Bei der Thrombusaspiration wird ein Aspirationskatheter an das Blutgerinnsel geführt. Eine angeschlossene Pumpe erzeugt einen Unterdruck, wodurch das Blutgerinnsel in den Aspirationskatheter gesaugt und zusammen mit dem Katheter entfernt wird.
Thrombusextraktion im Detail:
Bei der Thrombusextraktion wird ein Stent-Retriever (ein Stent, der zurückgeholt werden kann) zeitweise im Blutgerinnsel entfaltet. Nach kurzer Einwirkzeit wird der Stent-Retriever mit dem Blutgerinnsel unter Aspiration entfernt.
Beide Techniken können mehrmals wiederholt und miteinander kombiniert werden, um eine vollständige Wiederherstellung der Durchblutung des betroffenen Hirnareals (Reperfusion) zu erreichen.
Die Rolle der Thrombolyse
Rund 80 Prozent aller Schlaganfälle in Deutschland werden durch ein Blutgerinnsel verursacht. Bisher bestand die Standardbehandlung darin, Patienten möglichst rasch mit einer Infusion des Medikaments Alteplase (rt-PA) zu behandeln, um das Blutgerinnsel aufzulösen (Lysetherapie). Allerdings können mit dieser Therapie nur etwa 50 bis 60 Prozent der großen Blutgerinnsel beseitigt werden.
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Die aktualisierte Leitlinie zur Behandlung des akuten Schlaganfalls empfiehlt in bestimmten Fällen eine Kombination aus Thrombolyse und mechanischer Thrombektomie. Da eine Katheterbehandlung derzeit nur an bestimmten Kliniken möglich ist, wird der Patient zuerst in die nächste Stroke Unit gebracht, um ohne Zeitverzug mit der Lysetherapie zu beginnen. Dort entscheiden die Ärzte, ob eine mechanische Thrombektomie in Frage kommt und der Patient in eine Klinik transportiert werden soll, in der die Katheterbehandlung möglich ist.
Direktvergleich der Methoden: Aspiration vs. Stent-Retriever
Die ASTER-Studie verglich die Aspirationsthrombektomie (ADAPT-Technik) direkt mit der Stent-Retriever-Methode hinsichtlich ihrer Effektivität. Primäres Vergleichskriterium war die erfolgreiche Reperfusion der betroffenen Hirnarterie. Die Ergebnisse zeigten, dass beide Methoden am Ende gleichauf lagen. Die Raten für eine erfolgreiche Rekanalisation waren mit 85,4% (ADAPT) und 83,1% (Stent-Retriever) nicht signifikant unterschiedlich.
Zeitfenster und Infarktgröße
Gemäß Leitlinienempfehlung soll die Thrombektomie bei Patienten mit akutem ischämischem Schlaganfall möglichst innerhalb eines Zeitfensters von sechs Stunden erfolgen. Forschungsergebnisse legen jedoch nahe, dass die Thrombektomie auch bis zu 24 Stunden nach dem Ereignis in vielen Fällen noch zu besseren Ergebnissen führt. In diesen Fällen werden die Erfolgsaussichten anhand erweiterter bildgebender Verfahren und der klinischen Symptome beurteilt.
Zwei groß angelegte Studien (SELECT2 und TENSION) zeigten, dass die Thrombektomie auch bei Schlaganfällen wirksam ist, bei denen bereits größere Bereiche des Hirngewebes geschädigt sind.
Thrombektomie bei kleinen Gefäßen
Die Thrombektomie wurde bislang vorwiegend bei Verschlüssen der großen und mittelgroßen Arterien eingesetzt. Da jedoch 20 bis 40 Prozent aller Schlaganfälle auf Verschlüsse kleinerer Hirngefäße zurückzuführen sind, ermöglicht die Weiterentwicklung der Methode heutzutage in ausgewählten Fällen auch die anspruchsvolle mechanische Entfernung von Gerinnseln aus sehr kleinen Hirngefäßen.
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Organisation und interdisziplinäre Zusammenarbeit
Entscheidend für den Erfolg der Thrombektomie ist ein routiniertes Zusammenspiel von hochspezialisierten Experten aus der Neurologie, der Anästhesie und der interventionellen Neuroradiologie in einer spezialisierten Schlaganfalleinrichtung (Stroke Unit).
Bedeutung der schnellen Reaktion
Je früher die Symptome eines Schlaganfalls erkannt werden, desto besser ist es. Bei Verdacht auf einen Schlaganfall sollte unverzüglich der Notruf 112 gewählt werden. Je eher die Betroffenen in eine spezialisierte Klinik mit Stroke Unit und Neuroradiologie gebracht werden, desto schneller kann die richtige Therapie eingeleitet werden.
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