Taubheitsgefühl im Oberschenkel: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Ein Taubheitsgefühl im Oberschenkel kann beunruhigend sein, besonders wenn es von Schmerzen im Rücken begleitet wird. Da durch die Wirbelsäule das Rückenmark mit seinen vielen Nervenbahnen verläuft, ist es wichtig abzuklären, ob die Taubheitsgefühle im Oberschenkel von einer Schädigung der Nerven herrühren. Die Ursachen können vielfältig sein, von harmlosen Verspannungen bis hin zu ernsthafteren Erkrankungen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Ursachen, Symptome, Diagnosemethoden und Behandlungsansätze, um Ihnen ein umfassendes Verständnis dieser Beschwerde zu ermöglichen.

Was ist ein Taubheitsgefühl im Oberschenkel?

Unter einem Taubheitsgefühl im Oberschenkel versteht man ein neurologisches Beschwerdebild, das zu einem Gefühl der Taubheit oder des Kribbelns im Bereich des Oberschenkels führt. Es vermittelt die Empfindung von Berührung, Schmerz und Temperatur am seitlichen und vorderen Oberschenkel. Charakteristisch sind ein Kribbeln, brennende Schmerzen, Missempfindungen und Taubheit. Meistens ist nur eine Seite betroffen.

Ursachen für Taubheitsgefühle im Oberschenkel

Die Ursachen für einen tauben Oberschenkel hängen häufig mit dem Rücken zusammen, da hier viele Nervenbahnen verlaufen und sich Erkrankungen der Wirbelsäule immer wieder auf die Extremitäten auswirken. Ein tauber Oberschenkel deutet meist auf den LWS-Bereich hin, während taube Arme oder Hände eher eine Erkrankung im HWS-Bereich vermuten lassen. Im Folgenden werden einige der häufigsten Ursachen detaillierter beschrieben:

1. Bandscheibenvorfall

Bei einem Bandscheibenvorfall drückt die Bandscheibe auf das Rückenmark, was zu einer Wirbelkanalverengung führt. Dadurch geraten die Nervenbahnen in Bedrängnis und reagieren oft gereizt. Neben starken Schmerzen sind Taubheitsgefühle und ein Kribbeln in den Beinen bzw. im Oberschenkel ein häufiges Symptom. Dabei muss das taube Gefühl nicht anhaltend sein, sondern kann immer wieder auftreten. Eine Behandlung des Bandscheibenvorfalls in der LWS kann helfen, den bedrängten Nerv im unteren Rücken zu beruhigen. In den seltensten Fällen ist bei einem Bandscheibenvorfall ein chirurgischer Eingriff notwendig.

2. Muskelverspannungen

Starke Verspannungen, wie sie auch bei einem Hexenschuss vorkommen können, sind manchmal der Auslöser für ein vorübergehendes Taubheitsgefühl im Oberschenkel. Dabei kann einerseits starke sportliche Belastung der Auslöser sein, andererseits führt auch langes, ungesundes Sitzen zu Muskelverspannungen. Verhärtete Muskeln können auf einen sensiblen Nerv drücken, der in diesem Bereich verläuft. Am besten kann man das Gefühl mit dem Einschlafen des Beins vergleichen.

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3. Vitamin B12-Mangel

Die Rolle von Vitamin B12 sollte nicht unterschätzt werden. Das Vitamin ist an vielen Prozessen im Körper beteiligt - unter anderem an der Funktion der Nerven. Mögliche Folge eines Mangels sind ein Kribbeln oder Taubheitsgefühle, die nicht nur in den Händen, den Armen, den Beinen oder den Füßen, sondern auch in ganz unterschiedlichen Bereichen des Körpers auftreten können. Auch kann ein sogenanntes Muskel- oder Nervenbrennen mit einem Vitamin B12-Mangel vergesellschaftet sein.

4. Restless-Legs-Syndrom (RLS)

Treten Taubheitsgefühle, ein Kribbeln oder auch leichte Schmerzen an Beinen und Füßen auf, kann dies auf das Restless-Legs-Syndrom hindeuten. Typisch sind auch eingeschlafene Beine. Die Beschwerden treten vor allem abends oder nachts auf, was das Ein- und Durchschlafen für viele Betroffene zur Unmöglichkeit macht. Bei Bewegung lassen die Symptome in der Regel nach. Die Ursachen für das Restless-Legs-Syndrom sind vielfältig.

