Neurologische Autoimmunerkrankungen sind eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen das Immunsystem fälschlicherweise körpereigene Strukturen des Nervensystems angreift. Diese Angriffe können das Gehirn, das Rückenmark, die peripheren Nerven oder die Muskeln betreffen und zu einer Vielzahl von neurologischen Symptomen führen. Da das Nervensystem vielfältige Körperfunktionen steuert, können die Symptome neurologischer Erkrankungen sehr unterschiedlich sein.
Ein besonderes Augenmerk liegt auf seltenen Autoimmunerkrankungen, von denen nicht mehr als 5 von 10.000 EU-Bürgern betroffen sind. Die Diagnose dieser Krankheiten ist oft eine Herausforderung, da sie in der Bevölkerung kaum bekannt sind und sich in verschiedenen Organsystemen manifestieren können.
Was sind Autoimmunerkrankungen?
Das Immunsystem dient der Abwehr von Krankheitserregern wie Bakterien oder Viren. Bestimmte Immunzellen, die sogenannten B-Zellen, bilden zur Abwehr Eiweißmoleküle, sogenannte Antikörper. Diese passen genau auf eine bestimmte Struktur auf dem Erreger, die man als Antigen bezeichnet. Bei Autoimmunerkrankungen bilden die fehlgeleiteten B-Zellen fälschlicherweise Antikörper, die sich nicht gegen Krankheitserreger richten, sondern an körpereigene Strukturen binden und dort Entzündungen auslösen.
Man weiss, dass Menschen im hohen Norden eher von Autoimmunerkrankungen betroffen sind, als Menschen, die nahe des Äquators leben. In diesem Zusammenhang wird der Einfluss des Sonnenlichts und ein Vitamin-D-Mangel in der Kindheit vermutet.
Überblick über seltene neurologische Autoimmunerkrankungen
Im Folgenden werden exemplarisch die wichtigsten neurologischen Autoimmunerkrankungen vorgestellt, die das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark, ZNS) oder periphere Nervensystem (Nerven und Muskeln, PNS) befallen.
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Autoimmunerkrankungen des ZNS
Multiple Sklerose (MS): Die Multiple Sklerose ist die häufigste neurologische Autoimmunerkrankung. In Köln erkranken jedes Jahr ca. 170 Menschen neu an MS. Hier leben ca. 3000 Betroffene (abgeleitet aus bundesweit erhobenen Statistiken). Bei der auch unter Encephalomyelitis disseminata (ED) bekannten Erkrankung greifen Immunzellen die weiße Substanz von Gehirn und Rückenmark an. Hier laufen die „Verbindungskabel“ zwischen den unterschiedlichen „Rechenzentren“, d. h., die Bahnen zwischen den Bewegungszentren im Gehirn und Muskelsteuerungszentren im Rückenmark.
Bei einer Erkrankung richten sich die Immunzellen richten gegen die Isolierung der Verbindungskabel, der sogenannten Myelinscheide. Dadurch wird die Leitung stark verlangsamt (Schübe). Die Immunzellen greifen nicht alle zur selben Zeit und am selben Ort an. Vielmehr kommt es zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten zu immer wieder neuen Schüben. Dieses Prinzip wird räumliche und zeitliche Disseminierung genannt, daher der Name ED. Die Entzündungsreaktionen führen zu multiplen Entmarkungen, die sklerotisch (narbig) abheilen, daher der ältere Name MS. Je nachdem, an welcher Stelle die Entzündung auftritt, kommen bei den Betroffenen andere Symptome vor (z.B. Seh-, Gefühls-, Blasen- oder Beweglichkeitsstörungen). Teilweise laufen die Schübe allerdings auch ab, ohne jegliche Symptome auszulösen. Sie hinterlassen dabei dennoch nachweisbare Entmarkungsherde.
Um eine MS zu diagnostizieren, müssen die Kriterien der räumlichen und zeitlichen Disseminierung erfüllt werden. Die MS beginnt in der Regel mit einem ersten Schub der Demyelisierung, d. h., Entmarkung (z.B. einer Sehnervenentzündung (Neuritis nervi optici) oder einer Rückenmarksentzündung (Myelitis transversa). Nicht alle Demyelisierungen gehen in eine MS über. Manchmal bleiben diese Ereignisse im Leben einmalig. In manchen Fällen kann die Funktion durch ein teilweises Nachwachsen der Myelinscheide wieder vollständig hergestellt werden. Bei langem Krankheitsverlauf besteht die Möglichkeit, dass die primär entzündliche, schubförmige MS in eine degenerative, chronisch fortschreitende, MS übergeht (sekundär progrediente MS). Teilweise werden die ersten Schübe gar nicht bemerkt und erst die schubförmige MS löst Symptome aus. In diesem Fall wird von einer primär progredienten MS gesprochen.
