Übungen nach Schlaganfall: Rehabilitation und Wiedererlangung der Lebensqualität

Ein Schlaganfall tritt oft unerwartet auf und kann das Leben von einem Tag auf den anderen verändern. Medizinisch gesehen handelt es sich um eine akute Durchblutungsstörung des Gehirns, die zum Absterben von Gehirnzellen und zum Verlust wichtiger Funktionen führen kann. Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall ist ein Marathon, kein Sprint. Es erfordert Geduld, Ausdauer und die richtige Unterstützung, um verlorene Fähigkeiten wiederzuerlangen oder bestmöglich zu kompensieren.

Die Bedeutung der Rehabilitation nach einem Schlaganfall

Nach einem Schlaganfall sind viele Patienten in der Lage, nach drei bis sechs Monaten wieder zu gehen und grundlegende körperliche Tätigkeiten auszuführen. Um dies zu erreichen, ist ein frühzeitiger Beginn der Rehabilitation und eine intensive Betreuung durch Therapeuten unerlässlich. Die Rehabilitation zielt darauf ab, die Auswirkungen des Schlaganfalls zu minimieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Ziele der Rehabilitation

Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall verfolgt mehrere Ziele gleichzeitig:

  • Wiedererlangung der Funktionsfähigkeit von Gliedmaßen (Arme/Beine)
  • Alltagstaugliches und sicheres Gehen
  • Verhindern von Stürzen
  • Zurückgewinnen von Gleichgewicht und Koordinationsfähigkeit
  • Verbesserung von Ausdauer, Belastbarkeit und Muskelaufbau
  • Training des Herz-Kreislauf-Systems
  • Zurückgewinnen von Lebensqualität, Teilhabe und Unabhängigkeit
  • Vorbeugen eines erneuten Schlaganfalls durch Bewegung, Sport, Fitness und ein aktives Leben

Physiotherapie: Ein Schlüssel zur Wiederherstellung

Die Physiotherapie spielt eine zentrale Rolle bei der Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Sie hilft dem Körper, verlorengegangene Fähigkeiten wiederzuerlangen oder bestmöglich zu kompensieren. Dabei wird gezielt das Zusammenspiel von Muskeln, Nerven und Gehirn stimuliert. Das Gehirn besitzt die bemerkenswerte Fähigkeit der Neuroplastizität, wodurch sich gesunde Hirnareale teilweise neu organisieren und Aufgaben übernehmen können, die zuvor durch geschädigte Bereiche gesteuert wurden.

Inhalte der Physiotherapie

Die Übungen in der Physiotherapie orientieren sich am jeweiligen Funktionsniveau der betroffenen Person und bauen systematisch aufeinander auf. Zu den Schwerpunkten gehören:

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  • Stärkung der Muskulatur: Viele Muskeln sind nach einem Schlaganfall geschwächt oder in ihrer Funktion eingeschränkt.
  • Verbesserung der Bewegungskoordination: Viele Betroffene erleben unkontrollierte oder zittrige Bewegungen.
  • Förderung der Gelenkbeweglichkeit: Immobilität kann zu Steifheit und Schmerzen führen.
  • Spastikmanagement: Einige Schlaganfallpatienten entwickeln Muskelverkrampfungen (Spastiken).

Frühzeitiger Beginn und kontinuierliches Üben

Die ersten Wochen nach dem Ereignis gelten als besonders lernintensiv. In dieser sogenannten frühen Rehabilitationsphase ist das Gehirn besonders empfänglich für Reize. Daher sollte Physiotherapie idealerweise so früh wie möglich beginnen, meist bereits in der Klinik. Doch auch nach der Akutphase ist kontinuierliches Üben entscheidend. Dabei ist es sinnvoll, auch im häuslichen Umfeld aktiv zu bleiben. Ergänzende Physiotherapieübungen zu Hause unterstützen den Erhalt und Ausbau der Fortschritte aus der Praxis. Nicht alle Übungen müssen unter professioneller Anleitung stattfinden.