5. Rückenmarksverletzung

Eine Rückenmarksverletzung stellt eine drastische Diagnose dar. Da das Rückenmark viele wichtige Nervenbahnen beherbergt, ist eine Verletzung in diesem Bereich nicht zu unterschätzen. Häufige Ursachen sind Sport- und Verkehrsunfälle, Stürze sowie Erkrankungen wie ein Bandscheibenvorfall. Es gibt verschiedene Formen von Rückenmarksverletzungen:

  • Erschütterung: Eine Erschütterung des Rückenmarks kann für kurzfristige Störungen in der Motorik führen. Tritt die Erschütterung in der LWS auf, sind auch ein Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Schmerzen im Oberschenkel bzw. Bein keine Seltenheit.
  • Prellung: Eine Prellung kann mit Einblutungen in den Spinalkanal einhergehen und verursacht neurologische Ausfälle. Da das Rückenmark hierbei verletzt wurde, kann es sein, dass manche Beschwerden für immer bleiben.
  • Quetschung: Die Quetschung stellt die gravierendste aller Formen dar. Häufig sind instabile Wirbelkörper oder ein stark ausgeprägter Bandscheibenvorfall die Ursachen.

Rückenmarksverletzungen sind selten der Grund für einen tauben Oberschenkel. Da einer Rückenmarksverletzung meist ein Unfall oder ein schwerer Sturz vorangeht, sind Patienten in der Regel bereits aufgrund des Unfalls schnell in ärztlicher Versorgung.

6. Meralgia paraesthetica (Leistentunnelsyndrom)

Unter dem Leistenband verlaufen Nervenbahnen. Da der Platz hier sehr begrenzt ist, sind Einklemmungen und Entzündungen keine Seltenheit. Bei einer Meralgia paraesthetica ist vor allem der Nervus cutaneus femoris lateralis betroffen. Dieser Hautnerv versorgt die Außenseite des Oberschenkels. Wird der Nerv eingeklemmt, kann ein Kribbeln oder eine taubes Stelle im seitlichen und vorderen Bereich des Oberschenkels auftreten. Mögliche Ursachen sind das Tragen zu enger Kleidung wie Jeans ("Jeanskrankheit") oder Übergewicht. Die Symptome treten vor allem dann auf, wenn der Druck auf den Nerv steigt - etwa beim Tragen enger Hosen und in der Schwangerschaft. Die Symptome werden bei vielen Patient*innen stärker, wenn sie das Hüftgelenk strecken, also das Bein nach hinten führen. Provozieren lassen sich die Beschwerden häufig auch durch langes Stehen bzw. Gehen sowie durch ein langes Liegen mit gestrecktem Bein. Betroffene Personen haben häufiger ein Karpaltunnelsyndrom als andere.

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7. Guillain-Barré-Syndrom (GBS)

Das Guillain-Barré-Syndrom tritt sehr selten auf. Die Taubheitsgefühle entstehen bei dieser Erkrankung durch eine Schädigung der peripheren Nerven. Grund dafür ist eine Autoimmunreaktion. Die Krankheit kann sich sehr plötzlich innerhalb von wenigen Tagen bis hin zu mehrere Monaten entwickeln.

8. Weitere Ursachen

Neben den bereits genannten Ursachen gibt es noch weitere Faktoren, die zu einem Taubheitsgefühl im Oberschenkel führen können:

  • Diabetes: Nervenschäden durch Diabetes betreffen jedoch meist mehrere Nerven zugleich.
  • Erkrankungen im Bauchraum
  • Knochenwucherungen und weitere krankhafte Veränderungen
  • Wachsende Tumore oder Verletzungen (selten)
  • Fahrradfahren, langes Laufen oder ähnliche körperliche Anstrengung
  • Bettlägerigkeit
  • Multiple Sklerose (MS): Auch im Bereich des Oberschenkels kann durch eine MS eine Taubheitsgefühl ausgelöst werden.
  • Psychosomatische Ursachen: Taubheitsgefühle im Bereich der Oberschenkel können auch einer ausgeprägten psychosomatischen Ursache folgen. Auch können bei einer entsprechenden Hyperventilation, die ein Ausdruck einer Panikattacke ist, ebenfalls Taubheitsgefühle in den Fingern, Armen oder Oberschenkeln auftreten.
  • Lipödem: Das so genannte Lipödem ist eine Fettverteilungsstörung vor allen Dingen des Oberschenkels, die meist genetisch angelegt ist. Hier ist Bauchfett des Körpers im Bereich der Oberschenkel ungewöhnlich stark eingelagert, was dann auch zu einer Kompression und Reizung der sensiblen Hautnerven im Bereich des Oberschenkels führen kann.
  • Hüftoperation: Ein Taubheitsgefühl im Oberschenkel nach einer Hüftoperation kann durch eine versehentliche Beschädigung oder Irritation der Nerven kommen, die das Bein versorgen, insbesondere des Nervus femoralis oder des Nervus cutaneus femoris lateralis.
  • Nervenentzündung: Bei einer Nervenentzündung im Bereich der austretenden Nerven der Wirbelsäule kommt es ebenfalls zu einer entsprechenden Reizung von sensible Nerven.

