Schlafstörungen stellen eine der größten Herausforderungen in der Betreuung von Menschen mit Demenz dar. Wenn Betroffene nachts wach sind, rufen oder unruhig umherwandern, leiden auch die Angehörigen unter Schlafmangel. Viele Pflegende berichten von ständiger nächtlicher Alarmbereitschaft, was langfristig gesundheitliche Folgen haben kann. Doch warum treten Schlafstörungen bei Demenz so häufig auf und was kann man dagegen tun?
Ursachen für Schlafstörungen bei Demenz
Schlaf und Wachsein werden vom Gehirn gesteuert. Bei Demenzerkrankungen, wie Alzheimer, ist oft schon früh der Bereich im Gehirn betroffen, der den Tag-Nacht-Rhythmus reguliert. In der Folge gerät die innere Uhr aus dem Takt, und Betroffene verlieren das Gefühl für Zeit und den Unterschied zwischen Tag und Nacht.
Auswirkungen der Demenz auf den Schlaf-Wach-Rhythmus
- Gestörte innere Uhr: Die innere Uhr, die den Schlaf-Wach-Rhythmus steuert, ist bei Demenz oft gestört. Das Gehirn kann nicht mehr richtig zwischen Tag und Nacht unterscheiden.
- Fragmentierter Schlaf: Der Schlaf ist oft fragmentiert, d.h. durch häufiges Aufwachen in der Nacht unterbrochen.
- Verkürzte Schlafdauer: Die Schlafdauer ist oft verkürzt, was zu frühem Erwachen führt.
- Verminderte Schlafqualität: Die Schlafqualität ist oft mäßig.
- Sundowning: Als Sundowning bezeichnet man eine Phase am frühen Abend, in der viele Menschen mit Demenz unruhiger werden. Sie wirken dann häufiger verwirrt, ängstlich oder gereizt und beginnen manchmal unruhig umherzulaufen. Vor allem im Sommer sorgt die lange Helligkeit für Verwirrung und Unruhe.
Weitere Faktoren, die Schlafstörungen bei Demenz beeinflussen können
Neben der Demenz selbst können auch andere Faktoren zu Schlafstörungen beitragen:
- Körperliche Beschwerden: Schmerzen, Muskelkrämpfe, Harndrang oder andere körperliche Beschwerden können den Schlaf stören.
- Medikamente: Einige Medikamente können Schlafstörungen verursachen oder verstärken.
- Psychische Faktoren: Angst, Depressionen oder Unruhe können den Schlaf beeinträchtigen.
- Umgebungsfaktoren: Eine unruhige oder unangenehme Schlafumgebung kann den Schlaf stören.
- Mangelnde Tagesstruktur: Ein Mangel an Tageslicht, Bewegung und Aktivität kann den Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinanderbringen.
- Schlafhygiene: Eine schlechte Schlafhygiene, wie z.B. unregelmäßige Schlafzeiten oder späte Mahlzeiten, kann den Schlaf beeinträchtigen.
Viel Schlaf im Alter als Warnsignal?
Eine Studie deutet darauf hin, dass viel Schlaf im Alter ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für den Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit sein kann. Eine zunehmende Schlafdauer kann möglicherweise auf eine erhöhte Gefahr für den beschleunigten kognitiven Abbau bei Älteren hinweisen.
Bedeutung von gutem Schlaf für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen
Guter Schlaf ist für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen gleichermaßen wichtig. Während des Schlafs regeneriert sich das Gehirn, sortiert Eindrücke, festigt Erinnerungen und baut schädliche Stoffwechselprodukte ab. Gerade für Menschen mit Demenz kann guter Schlaf helfen, innere Anspannung zu verringern und die kognitiven Fähigkeiten zu stabilisieren - zumindest vorübergehend. Auch für pflegende Angehörige ist Schlaf unverzichtbar, um ihre eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu erhalten.
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Maßnahmen zur Verbesserung des Schlafs bei Demenz
Unterstützung der inneren Uhr
- Tageslicht: Tageslicht ist besonders wichtig, um die innere Uhr zu unterstützen. Wer morgens am Fenster frühstückt oder kurz an die frische Luft geht, hilft dem Gehirn, sich zeitlich zu orientieren. Im Winter kann eine Tageslichtlampe helfen.
- Bewegung: Bewegung hilft, Spannungen abzubauen und macht abends müde. Am besten ist Bewegung draußen und zu festen Zeiten.