Beispiele für physiotherapeutische Übungen

Hier sind einige Beispiele für Übungen, die Schlaganfallpatienten durchführen können:

  1. Armheben: Setzen Sie sich aufrecht auf einen stabilen Stuhl. Heben Sie langsam einen Arm nach vorne, bis er in etwa auf Schulterhöhe ist. Versuchen Sie, den Ellenbogen gestreckt zu lassen. Halten Sie die Position für 3-5 Sekunden, senken Sie dann den Arm kontrolliert wieder ab.
    • Variante: Wenn die Bewegung schwerfällt, können Sie den betroffenen Arm mit der gesunden Hand stützen oder führen.
  2. Ball drücken: Nehmen Sie einen weichen Ball (z. B. Therapieknete oder einen Stressball) in die betroffene Hand. Drücken Sie den Ball mit möglichst gleichmäßigem Druck zusammen, halten Sie die Spannung für etwa 5 Sekunden und lassen Sie dann locker.
  3. Beinheben: Legen Sie sich auf eine weiche Unterlage (z. B. eine Gymnastikmatte). Die Beine sind gestreckt. Heben Sie nun ein Bein etwa 20-30 cm an, halten Sie die Position für ein paar Sekunden und senken Sie es dann langsam wieder ab.
    • Tipp: Diese Übung kann auch mit Unterstützung durchgeführt werden.
  4. Gewichtsverlagerung: Stellen Sie sich hüftbreit an eine Wand oder einen Tisch, an dem Sie sich bei Bedarf abstützen können. Verlagern Sie nun langsam Ihr Körpergewicht von einem Bein auf das andere. Achten Sie dabei darauf, die Fußsohlen fest auf dem Boden zu lassen. Spüren Sie, wie sich der Druck unter dem Fuß verändert.
  5. Seitliches Tippen: Im sicheren Stand (ggf. mit Haltemöglichkeit): Tippen Sie mit der Fußspitze seitlich auf den Boden und führen Sie den Fuß wieder zur Mitte zurück. Wechseln Sie die Seite. Versuchen Sie, die Bewegung flüssig und rhythmisch auszuführen.
  6. Kognitive Übung mit Bewegung: Wählen Sie eine einfache Bewegungsübung, z. B. das Heben der Arme oder Tipp-Bewegungen. Währenddessen nennen Sie bei jeder Wiederholung ein Wort aus einer vorher gewählten Kategorie - etwa Obstsorten, Städte oder Tiernamen.

Wichtige Hinweise

  • Arbeiten Sie niemals gegen Schmerzen!
  • Bei Schwindel oder Kreislaufproblemen sofort pausieren!
  • Passen Sie die Übungen stets an Ihre individuellen Fähigkeiten an!

Ergotherapie: Alltagskompetenzen zurückgewinnen

Die Ergotherapie ist ein weiterer wichtiger Baustein in der Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Sie zielt darauf ab, die motorisch-funktionellen Tätigkeiten wieder zu erlernen und durch eine geschulte Wahrnehmung Bewegungen richtig auszuführen. Ergotherapeuten begleiten ihre Patienten im Alltag, führen und lenken sie bei bestimmten Handlungen und unterstützen sie durch engen Körperkontakt, eine Bewegung bewusst zu spüren und richtig auszuführen.

Inhalte der Ergotherapie

Die Ergotherapie umfasst ein breites Spektrum an Übungen und Aktivitäten, die darauf abzielen, die Selbstständigkeit im Alltag wiederherzustellen:

  • Training alltäglicher Bewegungen: Dazu gehören beispielsweise Zähneputzen, An- und Ausziehen, Körperpflege oder die Zubereitung einer Tasse Kaffee.
  • Anpassung der Umwelt: Der Ergotherapeut kann Empfehlungen geben, wie das Wohnumfeld an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst werden kann, z. B. durch den Einsatz von Mobilitätshilfen wie Rollatoren, Treppenliften oder Badewannenliftern.
  • Gezielte Übungen für die Feinmotorik: Um die Hände gezielt zu stimulieren und die Greiffähigkeit zu optimieren, werden beispielsweise Figuren oder andere Gegenstände in ein großes Behältnis mit Bohnen, Linsen oder Kies getaucht und müssen darin vom Patienten ertastet werden.
  • Schreibübungen: Durch häufiges Kritzeln und Zeichnen auf einem Blatt Papier werden Schreibfähigkeiten und in weiterer Folge das neue Erlernen vieler wichtiger, früher automatisierter Handgriffe gefördert.

Spiegeltherapie

Die Spiegeltherapie hat sich als ergänzende Form der ergotherapeutischen Behandlung erfolgreich bewährt, um Schlaganfall-Patienten zu helfen, ihre beeinträchtigte Körperhälfte wieder zu aktivieren. Durch einen in der Körpermitte platzierten Spiegel, vor dem mit der gesunden Extremität leichte Übungen ausgeführt werden, gewinnt das Gehirn die Illusion, die kranke Körperhälfte sei in Bewegung, wodurch die betroffenen Gliedmaßen wieder vermehrt eingesetzt werden.

