Sucht ist ein komplexes Problem, das tiefgreifende Auswirkungen auf das Gehirn hat. Substanzen wie Alkohol, Kokain und andere Drogen können die Gehirnstruktur und -funktion verändern und zu einer Vielzahl von negativen Folgen führen. Dieser Artikel beleuchtet die Auswirkungen von Sucht auf das Gehirn und untersucht die Mechanismen, die zu diesen Veränderungen führen.
Wie Sucht das Gehirn manipuliert
Drogen „manipulieren“ das Gehirn, indem sie die Konzentration bestimmter Botenstoffe erhöhen, die zunächst Wohlbefinden auslösen. Verschiedene Mechanismen im Gehirn sorgen dafür, dass das Verlangen immer größer wird, während die Bedeutung anderer Dinge wie Partnerschaft, Freundschaften, Hobbys oder Beruf abnimmt. „Drogen machen uns zu Zombies, wir werden fremdgesteuert und verlieren uns als Mensch, das eigene Sein wird der Droge untergeordnet“, so der Neurologe und Psychologe Prof. Dr. Dieser Effekt lässt sich durch eine drogenkonsumbedingte Erhöhung von Botenstoffen im Gehirn erklären - z. B. Dopamin, wodurch das ‚Belohnungszentrum‘ befeuert wird.
Das Belohnungssystem des Gehirns
Unser Gehirn giert nach Belohnung. Verantwortlich dafür ist das sogenannte Belohnungssystem, ein weit verzweigtes Netz aus Hirnarealen und Neuronen, die wie in einem Schaltkreis zusammenwirken. Eigentlich dient das Belohnungssystem der Selbsterhaltung. Doch bisweilen bringt es uns dazu, dass wir von manchen Dingen nicht genug bekommen können. Wichtigster Mitspieler im Belohnungssystem ist Dopamin, ein Neurotransmitter, der für eine Vielzahl von lebensnotwendigen Steuerungs- und Regelungsvorgängen benötigt wird. Zum Beispiel verursacht Dopamin Motivation. Drogen und Suchtmittel aktivieren das Belohnungssystem durch Dopamin deutlich stärker als natürliche Belohnungen, wie ein Lob oder ein Erfolgserlebnis.
Wie hängt die Entstehung einer Sucht - auch einer Verhaltenssucht - mit der Dopamin-Freisetzung und dem Belohnungssystem unseres Gehirns zusammen? Dopamin hat die Aufgabe, auf mögliche Belohnungen hinzuweisen, also eine belohnungsankündigende Wirkung. Das spielt beim Belohnungslernen eine große Rolle. Wenn wir etwas Positives erleben - wenn wir zum Beispiel hungrig sind und etwas essen oder wenn wir Zuwendung von einem anderen Menschen bekommen - dann wird Dopamin ausgeschüttet und markiert diese Situation als wichtig. Das heißt, wenn wir beim nächsten Mal an der Person vorbeigehen, die nett zu uns war, dann wird Dopamin ausgeschüttet, denn wir haben gelernt, dass es hier etwas Schönes geben könnte. Situationen, die mit Belohnungen einhergehen, werden gewissermaßen durch das Dopamin gelikt und dann im Suchtgedächtnis abgespeichert als etwas, das mit Belohnung verbunden ist.
Die Rolle von Dopamin bei der Suchtentstehung
Dopamin gilt im Volksmund als das Glückshormon. Dopamin ist kein Hormon, sondern ein Neurotransmitter, also ein Botenstoff zwischen Nervenzellen, der dafür sorgt, dass Nervenzellen miteinander kommunizieren können. Und das Dopamin in der Region des Gehirns, die für die Sucht wichtig ist, wirkt insbesondere im Belohnungssystem des Gehirns.
