Seroquel und Demenz: Auswirkungen und Behandlungsansätze

Die Behandlung von Demenz ist eine komplexe Herausforderung, die oft den Einsatz von Medikamenten zur Linderung von Verhaltens- und psychischen Symptomen (BPSD) erforderlich macht. Antipsychotika wie Seroquel (Wirkstoff Quetiapin) werden in diesem Zusammenhang häufig verschrieben, obwohl ihre Anwendung mit erheblichen Risiken verbunden ist. Dieser Artikel beleuchtet die Wirkung von Seroquel bei Demenz, die potenziellen Nebenwirkungen und alternative Behandlungsansätze.

Einführung in die Problematik

Menschen mit Demenz leiden häufig unter Verhaltensauffälligkeiten wie nächtlicher Unruhe, Aggressionen oder dem Drang, die Wohnung zu verlassen. Diese Symptome können für Angehörige und Pflegekräfte sehr belastend sein, was oft zum Einsatz von Beruhigungsmitteln führt. Insbesondere Antipsychotika werden häufig verschrieben, um diese Symptome zu kontrollieren.

Antipsychotika bei Demenz: Nutzen und Risiken

Antipsychotika, die auch bei Schizophrenie eingesetzt werden, können psychotische Symptome wie Halluzinationen oder Wahnvorstellungen reduzieren. Bei Demenz werden sie jedoch meist aufgrund ihrer beruhigenden Wirkung eingesetzt, um beispielsweise Unruhe zu unterdrücken. Diese Ruhigstellung kann phasenweise notwendig sein, sollte aber aufgrund der erheblichen Nebenwirkungen nur vorübergehend erfolgen.

Problematische Nebenwirkungen von Antipsychotika

Antipsychotika haben gerade bei älteren Menschen mit Demenz viele Nebenwirkungen. Sie können Schwindel, niedrigen Blutdruck und Bewegungsstörungen wie Muskelsteifigkeit verursachen, was die Sturzgefahr erhöht. Zudem können sie die geistigen Fähigkeiten beeinträchtigen, was bei Demenzpatienten besonders problematisch ist. Studien zeigen, dass dennoch etwa 40 Prozent der Demenzerkrankten in Deutschland diese Medikamente erhalten.

Gründe für die häufige Verschreibung

Die häufige Verschreibung von Antipsychotika bei Demenz hat mehrere Ursachen. Oft wird zu wenig Wert auf nicht-medikamentöse Maßnahmen wie körperliche Aktivierung, Beschäftigungstherapie oder Entspannungsverfahren gelegt. Zeit- und Personalmangel in der Pflege sowie ein fehlendes Bewusstsein für die Risiken von Antipsychotika tragen ebenfalls dazu bei. Zudem werden diese Medikamente oft unkritisch weiterverordnet, ohne regelmäßige Überprüfung der Notwendigkeit.

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Das Projekt "Decide" für einen verantwortungsvollen Umgang

Das Projekt "Decide" setzt sich für einen verantwortungsvolleren und bewussteren Umgang mit Antipsychotika bei Menschen mit Demenz ein. Ziel ist es, die Medikamente nicht zu verteufeln, sondern auf ein unkritisches Weiterverordnen über Monate und Jahre aufmerksam zu machen. Es gibt Fälle, in denen Antipsychotika bei Demenz absolut ihre Berechtigung haben, wo sie hilfreich und nützlich sind.

Versorgung im Heim vs. Pflege zu Hause

Die Verordnungsquote von Antipsychotika ist bei Menschen mit Demenz, die zu Hause leben, nur geringfügig niedriger als in der stationären Versorgung im Pflegeheim. Beruhigungsmittel spielen sowohl in der stationären als auch in der häuslichen Versorgung eine große Rolle.

Erkennen der Antipsychotika-Einnahme

Angehörige sollten den Medikationsplan ihres demenzkranken Angehörigen einsehen. Hinweise auf eine Antipsychotika-Einnahme können Einträge wie "bei Unruhe" oder "bei Schlafstörungen" sein. Häufig verordnete Antipsychotika bei Demenz sind Risperidon, Pipamperon, Melperon und Quetiapin.

