SEP Neurologie Auffällig: Ursachen und Abklärung

Einführung

Somatosensibel evozierte Potentiale (SEP) sind ein wichtiges diagnostisches Werkzeug in der Neurologie. Sie messen die Nervenleitgeschwindigkeit von peripheren Nerven zum Gehirn und können Aufschluss über Funktionsstörungen des Nervensystems geben. Auffällige SEP-Werte, wie im Fall von Patientin Toni mit verzögerten Tibialis-SEP-Werten, können verschiedene Ursachen haben. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen für auffällige SEP-Befunde und die notwendigen Schritte zur Abklärung.

Grundlagen der Somatosensibel Evozierten Potentiale (SEP)

Was sind SEP?

SEP sind Hirnstromaktivitäten, die durch Sinnesreize ausgelöst werden. Bei der Messung werden elektrische Impulse über einem Nerven (z.B. am Bein, Arm oder im Gesicht) gegeben, wodurch Nervenpotentiale entstehen. Diese Potentiale werden über Elektroden am Kopf, der Wirbelsäule oder Schulter abgeleitet und vermessen. Die Untersuchung ermöglicht eine objektive und quantifizierbare Darstellung von Störungen im sensiblen Nervensystem und eignet sich gut für Verlaufsuntersuchungen.

Wie funktioniert die Messung?

  1. Stimulation: Ein elektrischer Impuls wird über einem Nerven gegeben. Dies kann am Innenknöchel (N. tibialis), am Handgelenk (N. medianus oder N. ulnaris) oder im Gesicht (N. trigeminus) erfolgen.
  2. Ableitung: Elektroden am Kopf, der Wirbelsäule oder Schulter erfassen die Nervenpotentiale.
  3. Messung: Die Zeitdauer vom Auftreten des Reizes bis zum Auftreten der Hirnstromaktivität wird gemessen.

Es ist wichtig, dass der Patient während der Untersuchung entspannt ist und sich nicht bewegt, da Muskelbewegungen und andere Störquellen die Ergebnisse verfälschen können.

Auffällige Tibialis-SEP-Werte: Was bedeutet das?

Im Fall von Patientin Toni zeigten die neurophysiologischen Untersuchungen deutlich verzögerte Tibialis-SEP-Werte. Konkret wurde eine pathologische Latenz der P40-Welle rechts (43,5 ms) und links (35,7 ms) festgestellt, wobei der Normbereich unter 43,9 ms liegt und die Seitendifferenz unter 2,1 ms liegen sollte. Zusätzlich wurden pathologisch erniedrigte Amplituden festgestellt.

Mögliche Ursachen für verzögerte Tibialis-SEP-Werte

Verzögerte Tibialis-SEP-Werte deuten auf eine Verlangsamung der Nervenleitgeschwindigkeit im Bereich des N. tibialis hin. Dies kann verschiedene Ursachen haben:

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  1. Schädigung der Myelinscheide: Eine Verlangsamung der Nervenleitung bedeutet meist eine Schädigung der Hülle des Nerven (Myelinscheide). Diese kann angeboren oder erworben sein.
  2. Nervenkompression: Eine Verlangsamung der Nervenleitung kann auch auf ein ganz kurzes Stück des Nerven beschränkt sein, etwa an einer Stelle, an der ein Nerv gedrückt (komprimiert) wird.
  3. Bandscheibenvorfall: Wie von Neurologe Dr. Taha angemerkt, könnte eine Schädigung durch einen Bandscheibenvorfall eine Ursache sein.
  4. Polyneuropathie: Neurologe Dr. Schneider empfiehlt, eine Neurographie zum Ausschluss einer Polyneuropathie durchzuführen.
  5. Körpergröße und Temperatur: Auch die Körpergröße und Temperatur des Patienten können eine Rolle spielen und die Messwerte beeinflussen.
  6. Messungsschwankungen: Grenzwertige oder pathologische Werte sollten kontrolliert werden, da es oft starke Messungsschwankungen gibt.

Weitere Ursachen für Sensibilitätsstörungen

Sensibilitätsstörungen sind nicht spezifisch für eine Multiple Sklerose (MS) und können bei einer Vielzahl von organischen, aber auch psychischen Erkrankungen auftreten. Es ist wichtig, eine gute Abklärung vorzunehmen, um die genaue Ursache zu ermitteln.

Diagnostische Abklärung

Um die Ursache für die auffälligen SEP-Werte und die Sensibilitätsstörungen zu finden, sind verschiedene diagnostische Maßnahmen erforderlich:

