Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) sind die häufigste Todesursache weltweit. Infektionskrankheiten zählen ebenfalls zu den 10 häufigsten globalen Todesursachen, insbesondere COVID-19- und Atemwegsinfektionen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Forschung im Bereich der Impfungen gegen Schlaganfall zunehmend an Bedeutung. Impfungen sind nicht nur ein Schutz vor Infektionen, sondern auch ein wichtiger Faktor für die Herzgesundheit und die Prävention von zerebrovaskulären Ereignissen.
Die Rolle von Impfungen in der kardiovaskulären Prävention
Die European Society of Cardiology (ESC) bewertet Impfungen in einem Konsensuspapier als die vierte Säule der kardiovaskulären Prävention. Erhöhte Spiegel an Entzündungsmarkern im Blut gehen mit einem deutlichen Risiko für atherosklerotische Herzerkrankungen einher. Infektionen, die einem Entzündungsausbruch gleichkommen, sollten vermieden werden.
Grippeimpfung
Die jährliche Grippeimpfung wird klar empfohlen, um schweren kardiovaskulären Ereignissen, Herzrhythmusstörungen sowie einer Herzschwäche vorzubeugen. In Studien kam es bei Geimpften seltener zu schweren kardiovaskulären Ereignissen (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall) im Vergleich zu Patienten ohne Impfung. Bei Patientinnen und Patienten, die während des Krankenhausaufenthalts nach einem akuten Herzinfarkt geimpft wurden, konnte die kardiovaskuläre Sterblichkeit verringert werden.
Pneumokokken-Impfung
Die Pneumokokken-Impfung verhindert invasive Krankheitsverläufe einer bakteriellen Lungenentzündung zu 60-70 Prozent. Nach einer akuten Atemwegserkrankung durch Pneumokokken ist das Herzinfarktrisiko noch tagelang, das Schlaganfallrisiko sogar noch wochenlang signifikant erhöht.
COVID-19-Impfung
Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 verringern die Schwere der Infektion und die Zahl an Krankenhausaufenthalten und Todesfällen. Ungeimpfte Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben einen deutlich schwereren Covid-Verlauf als Geimpfte und ein um etwa 30 Prozent höheres Risiko, an Long-Covid zu erkranken.
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RSV-Impfung
Das Respiratorische Syncytial-Virus (RSV) trifft neben Kindern hauptsächlich auch Erwachsene über 60 Jahre, insbesondere solche mit kardiovaskulären Erkrankungen. Bei 20 Prozent dieser Personen können kardiale Ereignisse auftreten.
Herpes Zoster-Impfung
Herpes Zoster (Gürtelrose) wird mit kardiovaskulären Komplikationen wie akutem Herzinfarkt, Schlaganfall und vorübergehender ischämischer Attacke in Verbindung gebracht. Eine Herpes-zoster-Impfung könnte Patienten neben ihrer eigentlichen Funktion einen weiteren, bedeutenden zerebrovaskulären Vorteil bringen. In einer Beobachtungsstudie hat sich herausgestellt, dass Menschen, die gegen Zoster geimpft waren, ein um 16% geringeres Schlaganfallrisiko hatten als nichtgeimpfte Kontrollpersonen.
HPV-Impfung
Eine Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV) ist mit einem bis zu vierfach erhöhten Risiko für atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen, koronare Herzkrankheit und Schlaganfall verbunden. Eine HPV-Impfung scheint bei fast 100 Prozent der Personen wirksam zu sein - gerade bei Frauen wird damit das Herz-Kreislauf-Risiko einer Impfung verhindert.
Der Zusammenhang zwischen Atemwegsinfektionen und kardiovaskulären Ereignissen
Infekte des Respirationstrakts sind mit einer gesteigerten Häufigkeit von kardiovaskulären Komplikationen wie Herzinfarkten, Schlaganfällen und Herzinsuffizienzdekompensationen assoziiert. Die Häufigkeit des Herzinfarktes kann nach einer Influenza-Infektion um das 6- bis 8-fache in den ersten 7 Tagen nach Infektion gesteigert sein. Bei chronischer Herzinsuffizienz ist die Sterblichkeit nach einem Atemwegsinfekt im Verlauf des nächsten Jahres um den Faktor 5 bis 8 erhöht.
Eine akute Atemwegsentzündung im Zusammenspiel mit infektionsbedingt schlechterer Sauerstoffversorgung und aktivierter Blutgerinnung könne einen solchen Gefäßverschluss bei bereits bestehenden Engstellen auslösen. Wird also eine Influenza oder Lungenentzündung verhindert oder verläuft weniger schwer, kann dieses Risiko gesenkt werden.
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Impfempfehlungen für Risikogruppen
Grundsätzlich gelten die Impfempfehlungen der Allgemeinbevölkerung auch für Herzkranke. Besonders aufmerksam sollten Menschen ab 65 Jahren, mit Herzschwäche (Herzinsuffizienz), koronarer Herzkrankheit (KHK), Diabetes oder in immunsupprimierten Situationen sein - hier wird der Schutz ausdrücklich nahegelegt.
Die ESC gibt eine praktische Orientierung: Vor jedem Winter an den Grippeschutz denken, vor allem wenn bereits ein erhöhtes Herzrisiko besteht, etwa bei einer koronaren Herzerkrankung. Eine Pneumokokken-Impfung wird grundsätzlich allen Personen über 60 Jahren empfohlen. Die ESC rät alle fünf bis zehn Jahre zur Auffrischimpfung, insbesondere bei Herzinsuffizienz.
