Schmerz ist eine komplexe Erfahrung, die durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden kann. Während akute Schmerzen eine wichtige Warnfunktion haben, können chronische Schmerzen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität führen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Schmerzen, insbesondere im Zusammenhang mit neuropathischen Schmerzen und dem sogenannten Schmerzgedächtnis.
Einführung in die Schmerzerkrankung
Schmerzen sind ein Warnsignal des Körpers, das auf eine Schädigung hinweist. Sie können akut oder chronisch sein. Akute Schmerzen treten plötzlich auf und verschwinden in der Regel, wenn die Ursache behoben ist. Chronische Schmerzen hingegen dauern länger als drei Monate an und können sich verselbstständigen, auch wenn die ursprüngliche Ursache nicht mehr besteht. Die Behandlung chronischer Schmerzen erfordert oft einen multidisziplinären Ansatz.
Neuropathische Schmerzen: Wenn die Nerven selbst schmerzen
Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt, sind eine besondere Form chronischer Schmerzen. Sie entstehen durch eine Schädigung oder Funktionsstörung des Nervensystems. Im Gegensatz zu anderen Schmerzarten, die durch Verletzungen oder Entzündungen verursacht werden, resultieren neuropathische Schmerzen aus einer Dysfunktion der Nerven selbst. Als Mitglied der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. profitieren Sie von vielen Vorteilen, insbesondere im Hinblick auf aktuelle Forschungsergebnisse und Behandlungsmethoden.
Ursachen neuropathischer Schmerzen
Neuropathische Schmerzen können vielfältige Ursachen haben:
- Diabetes: Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel kann die feinen Nervenendigungen schädigen und zu einer diabetischen Polyneuropathie führen, die oft mit Brennschmerzen in den Füßen einhergeht.
- Nervenverletzungen: Unfälle, Operationen oder Knochenschäden können Nerven dauerhaft schädigen und neuropathische Schmerzen verursachen. Nervenquetschungen oder Nervendurchtrennungen, beispielsweise des Trigeminus-Nervs im Gesicht bei zahnärztlichen Eingriffen, können ebenfalls Nervenschmerzen nach sich ziehen.
- Infektionen: Eine schmerzhafte Gürtelrose (Herpes zoster) kann neuropathische Schmerzen im Bereich kleiner Nerven in der Haut verursachen. Das Varizella-Zoster-Virus, das Windpocken verursacht, kann nach der Infektion in den Nervenwurzeln verbleiben und bei Stress oder einem geschwächten Immunsystem wieder aktiv werden.
- Erkrankungen des zentralen Nervensystems: Multiple Sklerose, Schlaganfälle und Rückenmarksverletzungen können neuropathische Schmerzen hervorrufen, wenn Nervenbahnen beschädigt werden.
- Tumore und Krebs: Tumore oder deren Behandlung (z. B. durch Bestrahlung oder Chemotherapie) können Nerven schädigen und neuropathische Schmerzen auslösen.
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann eine periphere Neuropathie verursachen und neuropathische Schmerzen hervorrufen.
- Engpass-Syndrome: Nerven können durch äußeren Druck zusammengedrückt werden, was als Engpass-Syndrom bezeichnet wird. Ein häufiges Beispiel ist das Karpaltunnel-Syndrom am Handgelenk.
- Weitere Ursachen: Auch das bis heute nicht komplett verstandene Krankheitsbild des Phantomschmerzes, bei dem Schmerzen in amputierten Gliedmaßen gespürt werden, zählt zu den neuropathischen Schmerzen. Seltenere Ursachen sind genetische Erkrankungen wie die hereditäre sensorische und autonome Neuropathie (HSAN).
Symptome neuropathischer Schmerzen
Die Symptome neuropathischer Schmerzen sind vielfältig und können sich von Mensch zu Mensch unterscheiden. Typische Merkmale sind:
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- Brennende oder stechende Schmerzen: Die Schmerzen werden oft als brennend, stechend oder bohrend beschrieben.
- Elektrisierende Empfindungen: Ein elektrisierendes oder einschießendes Gefühl entlang eines Nervs ist häufig.
- Taubheit oder Kribbeln: Die betroffene Region kann sich taub oder kribbelnd anfühlen (Parästhesien).
- Überempfindlichkeit (Allodynie): Schon leichte Berührungen oder Reize, die normalerweise nicht schmerzhaft sind, können starke Schmerzen auslösen. So kann eine leichte Berührung der Haut zu Schmerzen führen, die normalerweise keine Schmerzempfindung auslöst.