- Schlaf am Tag vermeiden: Ein Mittagsschlaf kann guttun, sollte aber 30 Minuten nicht überschreiten, da er sonst die innere Uhr zusätzlich durcheinanderbringt und den Nachtschlaf erschwert.
Gestaltung der Schlafumgebung
- Helligkeit: Am Tag darf es ruhig hell sein. Abends sollte das Licht dagegen gedimmt werden, damit der Körper Melatonin produzieren und zur Ruhe kommen kann.
- Nachtlichter: Nachtlichter mit Bewegungsmeldern helfen, sich bei Dunkelheit zu orientieren, ohne durch grelles Licht aufgeweckt zu werden.
- Raumtemperatur: Ideal sind eher kühle 16 bis 20 Grad. Wer leicht friert, kann eine zusätzliche Decke bereitlegen.
- Gewichtsdecke: Manche Menschen kommen mit einer Gewichtsdecke besser zur Ruhe.
- Angenehme Schlafumgebung: Das Schlafzimmer muss gut abgedunkelt sein. Ein kleines Schlaflicht wie eine Steckdosenbeleuchtung ist wegen der Sturzgefahr in der Nacht aber häufig hilfreich. Sorgen Sie für eine angenehme Schlafumgebung: Wer eiskalte Füße hat, schläft nicht gut ein oder durch. Ein Wärmekissen hilft hier rasch weiter. Sind die Decke und das Kissen zu warm oder zu dünn? Liegt der Pflegebedürftige bequem?
Gestaltung des Tagesablaufs
- Feste Routinen: Feste Routinen geben Sicherheit und helfen, den Tag zu strukturieren.
- Ruhiger Ausklang des Tages: Keine Reizüberflutung am Abend. Laute Fernsehsendungen, hektische Gespräche oder zu helles Licht sollten vermieden werden. Stattdessen helfen feste Routinen dabei, Sicherheit zu geben. Ein Tee, leise Musik, eine kleine Geschichte oder einfach gemeinsames Zähneputzen können Signale dafür sein, dass jetzt die Nacht beginnt.
- Aktivitäten am Tag: Wer sich ausreichend bewegt, ist eher müde. Achten Sie auf genügend Aktivität am Tag, am besten an der frischen Luft. Andere Aktivitäten wie gemeinsames Kochen, Spielen oder Wäsche zusammenlegen geben dem Alltag in der häuslichen Pflege Struktur und fördern gesunden Schlaf.
- Ess- und Trinkverhalten: Ihr Angehöriger sollte mindestens 1,5 Liter am Tag trinken - besonders wenn er Wassertabletten (Diuretika) einnimmt. Leidet er an einer Herzschwäche, muss er nachts häufig auf die Toilette. Der größte Teil der Flüssigkeit sollte daher bis zu vier Stunden vor dem Schlafengehen konsumiert werden. Außerdem wirkt manchmal eine Spätmahlzeit Wunder: Bieten Sie dem Pflegebedürftigen vor dem Schlafengehen eine Kleinigkeit aus Fett und Eiweiß (fetter Quark, Joghurt ohne Zucker, Vollkornbrot mit fettem Käse oder Lachs) an. Damit bleibt der Blutzuckerspiegel über Nacht konstant.
- Aromapflege: Experimentieren Sie mit der Aromapflege. Öle wie Lavendel, Benzoe, Zirbelkiefer, Mandarine, Melisse erzielen als Einreibung, Kissenspray, auf einem Duftstein oder einer Lampe tolle Wirkungen und haben kaum Nebenwirkungen. Achten Sie darauf, dass nur einhundert Prozent biologische ätherische Öle in Bioqualität zum Einsatz kommen und der Senior gegen keinen der Inhaltsstoffe allergisch ist. Natürlich sollte er den Duft als angenehm empfinden.
- Kein Fernsehen vor dem Schlafengehen: Der Demenzerkrankte sollte bis zu einer Stunde vor dem Schlafengehen nicht mehr fernsehen. Es gibt Hinweise, dass das blaue Licht auf dem Bildschirm die Produktion des Schlafhormons Melatonin hemmt. Dasselbe gilt für Licht im Schlafzimmer.
Weitere Hilfreiche Tipps:
- Wichtig ist es, bei einer Demenzerkrankung die Gewohnheiten beizubehalten. Versuchen Sie, den gewohnten Schlaf-Wach-Rhythmus des Senior aufrechtzuerhalten. Wer bislang gegen 23 Uhr ins Bett geht und auf einen Schlag um 20 Uhr schlafen gehen muss, wird nicht einschlafen können und früh am Morgen wach sein. In der Regel ist es besser, später ins Bett zu gehen. Soll die Abendpflege früher stattfinden, darf es sich der Pflegebedürftige noch eine Weile auf dem Sofa gemütlich machen.
