Demenz ist ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Erkrankungen, die mit einem fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten wie Gedächtnis, Denken, Sprache und Orientierung einhergehen. Diese Beeinträchtigungen können so stark sein, dass sie den Alltag der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. Obwohl Demenz meist im höheren Lebensalter auftritt, können auch jüngere Menschen betroffen sein, beispielsweise nach einer Hirnverletzung oder bei bestimmten seltenen Hirnerkrankungen.
Was ist Demenz? Eine Definition
Der Begriff Demenz leitet sich vom lateinischen "de" (weg) und "mens" (Geist, Verstand) ab und beschreibt einen Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit, der über das normale altersbedingte Nachlassen hinausgeht. Es handelt sich dabei nicht um eine spezifische Krankheit, sondern um ein Syndrom, also das gemeinsame Auftreten bestimmter Symptome, die unterschiedliche Ursachen haben können. Insgesamt umfasst der Begriff mehr als 50 verschiedene Krankheitsformen, wobei die Alzheimer-Krankheit die häufigste darstellt.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen von Demenz sind vielfältig und noch nicht vollständig geklärt. Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Demenzen.
- Primäre Demenzen: Sie entstehen direkt im Gehirn durch den Abbau von Nervenzellen. Die häufigste Ursache ist die Alzheimer-Krankheit, gefolgt von vaskulärer Demenz, Lewy-Körperchen-Demenz und frontotemporaler Demenz.
- Sekundäre Demenzen: Sie werden durch andere Erkrankungen oder Faktoren verursacht, wie z.B. Alkoholsucht, Stoffwechselstörungen, Vitaminmangel oder Medikamente.
Zu den Risikofaktoren für Demenz zählen:
- Hohes Alter
- Genetische Veranlagung
- Bluthochdruck
- Diabetes mellitus
- Herzrhythmusstörungen
- Hoher Cholesterinspiegel
- Depressionen
- Schädel-Hirn-Verletzungen
- Rauchen
- Übermäßiger Alkoholkonsum
- Übergewicht
- Mangelnde geistige, soziale und körperliche Aktivität
Symptome: Vielfältige Erscheinungsformen
Die Symptome von Demenz sind vielfältig und hängen von der zugrunde liegenden Erkrankung und dem Stadium der Erkrankung ab. Typische Symptome sind:
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- Gedächtnisprobleme: Vor allem das Kurzzeitgedächtnis ist beeinträchtigt. Betroffene vergessen häufig Dinge, verlegen Gegenstände und haben Schwierigkeiten, sich an neue Informationen zu erinnern.
- Sprachstörungen (Aphasie): Es treten Wortfindungsstörungen auf, und die Sprache wird undeutlicher.
- Orientierungsprobleme: Betroffene haben Schwierigkeiten, sich räumlich und zeitlich zu orientieren. Sie können sich in bekannter Umgebung verirren oder den Tag nicht mehr richtig einordnen.
- Probleme mit dem Denken und Urteilen: Schwierigkeiten bei der Planung, Organisation und Problemlösung.
- Veränderungen im Verhalten und der Persönlichkeit: Reizbarkeit, Aggressivität, Apathie, Verlust von Interessen, unangemessenes Verhalten.
- Beeinträchtigungen der visuellen Wahrnehmung: Schwierigkeiten, Objekte zu erkennen oder Entfernungen einzuschätzen.
Spezifische Demenzformen und ihre Symptome
Alzheimer-Krankheit: Beginnende Symptome sind vor allem Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, Orientierungsschwierigkeiten und Wortfindungsstörungen. Im fortgeschrittenen Stadium betrifft die Krankheit auch das Langzeitgedächtnis und führt zu einem Abbau der körperlichen Fähigkeiten.
Vaskuläre Demenz: Die Symptome ähneln denen der Alzheimer-Krankheit, können aber je nach Lokalisation der Durchblutungsstörungen im Gehirn variieren. Häufig treten zusätzlich Gangstörungen, Verlangsamung und Blasenfunktionsstörungen auf.
Lewy-Körperchen-Demenz: Typisch sind Halluzinationen, Parkinson-ähnliche Symptome (z.B. Zittern, Muskelsteifheit) und starke Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit.
Frontotemporale Demenz (FTD): Im Vordergrund stehen Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens. Betroffene sind oft reizbar, aggressiv, taktlos oder apathisch. Gedächtnisprobleme treten erst im späteren Verlauf auf.
Frontotemporale Demenz im Detail
Die Frontotemporale Demenz (FTD), früher auch Morbus Pick genannt, ist eine vergleichsweise seltene Form der Demenz, die vor allem den Frontal- und Temporallappen des Gehirns betrifft. Diese Hirnregionen sind für die Steuerung von Emotionen, Sozialverhalten und Sprache zuständig.
