T2 Hyperintense Läsionen im Gehirn: Ursachen, Diagnose und Differenzialdiagnose

Weiße Flecken im Gehirn, dargestellt als T2 hyperintense Läsionen in der Magnetresonanztomographie (MRT), sind ein diffiziles Thema mit vielfältigen Ursachen und Begrifflichkeiten. Diese Läsionen können von harmlosen altersbedingten Veränderungen bis hin zu Anzeichen schwerwiegender Erkrankungen reichen. Eine präzise Diagnose ist entscheidend, um die zugrunde liegende Ursache zu identifizieren und eine angemessene Behandlung einzuleiten.

Begriffsdefinition und Herausforderungen

Die Terminologie rund um weiße Flecken im Gehirn ist vielfältig. Begriffe wie Leukoaraiose, Leukenzephalopathie, White Matter Lesions, White Matter Hyperintensities, White Matter Changes oder White Matter Disease werden synonym verwendet. Diese Vielfalt erschwert die Kommunikation und das Verständnis.

PD Dr. Gunther Fesl betont: "Die Differentialdiagnose weißer Flecken im Gehirn ist schwierig. Schon die Begrifflichkeiten gehen sehr weit auseinander."

Die Herausforderung besteht darin, dass allein anhand eines T2-gewichteten Bildes oft keine präzise Diagnose möglich ist. Die Liste der Differentialdiagnosen ist lang und reicht vom normalen Alterungsprozess bis hin zu sehr seltenen Krankheiten.

Ursachen von T2 Hyperintensen Läsionen

Die Ursachen für weiße Flecken im Gehirn sind vielfältig. Es ist entscheidend, physiologische Vorgänge wie den Alterungsprozess, Caps, Bands oder perivaskuläre Räume, die oft als Zufallsbefund diagnostiziert werden, von pathologischen Prozessen zu unterscheiden.

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Häufige Ursachen:

  • Alterungsprozess: Mit zunehmendem Alter treten vermehrt weiße Flecken im Gehirn auf. Die Übergänge vom normalen Altern zum Krankheitswert sind fließend.
  • Hypoxisch-ischämische Erkrankungen: Sauerstoffmangel oder Durchblutungsstörungen im Gehirn können zu Läsionen führen.
  • Mikroangiopathien: Erkrankungen der kleinen Blutgefäße im Gehirn, die mit Demenzen, Depressionen, Schlaganfällen und erhöhtem Sterberisiko assoziiert sind. Ursachen sind Alterung, Rauchen, Bluthochdruck und Diabetes mellitus.
  • Entzündlich/Autoimmune Vorgänge: Entzündungen des Gehirns und Autoimmunerkrankungen können zu Läsionen führen. Ein häufiges Beispiel ist die Multiple Sklerose (MS).
  • Multiple Sklerose (MS): Eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems, die zu Demyelinisierungsherden führt.
  • Migräne: Studien haben gezeigt, dass Migränepatienten häufiger hyperintense Läsionen in der weißen Hirnsubstanz aufweisen.
  • COVID-19: Schäden an den kleineren Blutgefäßen im Gehirn, die zu punktuellen Blutungen und lokalen Entzündungsreaktionen führen können.

Seltenere Ursachen:

  • Toxische Ursachen: Schädigung des Gehirns durch toxische Substanzen.
  • Infektiöse Ursachen: Infektionen des Gehirns, wie z.B. Neuro-Borreliose (sehr selten, Wahrscheinlichkeit von 1 zu 100.000).
  • Traumatische Ursachen: Schädel-Hirn-Trauma.
  • Hereditäre Erkrankungen: Sehr seltene, vererbte Erkrankungen.