  1. Anamnese und körperliche Untersuchung: Eine ausführliche Anamnese und körperliche Untersuchung sind essenziell, um weitere Details über die Krankengeschichte des Patienten zu erfahren.
  2. Neurographie: Eine Neurographie dient zum Ausschluss einer Polyneuropathie. Bei dieser Untersuchung wird die Geschwindigkeit der Nervenleitung bestimmt. Durch elektrische Reizung von Nerven in den Armen oder Beinen mit sehr niedrigen Stromstärken wird im Nerven ein elektrisches Potential erzeugt, dessen Ausbreitung in der Zeit gemessen werden kann.
  3. EMG (Elektromyographie): Eine Myographie (EMG) misst die elektrische Aktivität von Muskeln, indem eine dünne Nadel-Elektrode in einen Muskel injiziert wird. Die Untersuchung der Muskeln dient dazu, Schädigungen am zuführenden Nerven feststellen zu können.
  4. MRT (Magnetresonanztomographie): Eine MRT des Gehirns und der Wirbelsäule kann helfen, strukturelle Ursachen wie Bandscheibenvorfälle oder Entmarkungsherde zu identifizieren.
  5. Ultraschalldiagnostik von Nerven (Nervensonographie): Die Nervensonographie kann Nervenverletzungen, Nerventumoren oder Einklemmungen von Nerven sichtbar machen.
  6. Lumbalpunktion: Eine Lumbalpunktion ist die Entnahme von Nervenwasser aus dem Wirbelsäulenkanal. Das entnommene Nervenwasser kann auf seine Bestandteile, insbesondere Zellen und Eiweiße, untersucht werden. Diese Untersuchung ist geeignet, entzündliche Erkrankungen des Nervensystems, wie z.B. MS, zu diagnostizieren oder auszuschließen.
  7. Weitere Untersuchungen: Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen wie Blutuntersuchungen, EEG (Elektroenzephalographie) oder spezielle Testverfahren zur Überprüfung der Übertragung zwischen Nerv und Muskel (z.B. bei Verdacht auf Myasthenia gravis) erforderlich sein.

Therapieansätze

Die Therapie richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache der Sensibilitätsstörungen und der auffälligen SEP-Werte. Einige Beispiele:

  1. Polyneuropathie: Behandlung der Grunderkrankung (z.B. Diabetes, Alkoholabusus) und symptomatische Therapie mit Schmerzmitteln und Physiotherapie.
  2. Nervenkompression: Entlastung des Nervs durch Operation oder konservative Maßnahmen wie Physiotherapie und Ergonomie.
  3. Bandscheibenvorfall: Schmerztherapie, Physiotherapie und in schweren Fällen operative Entfernung des Bandscheibenvorfalls.
  4. Multiple Sklerose: Immunmodulatorische Therapie zur Verlangsamung des Krankheitsverlaufs und symptomatische Therapie zur Linderung der Beschwerden.

Fallbeispiel Toni: Mögliche Vorgehensweise

Im Fall von Patientin Toni sollte folgende Vorgehensweise in Betracht gezogen werden:

  1. Kontrolle der SEP-Werte: Da es Messungsschwankungen geben kann, sollten die Tibialis-SEP-Werte kontrolliert werden.
  2. Neurographie: Zum Ausschluss einer Polyneuropathie sollte eine Neurographie durchgeführt werden.
  3. MRT der Wirbelsäule: Um einen Bandscheibenvorfall auszuschließen, sollte eine MRT der Wirbelsäule erfolgen.
  4. Weitere Abklärung: Je nach den Ergebnissen der bisherigen Untersuchungen können weitere Abklärungen wie eine Lumbalpunktion oder zusätzliche Blutuntersuchungen erforderlich sein.

Weitere neurologische Untersuchungsmethoden

Neben SEP gibt es weitere neurologische Untersuchungsmethoden, die zur Abklärung von neurologischen Beschwerden eingesetzt werden können:

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  1. EEG (Elektroenzephalographie): Das EEG wird zur Untersuchung von Funktionsstörungen des Gehirns eingesetzt. Dabei werden Oberflächenelektroden auf den Kopf aufgesetzt, die die hirneigene elektrische Aktivität aufnehmen.
  2. MEP (Motorisch evozierte Potentiale): Bei der Magnetstimulation wird über den Kopf des Patienten eine Magnetspule gehalten. Diese Spule gibt einen magnetischen Impuls ab, der die darunter liegenden motorischen Nervenzellen kurzzeitig stimuliert. Eine Muskelzuckung wird ausgelöst und an den Armen oder Beinen über aufgeklebte Elektroden registriert.
  3. AEP (Akustisch evozierte Potentiale): Bei der Messung der akustisch evozierten Potentialen wird die Nervenbahn vom Innenohr über den Hörnerven bis zu den für das Hören zuständigen Gehirnzentren untersucht.
  4. VEP (Visuell evozierte Potentiale): Beim Anblick eines Bildes werden zunächst die Sehzellen auf der Netzhaut aktiviert. Die Zeitdauer vom Auftreten des Sehreizes bis zum Auftreten der Hirnstromaktivität über der Sehrinde lässt sich bis auf die Tausendstel Sekunde genau vermessen.
  5. Doppler- und Duplex-Sonographie: Schlaganfälle werden häufig durch Verengungen oder Verschlüsse der Blutgefäße verursacht, die das Gehirn mit Blut versorgen. Diese Verengungen lassen sich mit Hilfe von Ultraschalluntersuchungen besonders gut und risikolos darstellen.

Demenzdiagnostik

Bei der Diagnostik und zur Überprüfung des Verlaufs einer Demenz sind neben der Krankengeschichte zunächst einfache psychometrische Testverfahren wie der MMSE (Mini-Mental State Examination), der Uhrentest oder der DemTect hilfreich. Wenn Kurztests auffällig sind, kann eine ausführliche Diagnostik erfolgen.

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