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Viele Menschen glauben, dass Dopamin glücklich macht. Das ist ein großes Missverständnis, denn das ist nicht der Fall. Dopamin hat die Aufgabe, auf mögliche Belohnungen hinzuweisen, also eine belohnungsankündigende Wirkung. Das spielt beim Belohnungslernen eine große Rolle. Wenn wir etwas Positives erleben - wenn wir zum Beispiel hungrig sind und etwas essen oder wenn wir Zuwendung von einem anderen Menschen bekommen - dann wird Dopamin ausgeschüttet und markiert diese Situation als wichtig. Das heißt, wenn wir beim nächsten Mal an der Person vorbeigehen, die nett zu uns war, dann wird Dopamin ausgeschüttet, denn wir haben gelernt, dass es hier etwas Schönes geben könnte. Situationen, die mit Belohnungen einhergehen, werden gewissermaßen durch das Dopamin gelikt und dann im Suchtgedächtnis abgespeichert als etwas, das mit Belohnung verbunden ist.
Das Suchtgedächtnis
Unser Gehirn speichert nicht nur schöne Urlaubserinnerungen oder den Geschmack von Lieblingsgerichten. Leider merkt sich das Gehirn auch, welche Stoffe oder Verhaltensweisen zu einer besonderen Belohnung geführt haben. Das Verlangen danach wird stärker, besonders das Vorderhirn wird dabei durch neuronale Anpassungsprozesse nachhaltig verändert. Das enge Zusammenspiel von Reizverarbeitung, Kognition, Gedächtnis und Emotion führen - etwa bei einer Drogenabhängigkeit - zu einem Suchtverhalten, das nach und nach erlernt wird. Schließlich kann es in ein nahezu automatisiertes Handlungsmuster münden.
Je häufiger zum Beispiel Alkohol, illegale Drogen, oder auch Glücksspiel als Problemlöser dienen, desto stärker verfestigen sich diese Verhaltensmuster. Gleichzeitig wird die suchterkrankte Person immer sensibler für Reize, die mit der Aufnahme bestimmter Suchtstoffe in Verbindung stehen. Diese Reize werden auch Trigger genannt. Zum Beispiel genügt dann schon der Anblick eines Bierglases, um das Gefühl der Feierabendstimmung auszulösen. Durch diese Trigger werden Suchterkrankte an das schöne Gefühl beim Konsum der Droge oder der Verhaltensweise erinnert und möchten dem Verlangen nachgeben. Nur: Die letztmalige Dosis reicht oft nicht mehr - also wird sie erhöht. Beim Verzicht auf das Suchtmittel kann es zu Entzugserscheinungen kommen, körperlicher Art wie Zittern oder Schwitzen oder psychischer Art wie Angstzuständen etwa oder Verstimmungen.
Stoffgebundene und Verhaltenssüchte
Fachleute unterscheiden nach stoffgebundenen Süchten und Verhaltenssüchten. Erstere können Abhängigkeiten von Substanzen wie Alkohol, Nikotin oder Schmerz- und Rauschmitteln sein. Das ist es auch, was den meisten Menschen zuerst in den Sinn kommt, wenn es um das Thema Sucht geht. Seit einigen Jahren werden exzessiv ausgeübte Verhaltensweisen, die dann außer Kontrolle geraten und zum Problem werden, als Verhaltenssüchte bezeichnet. Dazu zählen unter anderem Glücksspiele, Computer- und Internetnutzung oder Shopping.
Auswirkungen von Alkohol auf das Gehirn
Schon eine Flasche Bier am Tag lässt die graue sowie die weiße Substanz im Gehirn schrumpfen, wenn Sie über einen langen Zeitraum regelmäßig konsumieren. Bei der grauen Substanz handelt es sich um die Großhirnrinde (oder Cortex), die rund 20 Milliarden Nervenzellkörper beherbergt. Im Inneren des Großhirns befinden sich ihre Zellfortsätze (Axone), die aufgrund ihrer helleren Farbe weiße Substanz genannt werden. Beide Substanzen sind wesentliche Bestandteile des zentralen Nervensystems und steuern nahezu alle Hirnfunktionen. Ohne sie kann das Gehirn nicht normal arbeiten. Die Veränderungen, die Alkohol in den Gehirnsubstanzen verursacht, sind jedoch nicht linear: Je mehr man trinkt, desto schneller schrumpft das Gehirn. Ein Beispiel: Erhöht eine 50-jährige Person ihren täglichen Alkoholkonsum von einem 0,25l Glas Bier auf eine 0,5l Flasche Bier, entsprechen die Veränderungen im Gehirn einer Alterung von zwei Jahren.
