Die Diagnose Demenz stellt eine erhebliche Belastung für Betroffene und ihre Familien dar. Da es derzeit keine erfolgversprechende Therapie gibt, gewinnt die Prävention und die Beeinflussung des Krankheitsverlaufs an Bedeutung. Studien zeigen, dass körperliche Aktivität und Bewegung einen positiven Einfluss auf das Eintrittsalter und den Verlauf einer Demenzerkrankung haben können.
DenkSport: Ein Forschungsprojekt zur Förderung von Bewegung bei Demenz
Die DenkSport Studie, initiiert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem EU-JPND Programm im Jahr 2015, hat sich als eigenständiges Forschungsprojekt an der Deutschen Sporthochschule Köln etabliert. Ziel ist es, die wissenschaftliche Grundlage dafür zu schaffen, dass Sport und Bewegung bei Demenz funktionieren können.
Die Bedeutung von Sport und Bewegung im Alter
Sport und Bewegung fördern die Gesundheit auf verschiedenen Ebenen. Sie tragen zur körperlichen Fitness bei und stärken das körperliche Selbstvertrauen, was für ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben im Alter von großer Bedeutung ist. Zudem ermöglichen sie die gesellschaftliche Teilhabe, indem sie soziale Kontakte fördern und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Sozialer Rückzug und Isolation stellen einen erheblichen Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenzerkrankung dar.
Im DenkSport Projekt kommen Menschen unterschiedlichen Alters, mit und ohne Erkrankung, zusammen, um gemeinsam zu trainieren und sich gegenseitig zu unterstützen.
Harvard-Langzeitstudie: Schon wenig Bewegung kann Alzheimer bremsen
Eine Harvard-Langzeitstudie deutet darauf hin, dass bereits ein wenig Bewegung den kognitiven Abbau bei Alzheimer-Demenz hinauszögern kann. Ein Spaziergang von 3.000 Schritten am Tag, was etwa zwei Kilometern in einer halben Stunde entspricht, könnte das Fortschreiten der Krankheit um bis zu drei Jahre verzögern.
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Risikofaktoren für Demenz und die Rolle körperlicher Inaktivität
Für die Entwicklung einer Demenz gibt es verschiedene Risikofaktoren, darunter höheres Alter, weibliches Geschlecht, arterielle Hypertonie, Diabetes Mellitus, Adipositas, Nikotinabusus, niedriges Bildungsniveau und Depressionen. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass veränderliche Faktoren, mit Ausnahme von Geschlecht und Alter, für etwa 30 % der Alzheimer-Erkrankungen in Deutschland verantwortlich sind. Laut Berechnungen stellt körperliche Inaktivität das höchste Risiko dar.
Kognitive Reserve: Die Widerstandsfähigkeit des Gehirns stärken
Die kognitive Reserve bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, altersbedingte oder pathologische kognitive Verschlechterungen abzumildern. Dies wird durch eine verstärkte Aktivität noch funktionsfähiger Neurone in der Nachbarschaft geschädigter Gebiete ermöglicht. Körperliche Aktivität trägt zur Erhaltung der neuronalen strukturellen Integrität bei und ist somit relevant für die Gehirnfunktion.
Allerdings sind etwa 50 % der Menschen in Deutschland körperlich inaktiv.
Sport kann auch bei bestehender Demenz die kognitiven Funktionen verbessern
Die gute Nachricht ist, dass Sport auch bei bereits bestehender Demenz die kognitiven Funktionen verbessern kann. Studien und Metaanalysen haben die Wirksamkeit von körperlicher Aktivität auf die kognitiven Funktionen, psychologische Faktoren, Alltagsaktivitäten und körperliche Parameter belegt.
Welche Sportarten sind bei Demenz geeignet?
Therapeutisch können bei Demenz alle Sportarten ausgeführt werden, die individuell möglich sind. Walking wird oft empfohlen, da die Verletzungsgefahr gering ist und es leicht durchführbar ist. Aktivere Sportarten können jedoch einen noch größeren Effekt haben. Eine Kombination von Sportarten oder Trainingsformen scheint am wirksamsten zu sein.
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Bewegungsempfehlungen für ein gesundes Gehirn
Bewegung hält das Gehirn gesund. Es gibt keine "beste" Sportart - wichtig ist, dass sie Spaß macht und regelmäßig ausgeübt wird.
- Ausdauersportarten: Gehen, Radfahren oder Schwimmen für Herz und Kreislauf.
- Ganzkörpertrainings: Yoga oder Pilates zur Förderung von Beweglichkeit und Balance.
- Tanzen oder Tai-Chi: Zur Stärkung der Koordination und des Gedächtnisses.
- Krafttraining: Zur Vorbeugung von Muskelabbau und Stürzen.
Es wird empfohlen, gesundheitliche Bedenken mit einem Sportmediziner zu besprechen.
