Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems. Allein in Deutschland leiden Schätzungen zufolge bis zu 400.000 Menschen daran. Obwohl die Krankheit nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Therapiemöglichkeiten, die die Symptome lindern und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern können. Ein wichtiger Bestandteil dieser Therapien ist die Bewegungstherapie, insbesondere das Tanzen.
Was ist die Parkinson-Krankheit?
Parkinson ist ein Überbegriff für neurodegenerative Erkrankungen, die durch eine krankhafte Zellalterung in bestimmten Gehirnarealen gekennzeichnet sind. Dies führt zu einem Mangel an Dopamin, einem Botenstoff, der an der Bewegungssteuerung beteiligt ist. Durch die verminderte Dopaminausschüttung in den Basalganglien, tiefliegenden Hirnkernen, kommt es zu Symptomen wie:
- Bewegungsarmut (Akinese)
- Zittern (Tremor)
- Muskelsteifigkeit (Rigor)
- Gang- und Gleichgewichtsstörungen
- "Eingefrorene" Bewegungen (Freezing)
Die Erkrankung tritt gehäuft zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr auf, kann aber auch jüngere Menschen betreffen.
Multimodale Therapieansätze bei Parkinson
Die Behandlung von Parkinson ist multimodal und orientiert sich am Krankheitsstadium der Patient:innen. Sie umfasst verschiedene Therapieansätze, die kombiniert werden, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Zu den wichtigsten Therapiebausteinen gehören:
- Medikamente: Diese kompensieren den Dopaminmangel im Gehirn und lindern so die Symptome.
- Physiotherapie: Sie verbessert die Beweglichkeit, Bewegungskoordination, Gangleistung und das Gleichgewicht.
- Tanztherapie: Sie nutzt die positiven Effekte des Tanzens, um die motorischen Fähigkeiten und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
- Logopädie: Sie behandelt Sprach- und Schluckstörungen, die bei Parkinson auftreten können.
- Ergotherapie: Sie unterstützt die Patient:innen bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben und fördert ihre Selbstständigkeit.
- Ernährungsumstellung: Eine ausgewogene Ernährung kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.
- Psycho- oder neuropsychologische Therapie: Sie hilft den Betroffenen, mit den psychischen Belastungen der Erkrankung umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern.
- Tiefe Hirnstimulation (THS): Dieses operative Verfahren kann bei Patient:innen mit fortgeschrittener Erkrankung eingesetzt werden, um die motorischen Symptome zu lindern. Dabei werden Elektroden in tiefliegende Hirnareale eingesetzt, die elektrische Impulse abgeben.
Die Bedeutung der Bewegungstherapie und des Tanzens
Die Bewegungstherapie ist ein wesentlicher Bestandteil der Parkinsonbehandlung, da sie wesentlich zur Verbesserung der Beweglichkeit, Bewegungskoordination, Gangleistung und des Gleichgewichts beiträgt. Das Tanzen ist eine besonders effektive Form der Bewegungstherapie, da es auf spielerische Weise verschiedene motorische Fähigkeiten trainiert und gleichzeitig die Lebensfreude und das Gemeinschaftsgefühl fördert.
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Positive Effekte des Tanzens bei Parkinson
- Verbesserung der Beweglichkeit und Koordination: Die flüssigen Bewegungen beim Tanzen können der Bewegungsarmut und Muskelsteifigkeit entgegenwirken.
- Schulung des Gleichgewichts: Durch das Tanzen, insbesondere mit einem Partner, wird das Halten des Gleichgewichts geübt. Dies ist besonders wichtig, da viele Parkinson-Patient:innen unter Gleichgewichtsstörungen und einer erhöhten Sturzgefahr leiden.
- Überwindung von "Freezing"-Episoden: Die Musik beim Tanzen kann als externer Trigger wirken und die Blockaden lösen, die bei "Freezing"-Episoden auftreten. Es wird angenommen, dass die Musik Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin freisetzen kann, die die Bewegungssteuerung verbessern.
- Steigerung der Lebensqualität: Das Tanzen trägt nicht nur zu einer besseren Beweglichkeit bei, sondern auch zu einer Verbesserung der Stimmung und des Selbstbewusstseins. Die soziale Interaktion und die Freude am Tanzen können Depressionen entgegenwirken und die Lebensqualität der Betroffenen steigern.
