Bei einem Bandscheibenvorfall sind die Schmerzen oft das vordringlichste Problem. Glücklicherweise gibt es verschiedene schmerzmedizinische Ansätze, um diese zu lindern. Dieser Artikel beleuchtet die Entstehung von Schmerzen bei einem Bandscheibenvorfall und hilft Ihnen, die passende Schmerztherapie zu finden.
Was ist ein Bandscheibenvorfall?
Die Bandscheiben, auch Zwischenwirbelscheiben genannt, befinden sich zwischen den Wirbelkörpern der Wirbelsäule und dienen hauptsächlich dazu, den Druck auf die Wirbelsäule bei Bewegungen abzufedern. Jede Bandscheibe besteht aus einem gallertartigen Kern (Nucleus pulposus), der von einem Ring aus Faserknorpel (Anulus fibrosus) umgeben ist. Bei einem Bandscheibenvorfall reißt der Faserknorpel ein, wodurch das gallertartige Innere austritt und Druck auf umliegende Strukturen ausübt, insbesondere auf die aus dem Rückenmark austretenden Nervenwurzeln.
Diagnostik: Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?
Die Symptome eines Bandscheibenvorfalls können von asymptomatischen Verläufen bis hin zu schwerwiegenden neurologischen Ausfällen und starken Schmerzen reichen. Treten Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule auf, wird schnell ein Bandscheibenvorfall vermutet. Daher ist vor Beginn einer Schmerztherapie eine gründliche Diagnostik erforderlich. Nach der Anamnese und gegebenenfalls einer neurologischen Untersuchung ist die Magnetresonanztomografie (MRT) das Mittel der Wahl, da sie eine detaillierte Darstellung der Weichteilgewebe ermöglicht. Ein Bandscheibenvorfall kann so genau lokalisiert und sein Ausmaß eingeschätzt werden. Bei starken oder länger als drei bis vier Tage andauernden Schmerzen sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Konservative Therapie und Schmerzmittel
Wurde ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert und liegen keine schwerwiegenden neurologischen Ausfallerscheinungen vor (z. B. Reflexausfälle oder Taubheit), kann die Schmerztherapie beginnen. Die Maßnahmen richten sich nach der Schmerzintensität und dem Stadium (akut/chronisch) der Erkrankung. Nicht alle schmerztherapeutischen Mittel sind ambulant verfügbar.
Akutes Stadium: Schonung und Mobilisation
Im akuten Stadium kann eine kurzfristige Schonung des Körpers wichtig sein, um der betroffenen Region Erholung zu ermöglichen. Dies gilt jedoch nur für das anfängliche Akutstadium. Um eine schonende Mobilisation zu ermöglichen, sind Schmerzmittel (Analgetika) ein integraler Bestandteil der Therapie.
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Arten von Schmerzmitteln
Schmerzmittel ist nicht gleich Schmerzmittel. Die Wahl des geeigneten Mittels hängt vom Schweregrad der Symptomatik ab. Es werden beispielsweise Nicht-Opioid-Analgetika von Opioiden unterschieden, wobei Opioide (stärkere Schmerzmittel) nur kurzfristig bei sehr starken Schmerzen eingesetzt werden.
Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)
Bei unspezifischen Rückenschmerzen, bei denen die Ursache nicht eindeutig erkennbar ist, verschreibt der Arzt oft Medikamente aus der Gruppe der nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). NSAR wirken schmerzlindernd, entzündungshemmend und fiebersenkend. Beispiele hierfür sind Ibuprofen, Diclofenac oder Naproxen. Für diese Wirkstoffe gelten Tages-Maximaldosierungen:
- Ibuprofen: 1200 Milligramm (bis 400 Milligramm-Tabletten ohne Rezept erhältlich)
- Diclofenac: 100 Milligramm (verschreibungspflichtig ab 25 Milligramm)
- Naproxen: je nach Erkrankungsschwere 750 Milligramm (verschreibungspflichtig)
Paracetamol
Dieses Schmerzmittel kann für Menschen infrage kommen, die NSAR nicht vertragen - etwa weil sie Magenprobleme oder Asthma haben. In höherer Dosierung kann Paracetamol Leber und Nieren schädigen. Daher sollen Erwachsene eine Höchstmenge von 4 Gramm (4000 Milligramm) pro Tag nicht überschreiten.