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Die Folgen der Hirnalterung machen sich vor allem durch ein geschwächtes Erinnerungsvermögen bemerkbar. So kann es häufiger dazukommen, dass sie Kleinigkeiten wie Ihren Hausschlüssel vergessen oder immer öfter mehr als einmal auf Ihre Einkaufsliste schauen müssen. Aber der Alkohol beeinträchtigt auch andere kognitive Fähigkeiten: Aufmerksamkeit, Orientierung oder die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung. Jüngere Studien weisen darauf hin, dass regelmäßiger Alkoholkonsum von bereits fünf bis sechs Standardgläsern pro Woche die kognitive Leistungsfähigkeit vermindert.
Im Gehirn verursacht ein regelmäßiger Konsum hoher Alkoholmengen außerdem Veränderungen, die das Risiko einer Demenzerkrankung stark erhöhen. Dabei handelt es sich um eine Krankheit, die eine fortschreitende Abnahme der geistigen Leistungsfähigkeit hervorruft. Betroffene Menschen können dadurch häufig kein selbstbestimmtes Leben mehr führen und sind auf Hilfe im Alltag angewiesen. Studien zeigen, dass sich das Demenzrisiko deutlich erhöht, wenn man regelmäßig viel Alkohol trinkt. Personen ab 45 Jahren, die mehr als 24 Gramm reinen Alkohol (ca. 250 ml Wein) am Tag trinken, sind besonders gefährdet.
Auswirkungen von Kokain auf das Gehirn
Vor zwei Jahren zeigte eine systematische Metaanalyse von 36 Studien, dass der Konsum von Kokain das Risiko für Hirnblutungen und ischämischen Schlaganfällen verfünffacht. „Ein Schlaganfall tritt meistens erst in der zweiten Lebenshälfte auf. In aktuellen epidemiologischen Studien sehen wir aber, dass gerade die Schlaganfallrate von jüngeren Menschen unter 50 Jahren angestiegen ist, möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass deutlich mehr Kokain in Deutschland konsumiert wird“, erklärt Prof. Dr. Eine weitere Erkenntnis der Metaanalyse: Die Kokainkonsum-bedingen Schlaganfälle enden öfter tödlich (OR: 1,77) und gehen häufiger mit Komplikationen wie Gefäßspasmen (OR: 2,25) und epileptischen Anfällen (OR: 1,61) einher. Von Bedeutung sind dabei Kokain-induzierte Gefäßveränderungen, denn die Droge beeinträchtigt die vaskuläre Funktion, führt zur Verengung und Entzündung der Blutgefäße (Vasokonstriktion und Vaskulitis).
Eine weitere Folge des regelmäßigen Kokainkonsums ist besonders weitreichend: Kokain beschleunigt den Alterungsprozess des Gehirns, indem es die Hirnstruktur verändert. Eine 2023 publizierte Studie verglich das Hirngewebe von Kokain-Abhängigen und Nicht-Konsumenten. Festgestellt wurde bei den Suchtkranken eine ausgedehnte Atrophie der grauen Substanz in den Bereichen Temporallappen, Frontallappen, Insula und limbischer Lappen. Schon 2012 war eine Arbeitsgruppe der Frage nachgegangen, warum Langzeit-Kokain-Abhängige Einschränkungen in Bezug auf Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit und Reaktionszeit aufweisen und führte eine Bildgebungsstudie durch. Auch hier zeigte sich eine schnellere Abnahme der grauen Substanz, der Schwund ging doppelt so schnell vonstatten wie bei gesunden Menschen. „Das Perfide ist, dass Kokain oft von Menschen geschnupft wird, die ihre kognitive Leistungsfähigkeit steigern wollen. Die Droge hat hier zwar tatsächlich einen kurzfristigen Effekt, doch den zahlt man langfristig doppelt und dreifach in der gleichen Währung zurück. Sogar gelegentlicher Kokain-Konsum könnte einer Erhebung zufolge bereits mit kognitiven Defiziten verbunden sein.
