Stoffeinwirkung an Synapsen: Ein umfassender Überblick

Synapsen sind die fundamentalen Schaltstellen unseres Nervensystems. Sie ermöglichen die Kommunikation zwischen Nervenzellen und spielen eine entscheidende Rolle bei Prozessen wie Lernen, Gedächtnis und Bewegung. Die komplexe Funktion der Synapsen kann jedoch durch verschiedene Stoffe beeinflusst werden, was sowohl therapeutische als auch toxische Auswirkungen haben kann. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Stoffeinwirkung an Synapsen, von den grundlegenden Mechanismen der synaptischen Übertragung bis hin zu den vielfältigen Wirkungen von Medikamenten und Nervengiften.

Grundlagen der Synapsenfunktion

Eine Synapse ist eine spezialisierte Kontaktstelle, an der eine Nervenzelle (Neuron) mit einer anderen Nervenzelle oder einer Zielzelle (z.B. Muskel- oder Drüsenzelle) kommuniziert. Sie ermöglicht die Weiterleitung von Informationen in Form von elektrischen oder chemischen Signalen. Eine typische Synapse besteht aus drei Hauptteilen:

  1. Präsynapse: Der Endabschnitt einer Nervenzelle, die das Signal sendet. Hier werden Neurotransmitter in kleinen Bläschen (Vesikeln) gespeichert.
  2. Synaptischer Spalt: Ein schmaler Zellzwischenraum (etwa 20-50 Nanometer breit) zwischen der Prä- und Postsynapse.
  3. Postsynapse: Die Membran der nachfolgenden Zelle, die das Signal aufnimmt. Sie enthält Rezeptoren für die Neurotransmitter.

Arten von Synapsen

Synapse ist nicht gleich Synapse: Unterschiedliche Anforderungen im Nervensystem haben zur Ausbildung verschiedener Synapsentypen geführt.

  1. Chemische Synapse: Bei der chemischen Synapse erfolgt die Signalübertragung indirekt mittels Neurotransmittern. Sie ist im menschlichen Nervensystem am häufigsten und ermöglicht komplexe Regulation, Verstärkung und Hemmung.
  2. Elektrische Synapse: Diese seltenere Form findet man z.B. im Herzmuskel oder bei gewissen Reflexbahnen. Hier übertragen spezielle Kanäle (Gap Junctions) elektrisch geladene Teilchen (Ionen) direkt von Zelle zu Zelle. Der Signalfluss ist dabei extrem schnell, aber weniger regulierbar als bei der chemischen Synapse.

Zudem lassen sich Synapsen nach der Art des Neurotransmitters unterscheiden, z. B. cholinerge Synapsen, die Acetylcholin verwenden.

Die synaptische Übertragung

Die Synapse Funktion beginnt mit dem Eintreffen eines Aktionspotentials am Endknöpfchen. Dies führt zur Depolarisation und Öffnung von Calciumkanälen. Calciumionen strömen in das Endknöpfchen ein und lösen die Exozytose der Neurotransmitter-haltigen Vesikel aus.

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Die freigesetzten Neurotransmitter diffundieren durch den synaptischen Spalt und binden an Rezeptoren der postsynaptischen Membran. Dies führt zur Öffnung von Ionenkanälen in der postsynaptischen Membran. Je nach Art des Neurotransmitters und des Rezeptors kann dies zu einer Erregung (Depolarisation) oder Hemmung (Hyperpolarisation) der postsynaptischen Zelle führen.

Nach der Signalübertragung werden die Neurotransmitter entweder von Enzymen im synaptischen Spalt abgebaut oder durch Vesikel wieder in das Endknöpfchen aufgenommen, um für zukünftige Übertragungen wiederverwendet zu werden. Damit Signale nicht "hängenbleiben", werden Neurotransmitter nach ihrem Einsatz rasch abgebaut oder zurück in die Präsynapse aufgenommen (Reuptake).

Bedeutung der Synapsen

Synapsen bilden das Fundament für alle Funktionen des Nervensystems: Sie verknüpfen Milliarden von Nervenzellen zu Netzwerken und ermöglichen Wahrnehmung, Bewegung, Denken und Lernen. Sie bestimmen, wie Informationen im Gehirn fließen und verarbeitet werden.

Synaptische Plastizität, die Fähigkeit von Synapsen, ihre Stärke und Effizienz zu verändern, ermöglicht es dem Gehirn, auf Erfahrungen zu reagieren und sich anzupassen. Eine berühmte Form ist die Langzeitpotenzierung (LTP): Werden Synapsen über längere Zeit wiederholt aktiviert, werden sie besonders leistungsfähig. Diese Anpassungsfähigkeit ist die physikalische Grundlage für nahezu alle Lern- und Anpassungsprozesse im Nervensystem - von kindlicher Sprachentwicklung über das Erlernen eines Musikinstruments bis hin zur Regeneration nach einer Gehirnverletzung.

Angriffspunkte für Stoffeinwirkungen

Überall da, wo ein Rezeptor eine Rolle spielt, ist damit auch ein potentieller Angriffspunkt für die Wirkung von alternativen Substanzen gegeben. Dies gilt auch für das Nervensystem und seine vielseitigen Rezeptoren und Schaltstellen. Diese alternativen Substanzen können je nach Wirkung, rechtlicher Einordnung und chemischen Aufbau als Medikamente oder Droge bezeichnet werden.

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Die synaptische Übertragung bietet vielfältige Angriffspunkte für Stoffeinwirkungen:

  • Präsynaptische Membran: Beeinflussung der Synthese, Speicherung oder Freisetzung von Neurotransmittern.
  • Synaptischer Spalt: Veränderung des Abbaus oder der Wiederaufnahme von Neurotransmittern.
  • Postsynaptische Membran: Blockierung oder Aktivierung von Rezeptoren.