Auch Bewegung im Alltag, wie Spaziergänge, Treppensteigen oder Gartenarbeit, hält Körper und Geist fit.
Bewegung als Therapie bei Demenz
Bewegung kann helfen, den Krankheitsverlauf von Menschen mit Demenz zu verlangsamen und depressive Symptome zu lindern. Sie stärkt das Selbstvertrauen, das Körpergefühl und den Kontakt zur Umgebung. Aktivität in Gruppen kann Lebensfreude schenken und das Gefühl der Zugehörigkeit stärken.
- Kraft- und Ausdauertraining: Verbessert die Durchblutung des Gehirns und kann helfen, kognitive Fähigkeiten länger zu erhalten.
- Sanfte Bewegungsformen (Yoga oder Tai-Chi): Fördern Balance, Konzentration und innere Ruhe.
- Musik und Bewegung (Tanzen oder Klatschen): Können Erinnerungen wecken und die Bewegung erleichtern.
Menschen mit Demenz müssen keine neuen Sportarten erlernen, sondern können an alte Gewohnheiten und Leidenschaften anknüpfen.
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Der erste Schritt zu mehr Bewegung
Es muss nicht perfekt sein - Hauptsache, es fühlt sich gut an. Ein kurzer Spaziergang, ein paar Tanzschritte in der Küche oder gemeinsames Gärtnern können bereits positive Effekte haben. Es ist ratsam, sich frühzeitig mit dem Thema Bewegung und Demenz auseinanderzusetzen, um die eigene Gesundheit zu fördern.
Körperliche Aktivität als Therapie bei Demenz
Da Demenz häufig im höheren Lebensalter auftritt, sind Betroffene oft mit altersbedingten Belastungen wie reduzierter Ausdauerleistungsfähigkeit, Muskelabbau, eingeschränkter Koordination, Sturzgefährdung sowie arthrotischen und osteoporotischen Veränderungen konfrontiert. Die Reduktion der kognitiven Leistungsfähigkeit führt zu einem Verlust an Alltagsleistungen und einer erhöhten Sturzgefahr.
Bewegungstherapie: Den körperlichen und geistigen Abbau aufhalten
Bewegung kann diesen Faktoren entgegenwirken und therapeutisch wirksam sein. Studien haben gezeigt, dass Menschen mit Alzheimer im Frühstadium von körperlichem Training im selben Ausmaß profitieren wie gesunde Personen. Ein speziell auf Demenzerkrankte abgestimmtes Trainingsprogramm kann die körperliche Leistungsfähigkeit steigern und die kognitive Leistungsfähigkeit verbessern.
Gleichgewicht, Kräftigung und Multitasking: Die Bausteine der Bewegungstherapie
In der Bewegungstherapie für Menschen mit kognitiven Einschränkungen sind Gleichgewichts- und Balancetraining, Kräftigungstraining und Multitaskingaufgaben von Bedeutung.
- Gleichgewichts- und Balancetraining: Übungen zur Verbesserung des Stands, gegebenenfalls mit Unterstützung und unter Verwendung instabiler Unterlagen.
- Kräftigungstraining: Alltagsnahe Übungen mit einer höheren Trainingsintensität zur Stärkung der Beinmuskulatur und des Rumpfes.
- Multitaskingaufgaben: Gleichzeitiges Ausführen sportlicher Bewegungen und kognitiver Aufgaben, wie z. B. Rechnen oder das Finden von Gegenteilen zu vorgegebenen Worten.
Methodische Aspekte der Sport- und Bewegungstherapie
Bei der Sport- und Bewegungstherapie bei Demenzerkrankungen sind einige methodische Punkte zu beachten:
- Klare und geduldige Vermittlung: Langsame, deutliche Anweisungen, unterstützt durch Bilder und Bewegungsdemonstrationen.
- Taktile und rhythmische Hilfen: Ergänzende Unterstützung durch Berührungen und rhythmische Elemente.
- Günstige Rahmenbedingungen: Gewohnte Räumlichkeiten, ein fester Organisationsablauf, kleine Gruppengrößen und die Möglichkeit zur Individualisierung.
- Emotionale Integration: Freude und soziale Interaktion fördern die Aufmerksamkeit und Akzeptanz.
- Musik: Alte, bekannte Musikstücke können Erinnerungen wecken und die Bewegung erleichtern.
Bewegungstherapie und Gehirnleistung: Neuroplastizität nutzen
Das Gehirn ist ein anpassungsfähiges Organ. Die Sport- und Bewegungstherapie kann diese Anpassungsprozesse (Neuroplastizität) stimulieren.
Durchblutungssteigerung: Das Gehirn mit Sauerstoff versorgen
Körperliche Aktivität steigert den Stoffwechselbedarf des Gehirns und führt zu einer Mehrdurchblutung. Bereits geringe körperliche Aktivität kann die Durchblutung stärker steigern als rein geistige Aktivität.