- Verstärkte Schmerzempfindlichkeit (Hyperalgesie): Betroffene weisen häufig eine verstärkte Schmerzempfindlichkeit nach anderen schmerzauslösenden Reizen auf.
- Ruheschmerz: Die Beschwerden treten oft in Ruhe auf.
- Ausstrahlung: Neuropathische Schmerzen strahlen meist in den ganzen Körperbereich aus, der von einem Nerv oder mehreren Nerven versorgt wird. Manchmal haben Betroffene auch an verschiedenen Körperstellen gleichzeitig stechende Schmerzen.
Diagnose neuropathischer Schmerzen
Die Diagnose neuropathischer Schmerzen erfordert eine sorgfältige Anamnese und körperliche Untersuchung. Wichtig ist, Verteilungsmuster, Stärke und Qualität der Schmerzen zu erheben. Die Diagnose „neuropathischer Schmerz“ kann mit umso größerer Sicherheit gestellt werden, je mehr übereinstimmende Hinweise auf eine Nervenschädigung im Rahmen der Untersuchung und Befragung des Patienten gefunden werden.
Folgende diagnostische Maßnahmen können eingesetzt werden:
- Schmerzzeichnung und Schmerzfragebögen: Sie helfen, die Art, Lokalisation und Intensität der Schmerzen zu dokumentieren.
- Quantitative sensorische Testung (QST): Diese Testung prüft die Hautempfindlichkeit auf verschiedene Reize.
- Neurographie: Sie dient der Bestimmung der Nervenleitgeschwindigkeit.
- Somatosensibel evozierte Potenziale (SEP): Diese Methode prüft die gesamte Gefühlsbahn von der Haut über das Rückenmark bis ins Gehirn.
- Bildgebende Verfahren (CT, MRT): Sie können eine Nervenschädigung direkt sichtbar machen.
Behandlungsmöglichkeiten neuropathischer Schmerzen
Die Behandlung von Nervenschmerzen gestaltet sich oft schwierig, und Schmerzfreiheit kann nur in den seltensten Fällen erreicht werden. Daher sollen realistische Behandlungsziele vor Therapiebeginn gemeinsam mit dem Patienten besprochen werden. Die Therapie neuropathischer Schmerzen gründet sich vor allem auf eine für jeden einzelnen Menschen individuell abgestimmte Behandlung mit Medikamenten. Sie soll die Beschwerden lindern, bis sich die geschädigten Nerven zumindest weitgehend erholt und neu aufgebaut haben.
Folgende Behandlungsansätze stehen zur Verfügung:
- Medikamentöse Therapie:
- Antidepressiva: Bestimmte Antidepressiva wie Amitriptylin oder Duloxetin haben schmerzlindernde Eigenschaften und wirken oft gut bei neuropathischen Schmerzen.
- Antikonvulsiva: Medikamente wie Gabapentin und Pregabalin, die zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden, wirken auch bei neuropathischen Schmerzen, indem sie die Nervenaktivität dämpfen.
- Opioide und Tramadol: Bei schweren Schmerzen können Opioide und Tramadol in bestimmten Fällen verschrieben werden, aber sie werden aufgrund des Risikos von Abhängigkeit und Nebenwirkungen meist nur vorsichtig und in niedrigen Dosen eingesetzt.
- Topische Therapie: Cremes oder Pflaster mit Wirkstoffen wie Lidocain oder Capsaicin können direkt auf die betroffene Hautstelle aufgetragen werden, um Schmerzen lokal zu lindern.
- Botulinumtoxin: Spritzen mit Botulinumtoxin werden ebenfalls zur Therapie von Nervenschmerzen eingesetzt.
- Nicht-medikamentöse Verfahren:
- Physiotherapie und Ergotherapie: Kräftigungs- und Bewegungsübungen können helfen, die Muskulatur zu stärken, Beweglichkeit zu fördern und Schmerz zu reduzieren. Sensorisches Training mit Übungen zur Desensibilisierung kann helfen, die Schmerzempfindlichkeit zu verringern.
- Psychotherapie: Insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) kann helfen, mit den Schmerzen besser umzugehen und das Schmerzempfinden zu reduzieren. Schmerzbewältigungstraining vermittelt Techniken zur Stressbewältigung.
- Weitere Ansätze: Nervenblockaden, Infiltrationen, transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) und Entspannungstechniken können ebenfalls zur Linderung von Nervenschmerzen beitragen.
- Hausmittel: Hausmittel können Nervenschmerzen nicht beseitigen, aber bisweilen gut tun. Dazu zählen kühle Kompressen, warme Auflagen oder Bäder.