Der natürliche Verlauf der MS kann ein Leben lang sehr milde ausfallen, mit wenigen, vollständig ausheilenden Schüben. Bei anderen Menschen kann dieselbe Erkrankung unbehandelt jedoch in kurzer Zeit zu schweren Behinderungen führen.
Akute, demyelinisierende Enzephalomyelopathie (ADEM): tritt vor allem bei Kindern und jungen Menschen als Überreaktion auf eine fieberhafte Infektion auf und ist eine schwere, akute Erkrankung, bei der eben Immunzellen - im Gegensatz zur MS - das ZNS massiv zu selben Zeit und am selben Ort angreifen.
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Neuromyelitis optica (NMO): Befällt den Sehnerv und das Rückenmark mit besonders schweren Schüben. Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen, kurz NMOSD, umfasst eine Gruppe von seltenen Autoimmunerkrankungen. Die Entzündungen bei NMOSD betreffen vor allem das Rückenmark und die Sehnerven. Daraus ergibt sich auch der Name der Erkrankung: Neuro bedeutet „Nerv“ und Myelitis „Entzündung des Rückenmarks“. Optica kommt von Nervus opticus, also dem Sehnerv. Die Entzündungen können jedoch auch andere Bereiche Deines Gehirns betreffen. Nur 1-3/100.000 Menschen sind betroffen. NMOSD ist eine seltene Autoimmunerkrankung. Dabei greifen fehlgeleitete Abwehrzellen Deines Immunsystems fälschlicherweise körpereigenes Gewebe an. Dadurch kommt es zu Entzündungen und letztendlich zur Schädigung des Gewebes. Bei der NMOSD betrifft diese Schädigung die Nervenzellen in Rückenmark und Gehirn.Dein Immunsystem dient der Abwehr von Krankheitserregern wie Bakterien oder Viren. Bestimmte Immunzellen, die sogenannten B-Zellen, bilden zur Abwehr Eiweißmoleküle, sogenannte Antikörper. Diese passen genau auf eine bestimmte Struktur auf dem Erreger, die man als Antigen bezeichnet. Das Prinzip von Antigen und Antikörper kennst Du vielleicht von Impfungen: Dabei bekommst Du Teile eines Erregers gespritzt, die Antigene enthalten, Dich aber nicht krank machen können. Dein Körper bildet daraufhin Antikörper. Bei Autoimmunerkrankungen bilden die fehlgeleiteten B-Zellen fälschlicherweise Antikörper, die sich nicht gegen Krankheitserreger richten, sondern an körpereigene Strukturen binden und dort Entzündungen auslösen. Auch bei NMOSD werden Autoantikörper gebildet. Einer dieser Autoantikörper bindet an Aquaporin 4 (AQP4). AQP4 ist ein körpereigenes Eiweiß, das unter anderem auf bestimmten Stützzellen in Gehirn und Rückenmark vorkommt, den sogenannten Astrozyten. Durch die Bindung des Autoantikörpers an AQP4 und die dadurch ausgelöste Entzündungsreaktion kommt es zur Schädigung der Astrozyten. Warum sich Deine Abwehrzellen plötzlich gegen den eigenen Körper richten, ist noch nicht vollständig aufgeklärt.
Entzündungen der grauen Substanz: Werden durch das Immunsystem nicht die „Verbindungskabel“ sondern die „Rechenzentren“ selbst angegriffen, welche in der grauen Substanz des Gehirns liegen, spricht man von einer Autoimmun-Enzephalitis, bei den gedächtisbildenden Strukturen des limbischen Systems von einer limbischen Enzephalitis, beim Kleinhirn von einer Autoimmun-Cerebellitis und beim Hirnstamm von einer Autoimmun-Rhombencephalitis. Hinter diesen Erkrankungen können Antikörper einerseits gegen Oberflächenmoleküle oder gegen Moleküle im inneren der Nervenzellen stecken. Sie sind teilweise Überreaktionen auf Infektionen eine noch verborgene Krebserkrankung. Nicht immer findet man die Ursache. Enzephalitiden gehen z.B. mit Denkstörungen und epileptischen Anfällen einher. Cerebellitiden führen vor allem zu Gang- und Koordinationsstörungen.