Nach den Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft für Herz- und Lungen-Transplantation sollte vor der Transplantation die Impfung mit Lebendimpfstoffen (MMR, Varizellen, Zoster, Rotavirus) spätestens 4 Wochen vorher abgeschlossen sein. Die Impfung mit inaktivierte Vakzinen (z. B.
Aktuelle Forschungsergebnisse
Grippe und Schlaganfallrisiko
Forscher:innen der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und des Universitätsklinikums Essen haben eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass insbesondere eine akute Grippe die Hirnschäden und neurologischen Ausfälle verschlimmern kann. Die Virusinfektion beeinflusst die Blutgerinnung, wodurch sich wahrscheinlicher Blutgerinnsel bilden, die letztlich zu Gefäßverschlüssen und Schlaganfall führen können. Gerade für vulnerable Patient:innengruppen ist eine frühzeitige Impfung gegen Influenzaviren eine wichtige Schutzmaßnahme.
COVID-19-Impfung und Schlaganfallrisiko
Eine Impfung gegen SARS-CoV-2 erhöht das Risiko für einen Schlaganfall nicht. Eine Studie wertete 2 randomisierte Studien, 3 Kohortenstudien und 11 registerbasierte Studien aus. Insgesamt wurden 17.481 Fälle ischämischer Schlaganfälle erfasst - bei einer Gesamtzahl von 782.989.363 Impfungen. Die Schlaganfallrate betrug insgesamt 4,7 Fälle pro 100.000 Impfungen. Die Schlaganfallrate nach Impfung ist mit der in der Allgemeinbevölkerung vergleichbar. Des Weiteren betonen sie, dass die Schlaganfallrate bei SARS-CoV-2-infizierten Menschen deutlich höher liegt.
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Eine weitere Studie untersuchte, wie häufig nach erster und zweiter Gabe von Vakzinen gegen SARS-CoV-2 bei Menschen im Alter von 18 bis 75 Jahren kardiovaskuläre Ereignisse auftraten, nämlich Myokardinfarkte, Lungenembolien oder Schlaganfälle. Im Ergebnis zeigte die Studie, dass es keine Assoziation zwischen mRNA-Impfstoffen und dem Auftreten dieser schweren kardiovaskulären Komplikationen gab. In Bezug auf die Schlaganfallrate ergab die Auswertung aber für keinen der Impfstoffe ein höheres Risiko.
Zerebrale Sinus- und Hirnvenenthrombosen nach COVID-19-Impfung
Eine in Deutschland durchgeführte Studie beschreibt das Auftreten von zerebrovaskulären Ereignissen, insbesondere Sinus- und Hirnvenenthrombosen im Gehirn, nach Impfung gegen SARS-CoV-2. Es gab signifikant mehr zerebrale Sinus- und Hirnvenenthrombosen (CVT) nach Impfung mit dem SARS-CoV-2-AstraZeneca-Impfstoff als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen. Die Rate der aufgetretenen CVT-Ereignisse war nach einer Erstimpfung mit Vakzinierung mit ChAdOx1 um mehr als neunmal höher als nach Impfung mit den mRNA-Impfstoffen.
Bei Frauen unter 60 Jahren, die eine Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin erhalten hatten, betrug die Ereignisrate für CVT innerhalb eines Monats nach der Erstimpfung 24,2/100.000 Personenjahre, bei gleichaltrigen Männern 8,9/100.000. Die Inzidenzrate der Hirnvenenthrombosen bei Frauen unter 60 nach Gabe des AstraZeneca-Impfstoffs betrug 24,2/100.000 Personenjahre, die von Frauen über 60 nach Gabe des gleichen Impfstoffs 20,5/100.000 Personenjahre.
Nach der Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin ChAdOx1 kann es in sehr seltenen Fällen zu einer Vakzine-induzierten immunogenen thrombotischen Thrombozytopenie (VITT) kommen.
Es muss berücksichtigt werden, dass das Risiko einer Sinusvenenthrombose bei einer COVID-19-Infektion um den Faktor 10 erhöht ist, die Erkrankung führt verhältnismäßig häufig zu thrombotischen Ereignissen mit Todesfolge, die Impfung nur extrem selten.
Herpes-zoster-Impfung und Schlaganfallrisiko
Eine heute bei der „International Stroke Conference“ vorgestellte Studie spricht für einen positiven Begleiteffekt der Impfung. In dieser Beobachtungsstudie hat sich herausgestellt, dass Menschen, die gegen Zoster geimpft waren, ein um 16% geringeres Schlaganfallrisiko hatten als nichtgeimpfte Kontrollpersonen (Inzidenz: 7,18 vs. 8,53 pro 1.000 Personenjahre; Hazard Ratio, 0,84; 95% Konfidenzintervall, 0,81-0,87).
Die Bedeutung der Aufklärung und des Bewusstseins
Bei vielen älteren Personen besteht eine ablehnende oder zögerliche Haltung gegenüber Impfungen. Falsche oder fehlende Informationen, Angst vor Nebenwirkungen und ein allgemeines Misstrauen gegenüber dem Gesundheitswesen können Ursachen der Impfablehnung sein. Entscheidend ist es daher, das Bewusstsein für Impfungen zu stärken, um diese Hochrisiko-Gruppe vor vermeidbaren Infektionen und den schwerwiegenden Folgen, wie Schlaganfall, Herzinfarkt, Hospitalisierungen und Tod zu schützen. Laut den Autorinnen und Autoren sind alle Angehörigen von Gesundheitsberufen, einschließlich Ärztinnen und Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern, Apothekerinnen und Apothekern, dazu aufgerufen, die Bevölkerung proaktiv über den Nutzen von Impfungen aufzuklären.
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