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Ursachen:
Bei der FTD sterben Nervenzellen in den betroffenen Hirnregionen ab. In den Nervenzellen lagern sich häufig krankhafte Proteine ab, die die Zellfunktion stören. Was genau diese Veränderungen auslöst, ist noch nicht abschließend geklärt. In etwa 40 Prozent der Fälle tritt die FTD familiär gehäuft auf. Ein Teil dieser Fälle ist auf Mutationen in den Genen C9orf72, GRN oder MAPT zurückzuführen.
Symptome:
Die FTD äußert sich in verschiedenen Formen, je nachdem, welche Hirnregionen betroffen sind:
- Verhaltensvariante (bvFTD): Diese Form ist durch tiefgreifende Veränderungen im Verhalten und in der Persönlichkeit gekennzeichnet. Typische Symptome sind:
- Enthemmung: Unpassende Bemerkungen, unangemessenes sexuelles Verhalten, Ladendiebstahl oder Berührungen von Fremden.
- Apathie: Rückzug aus sozialen und beruflichen Aktivitäten, Verlust von Interesse an Beziehungen oder Hobbys.
- Emotionale Abstumpfung / Empathieverlust: Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen nahestehender Personen, fehlende Anteilnahme oder Einfühlungsvermögen.
- Zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten: Wiederholte Handlungen, Horten von Gegenständen oder das tägliche Aufsuchen bestimmter Orte.
- Verändertes Essverhalten: Zwanghaftes Essen bestimmter Lebensmittel oder übermäßiger Konsum von Wasser oder Alkohol.
- Fehlende Einsicht: Menschen mit bvFTD sehen häufig nicht ein, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.
- Sprachliche Variante (Primär Progressive Aphasie, PPA): Diese Form äußert sich in Schwierigkeiten beim Sprechen, Verstehen, Lesen oder Schreiben. Es gibt drei verschiedene Typen der PPA:
- Semantischer Typ: Verlust des Verständnisses für Wörter.
- Unflüssiger/agrammatischer Typ: Schwierigkeiten beim Sprechen, die Sprache klingt angestrengt.
- Logopenischer Typ: Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden.
Diagnose:
Die Diagnose der FTD kann schwierig sein, da die Symptome oft psychischen Erkrankungen ähneln. Die Diagnose erfolgt in mehreren Schritten:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und Prüfung der kognitiven Fähigkeiten.
- Befragung der Angehörigen: Einschätzungen aus dem Umfeld sind entscheidend, da Erkrankte oft keine Einsicht in ihre Verhaltensänderungen zeigen.
- Bildgebende Verfahren: MRT, CT oder FDG-PET können Veränderungen in den Stirn- und Schläfenlappen sichtbar machen.
- Neuropsychologische Tests: Erfassung spezifischer Beeinträchtigungen in Planung, Urteilsvermögen, Sprache oder sozialem Verhalten.
- Genetische Untersuchungen: Bei familiärer Häufung kann ein Gentest helfen, eine vererbbare Form festzustellen.
Therapie:
Die FTD ist bisher nicht heilbar. Es gibt auch keine Medikamente, die den Krankheitsverlauf aufhalten oder verlangsamen können. Bestimmte Symptome wie Unruhe, Aggression oder zwanghaftes Verhalten lassen sich jedoch mit Medikamenten lindern. Nicht-medikamentöse Therapieformen können ebenfalls zur Linderung der Symptome beitragen.
Diagnose: Den Ursachen auf den Grund gehen
Eine frühzeitige und genaue Diagnose ist wichtig, um andere behandelbare Ursachen für die Symptome auszuschließen und die bestmögliche Behandlung einzuleiten. Die Diagnose umfasst in der Regel:
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- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden.
- Körperliche und neurologische Untersuchung: Überprüfung der körperlichen Funktionen und des Nervensystems.
- Kognitive Tests: Überprüfung der geistigen Leistungsfähigkeit, z.B. mit dem Mini-Mental-Status-Test (MMST) oder dem DemTect.
- Bildgebende Verfahren: MRT oder CT des Gehirns, um Veränderungen im Gehirn sichtbar zu machen.
- Laboruntersuchungen: Blutuntersuchungen, um andere Erkrankungen auszuschließen.
- Liquoruntersuchung: Untersuchung des Nervenwassers, um Entzündungen oder andere Erkrankungen des Gehirns auszuschließen (in bestimmten Fällen).