- Positive Auswirkungen auf exekutive Funktionen: Studien haben gezeigt, dass Tanztherapie deutliche Verbesserungen im Bereich der exekutiven Funktionen (Planung, Problemlösung, Flexibilität) erzielen kann.
Agathe, eine Parkinson-Patientin, ist seit einem Jahrzehnt fester Bestandteil einer Tanz- und Gymnastikgruppe in Freiburg. Im Alltag ist sie auf ihren Rollator angewiesen, aber auf der Tanzfläche kann sie ihn oft hinter sich lassen. Die freien Bewegungen helfen ihr, beweglich zu bleiben und die Symptome zu lindern. Sie sagt: "Wenn ich das Tanzen nicht hätte, dann wäre ich wahrscheinlich nicht so beweglich."
Ingrid Hauff, eine Hamburgerin, bemerkte vor zehn Jahren seltsame Veränderungen an sich und erhielt schließlich die Diagnose Parkinson. In einer Psychosomatischen Klinik kam sie mit der Tanztherapie in Berührung und tanzt seitdem regelmäßig. Sie berichtet, dass sie in Momenten der Entspannung weniger Medikamente benötigt.
Tanzformen und Kursangebote
Es gibt verschiedene Tanzformen und Kursangebote, die speziell auf die Bedürfnisse von Parkinson-Patient:innen zugeschnitten sind. Dazu gehören:
- Bewegungstherapeutische und -pädagogische Angebote: Diese Kurse zielen darauf ab, die Mobilität zu erhalten und zu verbessern. Sie verbessern die Körperhaltung, machen die Bewegung geschmeidiger und beeinflussen den Gleichgewichtssinn und die Koordinationsfähigkeit.
- Tanzgymnastische Übungen: Diese Übungen werden meistens auf Stühlen sitzend ausgeführt und später im Stehen fortgesetzt.
- Tanztherapeutische Angebote: Diese Angebote werden von den Krankenkassen übernommen und berücksichtigen die psychologischen Aspekte der Erkrankung.
- Spezielle Tanzkurse: Hier lernen die Teilnehmer Tanzfiguren und Choreografien der jeweiligen Tanzform unter Berücksichtigung ihrer Einschränkungen.
- Übungs-DVDs: Diese DVDs enthalten Tanzübungen, die man zuhause vor dem Fernseher oder dem Computer mitmachen kann.
Beim Tanzen, insbesondere beim Tango, können Parkinson-Patienten beispielsweise auch eine bestimmte Strategie zum Rückwärtslaufen erlernen.
Rollstuhltanzen als besondere Möglichkeit
Auch für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, gibt es die Möglichkeit des Rollstuhltanzens. Diese Sportart wurde Ende der 1970er Jahre von Dr. Gertrude Krombholz erfunden und ermöglicht es Rollifahrern, zusammen mit Fußgänger-Partnern zu tanzen. Sema Schäffer, eine Rollstuhlfahrerin, gewann mit ihrem Partner zweimal die Europameisterschaften und mehrere Deutsche Meisterschaften im Rollstuhltanzen. Sie sagt: "All diese Erfahrungen, die Reisen, die Bekanntschaften mit vielen interessanten Menschen, haben mich sehr gestärkt."
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Zertifizierte Parkinson-Fachkliniken
Einige Kliniken haben sich auf die Behandlung von Parkinson spezialisiert und sind als Parkinson-Fachkliniken zertifiziert. Diese Kliniken bieten ein komplexes, ganzheitliches Therapiekonzept nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen, das individuell auf die Bedürfnisse der Patient:innen abgestimmt ist. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist das erste Universitätsklinikum in Deutschland, das als Parkinson-Fachklinik ausgezeichnet wurde.
Weitere Therapieansätze und Forschung
Neben der Tanztherapie gibt es noch weitere Therapieansätze, die bei Parkinson eingesetzt werden können, wie z.B.:
- Lee Silverman Voice Treatment (LSVT): Hier üben die Betroffenen mit speziell ausgebildeten Therapeuten lautes Sprechen (LSVT-LOUD) oder das Ausführen von Bewegungen mit großer Amplitude (LSVT-BIG).
- Taiji: Diese chinesische Kampf- und Bewegungskunst zielt auf Entschleunigung, Konzentration und Entspannung bei körperlicher Aktivität ab.
Die Forschung im Bereich der Parkinson-Therapie ist weiterhin aktiv, um neue und effektivere Behandlungsmethoden zu entwickeln.
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