In der Betreuung von Menschen mit Demenz treten häufig herausfordernde Verhaltensweisen auf, die sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihr Umfeld sehr belastend sein können. Eines dieser Verhaltensweisen ist das ständige Rufen von "Hallo" oder anderen Wörtern und Sätzen. Dieses Phänomen kann in verschiedenen Umgebungen beobachtet werden, wie z.B. in Altenheimen, Tagespflegestätten, Krankenhäusern oder auch im häuslichen Umfeld. Es ist wichtig, die Ursachen für dieses Verhalten zu verstehen, um angemessene Strategien zur Bewältigung und Linderung zu entwickeln.
Belastende Beschwerden bei fortgeschrittener Demenz
Menschen mit fortgeschrittener Demenz können verschiedene belastende Beschwerden haben, die sich in ihrem Verhalten äußern. Schmerzen, Luftnot oder Angst treten bei ihnen ungefähr genauso häufig auf wie bei Menschen mit anderen Erkrankungen. Es ist jedoch schwieriger, diese Beschwerden bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz zu erkennen, da sie sich meist nicht mehr mit Worten mitteilen können.
Schmerzen als Ursache
Schmerzen treten häufig auf und werden bei Menschen mit Demenz oft seltener erkannt und mit Schmerzmitteln behandelt. Ursachen können Gelenkschmerzen, Muskelschmerzen durch Verschleißerkrankungen im Alter oder die mangelnde Bewegung durch Bettlägerigkeit, Zahnschmerzen, Harnblasenentzündungen oder Verstopfung sein. Schon kleine Veränderungen des gewohnten Verhaltens können Hinweise auf Schmerzen sein. Um ein gutes Bild zur Wirksamkeit zu erhalten, sollten die Beobachtungen aller betreuenden Personen zusammengetragen werden. Nicht behandelte Schmerzen können zu Depressionen, Unruhe oder Angst führen.
Infekte und Luftnot
Das Immunsystem von Menschen mit Demenz ist oft geschwächt, was zu wiederkehrenden Infekten führen kann. Insbesondere Lungenentzündungen können mit Luftnot einhergehen. Auch Harnwegsinfekte kommen häufig vor und können starke Schmerzen auslösen. Luftnot kann sehr belastend und ängstigend sein und wird oft nicht erkannt. Eine Sauerstofftherapie kann bei deutlichem Sauerstoffmangel im Blut helfen, wobei eine gute Pflege der Nasenschleimhaut erforderlich ist. Ein kühler Luftzug im Mund-Nasen-Wagenbereich oder eine aufrechte Körperposition können die Atmung erleichtern.
Unruhe, Angst und Verwirrtheit
Besonders am Lebensende kann sich eine starke Unruhe entwickeln, die sich durch immer wiederkehrende Bewegungen äußert. Angst kann ebenfalls Unruhe auslösen. Eine engmaschige Begleitung durch vertraute Personen, Berührungen, Massagen oder Musik können sehr beruhigend wirken. Eine akute Verwirrtheit kann neben den Zeichen der Demenz auftreten und meist plötzlich entstehen. Auch hier können Schmerzen die Ursache sein.
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Das "Hallo"-Rufen als Kommunikationsversuch
Das ständige "Hallo"-Rufen ist oft kein Versuch, das Umfeld zu ärgern. Der Erkrankte weiß meist nicht, dass er dieses Verhalten bereits gezeigt hat und dass erst wenige Minuten vergangen sind. Manchmal ist er sich nicht einmal bewusst, dass er um Hilfe gerufen hat, wenn jemand vor ihm steht.
Warum schreien und schlagen Menschen mit Demenz?
Menschen mit Demenz bemerken, dass sie nach und nach Fähigkeiten und ihr Gedächtnis verlieren. Dies macht ihnen Angst. Sie sind möglicherweise nicht mehr in der Lage, sich auszudrücken oder mitzuteilen, was ihnen fehlt. In solchen Situationen kann Schreien ein Weg sein, um auf sich aufmerksam zu machen.