Gespräch mit dem behandelnden Arzt suchen

Es ist ratsam, das Gespräch mit dem behandelnden Arzt zu suchen, um die Gründe für die Medikamentenverordnung zu erfragen, die Behandlungsziele zu klären, mögliche Nebenwirkungen zu besprechen und die Möglichkeit einer Dosisreduktion zu prüfen.

Alternative Behandlungsansätze ohne Medikamente

Wenn ein demenzkranker Angehöriger nicht zur Ruhe kommt, herumläuft oder aggressiv wird, gibt es psychosoziale Maßnahmen, die hilfreich sein können. Beschäftigungstherapie oder Bewegungsangebote sind gut belegt. Wichtig ist, dass sich jemand Zeit nimmt und sich auf den Menschen mit Demenz einlässt. Ob man gemeinsam ein Puzzle legt, aus der Zeitung vorliest, Fotoalben ansieht oder eine Runde spazierengeht, ist am Ende nicht so relevant.

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Unterstützung für Angehörige

Angehörige, die Menschen mit Demenz zu Hause pflegen, können durch ehrenamtliche Helfer entlastet werden. Der Austausch mit anderen Angehörigen, beispielsweise in Alzheimer Gesellschaften, kann ebenfalls hilfreich sein. Tagespflegeeinrichtungen können den Tag strukturieren und Beschäftigungsangebote machen, die auf Menschen mit Demenz zugeschnitten sind. Ergotherapie oder Physiotherapie kann der Arzt bei Demenz verordnen - übrigens auch als Hausbesuch. Ein strukturierter Tagesablauf mit regelmäßigen Aktivitäten kann das Risiko von Verhaltenssymptomen senken.

Körperliche Ursachen ausschließen

Hinter Verhaltenssymptomen wie Unruhe und Aggression können auch körperliche Beschwerden wie Schmerzen stecken. Diese sollten mit dem Hausarzt abgeklärt werden.

Quetiapin (Seroquel) im Detail

Quetiapin ist ein atypisches Antipsychotikum, das zur Behandlung von Schizophrenie, bipolaren Störungen und Depressionen eingesetzt wird. Es wirkt über die Blockade von Dopamin-D2- und Serotonin-5HT2A-Rezeptoren im Gehirn.

Anwendungsgebiete von Quetiapin

Quetiapin wird angewendet bei:

  • Schizophrenie (Behandlung akuter und chronischer Verläufe)
  • Bipolare Störungen (Manische und depressive Episoden, Rückfallprävention)
  • Off-Label-Anwendungen (je nach nationalen Leitlinien und ärztlicher Entscheidung):
    • Unipolare Depression (als Zusatztherapie bei therapieresistenter Depression)
    • Generalisierte Angststörung
    • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
    • Schlafstörungen (niedrig dosiert, nicht primäre Indikation)

Wirkmechanismus von Quetiapin

Quetiapin blockiert zentrale Dopamin-D2- und Serotonin-5HT2A-Rezeptoren, was zu einer antipsychotischen und stimmungsstabilisierenden Wirkung führt. Die Blockade des 5HT2A-Rezeptors verstärkt die dopaminerge Freisetzung im mesokortikalen System, was die extrapyramidalen Nebenwirkungen im Vergleich zu typischen Antipsychotika reduziert. Zusätzlich moduliert Quetiapin über die partielle agonistische Wirkung des Metaboliten N-Desalkylquetiapin an 5HT1A-Rezeptoren die serotonerge Neurotransmission, was antidepressive Effekte begünstigt. Die antagonistische Wirkung an histaminergen H1- und adrenergen α1-Rezeptoren trägt zur sedierenden Wirkung bei, während eine mäßige Affinität zu muskarinischen M1-Rezeptoren anticholinerge Effekte verursachen kann.

