Ein Schlaganfall kann das Leben von Betroffenen und ihren Angehörigen von einer Minute auf die andere verändern. Neben den offensichtlichen körperlichen Einschränkungen, wie beispielsweise Schwierigkeiten beim Laufen, Greifen oder Sprechen, kann auch das Sexualleben erheblich beeinträchtigt werden. Viele Betroffene und ihre Partner haben Fragen und Sorgen darüber, wie sich ein Schlaganfall auf ihre Intimität auswirken kann und welche Möglichkeiten es gibt, ein erfülltes Sexualleben wiederzuerlangen.
Die erste digitale Patientenwoche der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe zeigte, dass das Thema Sexualität nach einem Schlaganfall keineswegs ein Tabu ist. Rund 200 Betroffene und Angehörige nutzten die Seminare, Vorträge und Telefonsprechstunden, um sich zu informieren und auszutauschen. Sexualtherapeutin Lisa Spreitzer betont: „Sexualität geht uns alle an und sie spielt auch für ein erfülltes Leben nach Schlaganfall eine Rolle."
Auswirkungen des Schlaganfalls auf die Sexualität
Ein Schlaganfall kann verschiedene Aspekte des Sexuallebens beeinflussen. Körperliche, psychische und soziale Faktoren spielen dabei eine Rolle.
Körperliche Ursachen
- Erektionsstörungen: Erektionsstörungen sind eine häufige Folge von Schlaganfällen. Sie können durch direkte Hirnschädigungen, psychischen Stress, Vorerkrankungen oder Nebenwirkungen von Medikamenten verursacht werden. Studien zeigen, dass bis zu 75 % der Schlaganfallpatienten betroffen sind.
- Ejakulationsstörungen: Schlaganfälle im Bereich der rechten Kleinhirnhemisphäre können eher mit Ejakulationsstörungen assoziiert sein.
- Sensibilitätsverlust: Eine veränderte oder verlorengegangene Sensibilität im gelähmten Körperbereich kann eine Quelle von Verunsicherung und Verwirrung sein. Schmerzen, Missempfindungen und der Kontrollverlust über Blase und Darm führen zu einer völlig veränderten Wahrnehmung des eigenen Körpers.
- Körperliche Einschränkungen: Spastik, Lähmungen oder Schluckstörungen können Intimität und Sexualität zusätzlich erschweren. Berührungen oder Bewegungen, die früher selbstverständlich waren, können nun schwierig oder unmöglich sein.
Psychische Ursachen
- Depressionen und Angstzustände: Depressionen und Angstzustände treten häufig nach einem Schlaganfall auf und können das sexuelle Verlangen und die sexuelle Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
- Verändertes Körperbild: Viele Betroffene fühlen sich aufgrund der körperlichen Veränderungen nach dem Schlaganfall weniger attraktiv. Sie denken vielleicht, sie seien nicht mehr attraktiv für den Partner.
- Angst vor einem erneuten Schlaganfall: Die Angst vor einem erneuten Schlaganfall beim Geschlechtsverkehr kann das Sexualleben ebenfalls beeinträchtigen.
- Selbstwertkrise: Selbstzweifel, Schamgefühle und Ängste können zu einer Selbstwertkrise führen und die sexuelle Leistungsfähigkeit beeinträchtigen.
Medikamente
- Nebenwirkungen von Medikamenten: Einige Medikamente, insbesondere Blutdrucksenker und Antidepressiva, können Erektionsstörungen verursachen.
Umgang mit den Veränderungen: Tipps und Lösungsansätze
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit den Veränderungen im Sexualleben nach einem Schlaganfall umzugehen und ein erfülltes Sexualleben wiederzuerlangen.
Offene Kommunikation
- Gespräche mit dem Partner: Vielen Paaren fällt es ohnehin schwer, sich über ihre sexuellen Wünsche und Bedürfnisse auszutauschen. Ein Schlaganfall erschwert dies meist zusätzlich. Es ist wichtig, offen über die eigenen Gefühle, Ängste und Bedürfnisse zu sprechen.