Sucht als körperliche Erkrankung
Die neuere Forschung betrachtet Sucht auch als körperliche Erkrankung, bei der das menschliche Gehirn im Zentrum steht. So schreiben die beiden Wissenschaftlerinnen Nora D. Volkow und Marisela Morales in ihrem Buch „The Brain on Drugs: From Reward to Addiction“ (übersetzt: „Das Gehirn auf Drogen: Von der Belohnung zur Sucht“): „Fortschritte in den Neurowissenschaften identifizierten Sucht als eine chronische Gehirnerkrankung mit starken genetischen, neuronalen und soziokulturellen Komponenten.“ Bis heute wird weiter erforscht, warum verschiedene Substanzen oder Verhaltensweisen unterschiedlich schnell süchtig machen oder warum manche Menschen schneller abhängig werden als andere. Andere Sichtweisen gewichten die Vielzahl psychischer, biografischer und gesellschaftlicher Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Suchterkrankung stärker.
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Neuronale Veränderungen im Gehirn von Suchtkranken
Im Gehirn von Suchtkranken finden tiefgreifende Veränderungen statt. Alkoholmissbrauch erhöht die Empfindlichkeit des Stresssystems. Schon kleine Störungen werden plötzlich als bedrohlich erlebt und legen den nächsten Griff zur Flasche nahe. Das Überangebot an Dopamin durch die dauernde Reizung der Motivationszentren führt zu Gegenreaktionen im Gehirn. Es antwortet weniger stark auf natürliche Reize, auf ein leckeres Essen, oder ein gutes Gespräch. Die Welt beginnt blass zur wirken, nur das Kokain oder der Joint lösen noch deutliche Gefühle aus. Das Motivationssystem in den Gefühlzentren baut das Verlangen nach einem Genuss jetzt und hier auf. Gebremst wird es von den höheren Denkzentren im Stirnhirn, die in der Lage sind, auch langfristige Konsequenzen abzuschätzen. Die Balance aus Stärke des Verlangens und Kontrolle durch die Vernunft bestimmt letztlich die Handlung.
Wer nur mal so abnehmen will, wird bei einer leckeren Schokotorte schon mal schwach. Wer sich dagegen fest für eine Diät entschlossen hat, kann der süßen Versuchung meist wiederstehen. Bei Suchtkranken sind diese Kontrollmechanismen aber geschwächt, das konnte Nora Volkow direkt im Gehirn nachweisen. Einer der beständigsten Befunde lautet, dass Suchtkranke, egal ob sie von Kokain abhänig sind, von Alkohol oder von Methamphetamin, dass sie eine herabgesetzte Aktivität im Stirnhirn zeigen. Und zwar sowohl in einem Gebiet, dass mit den Gefühlszentren zusammenarbeitet, als auch in einer Region, die für höhere Denkleistungen zuständig ist. Beide werden durch dauernden Drogengebrauch gestört.
Die Rolle des Stirnhirns bei der Sucht
Während die bewusste Kontrolle, das Abwägen von Konsequenzen durch die Sucht geschwächt werden, gewinnen automatische Prozesse an Stärke und zwar vor allen in dem von Dopamin geprägten Motivationszentren. Die liegen in enger Nachbarschaft zu Nervenknoten, die an der Steuerung von automatischen Bewegungen beteiligt sind, erläutert der Berliner Suchtforscher Andreas Heinz. Das System ist so gebaut, das etwas, was immer häufiger gemacht wird, immer weiter in einen hinteren Teil verschoben wird, in dem es immer automatisierter wird und immer weniger bewusste Kontrolle benötigt oder in Anspruch nimmt.
