Tiergestützte Therapie bei Demenz: Ein Weg zu mehr Lebensqualität

Einleitung

Die tiergestützte Therapie ist ein faszinierendes und viel diskutiertes Thema im Bereich der Demenzpflege. Es ist kein Geheimnis, dass Tiere eine einzigartige Fähigkeit besitzen, uns zum Lächeln zu bringen und uns ein Gefühl von Glück und Wärme zu vermitteln. Genau diese Wirkung hat einen bemerkenswerten Einfluss auf demenziell erkrankte Menschen. Demenz betrifft weltweit Millionen von Menschen und stellt eine enorme Herausforderung sowohl für die Betroffenen als auch ihre Familien dar. Leider zeigen erkrankte Menschen in ihrer Situation oftmals aggressives Verhalten, Angstzustände oder auch depressive Verstimmungen. Neben den medizinischen Behandlungsmöglichkeiten gewinnen unterstützende Therapieformen zunehmend an Bedeutung. Eine solche Form, die tiergestützte Therapie, bietet innovative Ansätze, um die Lebensqualität von Menschen mit Demenz deutlich zu verbessern.

Die heilende Kraft der Tiere

Schon seit 1961 wird intensiv daran geforscht, wie Tiere Menschen auf positive Weise beeinflussen können. Tiere haben die bemerkenswerte Fähigkeit, einem Menschen ein starkes Gefühl des Wohlbefindens zu schenken und eine emotionale Verbindung herzustellen. Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass der Kontakt zu Tieren positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität betroffener Menschen haben kann.

Positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden

Die Anwesenheit von Hunden, Katzen, Vögeln und sogar kleinen Tieren, wie Kaninchen oder Meerschweinchen, kann zu einer Reduktion von Stress, Angst und Depressionen führen. Die einfache Berührung eines weichen Fells oder das Streicheln eines Haustieres kann ein Gefühl der Entspannung und des inneren Friedens hervorrufen. Der Kontakt mit Tieren wirkt sich positiv auf die Gesundheit und die Lebensqualität aus. In der Dementenbetreuung hat er sich als ein sinnvolles und leicht umzusetzendes Element erwiesen.

Förderung von Kognition und sozialer Interaktion

Erkrankte zeigten während der Interaktion mit Tieren oft eine gesteigerte Konzentration, verbesserte Sprachfähigkeit und eine erhöhte soziale Interaktion. Darüber hinaus kann die Präsenz von Tieren Erinnerungen und positive Emotionen wecken. Beispielsweise haben das Füttern oder Streicheln besagte Effekte hervorgerufen. Ebenfalls kann die soziale Interaktion durch die tiergestützte Therapie positiv beeinflusst werden. Tiere schaffen oft eine entspannte und ungezwungene Atmosphäre, in der sich Demenzerkrankte sicher und akzeptiert fühlen. Die Anwesenheit von Tieren kann zu Gesprächen, dem Austausch von Erinnerungen und zwischenmenschlichen Beziehungen führen.

Strukturierung des Alltags

Das Leben mit Tieren schafft oft eine Struktur im Alltag, die wiederum dem Gedächtnis und der Orientierung dienlich ist. Manchen Patientinnen und Patienten sind geistig und körperlich in der Lage, sich noch etwas selbst um einen Hund oder eine Katze zu kümmern. Füttern hilft ihnen beispielsweise den Tag zu strukturieren. Dies ist aber die Ausnahme.

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Förderung von Bewegung und Aktivität

Tiertherapie kann darüber hinaus auch Gruppenaktivitäten fördern, bei denen Demenzerkrankte miteinander und mit den Tieren interagieren können. Spazieren mit einem Hund, das Streicheln einer Katze oder das Bürsten eines Ponys ermutigt die Betroffenen, sich zu bewegen und aktiv zu sein. Die regelmäßige Interaktion mit Tieren kann die Muskulatur stärken, die Balance verbessern und die Mobilität fördern.

Vielfalt der Therapietiere

Die Bandbreite an Therapietieren ist groß. Eingesetzt werden Hunde oder Katzen, Meerschweinchen, Kaninchen oder in ländlicher Umgebung auch Nutztiere wie Pferde und Hühner. Manchen hilft sogar der Blick auf Fische in einem Aquarium, um die Beschwerden etwas vergessen zu machen, Verstimmungen oder gar eine Depression zu verbessern und den allgemeinen Gemütszustand aufzuhellen.