Opioide
Opioide kommen bei besonders starken Schmerzen zum Einsatz und sind immer verschreibungspflichtig. Bekannte Vertreter dieser Wirkstoffgruppe sind Morphin, Tramadol, Oxycodon und Hydromorphon. Opioide wirken vor allem schmerzhemmend. Schwindel, Übelkeit und Müdigkeit sind häufige Nebenwirkungen.
Kortikoide ("Kortison")
Dies sind entzündungshemmende und schmerzlindernde Mittel, die als Tabletten, Infusionen oder Spritzen eingesetzt werden können. Bei längerer Anwendung erhöhen Kortikoid-Präparate jedoch das Risiko für Magengeschwüre, Osteoporose, Infektionen, Hautprobleme, Grünen Star (Glaukom) und Störungen des Zuckerstoffwechsels.
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Muskelrelaxantien
Diese Medikamente entspannen die Skelettmuskulatur und können bei schmerzhaften Muskelverspannungen infrage kommen. Sie sind verschreibungspflichtig und können Müdigkeit und Benommenheit verursachen.
Antidepressiva
Einige Antidepressiva sind auch zur Behandlung von chronischen Schmerzen zugelassen. Zu den wichtigsten Nebenwirkungen gehören Übelkeit, Mundtrockenheit und Schwindel.
Antiepileptika
Ursprünglich gegen Krampfanfälle entwickelt, helfen Antiepileptika inzwischen auch gegen Nervenschmerzen. Zu ihren Nebenwirkungen gehören Benommenheit und Müdigkeit.
Weitere Medikamente und Behandlungen
Neben der direkten Beruhigung des Nervengewebes durch Schmerzmittel kommen in der Schmerzmedizin auch Mittel zur Hemmung von Entzündungen und zur Muskelentspannung zum Einsatz.
Entzündungshemmende Medikamente
Durch den ausgetretenen Gallertkern kann es zu einer lokalen Entzündung kommen, die eine Schwellung durch einfließende Flüssigkeit zur Folge hat. Da die Nervenwurzel bereits durch den Bandscheibenvorfall selbst komprimiert wird, verschlimmert jegliche Zunahme des Flüssigkeitsvolumens in der betroffenen Region die Schmerzsymptomatik.
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Muskelentspannung
Schmerz ist eine Belastung für den Körper, die Stress bedeutet. Steht der Körper durch den Bandscheibenvorfall unter anhaltendem Stress, dann führt dies zwangsläufig zu weiterer Muskelanspannung, die Zug auf die Wirbelsäule ausübt. Somit entsteht ein Teufelskreis aus Schmerzen und Muskelanspannung.
Physikalische Therapie
Physikalische Therapieansätze in Form von Wärme oder Kälte können ebenfalls helfen, die Schmerzsymptomatik bei einem Bandscheibenvorfall zu lindern.
Invasive Schmerztherapie
Sollten die Schmerzen durch diese Maßnahmen nicht besser werden, kann als nächster Schritt die invasive Applikation von Schmerzmitteln in das betroffene Gebiet als Schmerztherapie in Erwägung gezogen werden. Diese erfolgt in den meisten Fällen während eines stationären Aufenthaltes.
Physiotherapie
Am Übergang von der Behandlung von akuten Schmerzen zum chronischen Verlauf eines Bandscheibenvorfalls steht die Behandlung mittels Physiotherapie. Wie bereits beschrieben, kann und sollte schon früh im Therapieverlauf die Mobilisation des Patienten wichtiger Bestandteil der Schmerztherapie sein. Bei der Physiotherapie können schmerzlindernde und aufbauende Übungen trainiert werden.
Alternative Behandlungen
Über die klassischen Therapieansätze hinaus können in der Schmerztherapie von Bandscheibenvorfällen auch alternative Maßnahmen der Schmerzmedizin, wie z.B. Akupunktur, in Betracht gezogen werden.