Diagnostische Verfahren

Um die Ursache für T2 hyperintense Läsionen zu ermitteln, sind verschiedene diagnostische Verfahren erforderlich:

  • Anamnese und klinische Untersuchung: Eine sorgfältige Anamnese und klinische Untersuchung sind unerlässlich, um Risikofaktoren, Begleiterkrankungen und neurologische Symptome zu erfassen.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Die MRT ist das wichtigste bildgebende Verfahren zur Beurteilung von weißen Flecken im Gehirn. Verschiedene MRT-Sequenzen (T1-gewichtet, T2-gewichtet, FLAIR, kontrastverstärkt) liefern unterschiedliche Informationen über die Läsionen.
  • Fazekas Score: Zur Klassifizierung von Mikroangiopathien.
  • MRT des Rückenmarks: Ergänzende MRT-Untersuchung des Rückenmarks, insbesondere bei Verdacht auf Multiple Sklerose.
  • Liquordiagnostik: Die Untersuchung des Liquors (Nervenwasser) kann wichtige Hinweise auf entzündliche oder autoimmune Prozesse liefern.
  • Elektrophysiologische Parameter: Die Bestimmung der visuell evozierten Potentiale (VEP) kann eine unter Umständen subklinisch abgelaufene Entzündung nachweisen.
  • Blutuntersuchungen: Zur Abklärung von Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus und erhöhten Cholesterinwerten.

Interpretation der MRT-Befunde

Die Interpretation der MRT-Befunde erfordert Erfahrung und Fachkenntnisse. Folgende Aspekte sind wichtig:

  • Anzahl, Größe und Lokalisation der Läsionen: Die Verteilung der Läsionen (periventrikulär, juxtakortikal, infratentoriell, spinal) kann Hinweise auf die Ursache geben.
  • Morphologie der Läsionen: Konfluierende Flecken deuten eher auf pathologische Prozesse hin.
  • Kontrastmittelaufnahme: Kontrastmittelanreichernde Läsionen weisen auf aktive Entzündungsprozesse hin.
  • "Black holes": Nicht kontrastmittelaufnehmende Herde mit deutlicher T1w-Signalminderung, die auf Myelinverlust hindeuten.
  • "Central vein sign": Perivaskuläre Lokalisation von Läsionen, bei denen die Venen in den Läsionen direkt abgegrenzt werden können.

Differenzialdiagnose

Die Differenzialdiagnose von T2 hyperintensen Läsionen ist komplex und erfordert die Berücksichtigung verschiedener Erkrankungen. Wichtige Differenzialdiagnosen sind:

  • Multiple Sklerose (MS): Klassische Demyelinisierungsherde entstehen durch aktivierte T-Lymphozyten, die ins Gehirngewebe wandern. Entzündungsherde zeigen sich in einer spezifischen Struktur des Gehirns, dem Corpus callosum.
  • Vaskuläre Läsionen: Ischämische Läsionen, die durch Durchblutungsstörungen verursacht werden.
  • Migräne: Subklinische Läsionen, die sich im Laufe der Zeit vergrößern können, aber nicht unbedingt Auswirkungen auf den Gesundheitszustand haben.
  • COVID-19-assoziierte Läsionen: Punktförmige Blutungen und Entzündungsreaktionen in den kleineren Blutgefäßen des Gehirns.
  • Andere entzündliche Erkrankungen: Z.B. Vaskulitiden, systemischer Lupus erythematodes (SLE).
  • Infektiöse Erkrankungen: Z.B. Neuroborreliose, HIV-Enzephalopathie.
  • Metabolische Erkrankungen: Z.B. Vitamin-B12-Mangel.
  • Genetische Erkrankungen: Z.B. CADASIL (Cerebral Autosomal Dominant Arteriopathy with Subcortical Infarcts and Leukoencephalopathy).

Bedeutung klinischer Angaben

Klinische Angaben sind für die Interpretation der MRT-Befunde von entscheidender Bedeutung. Eine dreißigjährige Patientin wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unter einer Mikroangiopathie leiden. Die Kommunikation mit den Zuweisern ist daher unerlässlich. Anamnese, Ergebnisse der klinischen Untersuchung und Werte aus Blut und Liquor sind notwendig, um eine adäquate Diagnose zu stellen.

Zukünftige Entwicklungen

PD Dr. Fesl ist der Überzeugung, dass Tools wie KI oder Big Data künftig sehr dabei helfen können, die Differentialdiagnose einfacher zu gestalten und zu beschleunigen. Mustererkennung lässt sich mit Hilfe von Tools umsetzen, die der Radiologe als Grundlage für seine Diagnose nutzen kann.

