Starre Blicke nach Schlaganfall: Ursachen und Auswirkungen

Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das nicht nur körperliche, sondern auch psychische und emotionale Folgen haben kann. Eine besonders auffällige und besorgniserregende Folge ist der starre Blick, der oft mit dem sogenannten apallischen Syndrom (Wachkoma) einhergeht. Doch auch Persönlichkeitsveränderungen und andere neurologische Störungen können zu einem veränderten Blickverhalten führen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten von starrem Blick und anderen Blickstörungen nach einem Schlaganfall.

Was ist ein Schlaganfall?

Der Schlaganfall ist eine plötzliche Erkrankung des Gehirns, die durch eine kritische Störung der Hirndurchblutung verursacht wird und zum Ausfall von Hirnfunktionen führt. Jedes Jahr treten in Deutschland ca. 270.000 Schlaganfälle auf.

Ursachen für einen starren Blick nach Schlaganfall

Der starre Blick nach einem Schlaganfall ist häufig ein Symptom des apallischen Syndroms, auch bekannt als Wachkoma. Hierbei handelt es sich um eine schwere Hirnschädigung, bei der die Funktion des Großhirns erloschen ist. Das Leben wird durch die Funktionen des Hirnstamms aufrechterhalten. Im Gegensatz zum Koma liegen die Patienten scheinbar wach im Bett, sind aber häufig nicht durch äußere Reize erreichbar. Der Blick geht starr und unfixiert ins Leere; es gelingt nicht, einen Blickkontakt aufzubauen.

Man nimmt an, dass es zu einer weitgehenden Entkopplung der Großhirnrinde vom restlichen Gehirn, insbesondere vom Hirnstamm, kommt. Die vom Hirnstamm gesteuerten Funktionen des vegetativen Nervensystems (Atmung, Herzkreislaufregulation und Schlafwachrhythmus) sowie Kau-, Schluck- und ungezielte Schmerzreflexe bleiben ganz oder teilweise erhalten. Dagegen sind aufgrund der schweren Schädigung der Großhirnrinde oft keine zielgerichteten Muskelbewegungen erkennbar.

Weitere Ursachen für Blickstörungen können sein:

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  • Direkte Schädigung der Sehbahn: Wenn das Auge bzw. die Sehbahn direkt betroffen sind, weil sie nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden, kann es zur Erblindung auf einem Auge kommen.
  • Schädigung der Hirnregionen für die Verarbeitung visueller Informationen: Das Auge selbst ist intakt, aber die Informationsverarbeitung im Gehirn funktioniert nicht mehr richtig. Die Wahrnehmung ist gestört.
  • Okulomotorische Störungen: Läsionen im Bereich des Hirnstamms oder Kleinhirns können zu Störungen der Augenbewegungen führen.
  • Neglect: Eine Raum- und/oder Körperhälfte wird nicht mehr wahrgenommen, was dazu führt, dass der Betroffene seine Aufmerksamkeit einer Raum- oder Körperseite nicht mehr zuwenden kann.

Persönlichkeitsveränderungen nach Schlaganfall

Emotionale Veränderungen wirken sich auf das Verhalten einer Person aus, also auf seine Persönlichkeit. Das kann so weit gehen, dass Angehörige den schlaganfallbetroffenen Menschen in seinem gesamten Wesen kaum noch wiedererkennen. Familie und Freunde nehmen diese emotionalen Veränderungen oft sehr schnell wahr - und zum Teil intensiver als die Betroffenen selbst. Ob die Betroffenen den Wandel selbst bemerken - und auch darunter leiden - ist individuell unterschiedlich.

Die Veränderungen können äußerst vielfältig sein. Grundsätzlich lassen sich zwei unterschiedliche Richtungen unterscheiden:

  • Minus-Syndrom: antriebsarm, apathisch, desinteressiert, wenige Emotionen, emotionslose Sprechweise oder Mimik.
  • Plus-Syndrom: impulsiv, aufbrausend, aggressiv, zum Teil paranoide Verdächtigungen.

