Die transiente globale Amnesie (TGA) ist ein faszinierendes neurologisches Syndrom, das durch einen plötzlichen Verlust des Gedächtnisses gekennzeichnet ist. Obwohl die TGA in der Regel harmlos ist und sich von selbst wieder auflöst, kann sie sowohl für die Betroffenen als auch für ihre Angehörigen sehr beunruhigend sein. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und aktuelle Erkenntnisse zur TGA, um ein umfassendes Verständnis dieser Erkrankung zu ermöglichen.
Was ist eine Transiente Globale Amnesie (TGA)?
Die transiente globale Amnesie (TGA), auch amnestische Episode genannt, ist eine vorübergehende Störung des Gedächtnisses, die plötzlich auftritt und sich innerhalb von 24 Stunden wieder vollständig zurückbildet. Betroffene sind vor allem durch eine anterograde Amnesie gekennzeichnet, was bedeutet, dass sie keine neuen Informationen mehr abspeichern können. Weniger stark ausgeprägt ist die retrograde Amnesie, bei der Schwierigkeiten bestehen, sich an bereits vorhandene Erinnerungen zu erinnern, insbesondere solche aus der jüngeren Vergangenheit.
PD Dr. Jochen Brich, Oberarzt an der Klinik für Neurologie und Neurophysiologie des Universitätsklinikums Freiburg, betont, dass es wichtig ist, andere Ursachen für Gedächtnisverlust auszuschließen, wie Schlaganfälle oder epileptische Anfälle.
Symptome der TGA
Das Leitsymptom der TGA ist die akut einsetzende Störung des Kurzzeitgedächtnisses. Patienten sind während der Episode oft desorientiert bezüglich Zeit, Ort und Situation, während die Orientierung zur eigenen Person erhalten bleibt. Typischerweise stellen sie immer wieder dieselben Fragen, ohne sich an die Antworten erinnern zu können.
Weitere Symptome können sein:
Lesen Sie auch: Neurologie vs. Psychiatrie
- Anterograde Amnesie: Unfähigkeit, neue Informationen zu speichern.
- Retrograde Amnesie: Schwierigkeiten, sich an Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit zu erinnern.
- Wiederholtes Fragen: Stellen immer wieder derselben Fragen.
- Ratlosigkeit und Angst: Die Betroffenen wirken oft verwirrt und ängstlich.
- Keine neurologischen Ausfälle: Keine Lähmungen, Sprachstörungen oder andere neurologische Symptome.
- Mögliche Begleitsymptome: Übelkeit, Schwindel oder Kopfschmerzen können auftreten.
Ursachen und Auslöser der TGA
Die genaue Ursache der TGA ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird vermutet, dass eine vorübergehende Funktionsstörung des mediobasalen Temporallappens, einschließlich des Hippocampus, eine Rolle spielt. Verschiedene Faktoren können als Auslöser für eine TGA fungieren:
- Emotionale Belastungen: Stress, Streitigkeiten oder Trauer können eine TGA auslösen.
- Körperliche Anstrengung: Joggen, Skilanglauf oder andere anstrengende Aktivitäten.
- Geschlechtsverkehr: In einigen Fällen wurde Geschlechtsverkehr als Auslöser identifiziert.
- Kaltes oder warmes Wasser: Eintauchen in kaltes oder warmes Wasser kann eine TGA provozieren.
- Medizinische Eingriffe: Koronarangiografie, DSA der hirnversorgenden Gefäße oder Koloskopie.
- Valsalva-Manöver: Erhöhung des Drucks im Brustraum, z.B. beim Heben schwerer Lasten.
Eine erhöhte Anzahl von Migräneanamnesen bei Patienten mit TGA sowie flüchtige Befunde im diffusionsgewichteten MRT könnten für eine „spreading depression“ des hippokampalen Metabolismus sprechen. Die Assoziation mit Valsalva-ähnlichen Manövern und Jugularveneninsuffizienz deutet auf eine venöse Genese hin.
Diagnose der TGA
Die Diagnose der TGA basiert hauptsächlich auf der Anamnese, der neurologischen Untersuchung und neuropsychologischen Tests. Es ist wichtig, andere mögliche Ursachen für Gedächtnisverlust auszuschließen.
Anamnese und Neurologische Untersuchung
Eine sorgfältige Anamnese und neurologische Untersuchung sind entscheidend, um die Diagnose TGA zu stellen. Dabei werden folgende Punkte berücksichtigt:
- Befragung des Patienten und von Angehörigen: Informationen über den Beginn, die Dauer und die Begleitumstände der Gedächtnisstörung.
- Neurologische Untersuchung: Überprüfung der Hirnfunktionen, um neurologische Ausfälle auszuschließen.
- Orientierende neuropsychologische Untersuchung: Prüfung der Gedächtnisleistung, der Orientierung und anderer kognitiver Funktionen.