Suchtverhalten und Automatisierung
Beim Zigarettenrauchen ist es am besten untersucht, da gibt es viele Befunde, die darauf hinweisen, dass die Leute wirklich automatisch anspringen, schon wenn sie Zigaretten sehen, in Regionen des Gehirns, die etwas mit motorischer Bewegungssteuerung zu tun haben, die gar nicht mehr groß bewusst geplant werden. So dass viele Patienten ihren Rückfall auch so beschreiben, dass es kein bewusster Vorsatz war oder weiß ich eine besonders intensiv ambivalent erlebte Verführungssituation sondern, dass die ganz automatisch losgelaufen sind zur nächsten Tankstelle, sich ihre Schnapsflasche gekauft haben zu Hause geleert und Verlangen und Schuldgefühle und alles mögliche ihnen erst hinterher am nächsten Tag gekommen sind.
Die bleibenden Veränderungen im Suchtgedächtnis
Im Stirnhirn ist die bewusste Verhaltenskontrolle geschwächt, gleichzeitig hat sich das Lernprogramm der Sucht verfestigt. Spätestens jetzt ist die Schwelle vom bloßen Drogenmissbrauch zur Abhängigkeitserkrankung überschritten. Das Verhalten ist quasi auf Autopilot geschaltet. Einzige Zielkoordinaten: die Sucht. Nicht nur Alkohol und Kokain vermögen das Gehirn Richtung zwanghaftem Verhalten umzusteuern. Studien zeigen ähnliche Veränderungen der Nervenschaltkreise auch bei Menschen, die nicht mit dem Roulettspielen aufhören, oder die sich nicht vom Computer losreißen können. Selbst die Fresssucht trägt in einigen Fällen ihren Namen zurecht. Nora Volkow hat extrem übergewichtigen Patienten untersucht. Deren Dopaminsystem erwies sich als ebenso gestört, wie das von Drogenabhängigen. Der Effekt war um so deutlicher, je mehr die Personen auf die Waage brachten. Wie gesagt, es handelte sich um extreme Fälle. Der durchschnittliche Übergewichtige ist wohl nicht in einem klinischen Sinne süchtig nach Süßem. Experimente an Ratten zeigen aber, dass Futter mit hohem Fett und Zuckergehalt die normalen Sättigungsmechanismen des Gehirns außer Kraft setzen kann. Auch wenn der Magen objektiv voll ist, fressen die Tiere weiter Junkfood. Auf Dauer schädigen sie damit auch ihr Motivationssystem, bis sich im Käfig alles nur noch ums Fressen dreht.
Die Rolle des Suchtgedächtnisses bei Rückfällen
Im Kern ist die Sucht ein außer Kontrolle geratener Lernmechanismus. Einerseits erzeugt er automatisierte Verhaltensprogramme. Auf der anderen Seite schafft er aber auch besonders starke Erinnerungen an alles, was mit der Droge verknüpft ist. Diese tief eingeprägten Gedächtnisspuren sind ein wichtiger Grund für die hohe Rückfallrate nach einer Therapie von Süchtigen. Schon kleine Reize in der Umwelt, eine Bierwerbung, der zufällig gehörte Name einer Disko, in der es Heroin gibt, sind in der Lage, den Autopiloten der Abhängigkeit wieder zu aktivieren. Wie effektiv das Suchtgedächtnis arbeitet, konnte Andreas Heinz im Labor nachweisen. Er hat beobachtet, was im Gehirn von trockenen Alkoholikern und von Kontrollpersonen passiert, wenn sie Bilder betrachten. Und zwar entweder Fotos von Bierflaschen, von Spritzen oder von neutralen Landschaften. Was sie sehen können ist, dass bestimmte Regionen des Gehirns nur bei Suchtkranken anspringen und nur auf diese Alkoholreize nicht auf Drogenreize die man nicht konsumiert und nicht auf andere emotionale Reize und das sind im Wesentlichen, vielleicht nicht überraschend, Regionen der Aufmerksamkeitssteuerung. Das ist aber in sofern wichtig, weil das in Situationen gezeigt wurde, wo die Leute entgiftet sind und gar keine Drogen konsumieren können und wollen und wenn dann trotzdem ein Bild reicht, um ihr Aufmerksamkeitssystem … Alkoholsucht und Drogenabhängigkeit sind Krankheiten, die Betroffene auch nach dem Entzug begleiten, die chronisch und nicht heilbar sind. Schon ein alkoholfreies Bier oder der Anblick eines Joints können in betroffenen Menschen zu einem unstillbaren Verlangen führen, erneut zu konsumieren. Begründet werden muss diese Besonderheit mit dem sogenannten Suchtgedächtnis. Dieses entwickelt sich im Zusammenhang mit einer Abhängigkeitserkrankung und sorgt dafür, dass das Verlangen nach der suchtauslösenden Substanz auch nach dem Entzug dauerhaft bestehen bleibt.