- Operation: Sofern eine Operation zur Entlastung des betroffenen Nervs möglich ist, kann dies eine effektive Behandlungsoption sein.
Das Schmerzgedächtnis: Wenn der Schmerz sich verselbstständigt
Das Schmerzgedächtnis ist ein Phänomen, bei dem sich chronische Schmerzen verselbstständigen und unabhängig von der ursprünglichen Ursache fortbestehen. Wenn Schmerzen lange anhalten, senden Nerven dauerhaft Impulse an das Gehirn. Dort kann es zu einer Überreaktion kommen, die Reizweiterleitung und Verarbeitung im Gehirn verändert sich und ein Schmerzgedächtnis entsteht. Anstelle von Hormonen zur Schmerzhemmung sendet das Gehirn Botenstoffe aus, die die Schmerzempfindlichkeit erhöhen. Das Gehirn hat den Schmerz „gelernt“ und reagiert auf kleinste Reize mit starken Schmerzsignalen.
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Wie entsteht ein Schmerzgedächtnis?
Anhaltende oder starke Schmerzen können tiefgreifend verändern, wie das Nervensystem auf Schmerzreize reagiert und wie es Schmerzsignale an das Gehirn überträgt. Die für den Schmerz zuständigen Rezeptoren und Nervenzellen sind daraufhin leichter erregbar als vor der belastenden Schmerzerfahrung. In der Folge kommt es zu einer dauerhaft verstärkten Übertragung von Schmerzinformationen. Die Entstehung eines Schmerzgedächtnisses kann daher mit dem Lernen verglichen werden: Ähnlich wie das Langzeitgedächtnis wiederholte Lerninhalte erinnert, werden hier wiederholte oder starke schmerzhafte Erfahrungen gespeichert.
Symptome eines Schmerzgedächtnisses
Das entstandene Schmerzgedächtnis kann sich auf verschiedene Weise bemerkbar machen:
- Krankhaft gesteigerte Schmerzempfindlichkeit
- Schmerzen nach Reizen, die normalerweise nicht mit Schmerzen einhergehen
- Anhaltende, wiederkehrende oder spontan auftretende Schmerzen ohne irgendeinen erkennbaren Auslöser
Prävention des Schmerzgedächtnisses
Der beste Weg, ein Schmerzgedächtnis und daraus entstehende chronische Schmerzen zu verhindern, ist, dieses Schmerzgedächtnis erst gar nicht entstehen zu lassen. Eine möglichst schnelle und individuell zielgerichtete Therapie bei akut auftretenden Schmerzen ist der effektivste Weg, einem Schmerzgedächtnis vorzubeugen. Kontrovers diskutiert wird, ob bei vorhersehbaren Schmerzsituationen wie Operationen eine umfassende Schmerzunterdrückung (präventive Analgesie) mit bestimmten Medikamenten verhindern kann, dass sich ein Schmerzgedächtnis bei den Patientinnen und Patienten entwickelt.
Behandlung des Schmerzgedächtnisses
Unser Nervensystem hat leider keine Resettaste. Es gibt zwar Medikamente, die auf das Schmerzgedächtnis einwirken können, aber noch keine Medikamente, die ein Schmerzgedächtnis de facto löschen könnten. Der therapeutische Ansatz muss daher in eine andere Richtung gehen. Ziel ist es, die gesteigerte Schmerzempfindlichkeit des zentralen Nervensystems durch verschiedene Therapiemaßnahmen so weit wie individuell möglich zurückzunehmen beziehungsweise zu überschreiben. Es geht hier also nicht um ein Löschen des Schmerzgedächtnisses im engen Sinne, sondern eher um eine bestmögliche Abkehr von der erfolgten Sensibilisierung.
Zu den Verfahren, die zur Gegenirritation angewendet werden, gehören derzeit:
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- Die transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)
- Die physikalische Schmerztherapie in Form von Wärme- oder Kälteanwendungen
- Bestimmte Formen der (Elektro-)Akupunktur
Auch Betroffene können sehr viel selbst dazu beitragen, dass sich belastende Schmerzen bessern. Eine wichtige Säule der multimodalen Schmerztherapie ist die Therapieadhärenz: das aktive Mitwirken der Patientinnen und Patienten an der Behandlung, beispielsweise mit regelmäßigen Übungen zur Schmerzbewältigung wie Meditation und Entspannungsverfahren.
