Silvia Pfleger Demenz Forschung: Ein Überblick über Ansätze und Entwicklungen

Die Demenzforschung hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht, dennoch bleibt die Suche nach Heilmitteln eine große Herausforderung. Parallel dazu gewinnt die praxisorientierte Versorgungsforschung im Bereich Demenz zunehmend an Bedeutung. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz und die Unterstützung ihrer Angehörigen. Hierbei spielt die schwedische Pflegephilosophie Silviahemmet® eine zentrale Rolle.

Was ist Silviahemmet®?

Silviahemmet (übersetzt „Silvias Heim“) ist eine schwedische Stiftung, die 1996 von Königin Silvia gegründet wurde. Die Stiftung hat auf der Grundlage von Palliative Care eine Philosophie entwickelt, die als Wegweiser zur Erstellung eines auf die jeweilige Einrichtung zugeschnittenen Konzepts dient. Ziel von Silviahemmet® ist es, dem Menschen mit Demenz ein selbstbestimmtes Leben und somit eine Sinnperspektive zu erhalten. Die Stiftung sieht den Erkrankten als Lehrer, was eine individuell an seinen Bedürfnissen orientierte Betreuung ermöglicht.

Die vier Säulen der Silviahemmet®-Philosophie

Die palliative Pflegephilosophie Silviahemmet® stützt sich auf vier Säulen:

  1. Symptomkontrolle: Linderung von körperlichen und psychischen Beschwerden.
  2. Teamarbeit: Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen, um eine umfassende Versorgung zu gewährleisten.
  3. Angehörigenunterstützung: Einbeziehung und Unterstützung der Familie des Erkrankten.
  4. Kommunikation/Beziehungsarbeit: Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zum Patienten und seinen Angehörigen.

Im Zentrum steht die Würde des Erkrankten.

Silviahemmet® in der Praxis

Das Konzept von Silviahemmet® findet in verschiedenen Bereichen Anwendung:

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  • Stationäre Einrichtungen: In Deutschland gibt es Einrichtungen, die Wohnbereiche speziell für Demenzkranke eingerichtet haben und deren Pflegephilosophie sich an dem Konzept der Stiftung Silviahemmet orientiert.
  • Akutkrankenhäuser: Die Demenzstation Silvia am Malteser Krankenhaus St. Hildegardis in Köln ist ein Beispiel für die Umsetzung des Silviahemmet-Prinzips in einem Akutkrankenhaus. Hier wird versucht, ein günstiges Klima zu schaffen und die Organisation an die Bedürfnisse der Patient(inn)en anzupassen.
  • Schulungen: Interessierte Einrichtungen können sich von erfahrenen Silviahemmet®-Trainern schulen lassen und die praktische Umsetzung vor Ort erleben.

Weiterbildung im Bereich Silviahemmet®

Um die Umsetzung der Silviahemmet®-Philosophie zu fördern, werden spezielle Weiterbildungen angeboten. Diese umfassen in der Regel einen Grund- und einen Aufbaukurs.

Grundkurs (16 Stunden)

  • Modul 1: Silviahemmet®-Philosophie als Grundlage / Pflege auf Augenhöhe
  • Modul 2: Geriatrie und Gerontologie (internationaler Forschungsstand)
  • Modul 3: Anatomie / Physiologie Zentralnervensystem
  • Modul 4: Das normale Altern / altersbedingte Erkrankungen
  • Modul 5: Grundlagen der Diagnostik und Therapie

Aufbaukurs (16 Stunden)

  • Modul 6: Symptome und Symptomkontrolle
  • Modul 7: Ernährung und Esskultur
  • Modul 8: Unterstützung der Aktivitäten
  • Modul 9: Umsetzungsmöglichkeiten im Alltag / Teamarbeit und Kommunikation
  • Modul 10: Beratung und Unterstützung der Angehörigen

Ziel: Die Umsetzung dieser neuen Methode nach schwedischem Konzept kann nicht nur die Betreuung der an Demenz erkrankten Menschen verbessern, sondern erleichtert die Zusammenarbeit mit den Angehörigen und entlastet das therapeutische Team.

Abschluss: Zertifikat

Die Durchführung erfolgt durch eine Trainerin mit schwedischem Zertifikat.

Herausforderungen und Perspektiven in der Demenzforschung

Trotz der Fortschritte in der Demenzforschung gibt es weiterhin große Herausforderungen. Neurodegenerative Demenzen, vor allem die Alzheimer-Demenz, sind Ausdruck einer kollektiven Langlebigkeit, denn diese Erkrankungen werden überwiegend erst im höheren Alter klinisch manifest. Trotz intensiver Bemühungen in der Forschung in den letzten Jahrzehnten konnte bisher noch kein Heilmittel gefunden werden. Mittlerweile wird von einigen Forschern sogar das Amyloid-Kaskaden-Konzept als zentrale Arbeitshypothese in Frage gestellt.

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Der Queen Silvia Nursing Award

Königin Silvia engagiert sich seit vielen Jahren für die Verbesserung der Pflege von Menschen mit Demenz. Seit 2013 vergibt sie den Queen Silvia Nursing Award, der sich an Nachwuchskräfte in der Pflege richtet. Die Auszeichnung wird inzwischen nicht nur in Schweden, sondern auch in Finnland, Polen und Deutschland verliehen.

