THC bei Demenz: Studienlage, Anwendungsgebiete und Risiken

Demenz ist ein Sammelbegriff für verschiedene Krankheiten, die mit einem fortschreitenden Verlust geistiger Fähigkeiten einhergehen. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz. Da es derzeit keine Heilung gibt, konzentrieren sich Behandlungen auf die Linderung von Symptomen und die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. In diesem Zusammenhang rückt medizinisches Cannabis und insbesondere THC (Tetrahydrocannabinol) zunehmend in den Fokus von Forschung und Diskussion.

Was ist Demenz und wie unterscheidet sie sich von Alzheimer?

Demenz ist ein Oberbegriff für eine Reihe von Erkrankungen, die durch den Verlust geistiger Fähigkeiten wie Gedächtnis, Orientierung, Denkvermögen und Sprache gekennzeichnet sind. Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz, bei der es zu einem fortschreitenden Abbau von Nervenzellen im Gehirn kommt. Andere Demenzformen sind beispielsweise die vaskuläre Demenz und die Lewy-Körperchen-Demenz.

Die Alzheimer-Krankheit äußert sich durch Eiweißablagerungen (Amyloid-Plaques) zwischen den Nervenzellen und Bündelung von Tau-Proteinen im Zellinneren, was zu einer "Vermüllung" des Gehirns führt. Dies führt zu Gedächtnislücken und dem Verlust kognitiver Fähigkeiten.

Klassische Behandlungsmethoden bei Demenz

Die medikamentöse Therapie von Demenz, insbesondere im frühen und mittleren Stadium, zielt primär darauf ab, die Gedächtnisleistung zu erhalten und Begleiterscheinungen zu mildern. Antidementiva blockieren Enzyme, die für den Abbau von Botenstoffen zuständig sind. Allerdings können diese Medikamente teils erhebliche Nebenwirkungen haben.

Neben medikamentösen Ansätzen spielen nicht-medikamentöse Therapien eine wichtige Rolle, um die Lebensqualität von Demenzpatienten zu verbessern und ihre Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten. Dazu gehören beispielsweise:

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  • Ergotherapie: Fördert die motorischen und kognitiven Fähigkeiten.
  • Physiotherapie: Hilft, die körperliche Beweglichkeit zu erhalten.
  • Logopädie: Unterstützt bei Sprach- und Schluckbeschwerden.
  • Psychotherapie: Kann bei Depressionen und Angstzuständen helfen.
  • Musik- und Kunsttherapie: Fördert die Kreativität und das emotionale Wohlbefinden.

Cannabis als alternative Behandlungsoption?

Cannabis und insbesondere THC könnten sich positiv auf den Haushalt der Botenstoffe im Endocannabinoidsystem von Alzheimer-Patienten auswirken. Zudem lassen sich mit Cannabis Stimmungsschwankungen und psychische Probleme lindern. Ein früher Behandlungsbeginn scheint auch hier vorteilhaft zu sein, wobei medizinisches Cannabis von Alzheimer-Patienten relativ gut vertragen wird.

THC und CBD im Fokus der Forschung

Sowohl THC als auch CBD (Cannabidiol) zeigen in Studien Erfolge bei der Behandlung von Demenzsymptomen. Eine Studie aus dem Jahr 2022 untersuchte die Wirkung von medizinischem Cannabisöl mit einem hohen CBD-Gehalt (30% CBD, 1% THC) auf Verhaltensstörungen wie Aggressivität, Reizbarkeit und Unruhe bei Demenzpatienten. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Verringerung der Unruhe in der CBD-Gruppe im Vergleich zur Placebo-Gruppe, ohne dass es zu erhöhten Nebenwirkungen kam. Dieser Effekt trat jedoch erst nach 12 Wochen ein.

Eine andere Studie der Universität Bonn aus dem Jahr 2017 zeigte, dass ältere Mäuse, denen geringe Dosen THC verabreicht wurden, eine Verbesserung ihrer Lernfähigkeit aufwiesen. Nach kurzer Zeit konnten die Forscher keinen Unterschied mehr im Lernverhalten zwischen den mit THC behandelten alten Mäusen und jüngeren, nüchternen Artgenossen feststellen. Bei jungen Mäusen wurde die Lernfähigkeit durch THC jedoch messbar eingeschränkt.

Wie wirkt THC im Gehirn?

Das Gehirn altert schneller, wenn Mäuse keinen funktionsfähigen Rezeptor für THC (Cannabinoid 1 (CB1) Rezeptoren) besitzen. Mit steigendem Alter verringert sich die Menge der im Gehirn natürlich gebildeten Cannabinoide. Wenn die Aktivität des Cannabinoidsystems abnimmt, altert das Gehirn schneller. THC ahmt die Wirkung von körpereigenen Cannabinoiden nach, die wichtige Funktionen im Gehirn erfüllen.

