In den letzten Jahren hat die wissenschaftliche Forschung zunehmend die positiven Auswirkungen von regelmäßiger körperlicher Aktivität auf das Gehirn und die kognitive Leistungsfähigkeit hervorgehoben. Insbesondere das Tanzen, als eine Form des motorisch-kognitiven Trainings, rückt immer mehr in den Fokus von Studien zur Demenzprävention und zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse und Forschungsprojekte, die die Wirksamkeit von Tanzen gegen Demenz untersuchen.
Die Bedeutung von Bewegung für die Gehirngesundheit
Die Zusammenhänge zwischen Alterungsprozessen und körperlicher Aktivität sind seit geraumer Zeit Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sind. Die positive Auswirkung von körperlicher Aktivität auf kognitive Funktionen lässt sich auch in der aktuellen WHO-Empfehlung „Risikominimierung von kognitivem Abbau und Demenzprävention“ wiederfinden. Kernaussage der Empfehlung ist, dass Erwachsene ab 65 Jahren wöchentlich mindestens 150 Min. (ideal 300 Min.) mäßig intensive aerobe körperliche Aktivität oder mindestens 75 Min. hochintensive aerobe körperliche Aktivität ausüben sollten.
Bewegung hält das Gehirn aktiv und kann helfen, den Krankheitsverlauf von Menschen mit Demenz zu verlangsamen. Auch depressive Symptome, die oft als Begleiterscheinung einer Demenz auftreten, können durch Bewegung positiv beeinflusst werden. Wer sich bewegt, fühlt sich sicherer, spürt seinen Körper und bleibt besser in Kontakt mit seiner Umgebung. Besonders in Gruppen kann Aktivität Lebensfreude schenken und das Gefühl stärken, dazuzugehören.
Tanzen als motorisch-kognitives Training
In eigenen Forschungsprojekten konnte gezeigt werden, dass bei gesunden Senioren ein motor-kognitives Training (Tanzen) einem reinen körperlichem Training (Kraftausdauertraining) hinsichtlich der Effekte auf das Gehirn und der geistigen Leistungsfähigkeit überlegen ist. Tanzen fordert Körper und Geist und verringert offenbar Gedächtnisstörungen. Tanzen ist eine Sportart, die konditionelle, koordinative und kognitive Leistungen erfordert und soziale Interaktionen fördert.
Die Einstein Aging Study, eine Langzeitstudie, die Menschen über Jahrzehnte begleitet, zeigt: Unsere Hobbys beeinflussen, wie schnell unser Hirn abbaut. In dieser Studie reduzierte sich das Risiko für Demenzerkrankungen um 41 Prozent, wenn die Teilnehmer mehrmals pro Woche Kreuzworträtsel lösten. Sportarten wie Schwimmen verringerten es um 29 Prozent. Eine Risikoreduktion von sensationellen 76 Prozent aber brachte nur das Tanzen!
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Aktuelle Forschungsprojekte und Studienergebnisse
Ziel des aktuellen Forschungsprojektes ist es, die Wirkung eines wissenschaftlich erprobten Tanzkonzeptes bei Seniorinnen mit einer leichten kognitiven Störung zu analysieren, um einem möglichen Übergang zur Demenz präventiv entgegenzuwirken. Forschergruppen der Otto-von-Guericke Universität und des Deutschen Zentrums für Neurologische Erkrankungen (Magdeburg) konnten bereits positive Effekte eines sportiven Tanztrainings (im Vergleich zu einem klassischen Gesundheitssporttraining) auf die Neuroplastizität und die kognitiven Fähigkeiten bei gesunden Senioreninnen im Alter von 63 bis 80 Jahren wissenschaftlich belegen.
Bei Teilnehmer*innen des Tanztrainings zeigten sich nach Kernspinaufnahmen des Kopfes Volumenzunahmen der grauen Hirnsubstanz in prämotorischen und parahippocampalen Regionen. Die Volumenzunahmen gingen mit einem signifikanten Anstieg des Nervenwachstumsfaktors BDNF (Brain-derived neurotrophic factor) im Blutplasma einher. Eine weitere signifikante Verbesserung, die nur in der Tanzgruppe registriert wurde, ist die Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeiten. Studienergebnisse zeigen außerdem, dass ein gezieltes Tanztraining effektiver als herkömmliche körperliche Aktivität sein kann, wenn es um die Verbesserung der Gangsicherheit, den Erhalt von kognitiven Fähigkeiten und die soziale Interaktion geht.