- Gespräche mit Fachleuten: Wenden Sie sich mit ihren Fragen offen an die jeweiligen Fachleute, zum Beispiel Paar- und Sexualtherapeuten, Urologen oder Neuropsychologen.
Körperliche Rehabilitation
- Körperreise: Da sich die Körperwahrnehmung durch den Schlaganfall verändert, sollten Betroffene sich Zeit nehmen, ihren Körper neu zu entdecken, zum Beispiel durch eine "Körperreise". Wo spüre ich Berührungen noch intensiv, wo nicht mehr? Welche Art von Berührung ist angenehm? Wie gehe ich mit Muskelspannungen oder gar Inkontinenz um?
- Ergotherapie: Ergotherapeuten können helfen, Wahrnehmungsstörungen zu verbessern und die vom Schlaganfall betroffenen Körperregionen allmählich zu reaktivieren. Sie schulen die Wahrnehmung und ermutigen die Betroffenen, zu experimentieren und selbst herauszufinden, was funktioniert.
Psychologische Unterstützung
- Psychologische Beratung: Psychologische Beratung kann helfen, mit Ängsten und Depressionen umzugehen, die nach einem Schlaganfall häufig auftreten. Auch eine Paartherapie kann bei Kommunikationsproblemen hilfreich sein.
- Selbsthilfegruppen: Der Besuch einer Selbsthilfegruppe bietet die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten.
Medikamentöse Therapie
- PDE-5-Hemmer: PDE-5-Hemmer wie Sildenafil (Viagra®) oder Tadalafil (Cialis®) können bei einigen Patienten die Erektionsfähigkeit verbessern. Diese Medikamente erhöhen den Blutfluss zum Penis und helfen so, eine Erektion zu bekommen.
Weitere Tipps
- Zeit nehmen: Nehmen Sie sich Zeit für Zärtlichkeit und Intimität.
- Neue Wege entdecken: Seien Sie offen für neue Formen der Sexualität und probieren Sie verschiedene Dinge aus.
- Selbstbefriedigung: Selbstbefriedigung kann eine vollwertige Form der Sexualität sein.
- Lebensstil anpassen: Reduzieren Sie Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Depressionen und Bluthochdruck.
Erektionsstörungen nach Schlaganfall: Ursachen und Behandlung
Erektile Dysfunktion (ED) ist eine häufige Folge eines Schlaganfalls und kann die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.
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Ursachen von Erektionsstörungen nach Schlaganfall
- Neurologische Schäden: Direkte Schädigungen bestimmter Hirnareale wie des präfrontalen Cortex, des limbischen Systems und des Hypothalamus können die sexuelle Funktion beeinträchtigen.
- Psychische Faktoren: Emotionale Belastung, Angst vor weiteren gesundheitlichen Problemen und ein verändertes Körperbild können das sexuelle Verlangen und die sexuelle Leistungsfähigkeit stören.
- Medikamente: Die Einnahme von Blutdrucksenkern und Antidepressiva ist häufig mit Erektionsstörungen verbunden.
- Vorerkrankungen: Diabetes und Bluthochdruck können ebenfalls zu Erektionsstörungen beitragen.
Behandlung von Erektionsstörungen nach Schlaganfall
Die Behandlung von Erektionsstörungen nach einem Schlaganfall ist vielseitig und beinhaltet verschiedene Ansätze:
- Medikamentöse Therapie: PDE-5-Hemmer wie Sildenafil (Viagra®) oder Tadalafil (Cialis®) können die Erektionsfähigkeit verbessern.
- Psychologische Beratung: Psychologische Beratung kann helfen, mit Ängsten und Depressionen umzugehen. Auch eine Paartherapie kann bei Kommunikationsproblemen hilfreich sein.
- Vakuumtherapie: Eine Vakuumtherapie kann helfen, eine Erektion zu erzeugen.
- Physikalische Therapie: Physikalische Therapie kann helfen, die Durchblutung im Beckenbereich zu verbessern.