Autoimmunerkrankungen des PNS
- Guillain-Barré-Syndrom (GBS): Als Reaktion auf eine Infektion, oft im Magen-Darm-Bereich, teils aber ohne Bezug zu einer solchen, werden die Kabelisolierungen des peripheren Nervensystems demyelinisert. Binnen weniger Tage fallen immer mehr Nerven aus, so dass es zu einem weitgehenden Funktionsverlust mit ausgedehnten, schlaffen Lähmungen kommt, welche sogar zu Atemlähmungen führen können. Meist sind die Beinnerven am heftigsten betroffen, es gibt jedoch auch Varianten, die eher Gesichts- und Schlundnerven betreffen und dann Polyneuritis cranialis genannt werden. Die Erkrankung muss im Krankenhaus behandelt werden. Selbst nach schwersten Verläufen ist eine vollständige Erholung möglich.
- Chronisch inflammatorische, demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP): Die Erkrankung ähnelt dem GBS sehr stark, verläuft jedoch nicht akut binnen Tagen, sondern schubweise oder allmählich schleichend über Monate bis Jahre. Es handelt sich gewissermaßen um eine MS des PNS. Die chronisch inflammatorisch demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) gilt als autoimmunologisch bedingte Erkrankung des peripheren Nervensystems. Sie ist eine sehr seltene Erkrankung und tritt bei ca. 4 - 8 von 100 000 Menschen auf. Sie kann in jedem Alter auftreten, gehäuft allerdings im 6. und 7. Lebensjahrzehnt und betrifft häufiger Männer. Das periphere Nervensystem umfasst Nerven, die sowohl motorische, sensible aber auch sogenannte autonome Funktionen übernehmen. In der klassischen Ausprägung, die ca. 50 % aller Patienten mit der Diagnose einer CIDP umfasst, klagen die Patientinnen und Patienten typischerweise über eine sich im Verlaufe von Wochen bis Monaten entwickelnde Schwäche der Beine sowie der Arme, die sowohl körperstammnah (proximal) als auch körperfern (distal) auftritt. Die Fußhebung und das Treppensteigen können erschwert sein. Es können Schwierigkeiten in der Feinmotorik der Hände aber auch bei Überkopfarbeiten auftreten. Darüber hinaus treten sensible Störungen in Form von Taubheitsgefühlen, Kribbelgefühlen oder auch in Form von Gangunsicherheit auf. Selten treten auch Brennschmerzen auf. Bei der klassischen CIDP stehen die motorischen Ausfälle im Vordergrund. Neben der klassischen Ausprägung kann sich eine CIDP aber auch in „atypischen“ Varianten ausprägen. Im Gegensatz zu der am ehesten altersbedingten idiopathischen Polyneuropathie, die sehr langsam über Jahre fortschreitet, entwickelt sich die Symptomatik bei allen Erscheinungsformen (klassisch und atypische Varianten) jedoch in der Regel rascher, d.h. innerhalb von Wochen und Monaten. Der Verlauf kann sowohl kontinuierlich fortschreitend, aber auch schubförmig sein. Die CIDP gilt als Autoimmunerkrankung, die eher im späteren Erwachsenenalter auftritt. Ursächlich für die Entstehung einer Autoimmunerkrankung ist wahrscheinlich eine Kreuzreaktion (Molekulare Mimikry). Hierbei entsteht auf dem Boden einer Infektion eine Immunantwort aufgrund von gemeinsamen, kreuzreagierenden Epitopen, die ihrerseits mit Komponenten des peripheren Nervensystems reagieren. Diese können zum Beispiel gegen die Hüllschicht, also das Myelin, gerichtet sein. Es kommt zu einer Schädigung des Myelins, also zu einer sogenannten Demyelinisierung. Höchstwahrscheinlich trägt aber auch eine Vorschädigung der Nerven, durch die bestimmte Epitope freigesetzt werden können, entscheidend dazu bei.