Symptome

Patient*innen mit einem Taubheitsgefühl im Oberschenkel haben Beschwerden an der Vorder- bzw. Außenseite des Oberschenkels. Charakteristisch sind:

  • Kribbeln
  • Brennende Schmerzen
  • Missempfindungen
  • Taubheit

Die Symptome treten vor allem dann auf, wenn der Druck auf den Nerv steigt. Bei vielen Patient*innen werden die Symptome stärker, wenn sie das Hüftgelenk strecken, also das Bein nach hinten führen. Provozieren lassen sich die Beschwerden häufig auch durch langes Stehen bzw. Gehen sowie durch ein langes Liegen mit gestrecktem Bein.

Diagnose

Zur Diagnose genügt oft ein Arztgespräch in Verbindung mit einer gezielten Untersuchung. Taubheit und Schmerzen im betroffenen Hautbereich sind wegweisend. Ein Beklopfen bestimmter Hautbereiche kann Schmerzen hervorrufen (Hoffmann-Tinel-Zeichen). Die Funktion der Muskeln ist nicht beeinträchtigt.

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Folgende Untersuchungsmethoden können eingesetzt werden:

  • Spritzen eines Medikaments zur örtlichen Betäubung an der Durchtrittsstelle des Nervs (eine Schmerzlinderung spricht für eine Meralgia paraesthetica)
  • Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (Neurografie)
  • Ultraschall
  • MRT
  • Spezielle Hirnstrommessung (evozierte Potenziale)
  • Blut-Tests: Mit Blut-Tests lassen sich weitere Hinweise auf die möglichen Ursachen finden. Gemessen werden zum Beispiel der Blutzuckerspiegel und die Menge bestimmter Vitamine und Mineralstoffe.
  • Sensibilitätsprüfung: Eine ausführliche Sensibilitätsprüfung mit einem Pinsel kann zeigen, wie groß der Bereich der Sensibilitätsstörung ist. Anhand dieses Bereiches kann man schon beurteilen, welche Nerven dieses Gebiet versorgen.
  • Röntgenbilder: Röntgenbilder zeigen vor allem Knochen und auch Sehnen, wenn diese im Verlauf verkalkt sind. Hat man vor allem nach einem Unfall den Verdacht, dass Knochen des Oberschenkels verletzt ist und die Ursache für das angegebene Taubheitsgefühl ist, kann man eine Röntgenaufnahme in 2 Ebenen im Bereich des Oberschenkels durchführen.

Differentialdiagnose

Als wichtige Differentialdiagnose von Taubheitsgefühl im Bereich des Oberschenkels sollte immer auch ein Bandscheibenvorfall der LWS ausgeschlossen werden.

Wann sollte man einen Arzt aufsuchen?

Ein Taubheitsgefühl im Oberschenkel sollte von einem Arzt abgeklärt werden, wenn:

  • es plötzlich auftritt und mit anderen Symptomen wie Lähmungen oder Sprachproblemen einhergeht (Verdacht auf Schlaganfall)
  • es nicht nach kurzer Zeit von selbst verschwindet
  • es von starken Schmerzen begleitet wird
  • es sich verschlimmert oder ausbreitet
  • es die Lebensqualität beeinträchtigt

Hier kann man entweder einen Neurologen oder einen Orthopäden zurate ziehen. In jedem Fall sollte man auch einen Orthopäden aufsuchen, wenn neben den Taubheitsgefühlen auch Schmerzen im Bereich der Oberschenkel aufgetreten sind.

Behandlung

Nicht immer ist eine Behandlung notwendig. Bei einem Viertel der Betroffenen bessern sich die Beschwerden spontan. Die Behandlung eines Taubheitsgefühls im Oberschenkel richtet sich jeweils nach der Ursache. Die Dauer, bis das Taubheitsgefühl und auch die Schmerzen im Bereich des Oberschenkels verschwunden sind, richtet sich nach der auslösenden Ursache. Sollte es zu einer Schädigung von Nerven gekommen sein, muss mit einer Monate bis Jahre dauernden Genesungszeit gerechnet werden.