Einige Beispiele:

  • Ehemals ausgeglichene Menschen werden aggressiv.
  • Ehemals rationale Denker treffen plötzlich Entscheidungen, die niemand nachvollziehen kann.
  • Ehemals herzliche Menschen werden passiv und emotionslos.
  • Ehemals ruhige Persönlichkeiten haben ihre Emotionen kaum unter Kontrolle, weinen oder lachen lautstark, auch in unpassenden Momenten.
  • Ehemals aktive Menschen werden antriebslos.
  • Ehemals mutige Menschen bekommen Angstzustände und Panikattacken.

Wesensveränderungen kommen besonders häufig vor, wenn die Schädigung im Bereich des Frontal- und Temporallappens des Gehirns liegt. Sind der rechte und linke Frontallappen betroffen, begünstigt dies ein Plus-Syndrom, Schädigungen der Temporallappen können eher zu einem Minus-Syndrom führen.

Weitere Folgen eines Schlaganfalls

Neben dem starren Blick und Persönlichkeitsveränderungen können nach einem Schlaganfall eine Vielzahl weiterer Störungen auftreten, darunter:

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  • Aphasie: Eine Aphasie beeinträchtigt das Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben. Häufigste Ursache ist ein Schlaganfall oder eine andere Schädigung des Gehirns.
  • Halbseitenlähmung (Hemiplegie/Hemiparese): Die Halbseitenlähmung ist die Lähmung einer Körperhälfte, die vollständig (Hemiplegie) oder unvollständig (Hemiparese) ausgeprägt sein kann. Sie ist immer Symptom einer Grunderkrankung wie z. B. eines Schlaganfalls oder einer Schädigung des Gehirns aufgrund anderer Ursachen.
  • Sehstörungen: Im Zusammenhang mit einem Schlaganfall können verschiedene Arten von Sehstörungen auftreten, wie Gesichtsfeldeinschränkungen, Doppelbilder oder Herdblick.
  • Epilepsie: Eine Epilepsie ist eine Neigung zu (wiederholten) epileptischen Anfallen.

Diagnose von Blickstörungen und anderen Schlaganfallfolgen

Beim Schlaganfall zählt jede Minute. Grundsätzlich gilt: Beim Schlaganfall zählt jede Minute. Stationäre Aufnahme auf eine Schlaganfall-Station (engl. Stroke Unit).

Die Diagnose von Blickstörungen und anderen Schlaganfallfolgen umfasst in der Regel:

  • Neurologische Untersuchung: Hierbei werden die Hirnnerven, die Körperkraft, die Körperempfindungen, die Reflexe an Armen und Beinen, die Koordination und intellektuelle Leistungen wie z. B. die Sprache oder das Gedächtnis überprüft.
  • Bildgebung des Gehirns (CT, MRT): Die Bildgebung vom Gehirn (CT, MRT) und evtl. Kernspin-Angiographie dient dazu, die Schädigung im Gehirn zu lokalisieren und die Ursache des Schlaganfalls zu identifizieren.
  • Augenärztliche Untersuchung: Eine augenärztliche Untersuchung kann helfen, die Ursache von Sehstörungen zu klären.
  • Elektroenzephalografie (EEG): Das EEG misst die hirnelektrische Aktivität und kann bei der Diagnose von Epilepsie hilfreich sein.
  • Neuropsychologische Untersuchung: Eine neuropsychologische Untersuchung kann Beeinträchtigungen der Hirnleistungsfähigkeit durch die Epilepsie erkennen.

Behandlung von starrem Blick und anderen Schlaganfallfolgen

Die Behandlung von starrem Blick und anderen Schlaganfallfolgen hängt von der Ursache und dem Ausmaß der Schädigung ab.