Die Behandlung mit THC kehrte den Leistungsverlust der alten Tiere wieder komplett um. Die molekulare Signatur entsprach nicht mehr der von alten Tieren, sondern war vielmehr jungen Tieren sehr ähnlich. Auch die Zahl der Verknüpfungen der Nervenzellen im Gehirn nahm wieder zu, was eine wichtige Voraussetzung für das Lernvermögen ist.

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Anwendungsgebiete von medizinischem Cannabis bei Demenz

Medizinisches Cannabis könnte bei Demenz vor allem in folgenden Bereichen hilfreich sein:

  • Linderung von neuropsychiatrischen Symptomen: Angstzustände, Unruhe, Aggressivität, Stimmungsschwankungen und Schlafstörungen.
  • Verbesserung der Lebensqualität: Erhöhung des Wohlbefindens und der Selbstständigkeit.
  • Entlastung von Pflegenden: Reduzierung der Belastung durch schwierige Verhaltensweisen der Patienten.
  • Appetitlosigkeit und Schlaflosigkeit: Cannabis kann helfen, diese Symptome zu lindern.
  • Verhindern des Weglaufens: Einige Patienten berichten, dass Cannabis ihnen hilft, nicht mehr von zu Hause wegzulaufen.

Cannabis als Alternative zu Antipsychotika?

Viele Demenzkranke leiden unter Angstzuständen und Gefühlsausbrüchen, die oft mit Antipsychotika behandelt werden. Diese Medikamente können jedoch erhebliche Nebenwirkungen wie Krampfanfälle, Verstopfung, vermehrte Unruhe und Verwirrtheit verursachen. Eine synthetische Form von THC konnte in einer Studie die Panikattacken und Reizbarkeit der Patienten ohne diese Nebenwirkungen um rund 30 Prozent reduzieren.

Erfahrungen von Patienten und Angehörigen

Einige Ärzte in Kalifornien berichten, dass Marihuana ihren Demenzpatienten oft besser hilft als herkömmliche Medikamente, insbesondere gegen Depressionen, Stimmungsschwankungen und Ausraster. Auch Partner und Angehörige von Demenzpatienten berichten von positiven Effekten von Cannabis, da es die Pflege enorm erleichtern würde, ohne die Kranken wie andere Beruhigungsmittel völlig zu benebeln.

Ein 72-jähriger Demenzpatient namens Mark Roberts nimmt zweimal täglich Cannabis-Tropfen gegen Angstzustände und Unruhe ein. Abends zum Einschlafen hilft ihm ein etwas höher dosiertes THC-Gummibärchen. Auch seine Beziehung zu seiner Ehefrau profitiert davon.

Risiken und Nebenwirkungen

Trotz vielversprechender Ergebnisse gibt es auch Risiken und Nebenwirkungen, die bei der Anwendung von Cannabis bei Demenz beachtet werden müssen:

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  • Sturzrisiko: Marihuana kann das Gleichgewichtsgefühl beeinträchtigen und dadurch das Sturzrisiko erhöhen.
  • Schwindelgefühle: Könnten die kognitiven Funktionen von Alzheimer-Patienten noch weiter schwächen.
  • Herzrhythmusstörungen und orthostatische Hypotonie: Patienten mit diesen Vorerkrankungen sind für eine Behandlung mit Cannabis ungeeignet.
  • Psychische Risiken: Intensiver Cannabiskonsum über einen längeren Zeitraum kann besonders für junge Leute psychische Risiken bergen, da ihr Gehirn meist erst ab Mitte 20 vollständig entwickelt ist.

Studie deutet auf erhöhtes Demenzrisiko bei Cannabiskonsum hin

Eine aktuelle Studie aus Kanada, wo Cannabis bereits seit 2018 legalisiert wurde, deutet darauf hin, dass intensiver Cannabiskonsum mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden sein könnte. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung war das Demenzrisiko unter Berücksichtigung soziodemografischer Faktoren und chronischer Erkrankungen um 72 Prozent erhöht. Allerdings wurde in dieser Studie nur ein schwerwiegender Cannabis-Konsum untersucht, der so stark war, dass eine Notaufnahme oder ein stationärer Krankenhausaufenthalt erforderlich wurde. Ob gelegentlicher Cannabiskonsum ebenfalls das Demenzrisiko erhöht, ist bisher nicht bekannt.

Rechtliche Aspekte in Deutschland

Auch in Deutschland können Ärzte medizinisches Marihuana bei Demenz verschreiben. Seit dem 1. April 2024 dürfen Erwachsene ab 18 Jahren bis zu 25 Gramm Cannabis in der Öffentlichkeit bei sich führen. Bis zu drei Cannabis-Pflanzen dürfen privat angebaut werden. Volljährige können sich in sogenannten Cannabis-Clubs zusammenschließen, in denen der Anbau und die Abgabe der Droge seit dem 1. Juli 2024 erlaubt ist.

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