- Lebensstiländerungen: Die Reduzierung von Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Depressionen und Bluthochdruck kann ebenfalls zu einer Verringerung von Erektionsstörungen beitragen.
Wichtige Hinweise zur Einnahme von PDE-5-Hemmern
- PDE-5-Hemmer dürfen nicht ohne weiteres mit Blutdrucksenkern oder Herzmedikamenten kombiniert werden.
- Insbesondere die gleichzeitige Einnahme von Nitraten kann zu lebensbedrohlichen Kreislaufproblemen führen.
- Laut den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie sollten PDE-5-Inhibitoren zudem nicht in den ersten sechs Monaten nach einem Schlaganfall verschrieben werden.
- Eine Abstimmung mit dem Arzt ist essenziell, um gefährliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden.
Sexualität bei Querschnittlähmung
Auch bei einer Querschnittlähmung ist Sexualität ein wichtiger Bestandteil der Lebensqualität. Die Bewältigung einer Querschnittlähmung stellt einen gewaltigen Anpassungsprozess dar, der mit Veränderungen und Lernprozessen in fast jedem Lebensbereich verbunden ist. Dies betrifft auch in ganz zentraler Weise den Bereich der Sexualität.
Herausforderungen bei Querschnittlähmung
- Verlust von Beweglichkeit und Sensibilität: Der Verlust von Beweglichkeit, Sensibilität und die Blasen-Mastdarmlähmung können das Sexualleben erheblich beeinflussen.
- Schamgefühle: Das Gefühl der Scham im Zusammenhang mit den Blasen- und Darmproblemen kann ein Sexualleben nicht möglich erscheinen lassen.
- Starre Überzeugungen: Starre Überzeugungen darüber, was Sexualität ist und wie sie zu sein hat, können Anpassung und Veränderung erschweren.
Wege zu einem erfüllten Sexualleben bei Querschnittlähmung
- Akzeptanz der Veränderung: Erst durch das Akzeptieren der Veränderung wird man erkennen können, dass es gut ist, wie es ist, selbst wenn es anders ist, als es in der Vergangenheit war.
- Körper neu entdecken: Es ist wichtig, sich mit diesen Veränderungen auseinanderzusetzen, den Körper neu zu entdecken, seine körperlichen Veränderungen zu kennen und auch innerlich anzunehmen.
- Unrealistische Erwartungen vermeiden: Unrealistische Erwartungen können weit hinderlicher für ein erfülltes Sexualleben sein als die tatsächlichen körperlichen Beeinträchtigungen.
- Selbstbefriedigung: Selbstbefriedigung kann eine vollwertige Form der Sexualität sein, setzt dafür aber eine liebevolle und akzeptierende Beziehung zum eigenen Körper voraus.
- Vorurteile abbauen: Es sind meist Vorurteile über Behinderung und Sexualität, die einer Veränderung im Wege stehen können.
Sexualität als Teil der Rehabilitation
Die Wiederbelebung der Sexualität nach einem Schlaganfall ist wichtig für die allgemeine Gesundheit, weil sie ein Stück Normalität zurückgibt. Auch wenn Überlebende von Schlaganfällen bei körperlicher Aktivität vorsichtig sein sollten: Sex gilt nicht als Risikofaktor für einen weiteren Schlaganfall. Ein gesundes Sexualleben hilft sogar bei der Genesung, indem es die Beziehung eines Paares verbessert.
Ergotherapeuten spielen eine wichtige Rolle bei der Rehabilitation der Sexualität nach einem Schlaganfall. Sie fokussieren sich auf den Alltag der Betroffenen und berücksichtigen, was demjenigen in seinem Leben etwas bedeutet, was ihn antreibt, was zu seinem Lebensglück führt. Sie helfen den Betroffenen, Ängste abzubauen, ihr Körperbewusstsein zu verbessern und neue Wege zu entdecken, um Intimität und Zärtlichkeit zu erleben.
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