Sinne schärfen: Die Informationsaufnahme verbessern
Die menschlichen Sinne sind die Voraussetzung für die Informationsaufnahme aus der Umwelt. Durch Aktivität können die Sinne geschärft und die dazugehörigen Gehirnareale entwickelt werden.
- Tastsinn: Aktivierung durch die Hände und deren Repräsentanz im Gehirn.
- Hörsinn: Sensibilisierung durch die Kombination von Bewegungen mit Lauten, Wörtern und Kommandos.
- Sehsinn: Stimulation durch spezielle Übungen für die Augen.
- Gleichgewichtssinn: Zentral für sensomotorisches Training und Sturzprophylaxe.
Synapsenverbindungen: Das Netzwerk im Gehirn stärken
Das Gehirn ist mit möglichst vielseitigen Anforderungen zu konfrontieren, um die Vernetzung der Gehirnzellen zu fördern. Je komplexer eine Bewegung ist, desto mehr Verbindungen entstehen. Die Verknüpfungen sollen nicht nur in den für die Bewegung verantwortlichen Gehirnbereichen stattfinden, sondern auch mit Neuronen aus den Motivations-, Aufmerksamkeits- und Emotionszentren. Für dauerhaft stabile Verbindungen ist die Anzahl der Wiederholungen entscheidend.
Neubildung von Nervenzellen (Neurogenese): Das Gehirn regenerieren
Auch im höheren Lebensalter können sich bei entsprechenden Stimuli wieder neue Neuronen bilden.
Neurotransmitter steigen: Die Gehirnleistung verbessern
Überträgerstoffe im Gehirn bestimmen das Aktivitätsniveau, die Stimmung, die Vitalität und das Verhalten. Körperliche Aktivität kann die Konzentration von Neurotransmittern erhöhen, insbesondere des Substanzkomplexes BDNF (Brain Derived Neurotrophic Factors), der die Übertragungseffektivität der Synapsen steigert.
SMART-Studie: Sport und Metabolismus im Alter
Um den positiven Einfluss von Bewegung auf das Gehirn zu untersuchen, haben Alternsforscher und Sportmediziner an der Goethe-Universität eine Studie durchgeführt. Die SMART-Studie (Sport-und Metabolismus im Alter - eine MRT Studie) untersuchte die Effekte von regelmäßiger Bewegung auf den Gehirnstoffwechsel und das Gedächtnis von älteren Erwachsenen.
Die Teilnehmer absolvierten über einen Zeitraum von 12 Wochen dreimal wöchentlich ein Fahrradergometer-Training. Vor und nach dem Sportprogramm wurden der Gehirnstoffwechsel und die Gehirnstruktur im Magnetresonanztomographen (MRT) gemessen.
Das Training verhinderte den Anstieg von Cholin, einem Stoffwechselprodukt, dessen Konzentration bei der Alzheimer-Demenz häufig ansteigt.
Demenzprognosen und Risikofaktoren
Nach den Vorhersagen einer internationalen Gesundheitsstudie könnte sich die Zahl der weltweiten Demenzfälle in den kommenden drei Jahrzehnten verdreifachen. Für Deutschland prognostizieren die Forscher einen möglichen Anstieg von 1,7 Millionen auf 2,8 Millionen Fälle.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht eine der Hauptgründe für die wachsende Zahl der Demenzerkrankungen in der steigenden Lebenserwartung der Weltbevölkerung. Als wichtige Risikofaktoren gelten Fettleibigkeit, hoher Blutzucker (Diabetes) und Bluthochdruck sowie übermäßiger Alkoholkonsum und Rauchen. Aber auch Depression, soziale Isolation, Kopfverletzungen, Hörminderung, Luftverschmutzung sowie niedrige Bildung sind bekannte Risikofaktoren.
Synaptische Proteine und körperliche Aktivität
Wissenschaftler in den USA und Kanada haben nachgewiesen, dass sich Bewegung und Sport positiv auf die Erhaltung der kognitiven Fähigkeiten von älteren Menschen auswirken. Die Forschungsteams werteten die Daten eines Langzeitprojektes aus und stellten fest, dass die Gehirne von körperlich aktiven älteren Menschen einen höheren Wert an bestimmten "synaptischen Proteinen" aufweisen, die den Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn verbessern. Zugleich scheint diese "synaptische Integrität" auch jene toxischen Beta-Amyloid-Ablagerungen (Plaques) und Tau-Proteinanreicherungen im Gehirn zu vermindern, die für die Alzheimer-Krankheit kennzeichnend sind. Die positive Wirkung synaptischer Proteine beeinflusst nicht nur den Hippocampus, sondern auch andere Gehirnregionen, die mit kognitiven Funktionen in Verbindung stehen.