Multimodale Schmerztherapie
Zur Behandlung chronischer Schmerzen, die im Zusammenhang mit einem Schmerzgedächtnis bestehen, können Ärztinnen und Ärzte eine individuell zusammengestellte multimodale Schmerztherapie einleiten. Dazu gehören neben den bereits genannten Verfahren zur Gegenirritation auch medikamentöse Maßnahmen, physiotherapeutische Maßnahmen sowie psychotherapeutische Maßnahmen, die die Resilienz (Widerstandskraft) gegenüber Schmerzen stärken sollen. Eine mögliche Maßnahme ist es, mit Meditation und Achtsamkeitsübungen den Aufmerksamkeitsfokus zu verschieben: weg von den Schmerzen, hin zu einer konkreten Tätigkeit oder einer Quelle der Freude. Denn auch körpereigene Glückshormone (Endorphine) können den Schmerz effektiv lindern.
Psychosomatische Aspekte von Schmerzen
Seelische Belastungen können Schmerzen verursachen oder verstärken. Zum Beispiel Kopfschmerzen, Schwindel, Nacken- oder Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden sowie Reizdarm, Herzrasen, Schweißausbrüche oder Atemnot. Die Vorstellung, dass Krankheiten entweder rein körperlich oder rein psychisch sind, gilt als überholt. Meist ist es eine Mischung mit unterschiedlicher Gewichtung. Es gibt zum Beispiel Patientinnen und Patienten, bei denen Schmerzen nach einem Bandscheibenvorfall auftreten. Durch psychische Faktoren verstärken und chronifizieren sie sich. Bei anderen wiederum äußert sich psychische Traumatisierung als Schmerz auf körperlicher Ebene. Wichtig ist, die Patientinnen und Patienten mit ihren Symptomen ernst zu nehmen. Psychosomatische Schmerzen sind nicht eingebildet.
Behandlung psychosomatischer Schmerzen
Bei leichteren Formen reicht es aus, wenn die Ärztin oder der Arzt einfühlsam erklärt, woher die Beschwerden kommen und dass sie vermutlich harmlos sind. Wichtig ist, Alltagsaktivitäten, Sport und Hobbys beizubehalten und soziale Kontakte weiter zu pflegen. Auch Entspannungsübungen wie Meditation, Yoga oder progressive Muskelentspannung können helfen, das Nervensystem und die Gedanken zu beruhigen. Bei schwereren Formen, deutlicher Beeinträchtigung im Alltag oder einer Chronifizierung sind spezialisiertere Therapieformate erforderlich.
Akute vs. Chronische Schmerzen
Akute Schmerzen sind Schmerzen, die wenige Tage bis Wochen, höchstens aber drei Monate anhalten. Dies entspricht ungefähr dem Zeitraum, in dem der Körper die meisten Gewebeverletzungen repariert, zum Beispiel einen Knochenbruch, Bänderriss oder Bandscheibenvorfall. Bei Schmerzen, die länger als drei Monate andauern, spricht man von chronischen Schmerzen: Sie halten an, obwohl ihre Ursache bereits abgeheilt ist. Akute Schmerzen haben eine wichtige Schutzfunktion: Wenn man sich an einem Dorn sticht oder auf eine heiße Herdplatte fasst, bewirkt der sofort einsetzende Schmerzreiz, dass man die Hand rasch zurückzieht. Dies bewahrt den Körper vor einer größeren Verletzung. Ist es schon zu einer Gewebeschädigung gekommen, sorgen Schmerzen für Schonung und eine ungestörte Heilung - weil es weh tut, zum Beispiel die Wunde anzufassen oder den verletzten Körperteil zu bewegen. Dagegen haben chronische Schmerzen meist keine sinnvolle Funktion. Im Gegenteil: Sie können verschiedene Probleme nach sich ziehen - zum Beispiel die Beweglichkeit einschränken, den Schlaf stören, zu Erschöpfung und psychischer Belastung führen und die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen.
Arten von Schmerzen
Es gibt verschiedene Arten von Schmerzen, die sich in ihrer Ursache und ihrem Charakter unterscheiden:
- Nozizeptive Schmerzen: Dies sind Schmerzen, die durch eine Verletzung, Hitze oder Störungen im Gewebe oder an Organen ausgelöst werden, wie etwa Knochenbrüche, Koliken aufgrund von Nierensteinen oder auch Schmerzen infolge eines Herzinfarkts. Sie haben eine wichtige Schutzfunktion. Bei diesen Schmerzen gehen die Schmerzsignale von speziellen Schmerzrezeptoren aus - den sogenannten Nozizeptoren. Je nach Ursache können die Schmerzen brennend, stechend oder pochend sein. Schmerzen an inneren Organen fühlen sich eher dumpf, tiefliegend oder krampfartig an und es ist oft schwerer zu sagen, wo genau es weh tut.