Therapie: Linderung und Lebensqualität
Eine Heilung von Demenz ist derzeit nicht möglich, insbesondere bei primären Demenzformen. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu verbessern. Die Therapie umfasst in der Regel:
- Medikamentöse Behandlung: Medikamente können bestimmte Symptome wie Gedächtnisprobleme, Depressionen oder Schlafstörungen lindern. Bei der Alzheimer-Krankheit werden beispielsweise Cholinesterasehemmer und Memantin eingesetzt.
- Nicht-medikamentöse Therapien: Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Musiktherapie und andere Therapieformen können helfen, die kognitiven und körperlichen Fähigkeiten zu erhalten und zu verbessern.
- Psychosoziale Unterstützung: Beratung und Unterstützung für Betroffene und ihre Angehörigen, um den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern.
- Anpassung des Wohnumfelds: Schaffung einer sicheren und vertrauten Umgebung, die den Bedürfnissen der Betroffenen entspricht.
- Aktivierende und soziale Angebote: Teilnahme an Gruppenaktivitäten, Gedächtnistraining, Bewegungsprogrammen und anderen Angeboten, um die geistige und körperliche Aktivität zu fördern.
Nicht-medikamentöse Therapieansätze im Detail
Neben der medikamentösen Behandlung spielen nicht-medikamentöse Therapieansätze eine wichtige Rolle bei der Behandlung von Demenz. Sie können dazu beitragen, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, ihre Selbstständigkeit zu erhalten und ihre kognitiven und körperlichen Fähigkeiten zu fördern. Zu den wichtigsten nicht-medikamentösen Therapieansätzen gehören:
- Ergotherapie: Ziel der Ergotherapie ist es, die Alltagskompetenzen der Betroffenen zu erhalten und zu verbessern. Dies kann durch gezieltes Training vonAlltagsaktivitäten, Anpassung des Wohnumfelds und den Einsatz von Hilfsmitteln erreicht werden.
- Physiotherapie: Die Physiotherapie hilft, die körperliche Beweglichkeit und Koordination zu erhalten und zu verbessern. Dies kann durch gezielte Übungen, Massagen und andere physikalische Anwendungen erreicht werden.
- Logopädie: Die Logopädie behandelt Sprach- und Schluckstörungen, die bei Demenz auftreten können. Ziel ist es, die Kommunikationsfähigkeit der Betroffenen zu verbessern und das Risiko von Schluckbeschwerden zu reduzieren.
- Musiktherapie: Musik kann eine positive Wirkung auf Menschen mit Demenz haben. Sie kann Erinnerungen wecken, Emotionen ausdrücken und die Entspannung fördern.
- Kunsttherapie: Die Kunsttherapie bietet Menschen mit Demenz die Möglichkeit, sich nonverbal auszudrücken und ihre Kreativität zu entfalten.
- Realitätsorientierungstraining (ROT): Das ROT hilft den Betroffenen, sich in der Realität zu orientieren. Dies kann durch gezielte Fragen, Hinweise und die Verwendung von Orientierungshilfen erreicht werden.
- Validation: Die Validation ist ein wertschätzender Ansatz, der die Gefühle und Bedürfnisse der Betroffenen ernst nimmt. Ziel ist es, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen und die Kommunikation zu erleichtern.
- Tiergestützte Therapie: Der Kontakt mit Tieren kann eine positive Wirkung auf Menschen mit Demenz haben. Tiere können Trost spenden, die Stimmung aufhellen und die soziale Interaktion fördern.
Leben mit Demenz: Herausforderungen und Unterstützung
Das Leben mit Demenz stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Es ist wichtig, sich frühzeitig über die Erkrankung zu informieren, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, wie z.B.:
- Beratungsstellen: Sie bieten Informationen und Unterstützung zu allen Fragen rund um das Thema Demenz.
- Selbsthilfegruppen: Sie bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen auszutauschen und gegenseitig zu unterstützen.
- Tagespflegeeinrichtungen: Sie bieten eine Betreuung und Aktivierung von Menschen mit Demenz tagsüber.
- Pflegedienste: Sie übernehmen die häusliche Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz.
- Wohnheime und Pflegeheime: Sie bieten eine umfassende Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz, die nicht mehr zu Hause leben können.
Prävention: Das Risiko senken
Obwohl Demenz nicht heilbar ist, gibt es Möglichkeiten, das Risiko einer Erkrankung zu senken. Ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung, geistiger Aktivität, sozialem Austausch und einer ausgewogenen Ernährung kann dazu beitragen, die geistige Leistungsfähigkeit bis ins hohe Alter zu erhalten. Auch die Behandlung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht kann das Demenzrisiko senken.
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