Tanztraining bei leichter kognitiver Störung
In der vorliegenden Studie soll untersucht werden, ob diese positive Effekte eines motor-kognitiven Trainings (sportives Tanztraining) auch bei älteren Menschen, die schon unter leichten kognitiven Störungen leiden, beobachtet werden können. Dazu werden ältere Menschen, die eine ärztlich diagnostizierte leichte kognitive Störungen aufweisen, ein mehrmonatiges Tanztraining absolvieren. Basierend auf vorherigen Forschungsarbeiten, wird erwartet, dass auch ältere Menschen mit leichten kognitiven Störungen von einem sportiven Tanztraining hinsichtlich der geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit profitieren werden.
Neuroplastizität und Tanz
Professor Christian Elger, der eine Untersuchung leitete, war überrascht. Zwar gibt es bereits Vergleiche zwischen Tänzerhirnen und denen von Nichttänzern. Aber es durfte die neuronale Plastizität erstmals im Vorher-nachher-Design demonstriert werden. Tanzen ist aber auch Kommunikation und Körpersprache. Tanzen könne ganz niederschwellig, ohne großen Aufwand viel bewirken.
Soziale Interaktion und Gemeinschaftserlebnisse
Insbesondere die Isolation im Alter ist eine Gefahr für alleinstehende Senioren*innen, bzw. Paare bei denen nur ein Partner von Krankheit betroffen ist. Beim gemeinschaftlichen Tanztraining soll einer Vereinsamung entgegengewirkt werden.
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In der Komischen Oper in Berlin wird im Kreis Boogie Woogie getanzt. Die Gruppe besteht auch hier aus Demenzbetroffenen und ihren Begleitern. Sie kommen jede Woche zu Resonare, dem Musikprojekt für Menschen mit Demenz und deren Angehörige. Ein Paar ist Christine mit ihrer an Demenz erkrankten Mutter Christine. Sie findet die Resonare-Gruppe ganz wunderbar: „Eine wunderschöne Sache. Vor allen Dingen ist aber nicht schlimm, wenn man mal nicht so gut drauf ist, dann wird man aufgefangen. Und das ist wirklich wohltuend. Ja, alle sind ganz lieb.“ Ihre Tochter ergänzt: „Ich finde immer schön, wenn man in die strahlenden Augen der anderen schaut, die auch Spaß dran haben. Und dann ist eben auch alles irgendwie verflogen, dann ist wurscht, was im Kopf ist oder nicht ist, sondern wir bewegen uns und haben einfach Freude“.
Praktische Umsetzung und Initiativen
Die bisherigen Erkenntnisse geben Grund zur Annahme, dass ein spezielles Bewegungsprogramm mit ausgewählten Mitteln und Methoden des Tanzes ein kostengünstiges Präventionsangebot - sowohl auf gesundheitspolitischer als auch auf individueller Ebene- darstellen kann. Das Projekt birgt hinreichend Potential die sport- und neurowissenschaftliche Forschung voranzutreiben und somit Sachsen-Anhalts Gesundheitswirtschaft maßgeblich zu stärken.
Stefan Kleinstück hat die Initiative „Wir tanzen wieder - Tanzen für Menschen mit und ohne Demenz“ gegründet. Sein Konzept hat er deutschlandweit in Sportvereine, in Tanzschulen, Netzwerke und auch in Kliniken für Demenzkranke getragen.
Tipps für mehr Bewegung im Alltag
Neben gezieltem Sport hält auch Bewegung im Alltag Körper und Geist fit. Ein Spaziergang, Treppensteigen oder Gartenarbeit - jede Bewegung bringt den Kreislauf in Schwung, versorgt das Gehirn mit Sauerstoff und stärkt die geistige Fitness.
- Öfter zu Fuß gehen oder das Rad nehmen - kurze Strecken aktiv zurücklegen hält in Schwung.
- Die Treppe nehmen statt den Aufzug - das kräftigt Muskeln und verbessert das Gleichgewicht.
- Freizeit aktiv gestalten - mit Freunden spazieren, im Garten werkeln oder draußen Zeit verbringen.
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