- Schmerzen aufgrund von Entzündungen: Sie werden durch Entzündungsprozesse im Immunsystem ausgelöst - etwa durch Infektionen - und haben eine vergleichbare Schutzfunktion. Bei manchen Erkrankungen richtet sich das Immunsystem jedoch gegen körpereigene Zellen und verursacht anhaltende Entzündungen, die zu chronischen Schmerzen führen können. Ein Beispiel hierfür ist die rheumatoide Arthritis.
- Schmerzen aufgrund von Nervenschäden (neuropathische Schmerzen): Sie gehen auf Reizungen oder Schäden an Nervenfasern zurück und können verschiedene Ursachen haben. Dazu gehören Nervenreizungen oder -schäden infolge von Verletzungen, Störungen des Stoffwechsels oder Alkoholmissbrauch. Beispiele für neuropathische Schmerzerkrankungen sind Ischialgien, Nervenschmerzen nach einer Gürtelrose oder Schmerzen durch Nervenschäden bei Diabetes. Neuropathische Schmerzen können einschießend oder anfallsartig auftreten, mit Kribbeln und Taubheit einhergehen und zu einer Überempfindlichkeit führen. Bereits kleine, eigentlich harmlose Reize können dann Schmerzen auslösen. Neuropathische Schmerzen werden manchmal chronisch und verselbstständigen sich. Das heißt, sie bestehen weiter, obwohl sich das verletze Gewebe erholt hat.
- Schmerzen aufgrund einer veränderten Schmerzverarbeitung (dysfunktionale Schmerzen): Manchmal sind Schmerzen die Folge von Störungen der Schmerzverarbeitung im Gehirn. Solche Schmerzen sind oft unspezifisch - es gibt keine bekannte Ursache, die Auslöser sind vielfältig. Weil solche Schmerzen keinen „Grund“ und keinen physiologischen Zweck haben, werden sie auch „dysfunktionale Schmerzen“ genannt.
Die Rolle des Gehirns bei der Schmerzentstehung
Was bei der Schmerzentstehung passiert und wie Schmerzen empfunden werden, ist oft nicht leicht zu verstehen. Angst vor Schmerzen kann weh tun. Auch wenn der Körper keiner echten Gefahr ausgesetzt ist und Gewebe und Organe gesund sind, kann man Schmerzen verspüren - sofern das Gehirn eine Gefahr sieht. Solche Schmerzen dienen dazu, der vermeintlichen Gefahr auszuweichen. Ein Ziel moderner Schmerzbehandlungen ist, die Angst vor Schmerzen abzubauen - wie zum Beispiel vor Schmerzen durch zu viel oder „falsche“ Bewegung. Auch Schmerzen ohne körperliche Ursache sind „echt“. Menschen mit Schmerzen ohne erkennbare Ursache wird manchmal vorgeworfen, sich ihre Beschwerden nur einzubilden. Das tun sie aber nicht - ihre Schmerzen entstehen nur anders.
Die Stärke der Schmerzen entspricht oft nicht dem körperlichen Schaden. Auf eine schwere Verletzung wie eine Schusswunde reagiert das Gehirn unter Umständen gar nicht sofort mit Schmerzen. Schmerzen wären etwa dann nachteilig, wenn man sich zunächst aus einer Gefahrensituation in Sicherheit bringen muss, um zu überleben. Ein anderes Beispiel: Selbst starke verschleißbedingte Schäden an der Wirbelsäule tun nicht immer weh - andererseits kann ein Mensch heftige Rückenschmerzen haben, ohne dass auf Röntgenbildern ein Schaden erkennbar wäre.
Schmerzen hängen von äußeren Hinweisen ab. Für wie bedrohlich das Gehirn eine Gefahr hält, kann die Schmerzstärke beeinflussen. Schmerzen hängen davon ab, wie man sich fühlt. Menschen empfinden zum Beispiel weniger Schmerzen, wenn sie von einer Ärztin oder einem Arzt behandelt werden, der auf sie eingeht und ihnen die Schmerzen erklärt. Auch können sich Schmerzen stärker anfühlen, wenn sie an einem stressigen Arbeitstag auftreten als bei einem gemütlichen Wochenendausflug mit guten Freunden. Nicht zuletzt können positive Gedanken, schöne Erlebnisse oder Musik von Schmerzen ablenken oder sie für eine Weile sogar vergessen machen.