- Myasthenie: Bei der Myasthenie werden nicht die Nerven selbst sondern die Übergänge zwischen den Nervenenden und der Muskulatur, die neuromuskulären Endplatten angegriffen. Die Erkrankung ist antikörpervermittelt und befällt oft jüngere Erwachsene. Typisch ist eine deutlich erhöhte Ermüdbarkeit der Muskeln, insbesondere im Bereich der Augen-, Gesichts- und Schlundmuskeln. Sie beginnt daher oft mit Doppelbildern oder herabhängenden Augenlidern, die im Tagesverlauf schlechter werden.
- Myositis: Bei Myositiden wird die Muskulatur selbst angegriffen, was zu zunehmenden Lähmungen führt, meist im Bereich des Schulter- und Beckengürtels. Die häufigsten Firmen sind die Dermatomyositis, bei welcher auch Hautausschläge auftreten.
- Multifokale motorische Neuropathie: Die multifokale motorische Neuropathie ist eine erworbene Erkrankung mit langsamer Progredienz, die asymmetrisch ohne sensible Störungen auftritt. Sie stellt eine eigenständige Erkrankung dar, die sich von der CIDP und ihrer asymmetrischen Variante unterscheidet. Die Prävalenz liegt bei 1 - 2/100 000, Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Die Erkrankung tritt meist zwischen dem 30. - 50. Lebensjahr auf. Zur Diagnosesicherung tragen spezifische elektrophysiologische Befunde und häufig der Nachweis von Gangliosid-GM1-Antikörpern.
- Vaskulitische Neuropathien: Vaskulitische Neuropathien sind Erkrankungen des peripheren Nervensystems (PNS), bei denen es durch entzündliche Veränderungen der Blutgefäße zu einer Nervenschädigung kommt. Man unterscheidet isolierte Vaskulitiden des PNS (nichtsystemische vaskulitische Neuropathien, NSVN) und Neuropathien bei systemischen Vaskulitiden oder Kollagenosen. Vaskulitische Neuropathien können auch infektiös, parainfektiös oder paraneoplastisch auftreten. Eine eindeutige Diagnose gelingt letztlich nur durch eine Nervenbiopsie. Weitere immunvermittelten Polyneuropathien, wie z.B.:
- Polyneuropathien aus dem rheumatischen Formenkreis (zum Beispiel: Lupus-assoziierte Polyneuropathien) oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen
- Polyneuropathien im Rahmen von monoklonalen Gammopathien unklarer Signifikanz (MGUS)
- Guillain-Barré-Syndrom werden ebenfalls in dieser Sprechstunde behandelt. Diesen Erkrankungen gemein sind schubförmig oder chronisch voranschreitende Lähmungserscheinungen sowie sensible Ausfall- (Taubheit) oder Reizphänomene (Kribbeln, Kälte/Hitzegefühl), die grundsätzlich durch entsprechende immunmodulierende bzw. immunsuppressive Therapien behandelbar sein können.
Beteiligung des Nervensystems bei anderen Autoimmunerkrankungen
- Gefäßentzündungen: Entzündungen der Gefäße können zu Durchblutungsstörungen eines oder mehrerer Nerven führen. (Neuritis). Sie können aber auch Durchblutungsstörungen am Auge oder Gehirn, mit Schlaganfällen und Blutungen in diesen Regionen, bedingen. Die häufigste dieser Erkrankungen ist die Riesenzell-Arteriitis, welche vor allem ältere Menschen befällt, mit Kopf- und Muskelschmerzen einhergeht und unbehandelt zur Blindheit oder wiederholten Schlaganfällen führen kann.
Diagnose seltener neurologischer Autoimmunerkrankungen
Die Diagnose seltener neurologischer Autoimmunerkrankungen kann komplex sein und erfordert oft eine Kombination aus klinischer Untersuchung, neurologischer Bildgebung und Laboruntersuchungen.
Anamnese und körperliche Untersuchung
Deine Ärztin oder Dein Arzt verschafft sich einen Überblick über Deine Beschwerden, Deine Krankheitsgeschichte, eventuelle Vorerkrankungen oder Allergien. Sie oder er fragt auch, ob Du Medikamente einnimmst.
Deine Ärztin oder Dein Arzt untersucht unter anderem Deine Augen und die Funktion Deiner Nerven. Dazu prüft sie oder er beispielsweise Deine Sehfähigkeit, Reflexe, Muskelkraft und Fähigkeit, bestimmte Bewegungsabläufe durchzuführen.