Was dem Menschen mit Demenz fehlen könnte
Es ist wichtig, sich in den Menschen mit Demenz hineinzuversetzen und zu überlegen, warum er schreit. Hat er Durst? Tut ihm etwas weh? Bereitet das Sitzen Probleme? Ist etwas zu laut, zu warm oder zu kalt? Ist er allein oder traurig? Niemals sollte man mit Vorwürfen arbeiten.
Handlungsempfehlungen
Sagen Sie etwas in der Art wie: "Ich sehe, du bist allein und traurig. Ich nehme dich mit in die Küche, dort läuft gerade die Schlagerparade von 1975, das muss doch genau deine Zeit gewesen sein." Vielleicht haben Sie noch eine "gaaaanz wichtige Arbeit" für den Erkrankten - etwa Servietten falten oder Nüsse knacken. Aufmerksamkeit und Zuneigung verhindern "herausforderndes Verhalten".
Herausforderndes Verhalten verstehen
Herausforderndes Verhalten wird oft als Belastung wahrgenommen, ist aber aus der Biografie oder der aktuellen Lebenssituation des Erkrankten erklärbar. Oft liegen nicht befriedigte Grundbedürfnisse oder nicht verarbeitete vergangene Ereignisse zugrunde. Negative Gefühle wie Wut und Trauer können lange unterdrückt werden und im Rahmen der Demenz nicht mehr verdrängt werden. Um den Betroffenen zu verstehen, bedarf es viel Empathie und Geduld.
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Grundbedürfnisse erfüllen
Um herausforderndem Verhalten vorzubeugen, sollten folgende Grundbedürfnisse erfüllt sein:
- Aufmerksamkeit: Geben Sie dem Betroffenen das Gefühl, dass er nicht allein ist.
- Liebe: Zeigen Sie Zuneigung und Wertschätzung.
- Verständnis: Versuchen Sie, die Welt aus seiner Perspektive zu sehen.
- Zuhören: Nehmen Sie sich Zeit, um zuzuhören, auch wenn die Worte unverständlich sind.
- Dasein: Seien Sie einfach da und bieten Sie Sicherheit.
Aggressives Verhalten
Bei etwa 50 Prozent aller Demenzerkrankungen treten aggressive Verhaltensweisen als Begleiterscheinung auf. Stressfaktoren, die zu Aggressivität führen, sind eine veränderte Wohnumgebung, störende Geräusche oder eine respektlose und gestresste Umgangsweise mit dem Betroffenen. Es ist wichtig, sich emotional von dem aggressiven Verhalten zu distanzieren und die Situation in Ruhe zu analysieren. Sprechen Sie langsam, deutlich und ruhig. Wenn sich die Situation nicht beruhigt, verlassen Sie die Situation.
Nonverbale Kommunikation
Mit Fortschreiten der Demenz rückt nonverbale Kommunikation immer mehr in den Vordergrund. Achten Sie auf die Körpersprache der demenzerkrankten Person. Das Deuten auf einen Gegenstand kann darauf hinweisen, dass der Betroffene Angst davor hat oder frustriert ist, dass er diesen nicht greifen kann. Hilft es nicht, die Person mit besänftigenden Worten zu beruhigen, ist Ablenkung mit anderen Aktivitäten hilfreich.
Systematisches Vorgehen bei Schreien und Rufen
Wenn Menschen mit Demenz anhalten schreien und rufen, ist das für alle eine Belastungsprobe. Ohne systematisches Vorgehen von Pflegefachleuten wird die Versorgung durch Angehörige häufig unmöglich. Es ist wichtig, den Ursachen auf den Grund zu gehen und gleichzeitig zu versuchen, das Verhalten zu dämpfen oder zurückzudrängen. Dabei gilt es oft, ein Bündel von Maßnahmen auszuprobieren. Wichtig ist, dass dies systematisch geschieht und auch (kleine) Erfolge dokumentiert werden.
Medikamentöse Behandlung
Medikamente können sinnvoll sein, um Schmerzen zu lindern oder bei starker Unruhe und Erschöpfung zu helfen. Es ist jedoch wichtig, den Einsatz von Medikamenten kritisch zu hinterfragen und die Zusammenarbeit zwischen Pflegenden und Ärzten zu fördern. Fachpflegende können in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen, indem sie Beobachtungsergebnisse liefern und bei der Medikamentenanpassung unterstützen.