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Umgang mit Erinnerungs- und Konzentrationsdefiziten

Erinnerungs- und Konzentrationsdefiziten, die möglicherweise zu einem Vergessen auf das Übungsprogramm vonseiten des Patienten führen, kann der Ergotherapeut bei Bedarf durch das Arbeiten mit Tagebüchern sowie Wecker- und visuellen Anzeigefunktionen erfolgreich entgegenwirken.

Individuelle Anpassung der Therapie

Jeder Mensch, der einen Schlaganfall erlitten hat, ist für den Ergotherapeuten ein individuell zu beurteilender Fall. Ergotherapie zielt darauf ab, jedem Betroffenen mit einem sorgfältig zusammengestellten Übungsprogramm zu helfen, körperliche Defizite nach und nach zu reduzieren. Dabei werden Motorik, Koordinationsfähigkeiten und Sinnesempfindungen ebenso analysiert wie die optische und körperliche Wahrnehmung.

Konkrete Ziele der Ergotherapie

Um den Patienten in dieser Ausnahmesituation zu begleiten und in Ihnen einen neuen Antrieb zur Bewegung zu wecken, wird der Ergotherapeut im Zuge von wöchentlichen Therapiestunden und Hausbesuchen intensiv daran arbeiten, dass Schlaganfallpatienten sich zu Hause zurechtfinden und gewisse Tätigkeiten allmählich wieder selbst ausführen können. Im Zuge der Therapie werden grundsätzliche, alltagsrelevante Bewegungen neu einstudiert und das Körperempfinden verbessert.

Zusätzliche Übungen für zu Hause

Zusätzliche Übungen für zu Hause sind extrem wichtig und können in Real-Life-Szenarios eingebaut werden, um ein optimales Training zur Wiedergewinnung der motorischen Fähigkeiten sowie die Reintegration in die alltägliche Gemeinschaft mit Anderen zu gewährleisten.

Einfache ergotherapeutische Übungen für die Feinmotorik

  • Würfel bewegen: Bewegen Sie einen oder mehrere Würfel regelmäßig zwischen Daumen sowie Zeige- und Mittelfinger, um mehr Sicherheit in der Koordination der Finger zu erlangen.
  • Klavier spielen: Führen Sie auf der Tischplatte mit den Händen wiederholt die Bewegung des Klavierspielens aus, um die Fingerfertigkeit zu trainieren.
  • Ball werfen: Werfen Sie einen Tennis- oder Jonglierball mehrmals rasch zwischen beiden Händen hin und her, um die Geschicklichkeit sowie das schnelle Reaktionsvermögen zu trainieren und die Bewegungen von Finger- und Handgelenken zu stimulieren.
  • Türmchen bauen: Bauen Sie Türmchen aus kleinen Holzklötzen, um die Feinmotorik zu verbessern, das zielsichere Zugreifen zu trainieren und das Gefühl für die Koordination zwischen Händen und Augen sowie für den Arm, der als Stütze gegen die Schwerkraft fungiert, zu verbessern.

Sport und Bewegung als Teil der Rehabilitation

Regelmäßiger Sport kann dazu beitragen, schnell wieder mobil zu werden sowie langfristig Fitness, Kraft und damit auch die Lebensqualität zu erhalten. Durch Sport und Bewegung können verloren gegangene Fähigkeiten zum Teil wiedererlangt werden.

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Vorteile von Sport nach einem Schlaganfall

  • Erhöhung der Ausdauer
  • Training der Muskelkraft und der Koordinationsfähigkeit
  • Verbesserung von Körpergefühl und Wahrnehmung
  • Teilweise Abfederung neurologischer Folgen
  • Kräftigung der Muskeln ermöglicht mehr Aktivität im Alltag
  • Verringerung des Sturzrisikos
  • Vorbeugung weiterer Schlaganfälle durch positiven Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System

Geeignete Sportarten

Geeignete Ausdauersportarten sind zum Beispiel:

  • Schwimmen
  • Walking
  • Nordic Walking
  • Rad fahren
  • Schnelles Spazierengehen

Zusätzlich ist Krafttraining aller großen Muskelgruppen empfehlenswert.