Operative Schmerztherapie
Die operative Schmerztherapie ist nur in schweren Fällen angezeigt, vor allem wenn neurologische Ausfallerscheinungen auftreten. In solchen Fällen kann eine notfallmäßige Entfernung des ausgetretenen Gallertkerns erforderlich sein.
Minimalinvasive Verfahren
Minimal-invasive Verfahren werden nur bei einfachen, relativ frischen Bandscheibenvorfällen durchgeführt und nur bei Patienten, die noch nicht an der Bandscheibe operiert wurden. Sie erfolgen in der Regel ambulant und unter örtlicher Betäubung.
Laserabtragung
Ähnlich wie die minimal-invasive Therapie eignet sich die Laserabtragung der Bandscheibe nur für einfache, frische Vorfälle.
Chemonukleolyse
Bei der Chemonukleolyse wird das Enzym Chymopapain in den Gallertkern der verschobenen Bandscheibe injiziert, um ihn zu verflüssigen und anschließend absaugen zu können. Diese Methode kommt nur in Frage, wenn der Faserring der betroffenen Bandscheibe völlig intakt ist.
Perkutane Nukleotomie
Diese Methode besteht ebenso wie die Chemonukleolyse im Absaugen des Gallertkerns. Allerdings wird dieser vorher nicht mittels Enzym verflüssigt, sondern hier wird ein spezielles Sauggerät eingesetzt. Mit diesem Verfahren können ausschließlich unkomplizierte Bandscheibenvorfälle behandelt werden.
Offene Operation
In schweren Fällen, wenn zum Beispiel mehrere Bandscheiben betroffen sind oder die Erkrankung bereits längere Zeit besteht, ist ein größerer Eingriff unter Vollnarkose erforderlich.
Operative Versteifung der Wirbelsäule
Eine operative Versteifung der Wirbelsäule ist häufig bei schweren Bandscheibenvorfällen oder bei Instabilität eines Wirbelsäulenabschnittes nach einer früher operierten Bandscheibe notwendig.
Künstliche Bandscheibe
Die künstliche Bandscheibe ist eine neue Möglichkeit für Patienten, die unter chronischen Beschwerden leiden oder bei denen besonders schwere Bandscheibenvorfälle diagnostiziert worden.
Dauer der Schmerzen
Es lässt sich nicht pauschal sagen, wie lange die Schmerzen bei einem Bandscheibenvorfall anhalten. Bestimmende Faktoren sind vor allem die Schwere des Bandscheibenvorfalls, der Zeitpunkt des Therapiebeginns und das Alter des Patienten. Akute Schmerzen können mit den oben beschriebenen Therapien innerhalb von Stunden oder Tagen gelindert werden. Der Weg bis zur völligen Schmerzfreiheit kann bis zu einigen Wochen dauern und hängt von der körperlichen Verfassung und dem individuellen Schmerzempfinden ab.
Vorbeugung
Als Vorbeugemaßnahme empfiehlt es sich, bereits vorher ein Rückentraining zu absolvieren und im Alltag schwere Gegenstände generell nah am Körper zu tragen.
Mythen und Fakten
Es ist wichtig, sich von Mythen rund um Bandscheibenvorfälle zu distanzieren und sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse zu stützen.
Mythos: Konservative Therapie ist immer besser.
Fakt: Die konservative Therapie behandelt nicht die Ursache, sondern lindert lediglich die Schmerzen.
Mythos: Eine Operation führt zwangsläufig zu einer Rollstuhlpflicht.
Fakt: Das Risiko einer solchen Komplikation ist extrem gering.
Mythos: Bei einer Operation wird ein Stück der Bandscheibe entfernt, das die Bandscheibe noch braucht.
Fakt: Das aus der Bandscheibe herausgerutschte Stück kann nicht zurückrutschen und wird vom Körper abgebaut.
Mythos: Eine Narbe nach der Operation verursacht immer Beschwerden.
Fakt: Die meisten Patienten sind trotz Narbenbildung beschwerdefrei.
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