Schlaganfälle stellen in den entwickelten Ländern eine der Hauptursachen für Todesfälle dar und sind zudem eine der Hauptursachen für Behinderung und Invalidität im Erwachsenenalter. Jährlich erleiden schätzungsweise 243.000 bis 260.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Die ermittelten Häufigkeiten können je nach Art und Methodik der zugrunde liegenden Studie variieren.
Prävalenz und Inzidenz von Schlaganfällen in Deutschland
Die Datenlage zu Häufigkeiten von Schlaganfällen, insbesondere zu Rezidiven, ist unzureichend. Eine Studie, die auf GKV-Abrechnungsdaten basiert, ermittelte für das Jahr 2007 eine 1-Jahres-Prävalenz von 317 Fällen pro 100.000 Einwohner. Eine andere Studie, die DRG-Abrechnungsdaten verwendete, ermittelte im Jahr 2010 eine Schlaganfall-Hospitalisierungsrate von 365 Fällen pro 100.000 Einwohner. Das Robert Koch-Institut hat anhand von Surveydaten eine Lebenszeitprävalenz von 2,9 % ermittelt, wobei es große Unterschiede nach Geschlecht und Sozialstatus gab.
Auch die Schätzungen zur Inzidenz von Schlaganfallereignissen variieren. Im Erlanger Schlaganfallregister wurde für die Jahre 1994-1996 eine Inzidenz von 174 Fällen pro 100.000 Einwohner ermittelt. Van den Bussche et al. stellten auf Basis von GKV-Abrechnungsdaten eine Inzidenz von 126 Fällen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2006 fest, während nach Daten der AOK die Inzidenz bei 266 Fällen pro 100.000 Einwohner im Jahr 2008 lag. Diese Schwankungen lassen sich teilweise durch unterschiedliche methodische Herangehensweisen und Untersuchungspopulationen erklären.
Risiko von Schlaganfall-Rezidiven
Das Risiko, nach einem ersten Schlaganfall einen erneuten Schlaganfall zu erleiden, ist nicht zu unterschätzen. In der Studie von van den Bussche et al. erlitten 11,2 % der Studienpopulation innerhalb von 12 Monaten ein Rezidiv. Die Patientenkohorte des Erlanger Schlaganfallregisters wies eine Rezidivrate von 15 % im zweijährigen Follow-up auf. Eine aktuelle US-amerikanische Studie ermittelte ein Rezidivrisiko von 9,5 % innerhalb von 5 Jahren nach transitorisch ischämischer Attacke (TIA) oder leichtem ischämischen Infarkt.
Eine Analyse von GKV-Routinedaten der AOK Niedersachsen mit 2,7 Millionen Versicherten ergab, dass von 14.293 Versicherten mit einem inzidenten Schlaganfall in den Jahren 2010/2011 bis zum maximalen Nachbeobachtungsjahr 2016 insgesamt 16.879 Insultereignisse (inklusive Erstinsult) beobachtet wurden. 2.145 Versicherte (15 %) hatten mindestens ein Rezidiv; darunter 1.786 Versicherte (12,1 %) mit einem Rezidiv, 294 Versicherte (2,1 %) mit zwei Rezidiven und 52 Versicherte (0,04 %) mit drei Rezidiven. Einige wenige Versicherte erlitten sogar vier, fünf oder sechs Rezidive.
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Der durchschnittliche Abstand zwischen dem ersten Ereignis und dem Rezidiv betrug 697 Tage (Standardabweichung [SD]: 643 Tage; 95-%-Konfidenzintervall: 670-724 Tage). Wenn ein weiteres Rezidiv auftrat, geschah dies mit einem durchschnittlichen Abstand von 450 Tagen (SD: 489 Tage, 95-%-Konfidenzintervall: 399-501 Tage).
Kaplan-Meier-Analysen zeigen ein Rezidivrisiko von 1,2 % nach 30 Tagen, 3,4 % nach 90 Tagen, 7,4 % nach einem Jahr sowie 19,4 % nach fünf Jahren. Jahresbezogen lag das Risiko, ein Rezidiv zu erleiden, bei 7,4 % im ersten Jahr, 3,7 % im zweiten Jahr, 2,8 % im dritten Jahr, 2,9 % im vierten Jahr sowie bei 2,6 % im fünften Jahr nach dem Erstereignis.
