Die neuronale Signalübertragung ist ein komplexer Prozess, der durch Synapsen ermöglicht wird. Diese spezialisierten Verbindungen zwischen Nervenzellen spielen eine entscheidende Rolle bei der Informationsverarbeitung im Gehirn und können entweder erregend oder hemmend wirken. Synapsengifte, auch Nervengifte genannt, sind Substanzen, die diesen Prozess stören und zu Krämpfen oder Lähmungen führen können. Sie greifen in die Mechanismen der Reizweiterleitung ein, indem sie diese entweder blockieren oder verstärken.
Grundlagen der synaptischen Übertragung
Um die Wirkungsweise von Synapsengiften zu verstehen, ist es wichtig, die Grundlagen der synaptischen Übertragung zu kennen.
Erregende und hemmende Synapsen
Der grundlegende Unterschied zwischen erregenden und hemmenden Synapsen liegt in ihrem Effekt auf das Membranpotential der postsynaptischen Zelle. An der motorischen Endplatte beispielsweise bewirkt Acetylcholin die Öffnung von Natriumkanälen und erzeugt ein exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP). Im Gegensatz dazu kann eine GABAerge Synapse im Gehirn ein inhibitorisches postsynaptisches Potential (IPSP) auslösen, das die Erregbarkeit der Zelle verringert.
Die Rolle von Neurotransmittern und Rezeptoren
Neurotransmitter spielen eine zentrale Rolle bei der synaptischen Übertragung. Sie werden von der präsynaptischen Zelle freigesetzt, diffundieren durch den synaptischen Spalt und binden an Rezeptoren auf der postsynaptischen Zelle. G-Protein-gekoppelte Rezeptoren funktionieren dabei als molekulare Schalter, die extrazelluläre Signale wie Neurotransmitter ins Zellinnere übersetzen.
Summation von Potentialen
Ob am Axonhügel der Schwellenwert überschritten wird und ein Aktionspotential gebildet wird, entscheidet die Summe aller erregenden (EPSP) und hemmenden (IPSP) postsynaptischen Potentiale. Die Wirkung von Koffein auf die Blutgefäße ist ein Beispiel für die Bedeutung der Summation. Koffein blockiert Adenosin-Rezeptoren, was zu einer erhöhten Aktivität von G-Protein-gekoppelten Rezeptoren führt.
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Wirkungsweisen von Synapsengiften
Synapsengifte können an verschiedenen Stellen der Synapse wirken und unterschiedliche Effekte hervorrufen.
Beeinflussung der Neurotransmitter-Ausschüttung
Ein zentraler Mechanismus vieler Synapsengifte ist die Verhinderung der Ausschüttung von Neurotransmittern. Dies kann beispielsweise durch die Behinderung der Signalkaskade an den Calcium-Kanälen im Endknöpfchen der Präsynapse geschehen. Botulinumtoxine, Gifte der Bakterien der Gattung Clostridium, verhindern die Vesikelfusion und somit die Ausschüttung von Acetylcholin.
Beeinflussung der Neurotransmitter-Rezeptoren
Synapsengifte können auch die Neurotransmitter-Rezeptoren auf der postsynaptischen Membran beeinflussen. Curare, ein Pflanzengift, blockiert die Acetylcholinrezeptoren, wodurch Acetylcholin aus dem synaptischen Spalt nicht binden kann und eine Weiterleitung des Aktionspotentials unterbunden wird. Im Gegensatz dazu führt das Gift des Schrecklichen Pfeilgiftfroschs, Batrachotoxin, zu einer permanenten Aktivierung der Acetylcholinrezeptoren, was zu einer Übererregung der Muskelzellen führt.
Beeinflussung des Neurotransmitter-Abbaus
Im synaptischen Spalt gibt es Enzyme, die die Neurotransmitter abbauen, um deren Wirkungsdauer zu regulieren. Alkylphosphate, die beispielsweise Bestandteil von Pflanzenschutzmitteln sind, hemmen die Aktivität des Enzyms Acetylcholinesterase, das Acetylcholin abbaut.
Blockade von Ionenkanälen
Das Gift des Kugelfischs, Tetrodotoxin (TTX), blockiert die Natriumkanäle dauerhaft. So wird eine Weiterleitung des Aktionspotentials verhindert und Muskelzellen werden nicht aktiviert, was zu Lähmungserscheinungen führt.
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Beispiele für Synapsengifte und ihre Wirkungen
Es gibt eine Vielzahl von Synapsengiften, die unterschiedliche Wirkungen auf den Körper haben können.