- Arbeiten Sie an Ihrer Einstellung: Zu viel Druck auf das Schlafverhalten bewirkt häufig das Gegenteil. Wenn sich der Senior bei Schlaflosigkeit nachts ins Wohnzimmer setzt, lassen Sie ihn gewähren. Oft entspannt sich eine Situation, wenn wir sie nicht krampfhaft ändern wollen. Beseitigen Sie aber alle Sicherheitsrisiken für ein nächtliches Herumwandern im Haus oder der Wohnung.
Medikamentöse Behandlung
Medikamente zur Beruhigung sollten nur gezielt und nach Rücksprache mit Ärztin oder Arzt eingesetzt werden, da sie Risiken wie Stürze oder zusätzliche Verwirrtheit mit sich bringen können.
- Schlafmittel: Wenn es doch nicht anders geht, können Schlafmittel verabreicht werden. Dabei können Schlafmittel wie Zopiclon, Zolpidem, Doxepin oder Oxazepam eingesetzt werden. Wichtig ist, dass diese genau nach Anweisung des verordnenden Arztes und unbedingt vor Mitternacht verabreicht werden. Häufige Nebenwirkungen sind Tagesmüdigkeit und der so genannte „hangover“ mit Benommenheit, Schwindel und Schläfrigkeit in den frühen Morgenstunden. Da sich der „hangover“ häufig bis in die Mittagsstunden zieht, besteht eine erhöhte Sturzgefahr. Aus diesem Grund werden die Kosten für Schlafmittel häufig nicht mehr von der Krankenkasse übernommen und müssen selbst bezahlt werden.
- Naturheilkundliche Schlafmittel: Es gibt auch naturheilkundliche Schlafmittel auf der Basis von Baldrian oder Lavendel, wie zum Beispiel Lasea, die angstlösende und beruhigende Wirkungen erzielen können. Lassen Sie sich dazu in der Drogerie oder Apotheke beraten.
- Neuroleptika: Neuroleptika wie Risperidon, Quetiapin, Pipamperon und Melperon hingegen werden immer noch häufig verschrieben. Sie wirken schlaffördernd, angstlösend und bergen keine Abhängigkeitsgefahr. Allerdings ist bei dieser Medikamentengruppe die Sturzgefahr und die Entstehung von Druckgeschwüren erhöht.
- Antidepressiva: Antidepressiva wie Mirtazapin wirken ebenfalls schlaffördernd, machen aber nicht abhängig. Da auch hier Sturzgefahr durch einen „hangover“ besteht, dürfen diese Medikamente nicht zu spät am Abend verabreicht werden.
Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen
Wenn die Nächte dauerhaft anstrengend bleiben und niemand mehr richtig durchschläft ist es wichtig, Hilfe anzunehmen - frühzeitig und ohne schlechtes Gewissen.
- Ärztliche Abklärung: Eine ärztliche Abklärung kann helfen, körperliche Ursachen wie Schmerzen, Infekte oder Nebenwirkungen von Medikamenten zu erkennen und gezielt zu behandeln.
- Betreuungsangebote: Angebote wie Nachtpflege, Tagesbetreuung oder stundenweise Hilfe können entlasten.
- Stationäre Einrichtung: Wenn die Pflege zu Hause nicht mehr möglich ist, kann auch ein Umzug in eine Einrichtung neue Stabilität bringen.
REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD)
Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, kurz RBD, ist eine Schlafstörung, bei der die sonst im REM-Schlaf blockierte Muskelaktivität teilweise vorhanden ist. Dadurch kann bei der RBD der Traum teilweise in Aktionen umgesetzt (ausagiert) werden. Da die Trauminhalte meist einen aggressiven Charakter haben, bewegen sich die Patientinnen und Patienten zum Teil heftig. Sie wehren sich im Traum, schreien, schlagen um sich oder versuchen zu fliehen.
Wenn die RBD isoliert auftritt, haben die hiervon Betroffenen ein Risiko von bis zu 80 Prozent, innerhalb von 10-15 Jahren an einer neurodegenerativen Erkrankung wie der Parkinson-Krankheit oder der Lewy-Körper-Demenz zu erkranken. Wer also an einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung leidet, darüber hinaus eine Riechstörung hat und merkt, dass er vergesslicher wird oder sich nicht mehr so gut orientieren kann wie früher, sollte sich ärztlichen Rat holen.
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