Einflussfaktoren auf das Rezidivrisiko
Eine ergänzende Cox-Regression untersuchte den Einfluss des Schlaganfalltyps auf die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Rezidivs. Dabei wurde die Subarachnoidalblutung (I60) als Referenzkategorie gewählt. Weitere Variablen in dem Modell waren Alter und Geschlecht. Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen ein geringeres Risiko haben, ein Rezidiv zu erleiden (Hazard-Ratio [HR]: 0,871; p = 0,002). Zudem steigt das Risiko mit jedem zusätzlichen Lebensjahr an (HR: 1,016; p < 0,001). Das Rezidivrisiko war nach intrazerebralen Blutungen (I61) (HR: 0,838; p = 0,270) und sonstigen nichttraumatischen intrakraniellen Blutungen (HR: 0,774; p = 0,184) im Vergleich zur Subarachnoidalblutung nicht signifikant verringert. Für Hirninfarkte (I63) (HR: 0,715; p = 0,019) und Schlaganfälle, die nicht als Blutung oder Infarkt klassifiziert wurden (I64) (HR: 0,683; p = 0,032), wurden signifikant geringere Rezidivwahrscheinlichkeiten ermittelt.
Mortalität nach Schlaganfall
Kaplan-Meier-Überlebenszeitanalysen zur Mortalität zeigen, dass 30 Tage nach einem inzidenten Schlaganfall 6,8 % der Schlaganfallpatienten verstorben waren, nach 90 Tagen waren dies bereits 9,4 %. Die längerfristig orientierte 1- und 5-Jahres-Mortalität lag bei 17,0 % bzw. 45,0 %.
Im Rahmen einer ergänzenden Cox-Regressionsanalyse mit den Variablen Alter, Geschlecht, Schlaganfalltyp und Versorgungsart wurde der Einfluss der Art des Schlaganfalls auf die Mortalität sowie der Einfluss einer Versorgung in einer Stroke-Unit untersucht. Frauen wiesen ein verringertes Mortalitätsrisiko auf (HR: 0,837; p < 0,001). Das Risiko zu versterben wuchs mit zunehmendem Alter bei Erstinsult (je Lebensjahr) kontinuierlich an (HR: 1,07; p < 0,001). Das Mortalitätsrisiko war bei sonstigen nichttraumatischen intrakraniellen Blutungen (HR: 0,653; p = 0,001), Hirninfarkten (HR: 0,776; p = 0,016) und Schlaganfällen, die nicht als Blutung oder Infarkt klassifiziert wurden (HR: 0,768; p = 0,025) signifikant geringer als bei einer Subarachnoidalblutung. Mortalitätsraten unterschieden sich nicht signifikant zwischen intrazerebralen Blutungen und Subarachnoidalblutungen (HR: 1,162; p = 0,175). Dies deutet darauf hin, dass Blutungsereignisse mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sind. Patienten, die in einer Stroke-Unit versorgt wurden, hatten eine geringere Mortalität.
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Diskussion der Ergebnisse
Die Ergebnisse zur Inzidenz und Prävalenz liegen im Rahmen bisheriger Schätzungen, auch wenn sich die Ergebnisse verschiedener Analysen aufgrund unterschiedlicher Einschlusskriterien sowie Unterschieden in der Altersstruktur der verschiedenen Populationen nicht direkt vergleichen lassen. Zudem können sich Änderungen in der Häufigkeit von Schlaganfällen über die Zeit ergeben, beispielsweise durch veränderte Lebensgewohnheiten oder bessere Präventionsmöglichkeiten. Auch unterscheiden sich Schlaganfallraten nach Sozialstatus, was bei einem Vergleich von Studien berücksichtigt werden sollte.