Konservative Behandlung

  • Physiotherapie: Eine Physiotherapie kann die Beschwerden lindern und helfen, die Muskulatur des Oberschenkels, der Hüfte und des Beckens zu stärken und so eine bessere Körperhaltung einzunehmen, die die Entlastung des Nerven begünstigt.
  • Schmerztherapie: Ein durch die Nervenschädigung bedingter Schmerz (neuropathischer Schmerz) sollte frühzeitig mit einer Schmerztherapie behandelt werden. Es kann vorteilhaft sein, mehrere Behandlungsmethoden zu kombinieren. Für die akute Schmerztherapie können Schmerzmittel wie nicht-steroidale Antirheumatika eingesetzt werden. Dazu zählen Mittel wie Ibuprofen oder Diclofenac. Bei besonderem Bedarf können auch andere, stärkere Schmerzmittel eingesetzt werden. Die Medikamente können als Tabletten eingenommen oder mit einer Spritze direkt an den schmerzenden Nerven gebracht werden.
  • Infiltration: Ein Medikament zur örtlichen Betäubung kann in das Gewebe gespritzt werden (Infiltration). Auch Kortison kommt hier manchmal in Betracht.
  • Hydrodissektion: Bei der Hydrodissektion wird das den Nerven umgebende Gewebe mit Zuckerlösung gespült. Dem Nerven wird so mehr Platz geschaffen und die Kompression auf ihn verringert.
  • Gewichtsreduktion: Gegebenenfalls kann eine Gewichtsreduktion hilfreich sein.
  • Vermeidung enger Kleidung: Vermeiden Sie das Tragen enger Hosen.
  • Vermeidung von Streckbewegungen im Hüftgelenk.
  • Ergonomische Anpassung des Arbeitsplatzes: Besonders Menschen, die bei der Arbeit viel sitzen, kann eine ergonomische Anpassung des Arbeitsplatzes guttun.

Operative Behandlung

Operiert wird nur selten, wenn die Beschwerden sehr stark sind bzw. nicht auf andere Behandlungsversuche ansprechen.

  • Dekompression und Neurolyse: Eine Möglichkeit besteht in der operativen Beseitigung aller einengenden Strukturen (Dekompression) und Freilegung des Nerven (Neurolyse).
  • Neurektomie: Eine zweite Möglichkeit ist es, den Nerv zu durchtrennen (Neurektomie) und gezielt Nervengewebe abzutragen. Diese Methode gilt als letzter Ausweg: Sie ist sehr wirksam gegen Schmerzen; sie führt jedoch auch zu einem dauerhaften Verlust des Empfindungsvermögens im betroffenen Hautbereich.

Behandlung von spezifischen Ursachen

  • Bandscheibenvorfall: Auch, wenn es sich um einen Bandscheibenvorfall handelt, kann dieser oft auch konservativ durch entsprechende Physiotherapie behandelt werden. In einigen Fällen kann es notwendig werden, dass eine operative Maßnahme notwendig wird, um die Nervenkompression, die durch den Bandscheibenvorfall entstanden ist, zu beheben. Hier wird in einem neurochirurgischen Eingriff die herausgerutschte und komprimierende Bandscheibe abgetragen und so der eingeklemmte Nerv befreit.
  • Vitamin B12-Mangel: Ein Vitamin B12-Mangel kann durch entsprechende Nahrungsergänzungsmittel behoben werden.

Prognose

In 25 % der Fälle klingen die Schmerzen von selbst ab. Die konservative Behandlung ist meistens erfolgreich. Eine Neurektomie führt am ehesten zu dauerhafter Schmerzfreiheit. In manchen Fällen bleiben die Schmerzen dauerhaft bestehen. Eine Neurektomie kann als Komplikation Schmerzen auslösen.

Prävention

Zur Prävention der Meralgia parästhetica eignen sich viele der Maßnahmen, die auch zu deren Behandlung eingesetzt werden. Gewichtsreduktion, passende Kleidung und angemessene sportliche Bewegung sind essenzielle Bestandteile der Vorbeugung. Um eine gesunde Körperhaltung zu fördern können außerdem ergonomische Sitz- und Stehpositionen in den Alltag integriert werden.

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