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Bildgebung
Mithilfe eines Magnetfeldes und Radiowellen erstellt die Magnetresonanztomographie detaillierte Bilder von Geweben und Organen. Hiermit untersucht die Ärztin oder der Arzt das Gehirn sowie das Rückenmark und kann so NMOSD-typische Entzündungsherde (Läsionen) feststellen.
Laboruntersuchungen
- Blutuntersuchung: Im Labor werden bestimmte Blutwerte analysiert, die den Verdacht auf NMOSD erhärten oder auf eine andere Erkrankung hindeuten können.
- Test auf AQP4-Autoantikörper: Der Test erfolgt ebenfalls anhand einer Blutprobe. Beim Nachweis von AQP4-Autoantikörpern gilt die Diagnose als gesichert, wenn gleichzeitig ein NMOSD-typisches Symptom vorliegt. Das Fehlen der Autoantikörper schließt die NMOSD jedoch nicht aus.
- Untersuchung des Nervenwassers (Liquor-Diagnostik): Das Nervenwasser (Liquor) umspült Gehirn und Rückenmark.
Elektrophysiologische Untersuchungen
Zur Diagnosesicherung tragen spezifische elektrophysiologische Befunde und häufig der Nachweis von Gangliosid-GM1-Antikörpern.
Therapie seltener neurologischer Autoimmunerkrankungen
Die Therapie seltener neurologischer Autoimmunerkrankungen zielt darauf ab, die Entzündung zu reduzieren, das Immunsystem zu unterdrücken und die Symptome zu lindern.
Immuntherapie
Bei der gesicherten CIDP sind wirksame Therapien die immunmodulatorische Therapie mit intravenösen Immunglobulinen (IVIG), Glukokortikosteroiden (GS) und Plasmaaustauschverfahren, die in prospektiven und kontrollierten Studien Ansprechraten von ca. 50 - 75 % aufweisen konnten. Die Wahl der geeigneten Therapie hängt in erster Linie von der Gesamtsituation des Patienten ab. Bei Versagen dieser Therapien kommen auch immunsuppressive Medikamente wie Azathioprin, Methotrexat, Mycophenolat Mofetil, Ciclosporin A in Betracht. Unter Umständen kommen auch therapeutische Antikörper, wie z.B.
Medikamentöse Therapie
2024 wurden u.a. in Deutschland neue Medikamente gegen paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie und primäre biliäre Cholangitis eingeführt.
Symptomatische Therapie
Bleiben trotz intensivierter Schubtherapie Restsymptome eines NMOSD-Erkrankungsschubes zurück, gelten grundsätzlich die Prinzipien der symptomatischen Therapien bei MS. Neben medikamentösen Ansätzen nimmt die Physio- und Ergotherapie einen besonderen Stellenwert ein. Bei Bedarf kann auch eine logopädische oder neuropsychologische Therapie erfolgen. Für Betroffene ist es wichtig, gemeinsam im Gespräch mit dem Behandlungsteam einen individuell angepassten Therapieplan zu erstellen und in ihren Alltag zu integrieren.
Was können Betroffene selbst tun?
Mein Rat an alle Betroffenen: Bitte bleiben Sie aktiv. Jede körperliche Aktivität trägt zu einem gesünderen und damit glücklicheren Leben bei. Es ist also wichtig, dass Menschen mit NMOSD Bewegung in ihren Alltag einbauen - unter Berücksichtigung von möglichen Einschränkungen. Ein gesundes Körpergefühl können Betroffene auch unterstützen, indem sie eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung sicherstellen.
Forschung und neue Entwicklungen
In den 1990er Jahren brachten Pharma-Unternehmen die ersten Medikamente heraus, die bei Patienten mit rheumatoider Arthritis gezielt einzelne Komponenten des Immunsystems inaktivieren konnten und damit die Krankheit auch bei bis dato schwer therapierbaren Patienten meist aufhalten konnten. Ein Siegeszug für diesen Ansatz folgte, der bald weiteren Erkrankten mit häufigen Autoimmunkrankheiten zugutekam. Parallel wuchs in der Forschung das Wissen über das menschliche Immunsystem. Gentechnisch hergestellt wird ein seit 2022 in der EU zugelassenes Medikament mit dem monoklonalen Antikörper Anifrolzumab, der zusätzlich zu anderen Medikamenten bei bestimmten Formen von sytemischem Lupus erythematodes verordnet werden kann. Er bindet an den Rezeptor für Typ-1-Interferone und dämpft so den zugrundliegenden Autoimmunprozess.