Hunde als Therapiebegleiter

Der Kontakt mit ausgebildeten Therapiehunden kann Verhaltensauffälligkeiten und psychische Symptome demenzkranker Patienten in Pflegeeinrichtungen verbessern, wie eine systematische Übersichtsarbeit nun zeigt. Vor 13 Jahren erfüllte sich eine Dozentin einen großen Wunsch und holte eine Jagdhündin als Welpe. Mit 7 Wochen begann das Therapiehundtraining, das bis zum 3. Lebensjahr andauerte. Bis zur Pandemie gab es jährlich Seminare in tiergestützter Therapie für verschiedene Berufsgruppen.

Andere Tiere in der Therapie

Neben Hunden können auch Katzen, Pferde und sogar Fische im Aquarium positive Effekte erzielen. Eine Studie untersuchte die Auswirkungen eines Fischaquariums im Essbereich auf die Nahrungsaufnahme und Gewichtszunahme von Demenzpatienten.

Auswahl des geeigneten Tieres

Bei der Auswahl der Tierart sollte die Geschichte der Patientinnen und Patienten beachtet werden. Wer beispielsweise mit einem Hund aufgewachsen ist, für den ist dies vermutlich die beste Wahl. Vielen fällt die Beziehung zu einem Tier einfacher als zu einem Menschen.

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Wissenschaftliche Erkenntnisse und Forschung

Tiere als Medium in der Therapie sind kein Novum. Bisherige Erkenntnisse aus der Forschung auf dem Gebiet der tiergestützten Therapieverfahren unterstützen dieses in der Praxis vermehrt angewandte Behandlungskonzept. Insbesondere trägt die Arbeit mit Therapie-Tieren am Patienten unter Anleitung ausgebildeter Fachkräfte zur Linderung psychischer und neurologischer Erkrankungen sowie krankheitsbedingter Verhaltensauffälligkeiten bei, wie vergangene Analysen vorhandener Forschung auf diesem Gebiet bestätigen.

Übersichtsarbeiten und Studien

Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit fasst die Evidenz tiergestützter Interventionen im Kontext mit dem Verhalten und den psychischen Beschwerden von Demenzpatienten in Pflegeeinrichtungen zusammen. Von anfänglich 204 ermittelten Artikeln wurden 32 als relevant befundene Studien in die Übersichtsarbeit inkludiert. Die Autoren berücksichtigten Studien aus acht Ländern, die meisten davon in den USA angesiedelt. Alle inkludierten Studien wurden in spezialisierten Pflegeeinrichtungen, Memory-Kliniken oder geriatrischen Krankenhausabteilungen durchgeführt.

Ergebnisse der Forschung

In fast allen Studien kamen Therapie-Hunde zum Einsatz, die übrigen fünf Studien verwendeten Katzen, Pferde oder Aquarien mit Fischen als Intervention. Auf der Ebene der untersuchten Symptome stellten agitiertes und/oder aggressives Verhalten die mit 15 Studien meistuntersuchten Symptome dar. In neun der Studien konnte ein statistisch signifikanter Rückgang dieser Symptome durch die tiergestützte Therapie beobachtet werden. Primär kamen hier Hunde zum Einsatz. Eine Studie untersuchte lediglich in den Abendstunden auftretendes agitiertes Verhalten ("Sundowning"-Syndrom), welches ebenfalls signifikant reduziert werden konnte. In den restlichen fünf Studien konnte keine deutliche Verbesserung des untersuchten Verhaltens erzielt werden. Die Mehrzahl der Studien verzeichnete eine signifikante Verbesserung des sozialen und kommunikativen Verhaltens der untersuchten Patienten. In einigen Studien konnte eine signifikante Verbesserung des Gemütszustands, aber nicht der depressiven Verstimmung erreicht werden, andere Studien verzeichneten eine deutliche Besserung der depressiven Symptome. Auf der Ebene der physischen Aktivität resultierten beide relevanten Studien in einer Erhöhung des Aktivitätslevels durch die Beschäftigung mit Pferden und Hunden.

