Schuppenflechte und Multiple Sklerose: Eine Verbindung von Autoimmunerkrankungen

Die Schuppenflechte (Psoriasis) und die Multiple Sklerose (MS) sind zwei unterschiedliche Erkrankungen, die jedoch einige Gemeinsamkeiten aufweisen. Beide sind Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Zellen angreift. Darüber hinaus haben sie teilweise gleiche Risikofaktoren, und es gibt gemeinsame Therapieansätze.

Psoriasis: Mehr als nur eine Hauterkrankung

Die Schuppenflechte ist eine systemische Erkrankung, bei der die sichtbaren Hautveränderungen nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Etwa jeder vierte Betroffene leidet auch unter einer Psoriasisarthritis und kardiovaskulären Erkrankungen. Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen sowie neurologische und psychische Erkrankungen wie MS oder Depressionen treten bei Psoriasis-Patienten ebenfalls häufiger auf als in der Allgemeinbevölkerung.

Gemeinsame Therapieansätze: Fumarsäure im Fokus

Ein Medikament, das gegen schwere Fälle von Schuppenflechte eingesetzt wird, ist Fumaderm. Mediziner haben jedoch ein weiteres Einsatzgebiet für diesen Wirkstoff erforscht: die Multiple Sklerose. In einer Studie unter der Leitung von Professor Ralf Gold (Ruhr-Universität Bochum) und Professor Ludwig Kappos (Basel) nahmen 257 MS-Patienten teil. Bei mehr als 70 Prozent der Betroffenen traten weniger neue Entzündungsherde im Gehirn und etwa ein Drittel weniger Schübe auf.

Die Rolle der Fumarsäure

Die Schuppenflechte ist wie die Multiple Sklerose eine Autoimmunkrankheit, bei der sich die Immunabwehr gegen körpereigene Zellen richtet. Bei MS wird so die "Isolierschicht" der Nervenzellen zerstört. Die Fumarsäure beeinflusst das Immunsystem bei Schuppenflechte positiv. Dieser Zusammenhang wurde bereits vor einigen Jahren von Professor Peter Altmeyer (Direktor der Bochumer Universitätshautklinik) gegenüber Professor Horst Przuntek (Neurologische Klinik der RUB) hervorgehoben.

Neuroprotektive Wirkung

Die Ergebnisse von Dr. Ralf Linker (RUB-Neurologie) deuten darauf hin, dass Fumarsäure über einen zellulären Transkriptionsfaktor Nrf2 Nervenzellen schützt - ein neuer Wirkmechanismus. Professor Gold betont, dass diese Substanz damit eine der ersten wäre, die bei der Therapie der Multiplen Sklerose Neuroprotektion vermittelt.

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Klinische Studien bestätigen die Wirksamkeit

Zwei Phase-III-Studien im New England Journal of Medicine (2012) zeigten, dass das Fumarsäure-Präparat „BG-12“ Placebo überlegen war und einen Vergleich mit Glatiramer bestand. Aufgrund der guten Verträglichkeit und der oralen Verfügbarkeit spricht die Deutsche Gesellschaft für Neurologie von einem „Meilenstein“.

In der DEFINE-Studie wurde die Schubrate während eines zweijährigen Studienzeitraums von 46 Prozent (Placebo) unter zwei- oder dreimal täglicher Einnahme auf 27 bzw. 26 Prozent gesenkt. Die jährliche Schubrate geben Ralf Gold und Mitarbeiter mit 0,17 und 0,19 in den beiden BG-12-Gruppen an. Gegenüber 0,36 unter den Placebo-Empfängern entspricht dies einer relativen Reduktion von 53 bzw. 48 Prozent oder in etwa einer Halbierung.

Ähnliche Ergebnisse berichten Robert Fox und Mitarbeiter für die CONFIRM-Studie. Die jährliche Schubrate sank hier von 0,40 (unter Placebo) auf 0,22 und 0,20 unter BG-12. Sie lag damit sogar niedriger als unter Glatiramer. Auch in der Reduktion neuer Läsionen könnte es Vorteile geben. Die Unterschiede zu Placebo sind signifikant.

Nebenwirkungen und Sicherheitsaspekte

Die Therapie mit Fumarsäure ist nicht ohne Nebenwirkungen. Häufig sind eine Gesichtsrötung und Hitzegefühl („Flush“) sowie gastrointestinale Beschwerden wie Diarrhoe, Nausea und Oberbauchschmerzen. Bedingt durch die immunmodulierende Wirkung kommt es zu einem Abfall der Lymphozyten. Sicherheitsrelevant ist ein Anstieg der Leberwerte, der auch bei der Behandlung der Psoriasis beobachtet wird.

Die Rolle der Dendritischen Zellen

Forscher des Universitätsklinikums Tübingen haben den Wirkmechanismus eines körpereigenen Moleküls namens Di-Methyl-Fumarat (DMF) geklärt, das die Immunabwehr seitens der Dendritischen Zellen entscheidend beeinflusst. DMF bessert sowohl die Psoriasis als auch die Multiple Sklerose, indem es Dendritische Zellen so umerzieht, dass sie vor einer Gewebezerstörung schützen.

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Nobelpreis für die Erforschung der Dendritischen Zellen

Die Entdeckung der Dendritischen Zellen wurde mit dem Nobelpreis an Ralph Steinman gewürdigt. Normalerweise sollen Dendritische Zellen Gefahren erkennen, die von Bakterien oder Viren ausgehen. Sie sollen das Immunsystem alarmieren und Schutzschilde gegen die Erreger hochfahren. Unglücklicherweise können Dendritische Zellen irrtümlich auch Immunantworten gegen körpereigene Zellen einleiten und diese zerstören, wenn sie die falschen Informationen erhalten.

Atypische MS-Fälle und neue Biomarker

Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel haben die Multiple Sklerose erneut untersucht und dabei die Vielfalt der entzündlichen Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems hervorgehoben. In den letzten zehn Jahren haben Forschende langsam die einzigartigen Merkmale von “atypischen” MS-Fällen aufgedeckt.

Immunglobulin A (IgA) als potenzieller Biomarker

In einer Studie, an der etwa 1.300 Patient:innen teilnahmen, entdeckte Pröbstels Team einen Biomarker, der auf eine separate MS-Variante der Krankheit hinweisen könnte. Ein als Immunglobulin A (IgA) bekannter Antikörpertyp wurde bei einer Gruppe von Patient:innen identifiziert. Dieser Antikörper richtet sich gegen einen Teil der Myelinscheide, der als “MOG” (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein) bezeichnet wird. Die genaue Funktion von MOG-IgA bei dieser Autoimmunerkrankung bleibt jedoch ein Rätsel.

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