Apallisches Syndrom (Wachkoma):

  • Basale Stimulation: Die basale Stimulation stellt einen Teil der Therapie dar. Sie kann in allen Alltagsbegebenheiten, beispielsweise das tägliche Waschen, miteinbezogen werden. Es handelt sich ber der basalen Stimulation um ein grundlegendes, für den Patienten bedeutsames Sinnesangebot. Der Ausführende fordert dabei nichts und setzt nichts voraus. Stattdessen beobachtet er den Patienten und geht auf dessen Regungen wie Lösen oder Verstärken der Spastik, Änderungen der Atmung, ein. Die Angebote sollen am Erleben, der Biografie und dem "Lernpotential" des Menschen orientiert werden. Sie bieten ein Strukturierung innerhalb seiner Lebenswelt. Außerdem sollen die einfachen, elementaren Sinnesangebote helfen, die eigene körperliche und psychische Identität wahrzunehmen und zu aktualisieren.
  • Ernährung: Kann der Betroffene aufgrund einer Schluckstörung oder einer Apraxie nicht essen und trinken, wird er künstlich ernährt, wenn man sich entschlossen hat, ihn weiter zu behandeln. Wichtiger Bestandteil der Behandlung ist die so genannte perkutane endoskopische Gastrostomie, kurz PEG, die der Ernährung des Patienten dient.
  • Weitere Maßnahmen: Außerdem erhalten Menschen im Zustand des apallischen Syndroms einen Blasenkatheter zur langfristigen Ableitung des Urins. Zusätzlich benötigen viele eine Trachealkanüle zur Freihaltung der Atemwege.

Persönlichkeitsveränderungen:

  • Therapie: Wichtig ist, die Situation zu thematisieren und Fachleute (Neurologen, Neuropsychologen, Psychologen, Psychotherapeuten etc.) zu Rate zu ziehen, um individuelle Therapien zu entwickeln, die langfristig sowohl den Betroffenen als auch den Angehörigen den Umgang mit den Veränderungen erleichtern.

Aphasie:

  • Sprachtherapie (Logopädie und/oder Linguistik): Ziel der Aphasietherapie ist es, die Kommunikationsfähigkeit so gut es geht zu verbessern und vorhandene Fähigkeiten zu fördern. Nach wissenschaftlichen Studien gilt auch für die Aphasietherapie: Je intensiver die Behandlung, desto effektiver ist das Ergebnis.

Halbseitenlähmung:

  • Physiotherapie: Physiotherapie (bei Lähmungen und Bewegungseinschränkungen).
  • Ergotherapie: Ergotherapie (Übungen zum Wiedererlernen von Alltagsfähigkeiten).

Sehstörungen:

  • Sehtherapie: Eine Wahrnehmungsstörung kann sich zurückbilden - teilweise oder vollständig, spontan oder durch spezielle Therapien.

Epilepsie:

  • Medikamentöse Therapie: Meiden von Auslösefaktoren (z.B. Stimulationsverfahren (z.B. N.

Allgemeine Maßnahmen:

  • Rehabilitation: Im Zuge der Rehabilitation soll dem Patienten ermöglicht werden, die verloren gegangenen Fähigkeiten wieder zu erlernen.
  • Unterstützung der Angehörigen: Wichtig sind die Arbeit im Team, sowie die Mithilfe der Angehörigen. Vor allem für Angehörige, aber auch für die Betroffenen, ist es oft schwieriger, mit den emotionalen Veränderungen nach einem Schlaganfall umzugehen als mit den körperlichen. Wenn eine Person „nicht mehr sie selbst“ ist, betrifft das das komplette soziale Umfeld. Daran können partnerschaftliche, familiäre und freundschaftliche Beziehungen scheitern.

Prognose

Mit Persönlichkeitsveränderungen verhält es sich so, wie mit vielen Schlaganfall-Folgen. Manche Folgen entwickeln sich wieder zurück, andere nicht.

Die Gesamtprognose des apallischen Syndroms ist schwer zu bestimmen, generell gilt, je länger das "apallische Syndrom" anhält, desto schlechter ist die Aussicht auf Besserung. Befinden sich Patienten länger als drei Monate im Wachkoma, erlangen nur noch ca. 10% von ihnen das volle Bewusstsein wieder. Aber es gibt auch Berichte über Patienten, die nach mehreren Jahren wieder aufwachen. Trotzdem kann die Wahrscheinlichkeit, ob ein Mensch aus dem "Wachkoma" erwacht oder nicht, verbessert werden, indem die Person angeregt und in soziale Beziehungen integriert wird. Die Angehörigen spielen bei der Behandlung des Wachkomas eine nicht zu unterschätzende Rolle.

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