Curare
Curare ist ein Gift aus Pflanzen, die in Südamerika wachsen. Die Ureinwohner nutzten es als Pfeilgift zum Jagen. Curare ist ein kompetitiver Antagonist zum Neurotransmitter Acetylcholin. Es verdrängt das Acetylcholin von den Rezeptoren der Postsynapse, öffnet den Rezeptor dabei aber nicht. Demnach entsteht kein EPSP und es erfolgt keine Weiterleitung der Aktionspotentiale. Dadurch wird die Muskulatur gelähmt und der Betroffene verstirbt an einer Atemlähmung.
Botulinum-Toxin
Dieses Toxin wird von dem Bakterium Clostridium botulinum produziert. Es hemmt die Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin aus den Vesikeln, indem es die dafür notwendigen Enzyme zerstört. So findet keine Übertragung der Aktionspotenziale zur nachgeschalteten Muskelzelle statt und diese ist folglich gelähmt. Das Gift wird in der Schönheitschirurgie lokal genutzt, um die mimische Muskulatur zu lähmen und so Falten zu minimieren. In diesem Fall ist es unter dem Namen "Botox" bekannt. Es kommt außerdem bei der Therapie von neuromuskulären Erkrankungen wie zum Beispiel Spastik zum Einsatz. Es ist das stärkste bekannte Nervengift.
Tetanus-Toxin
Auch dieses Gift wird von einem Bakterium, mit Namen Clostridium tetani, gebildet. Diese befinden sich oft an rostigem Metall. In Wunden herrschen optimale Bedingungen für die Vermehrung der Bakterien. Hier befindet sich also die Eintrittspforte für das Toxin, um in den Körper zu gelangen. Es wird dann retrograd bis zu den Vorderhörnern des Rückenmarks transportiert. Dort zerstört es Enzyme, die dafür zuständig sind, dass hemmende Transmitter aus den Vesikeln ausgeschüttet werden. Folglich können die hemmenden Interneurone nicht mehr arbeiten. Durch die fehlende Hemmung kommt es zur Übererregung der Muskulatur. Dadurch kommt es bei Betroffenen zu Streckkrämpfen und dem sogenannten Teufelsgrinsen. Die Patienten versterben an einem Erstickungstod, infolge einer dauerhaft angespannten Atemmuskulatur. Gegen dieses Toxin gibt es glücklicherweise eine Impfung.
Atropin
Atropin kommt in der schwarzen Tollkirsche vor. Es verdrängt Acetylcholin von den Rezeptoren an der Postsynapse, bewirkt dabei aber keine Öffnung der Kanäle. Es kommt zu keinem Natriumeinstrom und so kann kein Aktionspotential gebildet werden.
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Insektizid Parathion E 605
Das Insektizid Parathion E 605 hemmt das Enzym Cholinesterase, welches normalerweise Acetylcholin im synaptischen Spalt spalten soll. Nur so kann dieses zurück in die Präsynapse transportiert und erneut in Vesikeln gespeichert werden. Ist dies nicht möglich, kommt es folglich zu einem Überschuss an Neurotransmittern und somit zur Dauerdepolarisierung der Postsynapse. Die Muskulatur befindet sich dann in einem Dauerkrampf. Durch die Dauerkontraktion der Atemmuskulatur kommt es letztendlich zum Tod. Der Stoff ist in Deutschland verboten. Neben dem Insektizid hat der chemische Kampfstoff Sarin die gleiche Wirkungsweise. Er hat strukturelle Ähnlichkeit mit Parathion und wird über die Atemwege und die Haut aufgenommen. Er ist bereits bei geringer Dosis tödlich.
Alpha-Latrotoxin
Dieser Stoff ist das Gift einer Spinne, der schwarzen Witwe. Es führt dazu, dass übermäßig viele Calciumionen in die präsynaptische Membran einströmen. Dadurch kommt es zur Entleerung aller vorhandenen Vesikel in den synaptischen Spalt. So wird die nachfolgende Nervenzelle dauerhaft aktiviert (= Dauererregung), was zu Muskelkrämpfen führt.
Schlaffe und starre Lähmung
Synapsengifte können entweder zu einer schlaffen oder einer starren Lähmung führen.
- Schlaffe Lähmung: Bei einer schlaffen Lähmung wird die Erregungsweiterleitung blockiert. Das heißt, eine Muskelkontraktion findet nicht statt, der Muskel bleibt schlaff. Beispiele hierfür sind Botulinumtoxin und Curare.
- Starre Lähmung: Bei einer starren Lähmung kommt es zu einer Dauererregung. Das heißt, der Muskel wird durchgängig kontrahiert; er ist starr. Beispiele hierfür sind Alpha-Latrotoxin und E 605.
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