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Es ist wichtig zu betonen, dass Tools die Kommunikation mit den Zuweisern und ein umfassendes Hintergrundwissen über den Patienten nur ergänzen, aber niemals ersetzen können.

Multiple Sklerose: Ein detaillierterer Blick

Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Sie zählt zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen im jungen Erwachsenenalter. Die Ursachen sind bis heute noch nicht zur Gänze geklärt. Derzeitige Therapien zielen auf die Behandlung bzw. Verhinderung von Schüben bzw. die Verlangsamung des Fortschreitens der Erkrankung ab.

Epidemiologie:

  • Weltweit sind über 2 Millionen Menschen von MS betroffen.
  • In Deutschland betrug die Gesamtprävalenz der MS im Jahr 2019 0,34 %, was etwa 280.000 Betroffenen entspricht.
  • Die Erkrankung manifestiert sich meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr.
  • Frauen sind häufiger betroffen als Männer (Verhältnis 3:1).
  • Die schubförmig remittierende MS (RRMS) ist die häufigste Verlaufsform (ca. 80 % der Fälle).

Krankheitsursachen:

  • Genetische Prädisposition: Die Prävalenz der MS ist bei eineiigen Zwillingen und Kindern von MS-Patienten deutlich erhöht.
  • Umweltfaktoren: Viren, Ernährungsfaktoren, Hygienemaßnahmen und Rauchen könnten eine Rolle spielen.

Krankheitsbilder:

  • Schubförmig remittierende MS (RRMS): Charakterisiert durch Schübe neurologischer Symptome, die von Phasen der Remission abgelöst werden.
  • Sekundär progrediente MS (SPMS): Entwicklung einer langsamen, stetigen Verschlechterung nach einer initialen schubförmigen Phase.
  • Primär progrediente MS (PPMS): Schleichender Beginn der Erkrankung ohne Schübe.

Diagnose:

Die Diagnose der MS erfolgt heute gemäß den McDonald-Kriterien. Diese fordern den Nachweis sowohl einer zeitlichen als auch einer räumlichen Krankheitsprogression.

  • MRT: Die MRT spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnose und Überwachung der MS. MS-spezifische MRT-Veränderungen wurden definiert, wobei einerseits die Verteilung (periventrikulär, juxtakortikal, infratentoriell und spinal), andererseits die Kontrastmittelaufnahme als für MS charakteristisch gelten.
  • Liquordiagnostik: Nachweis oligoklonaler Banden im Liquor.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Bestimmung der visuell evozierten Potentiale (VEP).

Therapie:

Die Therapie der MS unterscheidet zwischen:

  • Schubtherapie: Behandlung akuter Schübe mit Methylprednisolon.
  • Immunmodulatorische Therapie (Intervalltherapie): Verhinderung neuer Schübe mit Medikamenten wie Interferon-beta, Glatirameracetat, Dimethylfumarat, Teriflunomid, Natalizumab, Fingolimod und Alemtuzumab.
  • Symptomatische Therapie: Linderung von Beschwerden wie Spastik, Schmerzen, Müdigkeit und Blasenfunktionsstörungen.

COVID-19 und neurologische Komplikationen

COVID-19 kann neurologische Komplikationen verursachen, darunter auch T2 hyperintense Läsionen im Gehirn. Studien haben gezeigt, dass die Hirnschäden, die bei Patienten mit COVID-19 auftreten können, offenbar die kleineren Blutgefäße betreffen. Dort kommt es sowohl zu punktuellen Blutungen als auch zu lokalen Entzündungsreaktionen.

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Die Ursachen für diese neurologischen Komplikationen sind noch nicht genau bekannt. Es wird vermutet, dass eine entzündliche Reaktion des Gehirns und Mikrothrombenbildung in den Blutgefäßen eine Rolle spielen.

Hypertonie und kognitive Defizite

Hyperintense Läsionen in der Kopf-MRT sind ein häufiger Nebenbefund bei Hypertoniepatienten. Studien haben gezeigt, dass das Risiko manifester kognitiver Defizite mit dem MRT-Befund korreliert. Eine optimale Blutdruckeinstellung bei Hypertoniepatienten ist daher wichtig, um kognitiven Schäden vorzubeugen.

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