Bislang sind nur wenige Daten aus Deutschland zur Häufigkeit von Schlaganfallrezidiven verfügbar. Neu sind insbesondere umfassende Analysen zu Rezidivhäufigkeit und Mortalität, die sowohl übergreifend als auch für einzelne Schlaganfalltypen aufgedeckt wurden. Im Rahmen von zwei Routinedatenanalysen wurde ermittelt, dass 11,2 % bzw. 11,4 % der Schlaganfallpatienten innerhalb von zwölf Monaten ein Rezidiv erlitten. Daten des Erlanger Schlaganfallregisters zeigen für den ischämischen Schlaganfall ein Rezidivrisiko von 11 % nach einem Jahr und 15 % innerhalb von zwei Jahren nach dem Erstinsult. Internationale Registerstudien liefern ähnliche Ergebnisse.
Eine Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und der Universität Würzburg wertete Daten von 3346 Patienten aus dem Zeitraum 1996 bis 2015 aus, bei denen in den Kliniken der Stadt Erlangen ein Schlaganfall diagnostiziert und die im ESPRO erfasst worden waren. Die Studie ergab, dass fast jeder zweite Patient innerhalb von fünf Jahren nach dem ersten Schlaganfall stirbt und jeder fünfte Patient in diesem Zeitraum einen erneuten Schlaganfall erleidet. Das Langzeitüberleben und die Wiederholungsrate unterschieden sich jedoch erheblich je nach Ursache des ersten Schlaganfalls.
Prävention von Schlaganfall-Rezidiven
Angesichts des hohen Risikos für Schlaganfall-Rezidive ist die Prävention von entscheidender Bedeutung. Eine strukturierte Nachbetreuung von Patientinnen und -Patienten im ersten Jahr nach dem Schlaganfall kann zu einer Senkung der so genannten kardiovaskulären Risikofaktoren führen. Die SANO-Studie zeigte, dass viele Patientinnen und Patienten ihre Risikofaktoren verringern konnten, insbesondere in Bezug auf das Rauchen und die Cholesterinwerte. Auch beim Blutdruck, Diabetes mellitus, körperlicher Aktivität und Ernährung zeigten sich positive Trends.
Die Vermeidung von Risikofaktoren ist der beste Weg, um einem Schlaganfall vorzubeugen. Dazu gehören eine vernünftige Ernährung (balancierte, ausgewogene, z.B. mediterrane Diät mit viel Gemüse, nicht zu viel Fleisch und wenig Alkohol), ausreichende Bewegung (20 bis 30 Minuten pro Tag, bei der man leicht schwitzt) und die Behandlung von Risikofaktoren wie Diabetes oder Bluthochdruck. Die Deutsche Schlaganfall Gesellschaft bietet auf ihrer Seite einen Schlaganfall-Risikotest an, mit dem Personen ihr persönliches Schlaganfall-Risiko einschätzen können.
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Therapie und Versorgung nach Schlaganfall
Die Erstversorgung in einer Stroke Unit ist essentiell. In Deutschland wird heutzutage auch der Großteil der Schlaganfall-Patienten auf solchen Stroke Units behandelt. Dort ist die diagnostische und therapeutische Expertise sehr hoch und es kann eingeschätzt werden, ob im individuellen Fall zum Beispiel eine Spezialtherapie möglich und nötig ist wie beispielweise eine Lyse-Therapie oder eine katheterbasierte sogenannte Thrombektomie. Nach der Akuttherapie wird der Fokus auf die Ursachenforschung des Schlaganfalls gelegt.
Die Folgen eines Schlaganfalls hängen immer von Art und Ausmaß des Schlaganfalls ab. Die stärksten Beeinträchtigungen resultieren aus schwerwiegenden Lähmungen und Sprachstörungen. Bei einem sehr schweren Schlaganfall sollte man sich frühzeitig auf Pflegeportalen informieren und passende Pflege für seinen Angehörigen organisieren.
Fazit
Schlaganfälle sind eine ernstzunehmende Bedrohung für die Gesundheit, und das Risiko von Wiederholungsfällen ist hoch. Durch eine umfassende Analyse der Inzidenz, Prävalenz, Rezidivhäufigkeit und Mortalität von Schlaganfällen können Risikofaktoren identifiziert und Präventionsstrategien entwickelt werden. Eine frühzeitige Diagnose, eine spezialisierte Behandlung in einer Stroke Unit und eine konsequente Nachsorge sind entscheidend, um die Folgen eines Schlaganfalls zu minimieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
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