Doktorarbeit von Sabine Naber

Die Doktorarbeit von Sabine Naber „Wirkungen tiergestützter Interventionen auf Menschen mit Demenz in ambulant betreuten Wohngemeinschaften“ (2018) zeigt, dass regelmäßiger Umgang mit Tieren Stress reduziert, Aggressionen mindert und Freude sowie soziale Interaktion fördern kann. Zudem sorgen sie für mehr Aktivität und ein verbessertes Sozialverhalten von vielen Menschen, die von Demenz betroffen sind.

Tiergestützte Therapie in der Praxis

In der Regel erfolgt die tiergestützte Behandlung mit Besuchstieren, die in das Pflegeheim oder Zuhause der Betroffenen kommen. Hof Lichtblick bietet beispielsweise Tiertherapie mit Hühnern und Kaninchen an, die für die Senioren ein Highlight darstellen und noch Tage danach Gesprächsthema sind.

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Erfahrungsberichte

Herr Müller (Name geändert), ein 76-jähriger Demenzpatient, fand neuen Lebensmut durch den Besuch eines Therapiehundes. Seine Tochter berichtet, wie die Augen ihres Vaters jedes Mal leuchten, wenn der Hund wöchentlich eine Stunde vorbeikommt. Ähnliches berichtet Familie Weber (Name geändert) über ein interaktives Stofftier in Form einer Katze, das bei ihrer demenzkranken Mutter zum Einsatz kommt und für spürbare Verbesserungen sorgt.

Tipps für Angehörige und Pflegekräfte

Für Angehörige und Pflege- bzw. medizinische Fachkräfte bieten sich folgende Tipps hinsichtlich tiergestützter Therapien an:

  • Individuelle Bedürfnisse berücksichtigen: Nicht jede Art der tiergestützten Therapie ist für jeden Demenzkranken geeignet. Beachten Sie die individuelle Geschichte und eventuelle Allergien.
  • Sicherheit gewährleisten: Stellen Sie sicher, dass sowohl das Haustier als auch der Demenzkranke geschützt sind. Für beide geht es um den Aufbau einer Beziehung.

Alternative: Tierroboter

Studien aus dem Bereich der Robotik greifen die Thematik der tiergestützten Therapie auf. Nicht nur sogenannte "humane" Pflegeroboter, sondern auch Tierroboter stehen derzeit im Interesse der Forschung. So werden zunehmend Robotertiere als Ersatz für lebende Tiere auf ihre Eignung als Pflegemaßnahme körperlich und geistig eingeschränkter Menschen untersucht, wie z.B. die Roboterrobbe PARO, die unter anderem auch in der Therapie demenzkranker Menschen zum Einsatz kommt.

Ethische Bedenken

Die ethische Plausibilität des therapeutischen Einsatzes von interaktiven Kuschelrobotern wie PARO (Robbe), AIBO (Hund), CuDDler (Eisbär), Nabaztag (Hase) und NeCoRo oder JustoCat (Katze) ist jedoch umstritten, da trotz höherer Praktikabilität, niedrigerer Kosten und Vorteile bzgl. des Schutzes lebender Therapietiere eine Verarmung und Stereotypisierung des Sozialverhaltens der Patienten befürchtet wird.

Aktivkatze Smart Cat von Robicare

Das Plüschtier - in diesem Fall die Aktivkatze smart cat von Robicare, die miauen und auf Bewegung reagieren kann -, bietet Trost und Gesellschaft.

Einschränkungen und Herausforderungen

Es ist wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Einschränkungen von Demenzkranken zu berücksichtigen. Nicht alle Erkrankten reagieren positiv auf die Interaktion mit Tieren. Einige Personen können Ängste oder Allergien haben, die eine solche Therapieform einschränken. Eine Abstimmung mit den Erkrankten und ggf. Einschränkungen im Einsatz tiergestützter Therapien sind jedoch zu berücksichtigen, wenn Demenzpatienten eine Tierhaarallergie aufweisen oder eine Aversion bzw. ängstliches Verhalten gegenüber den eingesetzten Tieren zeigen.

Fehlende Evidenz

Was die Evidenz der tiergestützten Therapie bei Demenzpatienten betrifft, so kann es auf der Grundlage der vorliegenden systematischen Übersichtsarbeit keine eindeutige Empfehlung für eine Anwendung geben. Für die Etablierung tiergestützter Maßnahmen in der Pflege demenzkranker Menschen fehlt es bisher noch an randomisierten Studien, die höhere Patientenzahlen, einheitliche Messparameter sowie eine eindeutigere Differenzierung der Erkrankungsgrade aufweisen.

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