Innovationen in der Demenzversorgung

Neben der Anwendung der Silviahemmet®-Philosophie gibt es weitere innovative Ansätze in der Demenzversorgung. In Forst wurde beispielsweise ein Wohnprojekt für demente Menschen eröffnet, das mit Sensoren und einem Hausnotrufsystem ausgestattet ist, das mit Hilfe von künstlicher Intelligenz Gefahren erkennt.

Die Bedeutung der Angehörigen

Die Angehörigen spielen eine wichtige Rolle in der Betreuung von Menschen mit Demenz. Sie sind die Brücke zwischen zwei Welten und benötigen Unterstützung und Beratung. Die palliative Pflegephilosophie Silviahemmet® legt daher großen Wert auf die Einbeziehung und Unterstützung der Familie des Erkrankten.

Fallbeispiele und Erfolge

Station Silvia in Köln

Die Demenzstation in der Akutklinik St. Hildegardis in Köln zieht nach fast einem Jahr positive Bilanz: Die Behandlung nach dem Silviahemmet-Prinzip setzt auf Ganzheitlichkeit und beruhigt die Patienten. Auf Station Silvia werden akut erkrankte Patient(inn)en (meist internistisch oder chirurgisch) behandelt, die unter einer Demenz als Begleiterkrankung leiden. Es werden dort überwiegend Patient(inn)en mit leichter bis mittelschwerer Demenz versorgt, bei denen häufig noch ein rehabilitatives Potenzial besteht. Das Team der Station arbeitet in Anlehnung an das schwedische „Silviahemmet“-Konzept, das auf einem palliativen Ansatz für alle Berufsgruppen beruht.

Konkret wurde auf Station Silvia eine geeignete Raumgestaltung umgesetzt mit Ess-/Wohnzimmer, Gästezimmer, vier großzügig ausgestatteten Zweibettzimmern, geschützter Lage sowie einem Farb- und Lichtkonzept, das auf großer Helligkeit der Räume (Lichtquellen mit mehr als 600 Lux) und starkem Rot- sowie Gelbanteil beruht. Man hat nämlich die Erfahrung gemacht, dass Demenzkranke diese Farben besser erkennen können als beispielsweise Blau- und Grüntöne. Auch leiden die meist älteren dementen Menschen häufig gleichzeitig unter einer verminderten Sehfähigkeit. Selbstverständlich sind die Patientenzimmer barrierefrei. Die Betten sind im Unterschied zur sonstigen Anordnung eines Krankenzimmers längs der Wand angeordnet, so dass auch auf diese Weise Geborgenheit und Sicherheit vermittelt und die Sturzgefahr verringert wird.

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Die Patient(inn)en, die auf Station Silvia meist wegen einer internistisch-geriatrischen oder chirurgischen Akuterkrankung behandelt werden, haben neben der ärztlichen Diagnostik und Therapie einen strukturierten Tages- und Wochenplan mit gemeinsamen Mahlzeiten (angepasste Zeiten), Gruppen- und Einzeltherapien, Freizeitaktivitäten oder Spaziergängen. Besonders die Aktivitäten am Nachmittag wechseln im Lauf der Woche ab und umfassen unter anderem Musik, gemeinsames Singen, Spiele, einen Lesezirkel, gemeinsames Kochen und Backen.

Die positiven Effekte der neuen Station beschränken sich nicht nur auf die Patient(inn)en und Angehörigen. Die Mitarbeiterzufriedenheit ist hoch, weil die günstigen Auswirkungen der Silviahemmet-Philosophie unmittelbar sichtbar sind. Die Zusammenarbeit der medizinischen Fachabteilungen des Krankenhauses wird gestärkt, da einige Patient(inn)en auf dieser Station interdisziplinär behandelt werden (zum Beispiel chirurgisch-geriatrisch). Bereits heute ist erkennbar, dass die Abteilung Akutgeriatrie und Tagesklinik, die derzeit zum Zentrum für Altersmedizin ausgebaut wird, deutlich von Station Silvia profitiert. Medieninteresse und Öffentlichkeitswirkung der Eröffnung waren so hoch, dass der Bekanntheitsgrad der Geriatrie gestiegen ist.

Besuch von Königin Silvia in Forst

Schwedens Königin Silvia hat bei einem Besuch im brandenburgischen Forst dazu aufgerufen, „Menschen mit Demenz in die Mitte der Gesellschaft“ zu holen. In Forst eröffnete die Königin zusammen mit Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ein vom Potsdamer Ernst von Bergmann-Klinikum und der Forster Lausitz-Klinik getragenes Wohnprojekt. Dazu wurde ein seit einem Jahrzehnt leer stehender Plattenbau im Stadtzentrum saniert und speziell für demente Menschen umgebaut: So gibt es in jeder Wohnung Sensoren, die anzeigen, ob jemand etwa die Herdplatte zu lange angelassen hat. Und ein Hausnotrufsystem erkennt mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, ob irgendwo Gefahren lauern. Im Notfall ruft es eigenständig Hilfe. Auch das Lausitz-Klinikum, das zum Potsdamer Ernst von Bergmann-Klinikum gehört, ist von der Stiftung der schwedischen Königin für den Umgang mit Demenzkranken zertifiziert worden.

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