Rehasport

Rehasport wird von einem Arzt verschrieben und umfasst in der Regel 50 Übungseinheiten für einen Zeitraum von 18 Monaten oder 120 Einheiten in 36 Monaten bei starker Beeinträchtigung. Wie genau der Rehasport abläuft, hängt von den individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen der Teilnehmenden ab. Gymnastikübungen und Bewegungsspiele können genauso dazugehören wie Schwimmen.

Bewegung im Alltag

Ergänzen Sie das leichte Sportprogramm um mehr Bewegung im Alltag, zum Beispiel:

  • Gehen Sie häufiger mal ein Stück zu Fuß.
  • Verzichten Sie auf den Fahrstuhl und nehmen Sie stattdessen die Treppen.
  • Gehen Sie beim Telefonieren auf und ab.
  • Gehen Sie mehrmals, um Geschirr und Lebensmittel zum Esstisch zu tragen, statt ein Tablett zu benutzen.

Wichtiger Hinweis

Selbst nach einem leichten Schlaganfall sollten Betroffene keinesfalls in Eigenregie mit Sport beginnen, sondern den Wunsch mit ihrem Arzt besprechen.

Spezielle Therapieansätze

Neben Physiotherapie und Ergotherapie gibt es weitere Therapieansätze, die bei der Rehabilitation nach einem Schlaganfall eingesetzt werden können:

Kognitiv Therapeutische Übungen nach Perfetti

Die "Kognitiv Therapeutischen Übungen" sind eine Behandlungsform für die Rehabilitation von Hemiplegie nach Schlaganfall. Ziel ist die Organisation bzw. Grundlage der Therapie ist der Tastsinn (Sensibilität), der eine wesentliche Rolle bei der Organisation von Bewegungen spielt. Wichtig ist die Förderung des Bewusstseins, der Aufmerksamkeit für die Reizverarbeitung (Wahrnehmung) aus Körper und Bewegung.

Lokale Vibrationstherapie mit NOVAFON

Die sanften Vibrationen der NOVAFON Schallwellengeräte tragen dazu bei, Schmerzen zu reduzieren sowie die Folgen eines Schlaganfalls zu lindern. Sowohl bei altersbedingten Gelenkerkrankungen als auch bei muskulären Problemen schafft die lokale Vibrationstherapie Abhilfe.

Umgang mit Gesichtsfeldausfällen

Einige Schlaganfallpatienten leiden unter Gesichtsfeldausfällen. Dabei fehlt ein kleiner Teil der Textzeile beim Lesen oder Betroffene bemerken auf der Straße nicht, dass links oder rechts vor ihnen eine Laterne steht, der sie ausweichen müssen. Durch gezielte Wahrnehmungsübungen können Betroffene lernen, ihre Umgebung besser wahrzunehmen und den Gesichtsfeldausfall zu kompensieren.

Wahrnehmungstraining

Das Prinzip ist relativ einfach: Die Betroffenen lernen, ihre Umgebung gezielt wahrzunehmen. Das heißt, mit suchenden Augenbewegungen (Sakkaden) wird der Gesichtsfeldausfall zur blinden Seite hin verschoben und die Informationen der blinden Seite können genutzt werden. Es gibt spezialisierte Reha-Einrichtungen, in denen solche Trainingsprogramme angeboten werden. Doch auch am Bildschirm zu Hause können Betroffene mithilfe von Computerprogrammen trainieren.

Motivation und Durchhaltevermögen

Rehabilitation ist ein Marathon, kein Sprint. Gerade bei Rückschlägen oder stagnierenden Fortschritten kann es schwerfallen, motiviert zu bleiben. Große Veränderungen brauchen Zeit. Wer sich zu viel auf einmal vornimmt, riskiert Frust. Dokumentieren Sie Ihre Erfolge, um zu erkennen, was sich verbessert hat. Ein fester Übungszeitpunkt pro Tag schafft Struktur und hilft, das Training zur Gewohnheit zu machen. Partner, Kinder oder Freunde können wichtige Motivatoren sein.

Professionelle Unterstützung

Selbst wenn Sie viele Übungen selbstständig durchführen, bleibt die Zusammenarbeit mit ausgebildeten Physiotherapeut:innen unverzichtbar. Sie erkennen muskuläre Dysbalancen, Bewegungsmuster oder Fehlhaltungen, die Ihnen selbst gar nicht auffallen würden.

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