Medikamente mit Wirkung auf Synapsen

Am häufigsten werden Medikamente zur Behandlung von Volksleiden, wie z.B. Bluthochdruck, eingesetzt. In der Pharmakologie unterscheidet man eine enorme Vielzahl an Medikamenten je nach Molekülstruktur, dem Einsatzgebiet oder dem Wirkungsort. Einige Beispiele sollen hier kurz vorgestellt werden.

Im Allgemeinen unterscheidet man im Nervensystem als Ansatzpunkt für Medikamente zwischen dem adrenergen und dem cholinergen System:

  • Adrenerges System: Hier wirken Neurotransmitter wie Noradrenalin und Adrenalin auf Alpha- und Beta-Rezeptoren.
  • Cholinerges System: Hier wirkt Acetylcholin auf ACh-Rezeptoren.

Wirkmechanismen von Medikamenten an Synapsen:

  • Rezeptoragonisten: Ähnliche Substanzen wirken genauso wie der Transmitter.
  • Rezeptorantagonisten: Ähnliche Substanzen besetzen den Rezeptor, unterdrücken die Wirkung des eigentlichen Transmitters. Dies wird als kompetitive Hemmung bezeichnet, wenn der Antagonist mit dem natürlichen Neurotransmitter um die gleiche Bindungsstelle konkurriert.
  • Exocytose-Hemmung: Exocytose wird unterdrückt -> Weiterleitung des Signals wird verhindert!
  • Enzymhemmung: Hemmung für das Recycling von Transmittern, z.B. Acetylcholinesterase-Hemmer.
  • Entfernung von Substanzen: Entfernung von Substanzen, die für die Produktion der Neurotransmitter notwendig sind.

Beispiele:

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  • Beta-Blocker (z.B. Propanolol, Atenolol): Hemmung der Wirkung der Beta-Adrenorezeptoren -> kompetitive Inhibitoren -> Senkung der Kontraktion des Herzmuskels -> Blutdrucksenkung.
  • Alpha-Agonisten: Wirken an interneuronalen und neuromuskulären Synapsen.

Nervengifte und ihre Wirkungsweisen

Synapsengifte sind Giftstoffe, die die Erregungsübertragung zwischen Nervenzellen stören. Sie können an verschiedenen Stellen der Synapse wirken und unterschiedliche Mechanismen nutzen, um die Signalübertragung zu unterbrechen oder zu verändern.

Wirkungsorte von Synapsengiften

Synapsengifte entfalten ihre Wirkung an unterschiedlichen Orten: Sie können an der Präsynapse, der Postsynapse oder dem synaptischen Spalt wirken.

  • Präsynaptische Membran: Einige Gifte beeinflussen die Freisetzung von Neurotransmittern.
  • Synaptischer Spalt: Andere Gifte wirken auf Enzyme, die Neurotransmitter abbauen.
  • Postsynaptische Membran: Wieder andere Gifte blockieren oder aktivieren Rezeptoren.

Beispiele für Nervengifte

  • Botulinumtoxin (Botox): Dieses Bakteriengift verhindert die Vesikelfusion und somit die Ausschüttung von Acetylcholin. Es wirkt vor allem in Synapsen zwischen Nerven- und Muskelzellen statt. So kann der Neurotransmitter Acetylcholin dort nicht freigesetzt werden. Das Bakterium Clostridium Botulinum findest du vor allem in verdorbenem Essen.
  • Gift der schwarzen Witwe (α-Latrotoxin): Führt zum übermäßigen Einstrom von Calciumionen in die präsynaptische Zelle, was zur Entleerung aller Vesikel und einer Dauererregung der nachfolgenden Nervenzelle führt.
  • Alkylphosphate: Diese Insektizide hemmen die Aktivität der Acetylcholinesterase, was zu einer Akkumulation von Acetylcholin im synaptischen Spalt und einer Dauererregung führt.
  • Tetrodotoxin (TTX): Das Gift des Kugelfischs blockiert Natriumkanäle in der postsynaptischen Membran und verhindert so die Weiterleitung von Aktionspotentialen.
  • Curare: Dieses Pflanzengift blockiert Acetylcholinrezeptoren in der postsynaptischen Membran und verhindert so die Bindung von Acetylcholin. Da das Curare mit Acetylcholin um die gleiche Bindungsstelle am Rezeptor konkurriert, spricht man von kompetitiver Hemmung.
  • Batrachotoxin: Das Gift des Schrecklichen Pfeilgiftfroschs bindet an Acetylcholinrezeptoren und verhindert das Schließen der Natriumkanäle, was zu einer permanenten Aktivierung der Muskelzellen führt.
  • Atropin: Hemmt Acetylcholin-Rezeptoren, indem es die Bindung von Acetylcholin verhindert.

Gemeinsame Effekte von Nervengiften

Ihre Effekte sind meist sehr ähnlich. So führen sie, bis auf Batrachotoxin, in hohen Dosen zu einer Atemlähmung und damit zum Tod.

Medikamente vs. Drogen

Generell wird heute der Begriff Droge für eine bewusstseins- und wahrnehmungsverändernde Substanz verwendet. Im angelsächsischen Raum dagegen bezeichnet „drug“ sowohl ein Arzneimittel als auch eine Droge. Die entsprechende Differenzierung ist daher immer wichtig.

Ganz nach Paracelsus ist oft die Menge einer Substanz (= Dosis) entscheidend, wie diese auf den Organismus wirkt bzw. welche Folgen der Organismus davontragen kann. Oft liegt nur ein schmaler Grat zwischen einem Medikament und einer Droge, von der Medikamenteneinnahme zum Drogenkonsum, und der Übergang von einem zum anderen kann schleichend passieren.

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