Amnesie-Tests
Spezielle Amnesie-Tests können helfen, das Ausmaß der Gedächtnisstörung zu beurteilen. Beispiele hierfür sind:
Lesen Sie auch: Expertise in Neurologie: Universitätsklinik Heidelberg
- Erinnern von Wörtern: Der Patient muss sich eine Liste von Wörtern merken und diese nach einer bestimmten Zeit wiedergeben.
- Wiederfinden versteckter Objekte: Der Patient muss sich merken, wo Objekte versteckt wurden und diese später wiederfinden.
Bildgebende Verfahren
In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) eingesetzt werden, um die Diagnose zu unterstützen und andere Ursachen auszuschließen.
- MRT: Häufig zeigen die Aufnahmen bei einer TGA helle Flecken im Hippocampus (DWI-Läsionen), die allerdings frühestens zwölf Stunden nach Beginn der Gedächtnisstörung auftreten.
- CT: Ein Schädelcomputertomogramm (CCT) ist während und nach typisch verlaufender TGA in der Regel nicht indiziert.
Differentialdiagnose
Es ist wichtig, andere Erkrankungen auszuschließen, die ähnliche Symptome verursachen können:
- Schlaganfall: Insbesondere im hinteren Stromgebiet des Gehirns.
- Epileptische Anfälle: Transiente epileptische Amnesie (TEA).
- Hirninfektionen: Enzephalitis.
- Metabolische Ursachen: Hypoglykämie, Elektrolytstörungen.
- Psychiatrische Ursachen: Dissoziative Zustände, akute Belastungsreaktion.
Therapie und Prognose der TGA
Da es sich bei der TGA um ein selbstlimitierendes Krankheitsbild handelt, ist im klassischen Fall keine medikamentöse Therapie erforderlich. Die Behandlung konzentriert sich hauptsächlich darauf, den Patienten zu beruhigen und die Angehörigen zu unterstützen.
Akutbehandlung
- Beruhigung des Patienten: Die Betroffenen und die Angehörigen sollten beruhigt und über die vorübergehende Natur der Symptome aufgeklärt werden.
- Überwachung: Eine stationäre Überwachung für mindestens 24 Stunden oder bis zum Abklingen der Symptome kann in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn keine Möglichkeit besteht, dass Angehörige den Patienten überwachen.
Langzeitprognose
Die Prognose der TGA ist gut. In der Regel bilden sich die Symptome innerhalb von Stunden bis Tagen zurück, und die Patienten erholen sich vollständig. Es besteht jedoch ein Risiko für ein Wiederauftreten der TGA, das zwischen 12 und 27 Prozent liegt.
Massnahmen zur Rezidivprophylaxe sind nicht bekannt, da die pathophysiologischen Vorgänge hinter der TGA noch nicht vollständig aufgeklärt sind.
Lesen Sie auch: Aktuelle Informationen zur Neurologie in Salzgitter
Aktuelle Erkenntnisse und Forschung zur TGA
Die Forschung zur TGA hat in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse gebracht:
- Rezidivrisiko: Das Rezidivrisiko liegt zwischen 12 und 27%. Der Großteil der Patienten (85%) erleidet drei oder weniger Rezidive.
- Tageszeitliche Schwankungen: Das Risiko für eine TGA ist während des Vormittags (10-11 Uhr) und am späteren Nachmittag (17-18 Uhr) am größten.
- Migräne als Risikofaktor: Das TGA-Risiko bei Migränepatienten ist um das 2,5fache erhöht.
- Limbisches System und Hippocampus: Veränderungen der funktionellen Konnektivität im limbischen System und Hippocampus wurden nachgewiesen.
- DWI-Läsionen: Im Hippocampus, besonders in der CA1-Region, findet man 24-72 Stunden nach der TGA typische Läsionen in der diffusionsgewichteten Bildgebung (DWI-Läsionen).
Fallbeispiel
Ein 54-jähriger Mann wurde aufgrund eines Unwohlseins in der Hausarztpraxis vorgestellt. Zuvor hatte er sich im Auto eingenässt. Er konnte sich nicht erinnern, wie er zur Hausarztpraxis gekommen war, wusste aber, dass er bei einem geschäftlichen Termin war. In der Anamnese konnte er Informationen zur Person und relevante Fragen zur persönlichen Geschichte korrekt beantworten. Der typische Aspekt einer TGA, nämlich das Stellen wiederholter Fragen und die fehlende neue Bildung von Gedächtnisinhalten, war zunächst nicht klar zu erkennen. Erst die Familie berichtete, dass der Patient ihnen in der Wartezeit alle paar Minuten dieselben Fragen stellte. Die neurologische Untersuchung war unauffällig. Aufgrund der nicht-typischen Präsentation erfolgte eine notfallmäßige Bildgebung, wo keine pathologischen Befunde festgestellt wurden. Am Folgetag war die Gedächtnisstörung vollständig rückläufig. Es blieb allerdings eine mnestische Lücke für die Zeit zwischen dem Besuch der Hausarztpraxis und dem Morgen. Sowohl ein MRT als auch ein EEG erbrachten keine relevanten Befunde.
tags: #TGA #Neurologie #Ursachen