International werden derzeit aber auch beispielsweise neue Arzneimittel gegen die Kälteagglutinin-Krankheit, das Sjögren-Syndrom und die Systemische Sklerose mit Patienten erprobt.
Orphan Drug-Verordnung der EU
Naturgemäß sind die Absatzmärkte für Arzneimittel gegen seltene autoimmune Erkrankungen sehr schmal. So leiden beispielsweise an Myastenia gravis in der EU nur etwa zwei von 10.000 Bürgerinnen und Bürgern. Auch an Systemischer Sklerose, einer chronischen Autoimmunerkrankung, leiden höchstens zwei von 10.000 EU-Bürgern. Vor diesem Hintergrund sind Sonderkonditionen für ein Entwicklungsprojekt gegen eine seltene Krankheit ein wichtiger Grund für die Unternehmen, die Arbeit an Medikamenten gegen solche Krankheiten trotzdem nicht zu meiden. Dafür hat insbesondere die europäische Orphan-Drug-Verordnung von 2000 gesorgt, die ermöglicht, entsprechenden Medikamenten den Orphan-Drug-Status zu verleihen. Sollte sich allerdings ein Medikament zur Therapie einer seltenen Krankheit zusätzlich noch gegen eine häufigere Krankheit bewähren und eine entsprechende Zulassung erhalten, erlischt sein Orphan Drug-Status und mit ihm jede Sonderbehandlung.
Liste seltener Autoimmunerkrankungen
Seltene autoimmune Erkrankungen können unterschiedliche Organsysteme betreffen und äußern sich in verschiedenen Formen. Hier sind einige Beispiele seltener Autoimmunerkrankungen, die verschiedene Bereiche des Körpers betreffen:
- Neurologische Autoimmunerkrankungen: Diese betreffen das Nervensystem, einschließlich der Nerven und Muskeln und führen oft zu Symptomen wie Muskelschwäche und Lähmungen. Darunter fallen u.a.: Neuromyelitis optica (NMO), Guillain-Barré-Syndrom, Myasthenia gravis.
- Rheumatische Autoimmunerkrankungen: Bei solchen Erkrankungen, die der sehr heterogenen Gruppe der rheumatischen Erkrankungen zugerechnet werden, greifen entzündliche Prozesse, die das Bindegewebe und die Gelenke an. Darunter fällt u.a. die Systemische Sklerose (Sklerodermie).
- Hämatologische Autoimmunerkrankungen: Sie betreffen das Blut und die Blutbildung und können durch eine fehlgeleitete Autoimmunreaktion verursacht werden, die gesunde Blutzellen angreift. Darunter fallen u.a.: Autoimmunhämolytische Anämie (AIHA), Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP), Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH).
- Dermatologische Autoimmunerkrankungen: Diese Erkrankungen betreffen die Haut und führen oft zu entzündlichen Veränderungen wie Hautausschlägen oder Verhärtungen. Darunter fallen u.a.: Pemphigus vulgaris, Dermatomyositis, Epidermolysis bullosa acquisita.
- Endokrine Autoimmunerkrankungen: Sie betreffen hormonproduzierende Drüsen wie die Schilddrüse und können als seltene Stoffwechselerkrankungen den gesamten Hormonhaushalt beeinflussen. Darunter fallen u.a.: Morbus Addison, Autoimmune Polyendokrinopathie-Syndrom (APS), Hashimoto-Thyreoiditis.
- Autoimmunerkrankungen der Leber: Hier sind die Leber oder die Gallengänge betroffen. Darunter fällt u.a. die Primär biliäre Cholangitis (PBC) und die Primäer sklerosierende Cholangitis (PSC).
- Kardiovaskuläre Autoimmunerkrankungen: Diese betreffen das Herz-Kreislauf-System und verursachen oft entzündliche Reaktionen in den Blutgefäßen. Darunter fallen u.a.: Riesenzellarteriitis, Takayasu-Arteriitis, Antiphospholipid-Syndrom.
- Autoimmunerkrankungen mit multisystemischer Beteiligung: Diese Erkrankungen greifen mehrere Organsysteme an und äußern sich oft in einem komplexen Syndrom, das Lunge, Nieren und weitere Organe betrifft. Darunter fallen u.a.: Lupus erythematodes, Behçet-Syndrom.
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