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Pharmakokinetik von Quetiapin

  • Resorption: Absolute orale Bioverfügbarkeit ca. 9 %, Tmax: 1-2 Stunden (oral), Steady-State-Konzentration: innerhalb von 2 Tagen
  • Verteilung: Plasmaproteinbindung ca. 83 %, weite Verteilung im Organismus aufgrund lipophiler Eigenschaften
  • Elimination: Eliminationshalbwertszeit ca. 7 Stunden, aktiver Metabolit N-Desalkylquetiapin ca. 12 Stunden, Ausscheidung: 73 % Urin, 21 % Fäzes

Dosierung von Quetiapin

Die Dosierung von Quetiapin erfordert individuelle Anpassungen je nach Verträglichkeit und Wirkung. Das Absetzen der Einnahme sollte ausschleichend erfolgen. Die empfohlene Dosierung variiert je nach Anwendungsgebiet.

Nebenwirkungen von Quetiapin

Häufige Nebenwirkungen (≥10 %) sind:

  • Somnolenz (Schläfrigkeit, Sedierung)
  • Schwindel
  • Kopfschmerzen
  • Mundtrockenheit
  • Absetzsymptome (bei Therapieende)
  • Erhöhung der Serumtriglyceride
  • Erhöhung des Gesamtcholesterins (vor allem LDL-Cholesterin)
  • Abnahme des HDL-Cholesterins
  • Gewichtszunahme
  • Verringerter Hämoglobinwert

Wechselwirkungen von Quetiapin

Bei der Anwendung von Quetiapin sind folgende Wechselwirkungen zu beachten:

  • CYP3A4-Hemmer
  • CYP3A4-Induktoren
  • Zentral dämpfende Substanzen
  • Serotonerge Substanzen
  • QT-verlängernde Medikamente
  • Antihypertensiva
  • Dopaminagonisten
  • Stimmungsstabilisierer

Kontraindikationen von Quetiapin

Quetiapin darf nicht angewendet werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegen Quetiapin oder einen der sonstigen Bestandteile
  • Gleichzeitige Anwendung von starken CYP3A4-Hemmern
  • Stillzeit
  • Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren
  • Gleichzeitige Anwendung mit Medikamenten, die eine signifikante QT-Verlängerung verursachen
  • Schwere Leberinsuffizienz
  • Schwangerschaft (nur wenn der Nutzen das potenzielle Risiko überwiegt)

Anwendungshinweise für Quetiapin

Folgende Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen sind bei der Anwendung von Quetiapin zu beachten:

  • Suizidrisiko
  • Stoffwechselveränderungen
  • Extrapyramidale Symptome (EPS)
  • Orthostatische Hypotonie
  • Kardiovaskuläre Risiken
  • Schläfrigkeit und Sedierung
  • Blutbildveränderungen
  • Krampfanfälle
  • Harnverhalt und Darmträgheit
  • Erhöhte Mortalität bei Demenz
  • Absetzsymptome
  • Serotoninsyndrom

Antipsychotika und Mortalitätsrisiko bei Demenz

Antipsychotika erhöhen das Mortalitätsrisiko bei Menschen mit Demenz. Neben kardiovaskulären Erkrankungen führen vor allem Pneumonien zum Tod. Die S3-Leitlinie zur Demenz (Stand 2016) betont, dass die Gabe von Antipsychotika bei Patienten mit Demenz wahrscheinlich mit einem erhöhten Risiko für Mortalität und für zerebrovaskuläre Ereignisse assoziiert ist. Das Risiko ist in den ersten Behandlungswochen am höchsten und besteht wahrscheinlich auch in der Langzeitbehandlung.

Alternativen zu Antipsychotika: Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Nicht-medikamentöse Maßnahmen sind bei Demenz vorzuziehen, aber nicht immer möglich. Körperliche und mentale Aktivierung, Beschäftigungstherapie, Entspannungsverfahren und ein strukturierter Tagesablauf können helfen, Verhaltenssymptome zu reduzieren. Wichtig ist, die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben des Patienten zu berücksichtigen.

Analyse der auslösenden Bedingungen

Eine Verhaltensanalyse ist entscheidend, um die Ursachen für Verhaltensstörungen zu identifizieren. Auslösende Bedingungen können schlechte Beleuchtung, räumliche Enge, Harnverhalt, Schmerzen, Partnerkonflikte oder personelle Mängel in Heimen sein. Bauliche oder pflegerische Mängel lassen sich nicht durch die Gabe von AP neutralisieren.

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