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Nichtmedikamentöse Interventionen
Nichtmedikamentöse Interventionen sollten immer am Anfang stehen. Pflegende sollten versuchen, ein Schreimuster zu erkennen und die intrinischen und extrinischen Faktoren zu analysieren. Körperlich-therapeutische Interventionsansätze, wie z.B. körperlicher Kontakt, können erfolgreich sein, aber nicht alle Menschen reagieren gleich auf diese Maßnahmen.
Akzeptanz und Verständnis
Schreien und Rufen ist laut und kann als problematisch, überaus störend und untragbar gewertet werden. Es ist wichtig, Akzeptanz und Verständnis zu erreichen durch fortwährende Aufklärungsarbeit, durch Kennenlernen der Pflegeanforderung, durch Austausch und Informationen. Suchen Sie den Kontakt zu den Nachbarn, erklären sie ihm die Pflegesituation und das Verhalten eines Menschen mit Demenz. Thematisieren Sie aber auch die ethischen Grundprinzipien einer friedlichen Koexistenz.
Das Recht auf Schreien
So wie dem Nachbar vielleicht ein Recht auf Ruhe einzuräumen ist, besitzt der Mensch mit Demenz ein Recht auf Schreien und Rufen. Das Schreien und Rufen eines Menschen mit Demenz muss ebenso angenommen werden, wie der Schrei eines Säuglings. Die Umwelt beziehungsweise der nähere und weitere Wohn- und Lebenskontext muss sich dem Menschen mit herausforderndem Verhalten anpassen und nicht umgekehrt.
Praktische Tipps für den Umgang mit "Hallo"-Rufen
- Ruhe bewahren: Auch wenn es schwerfällt, versuchen Sie, ruhig zu bleiben und nicht gereizt zu reagieren.
- Blickkontakt herstellen: Gehen Sie auf Augenhöhe und suchen Sie den Blickkontakt, bevor Sie sprechen.
- Langsam und deutlich sprechen: Verwenden Sie kurze, einfache Sätze und sprechen Sie langsam und deutlich.
- Sichere Umgebung schaffen: Sorgen Sie für eine sichere und vertraute Umgebung, in der sich der Betroffene wohlfühlt.
- Bedürfnisse erkennen: Versuchen Sie, die Bedürfnisse hinter dem Rufen zu erkennen und darauf einzugehen.
- Ablenkung anbieten: Bieten Sie dem Betroffenen eine Beschäftigung an, die ihn ablenkt und Freude bereitet.
- Körperliche Nähe: Berührungen, wie z.B. das Halten der Hand, können beruhigend wirken.
- Musiktherapie: Musik kann eine beruhigende Wirkung haben und Erinnerungen wecken.
- Validation: Zeigen Sie Verständnis für die Gefühle des Betroffenen und bestätigen Sie seine Realität.
- Professionelle Hilfe suchen: Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Sie überfordert sind.
Sterbeorte und Todesursachen
Die meisten Menschen mit Demenz werden zu Hause von den Angehörigen betreut und haben den Wunsch, auch dort zu sterben. Mit Fortschreiten der Erkrankung wird häufiger eine Pflegeeinrichtung das neue zu Hause. Überwiegend versterben die Menschen mit fortgeschrittener Demenz jedoch an den Folgen oder Komplikationen der Demenz, wie z.B. einer Lungenentzündung.
Letzte Lebensphase und Sterbephase
In den letzten Lebensmonaten kommt es bei Menschen mit Demenz meist zu einer starken Verschlechterung des Zustandes und zunehmenden Einschränkungen. Steht der Tod unmittelbar bevor, können Veränderungen im Bewusstsein, Herzschlag, Blutdruck und der Atmung auftreten. Eine Rasselatmung kann entstehen, die für die Umstehenden beängstigend sein kann, aber für die Betroffenen selbst meist keine Atemnot bedeutet.
Trauerphase
Der Tod eines Nahestehenden ist mit tiefen Emotionen verbunden. Hinterbliebene müssen nicht allein mit ihrer Trauer bleiben, vielen hilft es sich mit anderen darüber auszutauschen. Hospizdienste bieten Unterstützung in dieser Lebensphase an.