Ein Schlaganfall kann das Leben eines Menschen von einer Sekunde zur anderen verändern. Viele Betroffene erleiden vorübergehende oder dauerhafte Lähmungen bestimmter Körperregionen. Regelmäßiger Sport kann jedoch dazu beitragen, die Mobilität wiederzuerlangen und langfristig Fitness, Kraft und Lebensqualität zu erhalten.
Die Vorteile von Sport nach einem Schlaganfall
Sport und Bewegung können dazu beitragen, durch den Schlaganfall verloren gegangene Fähigkeiten zum Teil wiederzuerlangen. Das Gehirn besitzt eine bemerkenswerte Lernfähigkeit, die es ermöglicht, neue neuronale Verbindungen zu schaffen und Funktionen wiederzuerlernen. Die Vorteile von Sport nach einem Schlaganfall sind vielfältig:
- Verbesserung der Ausdauer: Sportliche Betätigung stärkt das Herz-Kreislauf-System und erhöht die allgemeine Ausdauer.
- Steigerung der Muskelkraft: Gezieltes Training kräftigt die Muskulatur und verbessert die Körperstabilität.
- Förderung der Koordinationsfähigkeit: Übungen zur Koordination verbessern die Bewegungsabläufe und das Zusammenspiel von Muskeln und Nerven.
- Verbesserung des Körpergefühls und der Wahrnehmung: Durch Sport nehmen Betroffene ihren Körper bewusster wahr und verbessern ihr Körpergefühl.
- Abmilderung neurologischer Folgen: Sport kann dazu beitragen, die Auswirkungen neurologischer Schäden zu reduzieren.
- Mehr Aktivität im Alltag: Durch die Kräftigung der Muskeln wird mehr Aktivität im Alltag ermöglicht, was die Lebensqualität steigert und das Sturzrisiko verringert.
Sport als Prävention gegen weitere Schlaganfälle
Bewegung hat einen positiven Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System. Sie senkt den Blutdruck und unterstützt die Regulierung des Zucker- und Fettstoffwechsels. Dadurch wird der Arterienverkalkung (Arteriosklerose) vorgebeugt bzw. deren Fortschreiten verlangsamt, was wiederum das Risiko für Blutgerinnsel erheblich senkt. Gleichzeitig wird die Elastizität der Gefäße erhalten. Gerade nach einem Schlaganfall ist Sport daher eine wichtige Maßnahme, um erneute Herz-Kreislauf-Probleme zu vermeiden. Eine Studie hat gezeigt, dass bereits maßvolle körperliche Aktivität mehr nützt als der beste Blutdrucksenker. Wer es schafft, pro Woche mindestens fünfmal 30 Minuten körperlich aktiv zu sein, dessen Risiko für einen Schlaganfall liegt nach drei Jahren bei nahezu null.
Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. empfiehlt in ihrer „Leitlinie Schlaganfall“ wöchentlich mindestens 150 Minuten mäßige oder 75 Minuten intensive körperliche Aktivität sowie wöchentlich mindestens zweimal Krafttraining aller großen Muskelgruppen. Personen, die nicht in der Lage sind, körperlich aktiv zu sein, sollten versuchen, die im Sitzen verbrachte Zeit zu minimieren.
Geeignete Sportarten nach einem Schlaganfall
Nach einem Schlaganfall sollten Betroffene keinesfalls in Eigenregie mit Sport beginnen, sondern den Wunsch mit ihrem Arzt besprechen. In der Regel ist Rehabilitationssport (Rehasport) ein guter Einstieg. Im Anschluss kann dann allein oder in einer Gruppe weiter gemacht werden.
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Rehasport
Rehasport wird von einem Arzt verschrieben. Dafür gibt es in jeder Region spezielle Rehasportgruppen. In der Regel umfasst der Rehasport 50 Übungseinheiten für einen Zeitraum von 18 Monaten oder 120 Einheiten in 36 Monaten bei starker Beeinträchtigung. Wie genau der Rehasport nach einem Schlaganfall abläuft, hängt von den individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen der Teilnehmenden ab. Gymnastikübungen und Bewegungsspiele können genauso dazugehören wie Schwimmen. Rehasport ist eine Fortführung der medizinischen Rehabilitation. Es handelt sich um ein Gruppentraining zur Förderung von Ausdauer, Kraft und Koordination zum Beispiel durch Gymnastik, Schwimmen oder Bewegungsspiele. Die Übungseinheiten werden von qualifizierten Übungsleiterinnen und Übungsleiterinnen angeleitet. Rehabilitationssport wird ärztlich verordnet, die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen.