Therapie und Behandlung von Suchterkrankungen
Die Therapie einer Suchterkrankung ist abhängig von der Art der Sucht und der Ausprägung bei jedem oder jeder Einzelnen. Entsprechend unterscheiden sich auch die Vorgehensweisen bei einer stoffgebundenen und bei einer Verhaltenssucht. In diesem Fall wird bei Sucht durch Substanzen in der Regel anfangs eine körperliche Entgiftung unter medizinischer Aufsicht durchgeführt, um möglichen Komplikationen vorzubeugen. Fällt das Ziel einer Abstinenz dem oder der Betroffenen dennoch zu schwer, wird zumindest versucht, den Konsum im Sinne einer Schadensminimierung zu verringern, beziehungsweise zu begrenzen. Bei der medizinischen Behandlung einer Drogenabhängigkeit kommen unter Umständen für einige Substanzen Ersatzstoffe, wie etwa Methadon für Heroin in Frage, was den Beginn einer Therapie erleichtern kann. Das detaillierte, gestufte Vorgehen bei Verhaltenssüchten ist derzeit Gegenstand wissenschaftlicher Forschung.
Ein wichtiges Ziel der Behandlung ist, neuen Lebensmut zu bekommen und dank neuer Strategien und Verhaltensmustern abstinent zu bleiben. Mögliche Therapien, die in der Regel kombiniert angewendet werden, sind:
- Beratung: Das können motivierende Gespräche sein, mit dem Ziel, für das Thema Sucht zu sensibilisieren, zur Änderung des Verhaltens anzuregen und Zugang zu einem Behandlungsangebot zu verschaffen.
- Entgiftung: Meistens spricht man in diesem Zusammenhang von einem Entzug.
- Entwöhnung: medizinische Reha-Behandlung durch ein multiprofessionelles Team.
- Psychotherapie: zum Beispiel kognitive Verhaltenstherapie.
- Selbsthilfegruppen und Gruppenangebote
- Medikamente: Das starke Verlangen („Craving“) lässt sich in manchen Fällen medikamentös lindern.
- Behandlung einer eventuell zusätzlich bestehenden psychischen Erkrankung: zum Beispiel Therapie einer Depression, Angststörung oder Schizophrenie
Umgang mit Rückfällen
Eine Suchterkrankung, ob als Abhängigkeit von Substanzen oder Verhaltensweisen, ist mit Blick auf das komplexe Suchtgedächtnis eine lebenslange Aufgabe. Ein Rückfall ist kein persönliches Versagen, sondern gehört vielmehr zum Wesen einer Sucht. Bei Alkoholkranken liegt die Rückfallquote zum Beispiel bei 40 bis 60 Prozent innerhalb von ein bis zwei Jahren. Wichtig ist, jeden Rückfall zu bewerten und therapeutisch aufzuarbeiten. Das kann vor weiteren „Ausrutschern“ schützen und dabei helfen, die Abstinenz langfristig zu stabilisieren.
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