Ausdauersport
Grundsätzlich sollten Sie darauf achten, Ihr Herz-Kreislauf-System nicht zu stark zu belasten. Ein Pulsmesser ist daher beim Sport nach einem Schlaganfall eine gute Wahl. Ansonsten gilt: Ausdauersport verbessert Herz- und Lungentätigkeit. In Studien hat sich gezeigt, dass er zudem die Mobilität und die Belastbarkeit erhöht. Geeignete Ausdauersportarten sind zum Beispiel:
- Schwimmen
- Walking
- Nordic Walking
- Rad fahren
- Schnelles Spazierengehen
Beginnen Sie zunächst mit wenigen Minuten Sport und steigern Sie sich nach und nach. Bei Sport im Freien sollten Schlaganfallpatienten auch darauf achten, starke Hitze und direkte Sonneneinstrahlung zu vermeiden.
Gymnastik
Zu den Rehabilitationsmaßnahmen nach einem Schlaganfall gehört in der Regel eine umfangreiche Physiotherapie. Sie sollten sich aber nicht zu stark belasten und regelmäßig den Puls messen. Plötzliche Drehbewegungen des Kopfes sowie Übungen mit nach unten geneigtem Kopf sollten Sie vermeiden. Tabu ist zudem starkes Pressen. Geräte sollten Sie also mit niedriger Intensität beziehungsweise mit wenigen Gewichten verwenden.
Tanzen
Eine ältere Studie aus dem Jahr 2018 mit Schlaganfall-Patientinnen und -Patienten konnte bereits zeigen, dass ein Tanzprogramm sicher durchführbar ist. Angepasste Tanzprogramme sind nach aktueller Studienlage vielversprechend für die Rehabilitation in der ersten Phase nach dem akuten Auftreten eines Schlaganfalls.
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Bewegung im Alltag
Nach einem Schlaganfall können Sie das leichte Sportprogramm um mehr Bewegung im Alltag ergänzen, zum Beispiel:
- Gehen Sie häufiger mal ein Stück zu Fuß.
- Verzichten Sie auf den Fahrstuhl und nehmen Sie stattdessen die Treppen.
- Gehen Sie beim Telefonieren auf und ab.
- Gehen Sie mehrmals, um Geschirr und Lebensmittel zum Esstisch zu tragen, statt ein Tablett zu benutzen.
Spezifische Übungen und Therapien
Nach der ersten Mobilisation aus dem Bett erfolgt nach einem Schlaganfall eine gezielte Bewegungstherapie, um Komplikationen, Muskelschwund und einen erneuten Schlaganfall zu vermeiden. Ziel ist es, das Herz-Kreislauf-System, die Muskelkraft, das Gleichgewicht, die Belastbarkeit, die Bewegungsfähigkeit und die allgemeine Fitness zu trainieren.
Gangtherapie
Die Wiederherstellung der Gehfähigkeit steht bei vielen Schlaganfallpatienten an erster Stelle. Ein spezielles Gangtraining wird bereits in der Reha begonnen, sobald der Patient dazu in der Lage ist. Die Betroffenen lernen im wahrsten Sinn des Wortes Schritt für Schritt wieder das Gehen. Ist man in der Lage, wieder zu sitzen und aufzustehen, wird das Stehen und Gehen trainiert mit allmählicher Steigerung zu schnellerem, ausdauerndem und sicherem Gehen. Ebenso wie das Training von Beweglichkeit, Koordination und Gleichgewicht. Dann folgt das Gehen unter Alltagsbedingungen. Wiederholungen sind das Maß der Dinge und leider auch Geduld, um die körperlichen und kognitiven Fähigkeiten wiederzuerlangen, aber auch Muskelschwund, Kreislaufproblemen und Verkürzungen der Hüft- und Kniebeuger vorzubeugen. Deshalb gehören auch gezieltes Krafttraining und Übungen für die Beine zur Gangtherapie nach einem Schlaganfall. Bei Bedarf erfolgt das Training mit Unterstützung von technischen Trainingshilfsmitteln und orthopädischen Hilfsmitteln. Zum Einsatz kommen Gangmaschinen, Bewegungsgeräte, Laufband, Ergometer, Gehtrainer, robotergestützte Gangorthesen etc.
Rehabilitation der Arm- und Handfunktion
Ähnliches gilt für das Training der Funktionsfähigkeit von Finger-, Hand-, Schulter- und Ellenbogengelenken. Hier gilt es, Kraft und Koordination zu trainieren und zum Beispiel die gelähmte Hand zu aktivieren. Es besteht die Gefahr, dass die „gesunde“ Seite genutzt wird, weil diese schneller und sicherer funktioniert. Durch ein spezifisches Training (z.B. Wegbinden des nicht-betroffenen Arms) wird die betroffene Seite gezielt trainiert.
Fußheberorthesen
Bei einer Fußheberschwäche infolge eines Schlaganfalls kann eine Fußheberorthese (auch Sprunggelenk-Fuß-Orthese oder AFO-Orthese von „ankle foot orthosis“) helfen, Betroffene beim Anheben und Abrollen des Fußes zu unterstützen. Fußheberorthesen verbessern die Fußhebefunktion und unterstützen den Bewegungsablauf.
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Therapieformen
Die vier bedeutendsten Therapieformen sind die Logopädie, die Ergotherapie, die Physiotherapie und die Sport- und Bewegungstherapie. Je nach Ausprägung der Schlaganfall-Folgen kann es sinnvoll sein, eine oder mehrere dieser Therapieformen in Kombination in Anspruch zu nehmen. Die Logopädie ist immer dann wichtig, wenn durch den Schlaganfall die Sprache, das Sprechen oder der Schluckvorgang beeinträchtigt sind. Ziel der Ergotherapie ist die Unterstützung und Begleitung von Menschen, die in ihren alltäglichen Handlungen eingeschränkt sind. Im Vordergrund stehen meist die Anleitung und Hilfe zur Bewältigung des Alltags, wie zum Beispiel beim An- und Auskleiden, Kochen oder sauber machen. Ziel der Physiotherapie ist im Allgemeinen die Wiederherstellung, Verbesserung und Erhaltung der Bewegungs- und Funktionsfähigkeit des menschlichen Körpers. Für Schlaganfall-Patienten ist besonders die neurologische Krankengymnastik (KG) von Bedeutung, da sie gezielt eingeschränkte Bewegungs- und Funktionsfähigkeiten behandelt, wie sie nach einem Schlaganfall auftreten. Europaweit ist die Behandlungsmethode nach Bobath am weitesten verbreitet und gilt als erfolgreichstes Therapiekonzept in der Neurorehabilitation, insbesondere nach einem Schlaganfall. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Neuroplastizität des Gehirns, kurz: die Fähigkeit des Gehirns zur Selbstheilung. Physiotherapeuten, Ärzte, Ergotherapeuten und Pflegekräfte arbeiten hierbei interdisziplinär zusammen. PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation) ist eine Behandlungsmethode, bei der die durch eine Erkrankung veränderten Bewegungsabläufe eines Patienten wieder in normale, gesunde Bewegungsabläufe zurückgeführt werden sollen.
Tipps für den Einstieg in den Sport nach einem Schlaganfall
- Ärztliche Beratung: Besprechen Sie sportliche Aktivitäten auf jeden Fall mit Ihrem Arzt und klären Sie ab, welche Bewegung in welchem Umfang für Sie geeignet ist.
- Langsam beginnen: Lassen Sie es nach einem Schlaganfall ganz langsam angehen. Vermeiden Sie zu anstrengende Tätigkeiten und steigern Sie Ihr Sportprogramm allmählich. Beginnen Sie mit wenigen Minuten und bauen Sie langsam Ihre Aktivitäten aus.
- Pulsmessgerät: Denken Sie vielleicht auch über ein Pulsmessgerät aus dem Sportbedarf nach, um Ihr Herz-Kreislauf-System nicht zu sehr zu beanspruchen.
- Vermeiden Sie extreme Temperaturen: Unternehmen Sie keine Aktivitäten bei zu warmen oder gar heißen Temperaturen.
- Bewegung in den Alltag integrieren: Bewegung in den Alltag integrieren - das ist eine gute Ergänzung zu leichten sportlichen Aktivitäten nach einem Schlaganfall.
- Soziale Unterstützung: Binden Sie Ihre Familie, Freunde und Verwandte in Bewegungseinheiten ein. Sich gemeinsam an der frischen Luft zu bewegen, macht direkt mehr Spaß.
- Realistische Ziele setzen: Von besonderer Bedeutung ist es, sich erreichbare, selbstbestimmte Ziele zu setzen, um die eigenen Fähigkeiten langsam, aber kontinuierlich zu steigern.
- Auf den Körper hören: Beim Auftreten von Schmerzen sollten Betroffene die Aktivität umgehend abbrechen und das weitere Vorgehen mit ihrem Arzt besprechen. Ein Schmerz ist immer ein Warnhinweis des Körpers, der den Patienten vor Gefahren schützen soll.
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